Leitsatz (amtlich)

Weist der Erblasser in seiner Teilungsanordnung ein zu seinem Betriebsvermögen gehörendes Grundstück einem Miterben zu, bei dem es Privatvermögen wird, und setzen sich die Miterben dementsprechend auseinander, so liegt keine Entnahme beim Erblasser, sondern beim Miterben vor.

 

Normenkette

EStG §§ 4-5, 6 Abs. 1 Nr. 4, § 16

 

Tatbestand

Streitig ist, ob bei der Einkommensteuer-Zusammenveranlagung 1962 des am 4. Juni 1962 verstorbenen Steuerpflichtigen mit seiner Ehefrau der Gewinn aus der Entnahme eines bis zum Tode des Steuerpflichtigen zu seinem Betriebsvermögen gehörenden Grundstücks anzusetzen war.

Der Steuerpflichtige (Erblasser) betrieb bis zu seinem Tode als Alleininhaber eine Großhandlung auf dem Grundstück X. Zum Betriebsvermögen gehörten nicht nur das Grundstück X, sondern auch das fremdvermietete Wohngrundstück Y.

Durch testamentarische Teilungsanordnung vom Juni 1959 bestimmte der Erblasser für den Fall seines Todes unter anderem, daß seine Tochter B neben anderen Gegenständen das Haus Y und seine Tochter D das Wein- und Spirituosengeschäft erhalten sollten. Die Teilungsanordnung bezog sich auch auf das übrige Vermögen, an dem neben B und D auch die Tochter C und die Witwe des Erblassers beteiligt wurden. Das Nachlaßgericht erteilte einen Erbschein, nach dem die Revisionsklägerinnen A, B, C und D zu je 1/4 Erben geworden seien. D übernahm bereits am 5. Juni 1962, also einen Tag nach dem Tod des Erblassers, das Geschäft. Am 8. Februar 1963 schlossen die Miterben einen Erbauseinandersetzungsvertrag, in dem sie die Teilungsanordnungen des Erblassers befolgten. Hierbei wurde an B das Grundstück Y aufgelassen, das ihr bereits am Todestage des Erblassers übergeben worden war.

Bei der Zusammenveranlagung des Erblassers mit seiner Ehefrau A für 1962 nahm das FA an, daß die Übertragung des Grundstücks Y aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen der B wegen der Teilungsanordnung des Erblassers bei diesem eine gewinnrealisierende Entnahme sei. Der Teilwert des Grundstücks wurde auf 40 000 DM geschätzt; der Entnahmegewinn wurde dem Erblasser zugerechnet.

Obwohl der Einkommensteuerbescheid B, C und D nicht zugestellt wurde, legten alle Erben Sprungberufung ein, die erfolglos blieb. Das FG führte im wesentlichen aus:

Mit allen Beteiligten sei davon auszugehen, daß die Übertragung des Grundstücks Y auf B unentgeltlich geschehen sei, obwohl B eine monatliche Rente von 120 DM an A aus den Mieteinnahmen des Hauses habe zahlen müssen. Da das Grundstück Y mit der Übertragung aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden sei, müsse eine Entnahme vorliegen. Da die Erben sofort nach dem Tode des Erblassers seine Teilungsanordnungen durchgeführt und den Betrieb nicht fortgesetzt hätten, könne eine Entnahme der Erbengemeinschaft nicht angenommen werden. Dafür kämen nur der Erblasser oder D in Betracht. Als Entnehmer sei der Erblasser anzusehen, weil sich die Erben unmittelbar und ohne Abweichungen von den Anordnungen des Erblassers sofort nach dessen Tode auseinandergesetzt und damit sich zum Werkzeug des Erblassers gemacht hätten. Eine Begünstigung des Entnahmegewinns nach § 34 EStG komme nicht in Betracht.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revisionen der Erben B, C und D, mit denen beantragt wird, den Einkommensteuerbescheid insoweit aufzuheben, als er eine Entnahme des Erblassers ansetzt, oder hilfsweise, die Trennung des Grundstücks Y vom Betriebsvermögen steuerfrei zu lassen oder höchstens mit 10 v. H. zu versteuern, sind unzulässig; die Revision der A mit gleichen Anträgen führt zur Änderung des Zusammenveranlagungsbescheides.

1. Die neuere Rechtsprechung des BFH sieht im Erbfall einen unentgeltlichen, auf außerbetrieblichem Gebiet liegenden Vorgang, durch den der Nachlaß auf den Erben übergeht (vgl. z. B. Urteile des BFH IV 160, 161/54 U vom 17. November 1955, BFH 63, 215, BStBl III 1956, 281; I 115/59 U vom 6. Oktober 1959, BFH 70, 2, BStBl III 1960, 2; IV 184/58 U vom 12. Februar 1960, BFH 70, 459, BStBl III 1960, 172; I 82/60 U vom 21. August 1962, BFH 76, 482, BStBl III 1963, 178; I 400/62 U vom 17. Februar 1965, BFH 82, 296, BStBl III 1965, 354). Der Erbe setzt die Person des Erblassers fort; einkommensteuerlich erhebliche Vorgänge, wie Aufgabe eines Betriebs durch den Erblasser und Wiedereröffnung durch den Erben mit den sich hieraus ergebenden Folgen bei der Gewinnrealisierung und bei der Bewertung, treten durch den Übergang des Nachlaßvermögens auf den Erben nicht ein (vgl. BFH-Urteile VI 265/58 U vom 29. Juli 1960, BFH 71, 414, BStBl III 1960, 404, und IV 346/61 U vom 7. Oktober 1965, BFH 83, 462, BStBl III 1965, 666).

2. Von diesen Grundsätzen geht die Rechtsprechung auch bei der Beurteilung der Erbauseinandersetzung aus. Es wird angenommen, daß die Vermögenswerte, die die Miterben durch die Erbauseinandersetzung aus dem Nachlaß entsprechend ihrem Erbanteil erhalten, jeweils unmittelbar vom Erblasser mit dinglicher Wirkung auf sie übergehen (vgl. besonders Urteile des BFH IV 160, 161/54 U, VI 233/63 U vom 15. Januar 1965, BFH 82, 13, BStBl III 1965, 252, und I 400/62 U). Diese steuerrechtliche Betrachtung weicht von der bürgerlich-rechtlichen Regelung insofern ab, als eine Vererbung einzelner Vermögensgegenstände auf bestimmte Miterben mit dinglicher Wirkung nicht möglich ist. Das Steuerrecht nimmt bei der Erbteilung keine entgeltlichen Geschäfte der Erben untereinander an; Erben, die bestimmte Vermögensgegenstände nicht erhalten, werden an diesen als von vornherein nicht beteiligt angesehen. Es können somit durch eine Erbauseinandersetzung in aller Regel keine steuerlichen Folgen eintreten, wie etwa Veräußerungsgewinne (vgl. besonders BFH-Entscheidungen I 82/60 U, I 400/62 U, IV 416/62 U vom 21. Dezember 1965, BFH 84, 534, BStBl III 1966, 195, und IV 377/61 vom 20. Januar 1966, BFH 85, 279, BStBl III 1966, 312). Im Urteil VI 334/61 U vom 26. Juli 1963 (BFH 77, 435, BStBl III 1963, 480) wurden diese Grundsätze sogar auf eine Abfindung an einen ausscheidenden Miterben angewendet, also auf einen Fall, in dem die Erbauseinandersetzung sich nicht allein auf die Nachlaßmasse erstreckt, sondern zu ihrem Zweck weitere Vermögenswerte, nämlich der Abfindungsbetrag, aufgewendet werden.

3. Nach diesen Grundsätzen bestehen keine Bedenken dagegen, mit der Vorentscheidung davon auszugehen, daß die der Teilungsanordnung entsprechende und nach der Höhe der Erbanteile vorgenommene Teilung des Nachlasses auch im Streitfall auf einer im außerbetrieblichen Bereich der Erben liegenden Erbauseinandersetzung beruht, die bei den Erben nicht zur Gewinnrealisierung führt. Jeder Miterbe erhielt steuerlich die ihm in der Erbauseinandersetzung zugefallenen Wirtschaftsgüter unentgeltlich und unmittelbar vom Erblasser. Hieraus folgt zunächst in Übereinstimmung mit der Vorinstanz, daß der durch die Überführung des Grundstücks Y in das Privatvermögen der B entstehende Entnahmegewinn nicht bei der Erbengemeinschaft erfaßt werden kann.

4. Die gleichen Grundsätze gelten für die Beantwortung der Frage, ob die Erbauseinandersetzung zu einem Entnahmegewinn bei D führt, die den Betrieb erbte, zu deren Betriebsvermögen das an B fallende Grundstück gehörte und aus dem es infolge der Erbteilung ausschied. Denn da das Grundstück nach der steuerlichen Beurteilung der Erbauseinandersetzung als unmittelbar vom Erblasser auf B übergegangen anzusehen ist, kann es zu keinem Zeitpunkt D zugerechnet werden, und deshalb auch nicht von D entnommen worden sein. D erhielt den Betrieb ohne das Grundstück.

5. Im Gegensatz zur Auffassung der Vorinstanz nimmt der Senat keine Entnahme beim Erblasser an. Die Vorinstanz geht zutreffend davon aus, daß die Teilungsanordnung für sich allein gesehen noch nicht die Annahme einer Entnahme beim Erblasser rechtfertigt. Man könnte eine Entnahme beim Erblasser unter dem Gesichtspunkt rechtfertigen, daß in seiner Teilungsanordnung eine durch seinen Tod und durch die seinem Willen entsprechende Auseinandersetzung der Erben bedingte Entnahmehandlung liege, so daß B mit dem Tode des Erblassers ein bereits vom Erblasser zu Privatvermögen gemachtes und deshalb entnommenes Grundstück erhalten habe. Der Senat hält diese Beurteilung aber aus den folgenden Erwägungen nicht für zutreffend. Es kann zunächst sehr zweifelhaft sein, ob sich der Erblasser bei einer oft viele Jahre vor seinem Tode getroffenen Teilungsanordnung einer solchen Entnahme eines bestimmten Wirtschaftsguts besonders dann bewußt war, wenn das Wirtschaftsgut zu dieser Zeit noch nicht zu einem Betriebsvermögen gehörte. Es kommt hinzu, daß erst die tatsächliche Teilung durch die Erben die Teilungsanordnung realisiert und daß diese Teilung auf einer eigenen Willensentschließung der Erben beruht. Daran ändert die Tatsache nichts, daß sich die Erben in vielen Fällen nach den Wünschen des Erblassers richten werden. Die Fälle, daß sie von dieser Anordnung abweichen oder wegen überholter Verhältnisse abweichen müssen, sind indessen nicht selten. Deshalb ist dieser eigene Teilungsentschluß der Erben der für die Gewinnrealisierung entscheidende Vorgang, der erst nach dem Tode des Erblassers liegt, und deshalb bei ihm noch zu keiner Entnahme führen kann.

6. Diese Beurteilung der Vorgänge hat den Vorteil, daß sie zu einer einheitlichen Besteuerung ähnlich liegender Fälle führt und nicht darauf abstellt, ob die Erben einer Teilungsanordnung des Erblassers folgen, ob die Teilung dem Belieben der Erben überlassen ist oder ob sie auf einem Vermächtnis beruht. Würde man der Auffassung der Vorinstanz folgen, so wäre durch sie nur der Fall betroffen, in dem die Erben entsprechend der Teilungsanordnung die Erbaueinandersetzung durchführen, ohne daß ausreichende Gründe dafür ersichtlich wären, diesen Fall anders als die ähnlich liegenden Fälle zu entscheiden. Die vom Senat vertretene Auffassung steht in Einklang mit der Entscheidung des BFH I 120/64 vom 15. März 1967 (BFH 88, 291, BStBl III 1967, 367), in der angenommen wird, daß der in der Vereinigung von Forderung und Schuld in einer Person liegende Rückfluß eines 7 c-Darlehens erst bei dem Erben eintritt, dem bei der Teilung das 7 c-Darlehen zugesprochen wird

Die Auffassung des FG kann nicht auf die Grundsätze gestützt werden, die für den Tod eines Gesellschafters einer Personengesellschaft gelten, nach deren Gesellschaftsvertrag die Gesellschaft ohne die Erben des verstorbenen Gesellschafters fortführt werden soll. Hier nimmt die Rechtsprechung des BFH an (vgl. besonders BFH-Urteil VI 353, 354/62 U vom 26. Juli 1963, BFH 77, 438, BStBl III 1963, 481), daß der durch das Ausscheiden des verstorbenen Gesellschafters entstehende Veräußerungsgewinn beim Erblasser, nicht bei den Erben etwa unter dem Gesichtspunkt eintritt, daß erst die Erben aus der Gesellschaft ausschieden, die Beteiligung also zunächst noch auf sie übergegangen sei. Diese steuerliche Beurteilung beruht auf der gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung, daß die Beteiligung des Gesellschafters mit seinem Tode erlischt. Es liegt eine vertraglich durch den Tod des Gesellschafters auflösend bedingte Beteiligung vor; der Eintritt der Bedingung führt unmittelbar zu einer dinglichen Rechtsänderung, nämlich der Anwachsung der Beteiligung bei den übrigen Gesellschaftern. Der Tod des Erblassers bewirkt hier auf Grund der vorbereitenden gesellschaftsvertraglichen Abmachungen die Aufgabe des gewerblichen Betriebs des Erblassers, so daß es gerechtfertigt ist, in seiner Person den Aufgabegewinn zu erfassen. Bei der Befolgung einer Teilungsanordnung des Erblassers liegen die Verhältnisse wesentlich anders.

7. Der Senat gelangt somit zu dem Ergebnis, daß der Entnahmegewinn B zuzurechnen ist. Durch die Erbauseinandersetzung erwarb sie das Grundstück unmittelbar vom Erblasser, aber noch mit der Eigenschaft als Betriebsvermögen behaftet. Die Entnahme mit Gewinnrealisierung trat erst dadurch ein, daß B das Grundstück in ihr Privatvermögen überführte. Hätte sie es z. B. unter Vereinbarung einer Mitunternehmerschaft mit D in dem von D ererbten Betriebsvermögen belassen, so läge keine Entnahme des Grundstücks vor.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68631

BStBl II 1969, 614

BFHE 1969, 182

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