Entscheidungsstichwort (Thema)

Bei von vornherein vereinbarter Zahlung einer Entschädigung in vier Raten innerhalb von zwei Veranlagungszeiträumen keine Anwendung des ermäßigten Steuersatzes

 

Leitsatz (NV)

Bei der Zahlung einer Entschädigung in vier Raten innerhalb von zwei Veranlagungszeiträumen ist § 34 Abs. 1 EStG nicht anzuwenden, wenn die Zahlungen ursprünglich nicht in einer Summe als Einmalzahlung vereinbart und festgesetzt waren.

 

Normenkette

EStG § 34 Abs. 1-2

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind miteinander verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Kläger war bei der Fa.... (GmbH) angestellt. Nach § 2 des Anstellungsvertrags vom 20. September 1979 stand ihm neben dem Bruttogehalt von monatlich 8000 DM eine Tantieme in Höhe von 10 v.H. des Reingewinns der GmbH vor Abzug der Körperschaftsteuer zu. Das Gehalt war nach § 2 Abs. 2 des Anstellungsvertrags den tarifvertraglichen Entwicklungen anzupassen. Die Tantiemen wurden zum Teil zwei bis drei Jahre später ausgezahlt.

Im Jahr 1987 kam es zwischen dem Kläger und der GmbH über einzelne Fragen des Arbeitsverhältnisses zum Streit. In einem am 3. Februar 1988 vor dem Arbeitsgericht getroffenen Vergleich vereinbarten die Beteiligten, daß das Arbeitsverhältnis zum 31. Januar 1988 beendet sei und daß die GmbH an den Kläger als Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes nach §§ 9, 10 des Kündigungsschutzgesetzes einen Betrag von 300000 DM in vier Raten zu je 75000 DM zu zahlen habe. Die Raten seien am 1. März 1988, 1. September 1988, 1. März 1989 und 1. September 1989 fällig.

Der Kläger erhielt im Streitjahr neben dem Januar-Gehalt in Höhe von 7403 DM die vorgesehenen Raten, insgesamt also einen Betrag in Höhe von 157403 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) gewährte den Freibetrag nach § 3 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 24000 DM. Demgegenüber verlangte der Kläger die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG auf den restlichen Betrag in Höhe von 126000 DM.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus: Die Entschädigung müsse grundsätzlich in einer Summe gezahlt werden; das sei nicht geschehen. Ein von der Rechtsprechung anerkannter Ausnahmefall liege nicht vor. Der Kläger habe sich - mit Rücksicht auf die Liquidität der GmbH - mit der ratenweisen Zahlung einverstanden erklärt.

Im übrigen sei dem Kläger durch den Zufluß der Entschädigung kein steuerlicher Nachteil entstanden, da die Abfindungszahlungen ungefähr seinen bisherigen Bezügen - bei einer geschätzten Tantieme von 50000 DM - entsprochen hätten.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung formellen und materiellen Rechts und tragen vor:

1. § 34 EStG sei auch dann anzuwenden, wenn die Entschädigung in einer Summe festgesetzt worden sei, aber wegen ihrer ungewöhnlichen Höhe und der besonderen Verhältnisse des Zahlungspflichtigen auf zwei Jahre verteilt worden sei. Diese Voraussetzungen lägen vor, die Raten seien im Hinblick auf die Liquidität der GmbH vereinbart worden, die Abfindung sei außergewöhnlich hoch und betrage mehr als das 3fache eines Jahresfestgehalts. Entgegen der Auffassung des FA sei die Abfindung zunächst in einer Summe vereinbart worden.

2. Eine Verschärfung der Progression müsse durch die Entschädigungszahlungen nicht eintreten (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. Dezember 1982 III R 136/79, BFHE 137, 345, BStBl II 1983, 221). Die Behauptung des FG, die Kläger hätten bei Zufluß der ersetzten Beträge keine wesentlich abweichende steuerliche Belastung zu tragen gehabt, treffe nicht zu.

3. Das FG habe den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt. Es habe zu Unrecht angenommen, daß der Kläger im Streitjahr eine Tantieme in Höhe von 50000 DM erhalten habe. Er habe weder im Streitjahr noch für das Streitjahr eine Tantieme erhalten, da die GmbH Verluste erwirtschaftet habe. Das FG habe den Zufluß einer Tantieme im Streitjahr nicht einfach unterstellen dürfen. Das Gegenteil wäre leicht feststellbar gewesen.

4. Das FG habe auch nicht untersucht, ob neben dem in dem BFH-Urteil vom 1. Februar 1957 VI R 87/55 U (BFHE 64, 271, BStBl III 1957, 104) entschiedenen Sachverhalt ein sonstiger Sachverhalt vorliege, der die Tarifermäßigung nach § 34 EStG rechtfertige.

Das FA trägt demgegenüber vor:

1. Ein Ausnahmetatbestand liege nicht vor. Die Liquiditätssituation der GmbH möge mit zu der Entscheidung beigetragen haben, sei aber wohl nicht ausschlaggebend gewesen. Die Zahlung der Raten in zwei Jahren sei auf einen Vorschlag des Vertreters des Klägers zurückgegangen; der Vertreter der GmbH habe sich einverstanden erklärt. Die Zahlung eines Einmalbetrags sei gar nicht vorgesehen gewesen und nicht als solche vereinbart worden. Die Ausführungen des Klägers, die Abfindung sei in einer Summe festgesetzt worden, entspreche nicht dem Sachverhalt, den das FG seinem Urteil zugrunde gelegt habe. Mangels Vereinbarung einer Einmalzahlung könne § 34 Abs. 1 EStG keine Anwendung finden.

2. Das angefochtene Urteil stütze sich nicht darauf, daß die Ersatzleistungen nicht zu einer höheren Steuerbelastung geführt hätten. Eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes sei nicht erkennbar. Das FG habe lediglich bei einem Vergleich der regulären Bezüge und der Ersatzleistungen die vertraglichen Tantiemeansprüche berücksichtigt.

3. Inwieweit ein sonstiger Sachverhalt vorliegen könne, der eine Tarifermäßigung rechtfertige, sei nicht erkennbar.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet und gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

1. Außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und Abs. 2 EStG sind nur gegeben, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen. Die ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 und Abs. 2 EStG bezweckt, die Härten auszugleichen, die sich aus der progressiven Besteuerung der Entschädigung ergeben (vgl. BFH-Urteile vom 21. Juni 1990 X R 45/86, BFH/NV 1991, 88, und vom 2. September 1992 XI R 63/89, BFH/NV 1993, 23, jeweils m.w.N.). Dementsprechend sind Entschädigungen i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG grundsätzlich nur dann außerordentliche Einkünfte, wenn die Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen, die sich bei normalem Ablauf auf mehrere Jahre verteilt hätten, vollständig in einem Betrag gezahlt wird (vgl. BFH-Urteil vom 18. September 1991 XI R 9/90, BFH/NV 1992, 102) oder wenn die Entschädigung nur Einnahmen eines Jahres ersetzt, sofern sie im Jahr der Zahlung mit weiteren Einkünften zusammenfällt und der Steuerpflichtige im Jahr der entgangenen Einnahmen keine weiteren (nennenswerten) Einnahmen gehabt hat (BFH-Urteile vom 12. März 1975 I R 180/73, BFHE 115, 261, BStBl II 1975, 485, und in BFH/NV 1993, 23).

Verteilen sich die Entschädigungszahlungen auf zwei Veranlagungszeiträume, hat die Rechtsprechung die Steuerermäßigung - soweit ersichtlich - nur ein einziges Mal gewährt. Das BFH-Urteil in BFHE 64, 271, BStBl II 1957, 104 betraf einen Steuerpflichtigen, der von 1945 bis 1950 in russischen Lagern interniert war und der nach seiner Rückkehr im Jahr 1951 dringend eine Vorauszahlung benötigte.

2. Im Streitfall liegt kein (vergleichbarer) Ausnahmefall vor. Entgegen der Auffassung der Kläger war die Entschädigung nicht von vornherein in einer Summe als Einmalbetrag, sondern nach den an den arbeitsgerichtlichen Vergleich anknüpfenden Feststellungen des FG, an die der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, in vier Raten festgesetzt. Die Auszahlung der Entschädigung in einem Betrag war zu keinem Zeitpunkt vereinbart worden. Aus diesem Grund ist - entgegen der Auffassung der Kläger - unerheblich, ob möglicherweise in der Person des Klägers liegende Umstände für die Auszahlung in zwei Veranlagungszeiträumen ausnahmsweise die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes rechtfertigen könnten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 64, 271, BStBl III 1957, 104).

Die Begrenzung der Begünstigung auf solche Teilbeträge, die nach der ursprünglich getroffenen Vereinbarung in einem Einmalbetrag ausgezahlt werden sollten, ist sachlich gerechtfertigt. Nur bei diesen Beträgen handelt es sich der Sache nach um eine zusammengeballte auf einen Veranlagungszeitraum entfallende Entschädigung. Sind dagegen von vornherein Zahlungen vereinbart, die sich über mehrere Veranlagungszeiträume erstrecken, so sind diese Zahlungen ihrer Natur nach laufende Vorgänge, die nicht durch die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes begünstigt werden sollen (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 20. Februar 1941 IV 278/40, RStBl 1941, 442; BFH-Urteil in BFH/NV 1992, 102).

3. Die hilfsweise angestellten Erwägungen des FG zu einer erhöhten steuerlichen Belastung und zur Außerordentlichkeit der Entschädigungszahlungen sind danach für die Nichtanwendung des ermäßigten Steuersatzes ohne Bedeutung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419359

BFH/NV 1994, 368

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