Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Senat hält daran fest, daß der Erwerb eines eigenen Anteils durch eine GmbH in der Regel keine verdeckte Gewinnausschüttung für die verbleibenden Gesellschafter bedeutet.

Auch die Amortisation eines eigenen Anteils der GmbH gemäß § 34 GmbHG allein führt in der Regel nicht zu einem steuerpflichtigen Vorteil für die verbleibenden Gesellschafter. Anders ist es, wenn mit der Amortisation gleichzeitig das Stammkapital der GmbH wieder erhöht wird.

Zur Bedeutung einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Rechtssicherheit.

 

Normenkette

KStG § 6/1/2; EStG § 11 Abs. 1, § 20 Abs. 2 Ziff. 1

 

Tatbestand

Der Bg. ist Gesellschafter einer GmbH, deren Stammkapital 180.000 DM beträgt. Daran waren zunächst außer dem Bg. noch zwei andere Gesellschafter mit je 60.000 DM beteiligt. Ein Gesellschafter schied im Jahre 1951 aus. Die GmbH übernahm seinen Anteil im Nennwert von 60.000 DM für 100.873 DM und aktivierte ihn mit diesem Betrag. In der Bilanz zum 31. Dezember 1956 löste sie dieses Aktivum zu Lasten der freien Rücklage auf. Zuvor hatten die beiden verbliebenen Gesellschafter am 20. Oktober 1956 beschlossen, den eigenen Anteil der GmbH einzuziehen, das Stammkapital von 180.000 DM aber unverändert zu lassen.

Streitig ist, ob die GmbH durch den Erwerb oder die Einziehung des Anteils im Nennwert von 60.000 DM an ihre beiden Gesellschafter verdeckt einen Gewinn ausgeschüttet hat.

Das Finanzamt nahm an, der Bg. und sein Mitgesellschafter hätten insgesamt Freianteile von 60.000 DM erworben; darin liege ein Vorteil im Sinne von § 20 Abs. 2 Ziff. 1 EStG. Es setzte beim Bg. die Hälfte von 60.000 DM = 30.000 DM als Einnahmen aus Kapitalvermögen an. Der Bg. wandte ein, dadurch, daß die GmbH den Anteil erworben und eingezogen habe, sei ihm kein Vorteil zugeflossen.

Die Sprungberufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht, dessen Entscheidung in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1963 S. 111 veröffentlicht ist, führte aus: Wenn eine GmbH den Geschäftsanteil eines ausscheidenden Gesellschafters erwerbe oder ihn nach § 34 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) einziehe und dabei nur die Absicht verfolge, das Ausscheiden eines Gesellschafters mit seinem Gesellschaftsanteil herbeizuführen, so flössen den verbleibenden Gesellschaftern dadurch keine Einnahmen zu. Nur wenn beim Erwerb oder der Einziehung des Anteils eigene Interessen der verbleibenden Gesellschafter mit maßgebend gewesen seien, sei es anders. Im Streitfall hätten die beiden verbleibenden Gesellschafter bei der Behandlung des Geschäftsanteils des ausgeschiedenen Gesellschafters keine besonderen eigenen Interessen verfolgt. Bei der übernahme des Anteils durch die GmbH habe hier nichts darauf hingedeutet, daß die beiden anderen Gesellschafter früher oder später den Anteil des Ausgeschiedenen im eigenen Interesse verwerten wollten. Die Abfindung für den Ausgeschiedenen sei nach dem Wert des Anteils zur Zeit des Ausscheidens bemessen worden. Nach dem Ausscheiden des Gesellschafters habe sich bei der GmbH nichts geändert. Mit der späteren Einziehung des erworbenen Anteils hätten die Beteiligten nur den eingetretenen änderungen im Beteiligungsverhältnis nach außen hin Rechnung tragen wollen. Der Erwerb des Anteils und seine spätere Einziehung seien demnach Fälle, die nach Abschn. II A a des Urteils des Reichsfinanzhofs VI 743/38 vom 1. Februar 1939 (RStBl 1939 S. 556) steuerfrei seien. Das Urteil des Bundesfinanzhofs VI 89/59 U vom 4. Dezember 1959 (BStBl 1960 III S. 90, Slg. Bd. 70 S. 243) stehe dem nicht entgegen; denn der Streitfall sei anders gelagert. Der Beschluß der Gesellschafterversammlung habe sich damals nicht auf die Einziehung des eigenen Geschäftsanteils der GmbH beschränkt, sondern es seien gleichzeitig die Geschäftsanteile der verbleibenden Gesellschafter erhöht worden (Kapitalerhöhung). Im Streitfall sei die GmbH nach § 34 GmbHG vorgegangen. Die Geschäftsanteile der Gesellschafter seien nicht erhöht worden.

Mit der Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Anwendung des § 20 Abs. 2 Ziff. 1 EStG.

Der Bundesminister der Finanzen, der auf Ersuchen des Senats dem Verfahren gemäß § 287 Ziff. 2 AO beigetreten war, hält die Entscheidung des Finanzgerichts für in vollem Umfang rechtlich einwandfrei.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist unbegründet.

Der Senat hat zunächst geprüft, ob den beiden verbleibenden Gesellschaftern ein geldwerter Vorteil im Sinne des § 20 Abs. 2 Ziff. 1 EStG bereits dadurch zugeflossen ist, daß die GmbH den Anteil des ausscheidenden Gesellschafters zu einem angemessenen Preis erworben und als Gegenstand ihres Betriebsvermögens geführt hat. Ohne Zweifel ist die Stellung der verbleibenden Gesellschafter mit der übernahme des Anteils durch die GmbH wirtschaftlich gestärkt worden. Da sie die GmbH beherrschen, haben sie nach der übernahme des Anteils durch die GmbH wirtschaftlich gesehen auch die Macht über den Anteil des ausgeschiedenen Gesellschafters erlangt. Man könnte darum die Auffassung vertreten, daß dem verbleibenden Gesellschafter mit dem Erwerb des eigenen Anteils durch die GmbH steuerlich ein Vorteil im Sinne des § 20 Abs. 2 Ziff. 1 EStG zugeflossen sei. Der Senat hält indessen daran fest, daß die verbleibenden Gesellschafter durch diesen Vorgang noch keinen greifbaren Vorteil erlangt haben, weil es an der notwendigen Konkretisierung eines Vermögenszuwachses fehlt. Die Rechte aus dem Anteil stehen nicht den Gesellschaftern, sondern der GmbH zu.

Der Senat hat bereits früher, z. B. im Urteil VI 13/57 U vom 1. August 1958 (BStBl 1958 III S. 390, Slg. Bd. 67 S. 300) betreffend die Besteuerung von Freianteilen, die eine Kapitalgesellschaft ihren Gesellschaftern zuwendet, auf die Bedeutung der Stetigkeit der Rechtsprechung bei der Auslegung von Steuergesetzen hingewiesen. Er hat auch in neuerer Zeit diesen Gedanken mehrfach betont, z. B. in den Urteilen VI 331/62 S vom 29. November 1963 (BStBl 1964 III S. 433) und VI 346/62 U vom 3. Juli 1964 (BStBl 1964 III S. 548). Die Rechtssicherheit gebietet, daß ein oberes Bundesgericht nicht ohne zwingenden Grund von einer langjährigen feststehenden Rechtsprechung abgeht, solange nicht schwerwiegende neue Gründe dafür sprechen. Die hier zu entscheidende Streitfrage hat bereits der Reichsfinanzhof im Urteil VI 743/38, a. a. O., dahin entschieden, daß der Erwerb eines eigenen Anteils durch eine GmbH in der Regel keine Gewinnausschüttung der GmbH an die Gesellschafter bedeutet. Der Senat ist dieser Auffassung in dem Urteil VI 89/59 U, a. a. O., beigetreten. Die Finanzgerichte haben diese nahezu 30jährige Rechtsprechung durchweg wie auch im Streitfall zur Grundlage ihrer Entscheidungen gemacht. Die Steuerpflichtigen und ihre Berater haben ihre Dispositionen darauf aufgebaut. Auch der Bundesminister der Finanzen ist dieser Rechtsprechung ausdrücklich beigetreten. Neue Gesichtspunkte, die eine andere Beurteilung der Zweifelsfrage nahelegen könnten, sind nicht hervorgetreten. Unter diesen Umständen hält der Senat es im Interesse der Rechtssicherheit für geboten, an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten. Auch das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Rechtsprechung entsprechende Gedanken zum Ausdruck gebracht (siehe Urteil 2 AZR 322/60 vom 15. Februar 1962, Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bd. 12 S. 278; Beschluß 1 ABR 1/63 vom 17. Oktober 1963, Wertpapier-Mitteilungen 1964 S. 467).

Durch die Einziehung des eigenen Anteils (Amortisation) gemäß § 34 GmbHG ist den verbleibenden Gesellschaftern ebenfalls kein steuerpflichtiger Vorteil im Sinne von § 20 Abs. 2 Ziff. 1 EStG zugeflossen, wie das Finanzgericht und der Bundesminister der Finanzen mit Recht annehmen. Anders als nach den Vorschriften der §§ 192 ff. des Aktiengesetzes, auf Grund deren bei der Einziehung von Aktien eine Kapitalherabsetzung erforderlich ist, können nach § 34 GmbHG GmbH-Anteile ohne förmliche Herabsetzung des Stammkapitals amortisiert werden; die eingezogenen Anteile werden dann zu Lasten der freien Rücklage ausgebucht. Das zur Zeit der Einziehung vorhandene Stammkapital darf indessen aus Gründen des Gläubigerschutzes durch das äquivalent nicht berührt werden (Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 354/34 vom 11. Dezember 1935, Slg. Bd. 39 S. 27; Entscheidung des Bundesgerichtshof II ZR 235/52 vom 1. April 1953, Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 9 S. 157 (169) unter Anführung der Rechtsprechung des Reichsgerichts). Da die Höhe des Stammkapitals sonach nicht angetastet wird, bedarf die Amortisation von GmbH-Anteilen auch nicht der Eintragung im Handelsregister. Die Einziehung von Anteilen im Wege des § 34 GmbHG hat zur Folge, daß der Nennbetrag des Stammkapitals mit dem Nennbetrag der verbleibenden Geschäftsanteile nicht mehr übereinstimmt. Der Betrag des Stammkapitals und der Nennbetrag der Geschäftsanteile müssen gemäß § 5 Abs. 3 Satz 3 GmbHG nur bei Gründung der GmbH übereinstimmen; später kann es durch gesellschaftsrechtliche Vorgänge zu Abweichungen kommen (Schilling bei Hachenburg, 6. Aufl., Anm. 3 und 12 zu § 14 GmbHG). Die Einziehung des Anteils war für die GmbH hier erfolgsneutral, weil sie zu Lasten der freien Rücklage ging. Es änderten sich indessen die Beteiligungsquoten der verbleibenden Gesellschafter; sie erhöhten sich bruchteilsmäßig (vgl. Beschluß des Kammergerichts 1 Wx 258/43 vom 29. Juli 1943 in Deutsches Recht 1943 S. 1230; Mangold, Deutsche Justiz, 1943 S. 179; Heim in Deutsches Recht 1944 S. 320; Schmidt bei Hachenburg, a. a. O., § 34 Anm. 20). Es waren nur noch zwei Gesellschafter vorhanden; der Anteil jedes Gesellschafters wurde bruchteilsmäßig höher als bisher (vgl. Wilke-Berg-Gottschlink-Kunkel-Köhler, Handbuch der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 2. Aufl., S. 156).

Dieser Vorteil beruhte indessen wirtschaftlich nicht auf der Amortisation des eigenen Anteils, sondern war schon durch Erwerb des eigenen Anteils durch die GmbH eingetreten. Die wirtschaftliche Lage der Gesellschafter hat sich in der Zeit zwischen dem Erwerb des Anteils und der Amortisation wirtschaftlich nicht wesentlich geändert. Das Stimmrecht des Anteils ruhte bereits seit dem Erwerb durch die GmbH. Seit dieser Zeit konnten auch auf den eigenen Anteil keine Gewinne mehr ausgeschüttet werden. Unter diesen Umständen kann man nicht annehmen, daß sich der Anteil des Bg. durch die Amortisation von 60.000 DM auf 90.000 DM erhöht hat. Der den beiden verbleibenden Gesellschaftern mit dem Erwerb des eigenen Anteils durch die GmbH nach seiner Amortisation entstandene Vorteil tritt nach allem steuerlich erst zu einem späteren Zeitpunkt ein, etwa bei der Veräußerung eines Anteils oder bei der Liquidation der GmbH.

Der Hinweis des Vorstehers des Finanzamts auf das Urteil des Senats VI 89/59 U, a. a. O., greift nicht durch, weil, wie das Finanzgericht zutreffend bemerkt, der Streitfall anders gelagert ist. In der Sache VI 89/59 U hatten die verbleibenden Gesellschafter ihre Geschäftsanteile erhöht (Kapitalerhöhung). Daran fehlt es indessen hier.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411354

BStBl III 1964, 578

BFHE 1965, 288

BFHE 80, 288

BB 1964, 1244

DB 1964, 1542

DStR 1964, 654

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