Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Investitionszulage nach § 21 Abs. 1 Satz 1 BHG 1962 kann nur für Wirtschaftsgüter gewährt werden, die Teil des beweglichen Anlagevermögens sind. Die Zulage kann auch für Wirtschaftsgüter gewährt werden, die nach der Anschaffung oder Herstellung bestimmungsgemäß mit anderen Wirtschaftsgütern des beweglichen Anlagevermögens verbunden werden.

Reparaturaufwand an vorhandenen beweglichen Anlagegütern ist nicht begünstigt.

 

Normenkette

BHG § 21; EStG § 6 Abs. 2, §§ 7, 7a; AO § 94 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige (Stpfl.), eine KG, betreibt in Berlin (West) eine Möbelfabrik. Sie beantragte für eine nach dem 30. Juni 1962 angeschaffte Unterschubfeuerung (Kaufpreis 5373 DM und Einbaukosten 1613 DM) sowie eine Längsanschlagschiene nebst Auflagebock (Kaufpreis insgesamt 622,65 DM), die eine vorhandene "Dübelfix"-Bohrmaschine ergänzen sollte, eine Investitionszulage nach § 21 des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin (West) in der Fassung vom 26. Juli 1962 (BHG 1962) - BGBl 1962 I S. 492, BStBl I 1962, 997 -.

Das Finanzamt (FA) lehnte diese Anträge ab, weil die Unterschubfeuerung als mit der Heizungsanlage fest verbundene, automatische Kohlebeschickungsanlage kein selbständig zu bewertendes Wirtschaftsgut sei, sondern Bestandteil der Betriebsvorrichtung "Heizungsanlage". Die Längsanschlagschiene und der Auflagebock hätten einzeln Anschaffungskosten von weniger als 600 DM. Sie seien zwar von derselben Firma geliefert und in einem Rechnungsbetrag zusammengefaßt worden; sie seien aber keine wirtschaftliche Einheit, da die Anschlagschiene nur bei der "Dübelfix"-Bohrmaschine, der Auflagebock hingegen auch bei anderen Maschinen verwandt werden könne.

Die Stpfl. meint, die eingebaute Feuerungsanlage sei nicht Bestandteil des Kessels, da sie für jeden Kessel zu gebrauchen sei; durch den Einbau sei der Kessel - bis auf den Rost - nicht geändert worden und er werde auch heute teilweise noch ohne das Vorsatzgerät bedient, so z. B. in den Sommermonaten, wenn Holzabfälle und Späne verfeuert würden. Die Längsanschlagschiene sei nicht ohne den Auflagebock zu verwenden, da die 2 1/2 m lange Schiene ohne den Auflagebock durchbiegen würde; der Bock mit einer Höhe von 94 cm sei für die anderen, nur 88 cm hohen Fräsmaschinen nicht zu gebrauchen. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Berufung im wesentlichen statt und führte in seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1965 S. 3 veröffentlichten Entscheidung aus, der Stpfl. sei die Investitionszulage für die Unterschubfeuerung zu gewähren, da diese Anlage zur Zeit der Anschaffung neu und beweglich gewesen sei. Es sei ohne Bedeutung, wie die Anlage später benutzt worden und ob sie durch die feste Verbindung mit dem Grund und Boden zum wesentlichen Bestandteil einer unbeweglichen Sache geworden sei. Die Längsanschlagschiene und der Auflagebock erfüllten ebenfalls die Voraussetzungen des § 21 BHG, da sie eine Sachgesamtheit bildeten, deren Anschaffungskosten insgesamt mehr als 600 DM betragen hätten. Unerheblich sei, daß der Auflagebock auch zweckentfremdet und anderweitig verwendet werden könne; die Einheit werde erst beendet, wenn die tatsächliche gemeinsame Verwendbarkeit der Längsanschlagschiene und des Auflagebocks aufgehoben sei. Im übrigen sei nur entscheidend, ob die Sachgesamtheit bei der Anschaffung bestanden habe. Die Kosten für den Einbau der Unterschubfeuerungsanlage seien hingegen nicht nach § 21 BHG begünstigt, da sie nicht dazu bestimmt gewesen seien, ein neues Wirtschaftsgut herzustellen. Das Wirtschaftsgut (die Heizungsanlage mit Unterschubfeuerung) sei nicht "neu" im Sinne des § 21 BHG, da die Heizungsanlage schon vorher da gewesen sei. Die Stpfl. habe damit auch kein "bewegliches" Wirtschaftsgut geschaffen; denn die Unterschubfeuerung sei Bestandteil der Heizungsanlage, die ihrerseits wesentlicher Bestandteil des Gebäudes sei.

Das FA rügt mit der Revision mangelnde Sachaufklärung und unrichtige Anwendung bestehenden Rechts. Es beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Stpfl. beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Unterschubfeuerung Streitig ist, wie der Begriff "bewegliches Wirtschaftsgut des Anlagevermögens" in § 21 Abs. 1 Satz 1 BHG 1962 auszulegen ist. Da dieser Begriff offensichtlich dem EStG entnommen ist (vgl. §§ 6 Abs. 2, 7 Abs. 1 und 2, 7 a EStG), ist er auch für § 21 BHG 1962 ebenso zu verwenden wie im EStG, soweit nicht der Zweck des BHG dem entgegensteht (vgl. auch Urteile des BFH I 50/55 U vom 23. Juli 1957, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 65 S. 189 - BFH 65, 189 -, BStBl III 1957, 306; VI 84/60 U vom 24. Februar 1961, BFH 72, 515, BStBl III 1961, 188). Nach der Rechtsprechung zum EStG sind "Wirtschaftsgüter" alle nach der Verkehrsauffassung selbständig bewertungs- und bilanzierungsfähigen Güter, die dem Betrieb dienen oder zu dienen bestimmt sind. Dabei ist es nicht erforderlich, daß sie auch selbständig nutzungsfähig sind (BFH-Urteile IV 255/53 U vom 28. Januar 1954, BFH 58, 516, BStBl III 1954, 109; I 27/57 U vom 15. April 1958, BFH 66, 677, BStBl III 1958, 260; I 13/61 U vom 28. Februar 1961, BFH 73, 318, BStBl III 1961, 383). "Beweglich" ist ein Wirtschaftsgut des Anlagevermögens, wenn es zum beweglichen Anlagevermögen des Betriebes gehört oder gehören soll.

Der Senat stimmt dem FG nicht darin zu, daß es nur entscheidend ist, ob das Wirtschaftsgut zur Zeit der Anschaffung beweglich war. Diese Ansicht könnte dazu führen, daß bei der Errichtung von Gebäuden auch die einzelnen Baustoffe nach § 21 BHG 1962 begünstigt würden, wenn der Antragsteller sich die Baustoffe selbst besorgt und dann in ein Gebäude einbauen läßt. Wie das FA zu recht hervorhebt, entspricht ein solches Ergebnis nicht der Absicht des Gesetzgebers.

Neu angeschaffte oder hergestellte Gegenstände dienen dem beweglichen Anlagevermögen auch, wenn sie mit bereits vorhandenen Wirtschaftsgütern des beweglichen Anlagevermögens vermischt oder verbunden werden und gemeinsam mit ihnen in Zukunft betrieblich verwendet werden. Nach dem Zweck des BHG steht eine solche Verbindung und Vermischung der Gewährung einer Investitionszulage nicht entgegen. § 21 Abs. 1 BHG 1962 ist in dieser Hinsicht weit auszulegen, da der Gesetzgeber durch die Investitionszulage die Investitionstätigkeit in Berlin (West) bewußt anregen wollte (vgl. auch Seite 5 des Berichts des Deutschen Bundestags, 4. Wahlperiode, zu Drucksache IV/538). Die neu angeschafften Wirtschaftsgüter verlieren hier zwar durch ihre betriebliche Verwendung wirtschaftlich ihre selbständige Bewertbarkeit und Bilanzierungsfähigkeit. Dies ist jedoch nicht entscheidend. Die Rechtslage ist bei § 21 Abs. 1 BHG 1962 insoweit anders als im Einkommensteuerrecht; denn diese Vorschrift gewährt nicht, wie etwa die §§ 6 Abs. 2 und § 7 a EStG, besondere Abschreibungsvergünstigungen, die eine selbständige Bewertbarkeit und Bilanzierungsfähigkeit des Wirtschaftsguts voraussetzen, sondern sie gewährt einen finanziellen Zuschuß in Höhe von 10 v. H. der Anschaffungskosten. Für die Gewährung der Zulage genügt es, daß zur Zeit der Anschaffung ein selbständiges Wirtschaftsgut mit bestimmten Anschaffungskosten vorhanden war.

Diese Gesetzesauslegung verstößt nicht, wie das FA meint, gegen § 21 Abs. 2 Satz 1 BHG 1962, wonach die begünstigten Wirtschaftsgüter mindestens drei Jahre nach der Anschaffung in einem Betrieb in Berlin (West) verbleiben müssen. Diese Vorschrift bedeutet nicht, daß die neu angeschafften Gegenstände drei Jahre lang selbständige Wirtschaftsgüter sein müssen. Der Gesetzgeber wollte vielmehr nur sicherstellen, daß die Investitionszulage nicht dazu mißbraucht wird, Wirtschaftsgüter unter Inanspruchnahme der Zulage in Berlin (West) anzuschaffen, um sie anschließend alsbald in westdeutsche Betriebe oder Betriebstätten zu überführen.

Eine Investitionszulage kann allerdings nicht gewährt werden, wenn die neuen Wirtschaftsgüter nur als Reparaturmaterial für bereits vorhandene Wirtschaftsgüter dienen sollen.

Anschaffungen dieser Art können im Rahmen des § 21 Abs. 1 BHG 1962 nicht bessergestellt werden als sofort abschreibbare geringwertige Wirtschaftsgüter im Sinne des § 6 Abs. 2 EStG, die nach dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil des Senats VI 302/65 vom 29. Juli 1966 ebenfalls von der Investitionszulage ausgenommen sind. Wird also ein Wirtschaftsgut mit einem im Betrieb vorhandenen Gegenstand des beweglichen Anlagevermögens unlösbar verbunden, so kann eine Investitionszulage nur gewährt werden, wenn der dadurch verursachte Aufwand "Herstellungsaufwand" ist, den der Steuerpflichtige aktiviert hat. Ist diese Voraussetzung erfüllt, so sind in solchen Fällen - entgegen der Auffassung des FG - nicht nur die Anschaffungskosten, sondern auch die Montagekosten begünstigt. Die Absetzung für Abnutzung (AfA) wird in solchen Fällen in Zukunft nach der einheitlichen Restnutzungsdauer und dem Wertansatz bemessen, der sich aus dem bisherigen Buchwert unter Zurechnung der aufgewandten zusätzlichen Herstellungskosten ergibt.

Das angefochtene Urteil war aufzuheben, da das FG von anderen rechtlichen Erwägungen ausgegangen ist. Das FG muß nunmehr erneut prüfen, ob die Unterschubfeuerung die Voraussetzungen des § 21 BHG 1962 erfüllt. Es muß zunächst feststellen, ob die Heizungsanlage, an die die Unterschubfeuerung angebaut wurde, nicht - wie der Betriebsprüfer und die Stpfl. annehmen - eine Betriebsvorrichtung und damit Teil des beweglichen Anlagevermögens war. Ist dagegen die Heizungsanlage ein wesentlicher Bestandteil des Gebäudes, so kann allerdings für die Unterschubfeuerung keine Investitionszulage gewährt werden, weil sie dann kein "bewegliches" Anlagegut ist. Hierbei ist es - entgegen der Ansicht der Stpfl. - ohne Bedeutung, ob der Kessel zeitweise auch ohne die Feuerung bedient wird; denn die Feuerung ist auch in diesem Fall Bestandteil des Kessels, da sie nur zusammen mit einem Kessel nutzungsfähig ist. Das FG muß ferner prüfen, ob die durch die Unterschubfeuerung entstandenen streitigen Kosten Reparaturaufwand oder Herstellungsaufwand waren und wie die Stpfl. diese Kosten buchmäßig behandelt hat. Sollte sie die streitigen Kosten zu Unrecht als laufende Betriebsausgaben verrechnet haben, so kann sie eine Investitionszulage nur erhalten, wenn sie vorher einer Berichtigung des einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheides 1962 nach § 94 Abs. 1 Ziff. 2 AO zugestimmt hat (Urteil des Senats VI 302/65, a. a. O.).

Längsanschlagschiene und Auflageblock.

Gemäß § 21 Abs. 2 Satz 2 BHG 1962 kann eine Investitionszulage nicht gewährt werden für "Wirtschaftsgüter, deren Anschaffungskosten 600 DM nicht übersteigen". Wie der Senat im Urteil VI 302/65 (a. a. O.) dargelegt hat, müssen diese von der Zulage ausgeschlossenen Wirtschaftsgüter jedoch einer selbständigen Bewertung und Nutzung im Sinne des § 6 Abs. 2 EStG 1961 fähig sein. Eine selbständige Nutzungsfähigkeit in diesem Sinne ist aber zu verneinen, wenn das Wirtschaftsgut mit einem anderen so verbunden ist, daß es mit diesem als einheitliches Ganzes in Erscheinung tritt. Der Begriff des "einheitlichen Ganzen" deckt sich im wesentlichen mit dem früher als Abgrenzungsmerkmal verwandten Begriff der "Sachgesamtheit" (vgl. BFH-Urteile I 286/56 S vom 16. Dezember 1958, BFH 68, 198, BStBl III 1959, 77; I 13/61 U, a. a. O.; I 201/62 U vom 27. März 1963, BFH 76, 837, BStBl III 1963, 304).

Gemäß diesen Grundsätzen hat das FG zu Recht untersucht, ob die Längsanschlagschiene und der Auflagebock mit Anschaffungskosten von weniger als 600 DM ein einheitliches Ganzes bildeten. Es hat das bejaht, da beide Gegenstände so aufeinander abgestimmt waren, daß sie nur gemeinsam zu gebrauchen waren. An diese tatsächlichen Feststellungen des FG ist der Senat gebunden. Das FG hat auch zutreffend hervorgehoben, daß diese Einheit nicht dadurch aufgehoben wird, daß der Auflagebock u. U. auch anderweitig verwendet werden kann und möglicherweise bei der Stpfl. auch verwendet wurde. Diese Ansicht entspricht den Grundsätzen des BFH-Urteils I 286/56 S (a. a. O.), nach denen die ein einheitliches Ganzes begründende und damit die selbständige Nutzungsfähigkeit der einzelnen Teile ausschließende Verbindung anzunehmen ist, wenn durch die Trennung eines der Teile der übrige Teil - dies ist hier die Längsanschlagschiene - seine Nutzungsfähigkeit verliert.

Das FG muß jedoch auch bei diesen Gegenständen prüfen, wie die Stpfl. die Anschaffungskosten buchmäßig behandelt hat. Hat sie die Kosten zu Unrecht sofort abgeschrieben und willigt sie nicht in eine Berichtigung des einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheides 1962 ein, so kann ihr für diese Gegenstände keine Investitionszulage gewährt werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412217

BStBl III 1967, 125

BFHE 1967, 313

BFHE 87, 313

DB 1967, 1835

DStR 1967, 165

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