Leitsatz (amtlich)

Zur Bewertung nichtnotierter Anteile an einer GmbH - Organgesellschaft - auf den 31. Dezember 1952 bei Gewinn- und Verlustausschlußvereinbarung.

 

Normenkette

BewG § 13; AntBewR 1953

 

Tatbestand

Streitig ist die einheitliche und gesonderte Feststellung des gemeinen Wertes von Anteilen an einer GmbH auf den 31. Dezember 1952.

Die Bgin. ist die alleinige Gesellschafterin ihrer Verkaufsgesellschaft-GmbH, deren Gewinne und Verluste sie durch Vereinbarung vom Jahre 1940 auf damals 50 Jahre übernommen hatte. Sie reichte zur Feststellung des gemeinen Wertes der Anteile eine Berechnung ein, in der 2/3 Soforthilfeabgabe (SHA) und 2/3 Vermögensabgabe zur Errechnung der Ertragsaussichten 1950 bis 1953 abgesetzt waren und die zu einem gemeinen Werte für 100 DM Nennkapital von . . . v. H. führte.

Das Finanzamt stellte den gemeinen Wert für 100 DM Nennkapital auf . . . DM fest; als Erläuterung ist hinzugesetzt: "Die Soforthilfeabgabe, soweit sie 1/3 des Jahresbetrages übersteigt und die Vermögensabgabe wurden als Personensteuern nicht berücksichtigt." Die Berechnung erfolgte nach den Richtlinien zur Bewertung nichtnotierter Aktien und Anteile an Kapitalgesellschaften vom 14. Februar 1955 -- AntBewR 1953 -- (BStBl 1955 I S. 97). In der Höhe des Vermögenswertes stimmten beide Berechnungen überein. Den Ertragshundertsatz errechnete die Bgin. auf 29 v. H., das Finanzamt auf 31,44 v. H.

Die Bgin. begehrte, bei den Ertragsaussichten die bei der Körperschaftsteuer nicht abzugsfähigen 2/3-Beträge der Vermögensabgabe und SHA abzusetzen. Später beantragte sie, den gemeinen Wert lediglich mit 80 v. H. des Vermögenswertes festzustellen, da der Ertrag der Organgesellschaft auf Grund der Gewinn- und Verlustausschlußvereinbarung "stets mit 0 DM verbleibe".

Das Finanzamt lehnte den ersten Antrag als zu Abschn. 2 Abs. 6 Ziff. 5 AntBewR 1953 in Widerspruch stehend und den zweiten Antrag unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs I 73/54 U vom 8. März 1955 (BStBl 1955 III S. 187, Slg. Bd. 60 S. 489) ab; die Tochtergesellschaft habe ein tatsächliches Gewinnergebnis, das erst bei der Muttergesellschaft mit deren eigenem Ergebnis zusammengerechnet werde.

Mit der Berufung begehrte die Bgin. in erster Linie, den gemeinen Wert für 100 DM Nennkapital ohne Ansatz eines Ertragswertes, hilfsweise unter Minderung des Ertragswertes um die 2/3 Vermögensabgabe und SHA festzustellen. Das Finanzgericht ging zugunsten der Bgin. über diese Anträge hinaus. Es führte aus: Bei der Errechnung des Vermögenswertes sei ein Abzug von 10 v. H. nach Abschn. 2 Abs. 4 AntBewR 1953 nicht gerechtfertigt, da die Bgin. sämtliche Geschäftsanteile besitze. Die Ertragsaussichten seien bei Gewinn- und Verlustübernahme gleich 0. Der Gewinn oder der Verlust der GmbH sei das Ergebnis sämtlicher betrieblicher Vorgänge einschließlich der Ergebnisübernahmevereinbarung, die nicht ausgeklammert werden dürfe. Die gleiche Ertragslosigkeit könne die Gesellschaft durch anderweitige Geschäftsvereinbarung (z. B. Preisbestimmung) herbeiführen. Die Ergebnisübernahmevereinbarung sei kein immanenter Bestandteil der Geschäftsanteile. Der gemeine Wert betrage aber auch nicht 80 v. H. des Vermögenswertes (+ 0). Die Richtlinien gingen nur von einer dreijährigen Zinsdifferenz aus, während hier für noch 37 Jahre Ertragslosigkeit vereinbart sei. Infolgedessen sei ein Abzug nach § 14 Abs. 3 BewG vom Vermögenswerte vorzunehmen (Vermögenswert der Anteile = Nennwert der Forderung). Nach der Hilfstafel 1 betrage der Gegenwartswert von 100 DM Nennwert bei einer Laufzeit von 37 Jahren = 13,793 DM. Die Anwendung auf den Normalwert des Vermögens ergebe für den 31. Dezember 1952 einen Zeitwert. Der gemeine Wert für je 100 DM Stammkapital errechne sich demnach auf . . . DM.

In seiner Rb. begehrt der Vorsteher des Finanzamts, den gemeinen Wert der Anteile auf den 31. Dezember 1952 entsprechend der Feststellung des Finanzamtes zu bestimmen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Gesetzliche Grundlage für die Bewertung der GmbH-Anteile auf den 31. Dezember 1952 ist § 13 Abs. 2 und 3 BewG. Danach ist für Anteile, soweit sie im Inlande keinen Kurswert haben, der gemeine Wert maßgebend, der mangels Verkaufspreisen unter Berücksichtigung des Gesamtvermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaft zu schätzen ist. Dementsprechend ergingen auf Grund des Art. 108 Abs. 6 des Grundgesetzes (GG) die oben genannten Bewertungsrichtlinien. Zu der hier in Frage stehenden Ermittlung des gemeinen Wertes für Anteile an Kapitalgesellschaften in den Fällen einer Organschaft sind in den Richtlinien keine Anordnungen enthalten. Zur Ausfüllung dieser verwaltungsmäßigen Lücke ergingen später die übereinstimmenden Ländererlasse zur Vermögensteuer, insbesondere hier für Nordrhein-Westfalen der Erlaß vom 22. März 1958 (BStBl 1958 II S. 53). Obwohl die AntBewR 1953 für die Steuergerichte nicht bindend sind, hat sie der Senat als geeignete Bewertungsgrundlage angewendet (sogenanntes Stuttgarter Verfahren).

Grundlage dieser Bewertung ist die Ermittlung des Vermögenswertes (Abschn. 2 Abs. 3 AntBewR 1953). Über diesen Wert bestand und besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Erst das Finanzgericht stellte zwei neue Gesichtspunkte zur Erörterung, indem es die nach Abschn. 2 Abs. 4 AntBewR 1953 auch vom Finanzamt zugelassene Kürzung des ermittelten Vermögens um 10 v. H. für unzutreffend hielt. Der Hinweis auf die Zusammenfassung aller Anteile in der Hand der Bgin. kann die Unterlassung dieser ausdrücklich für alle Fälle vorgesehenen Kürzung nicht rechtfertigen. Wenn ein bestimmtes Verwaltungsverfahren angewendet wird, muß es im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, soweit irgend möglich, in vollem Umfange Anwendung finden. Der vom Finanzgericht herausgestellte Gesichtspunkt könnte unter Umständen zu einem Paketzuschlag nach § 13 Abs. 3 BewG in Verbindung mit Abschn. 4 AntBewR 1953 führen. Erklärungen der Beteiligten und Ermittlungen der Vorinstanz liegen hierzu nicht vor. Die vom Finanzgericht vorgenommene Unterlassung der vorgeschriebenen 10 %igen Kürzung kann keinesfalls ohne weiteres als Paketzuschlag angesehen und zugelassen werden.

Die von den AntBewR 1953 weiterhin vorgesehene Korrektur des Vermögenswertes durch einen Ertragshundertsatz ersetzte das Finanzgericht durch eine eigene, sonst nicht vorgesehene Berechnungsmethode, indem es einerseits von einer Ertragslosigkeit der Tochtergesellschaft ausging, und andererseits das sogenannte ertraglose Vermögen wie eine unverzinsliche befristete Forderung nach § 14 Abs. 3 BewG abzinste. Es fehlt jedoch bereits die erste Voraussetzung für diese Methode, nämlich die Ertragslosigkeit der Tochtergesellschaft im Sinne der Bewertungsrichtlinien zur Ermittlung des gemeinen Wertes. Nach dem Urteil des Reichsfinanzhofs III 253/38 vom 15. Februar 1940 (RStBl 1940 S. 494) kommt es bei der Bewertung von Anteilen einer GmbH, die Organgesellschaft ist, auf das Ergebnis der wirtschaftlichen Betätigung der GmbH an, gleichgültig, ob die Organgesellschaft steuerliches Einkommen hat. Der Einwand der Bgin., das Urteil sei zum sogenannten Berliner Verfahren ergangen, ist nicht durchschlagend, da gerade bei diesem der Ertragswert eine noch größere Rolle spielte. Die Filialtheorie wurde von der Rechtsprechung abgelehnt. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 73/54 U vom 8. März 1955 a. a. O. trat den Grundsätzen des Reichsfinanzhofs bei, "daß der nach den Vorschriften des KStG für die Organgesellschaft errechnete Gewinn dem Gewinn der Muttergesellschaft zuzurechnen sei", da der handelsbilanzmäßige Gewinn beliebig höher oder niedriger festgesetzt werden könne. Das Urteil des Bundesfinanzhofs II 114/56 U vom 25. Juli 1956 (BStBl 1956 III S. 254, Slg. Bd. 63 S. 149) über die Frage der Gesellschaftsteuer bei Verzicht auf Gewinnabführung stellt ein Sonderproblem dar und ist hier nicht verwertbar. Die Organgesellschaft muß wirtschaftlich mit Gewinn oder Verlust abschließen, die Zurechnung ist eine andere Frage. Krekeler-Uhlich-Rößler-Troll, Kommentar zum Bewertungsgesetz, 6. Aufl. 1958, § 13 Anm. VII g verweisen auf das oben genannte Urteil des Reichsfinanzhofs vom 15. Februar 1940 und wollen das Geschäftsergebnis der Organgesellschaft bei der Ermittlung des für sie maßgebenden Ertragshundertsatzes berücksichtigen, weil es sich insoweit um das Ergebnis ihrer eigenen wirtschaftlichen Betätigung handelt. Es dürfte daher die frühere Ansicht von Troll (siehe Rechts- und Wirtschaftspraxis, 14 Steuer-R [D], Konzerne II 13, vom 10. September 1956, 307, 57), auf die sich die Bgin. beruft, überholt sein; abgesehen davon lehnt der Senat die dort vertretene Auffassung, die Organgesellschaft habe keinen berücksichtigungsfähigen Gewinn, aus den oben dargelegten Gründen ab.

Der bereits genannte gemeinschaftliche Ländererlaß (Nordrhein-Westfalen vom 22. März 1958) ordnet verwaltungsmäßig an, das Geschäftergebnis des Organs sei, auch wenn es für Rechnung des Organträgers arbeite, als eigener Betriebsgewinn anzusehen und für die Ermittlung des Ertragshundertsatzes maßgebend. Die dazu erforderlichen Berechnungen müßten wie bei einem Normalfalle durchgeführt werden. Diesen Ausführungen ist zuzustimmen, zumal sie sich mit der bisherigen Rechtsprechung decken. Es bestehen daher keine Bedenken, den Erlaß insoweit auch für den vorliegenden Fall anzuwenden, obwohl er erst für die Bewertung auf den 31. Dezember 1956 erging; denn die in ihm enthaltene Auslegung trifft auch für frühere Stichtage zu. Diese Regelung dürfte am besten der Begriffsbestimmung des gemeinen Wertes in Abschn. 2 Abs. 9 AntBewR 1953 entsprechen, da die Ertragslosigkeit durch Gewinn- und Verlustausschlußvereinbarung keine den Anteilen immanente Eigenschaft ist.

Die Ausführungen des Finanzgerichts über die Ertragslosigkeit sind daher unzutreffend. Infolgedessen entfällt auch die vom Finanzgericht aus der Ertragslosigkeit gezogene Folgerung der Abzinsung nach § 14 Abs. 3 BewG. Die Ausführungen des Finanzgerichts über eine Abzinsung des Nennwertes wegen der noch 37jährigen Dauer der Gewinn- und Verlustausschlußvereinbarung sind aber auch in sich unzutreffend. Bei der Bewertung nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften findet § 14 Abs. 3 BewG keine Anwendung, da die Bewertung eines derartigen Anteiles und die Bewertung einer unverzinslichen Forderung grundsätzlich verschieden sind.

Als letzter Punkt bleibt der Hilfsantrag der Bgin. zu prüfen, bei der Ermittlung der Betriebsgewinne der GmbH die für die Zwecke der Körperschaftsteuer nicht abzugsfähigen 2/3 der Vermögensabgabe und SHA abzusetzen. Obwohl manches für die Anwendung des Abschn. 2 Abs. 6 Ziff. 5 AntBewR 1953 bei der Schätzung des Anteilswertes spricht, verbleibt der Senat bei seiner Entscheidung III 396/58 S vom 19. Dezember 1960 (BStBl 1961 III S. 92, Slg. Bd. 72 S. 241). Danach sind die SHA voll und die Vierteljahresbeträge der Vermögensabgabe auch mit den für die Körperschaftsteuer nicht abzugsfähigen 2/3 bei Ermittlung der Ertragsaussichten abzuziehen, weil beide Beträge eine Verkürzung der Ausschüttungen herbeiführen.

Wegen Verkennung der Rechtslage erfolgt Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung an das Finanzgericht; dieses hat nunmehr unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen den gemeinen Wert der Geschäftsanteile auf den 31. Dezember 1952 festzustellen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410796

BStBl III 1963, 324

BFHE 1964, 19

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