Entscheidungsstichwort (Thema)

Erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG: Objektverbrauch und Bemessungsgrundlage bei Erwerb eines Miteigentumsanteils; maßgeblicher Zeitpunkt für Objektqualifizierung, Bemessungsgrundlage und Objektbeschränkung; unentgeltliche Übertragung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Steuerpflichtiger kann erhöhte Absetzungen gemäß § 7b EStG auch dann für das gesamte Einfamilienhaus in Anspruch nehmen, wenn er die restlichen Miteigentumsanteile erst nach Fertigstellung des Hauses erworben hat. § 7b Abs.5 Satz 1 EStG (Objektbeschränkung) steht dem nicht entgegen.

 

Orientierungssatz

1. Für die Qualifizierung eines Bauwerks als ein nach § 7b EStG begünstigtes Objekt und damit auch für die Bestimmung der maßgeblichen Höchstbemessungsgrundlage ist --im Falle der Herstellung-- auf den Zustand des Gebäudes im Zeitpunkt der Fertigstellung abzustellen. Für die Frage der Objektbeschränkung ist dagegen dieser Zeitpunkt nicht maßgebend. Es genügt, daß das betreffende Bauwerk nach seiner Fertigstellung an irgendeinem, spätestens am letzten Tag des Jahres, für das erstmals erhöhte Absetzungen in Anspruch genommen werden, dem Steuerpflichtigen i.S. von § 39 AO 1977 zuzurechnen ist. Unmaßgeblich sind hingegen für die Frage des Objektverbrauchs die Rechtsverhältnisse im Zeitpunkt der erstmaligen Zurechnung des Nutzungswertes (vgl. BFH-Rechtsprechung, auch zum steuerrechtlichen Gestaltungsrecht des Steuerpflichtigen).

2. Der Steuerpflichtige kann erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG i.V.m. § 11d Abs. 1 EStDV auch hinsichtlich eines ihm unentgeltlich übertragenen Anteils an dem begünstigten Objekt in Anspruch nehmen. Dabei bemessen sich die Absetzungen nach den Herstellungskosten des Rechtsvorgängers (vgl. BFH-Urteil vom 4.9.1990 IX R 197/87).

 

Normenkette

EStG § 7b Abs. 1; AO 1977 § 39; EStG § 7b Abs. 5 S. 1; EStDV § 11d Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Münster (Entscheidung vom 23.05.1991; Aktenzeichen 6 K 4080/88 E)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) für ein im Jahre 1985 errichtetes Einfamilienhaus erhöhte Absetzungen gemäß § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) nach der Höchstbemessungsgrundlage von 200 000 DM oder nur anteilig (hier: hälftig) zustehen.

Die Klägerin und ihr heutiger Ehemann erwarben im Jahre 1983 ein unbebautes Grundstück je zur ideellen Hälfte zu einem Kaufpreis von 58 076 DM. Auf ihren Antrag erhielt die Klägerin im Juni 1984 eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Einfamilienhauses auf diesem Grundstück. Das Gebäude wurde im Oktober 1985 bezugsfertig und anschließend von der Klägerin zu Wohnzwecken genutzt. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 23.Oktober 1985 übertrug der heutige Ehemann der Klägerin seinen Miteigentumsanteil an dem --nunmehr bebauten-- Grundstück mit Wirkung vom 1.November 1985 auf die Klägerin zu einem Kaufpreis von 29 038 DM. Auf den 1.Januar 1986 wurde das Grundstück als Einfamilienhaus bewertet und der Klägerin zugerechnet.

Sämtliche Aufwendungen für den Erwerb des Grundstücks und die Herstellung des Einfamilienhauses in Höhe von insgesamt rund 300 000 DM, die zunächst die Arbeitgeberin der Klägerin übernommen hatte, wurden dem privaten Verrechnungskonto des heutigen Ehemanns der Klägerin als Gesellschafter der Arbeitgeberin belastet. Dieser gewährte der Klägerin in Höhe von 150 000 DM ein unverzinsliches Darlehen, von dem diese bis zum 31.Dezember 1985 einen Betrag von 50 000 DM zurückzahlte und das sie seither mit monatlichen Beträgen von 1 000 DM tilgt; im übrigen wandte der heutige Ehemann der Klägerin dieser seine Hälfte des Grundstücks mit aufstehendem Gebäude unentgeltlich zu.

Mit ihren Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1985 und 1986 (Streitjahre) machte die Klägerin für das Einfamilienhaus erhöhte Absetzungen gemäß § 7b EStG nach Maßgabe der Höchstbemessungsgrundlage von 200 000 DM (in Höhe von 10 000 DM) geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte demgegenüber bei den Veranlagungen für die Streitjahre lediglich erhöhte Absetzungen von einer Bemessungsgrundlage von 100 000 DM, da der Klägerin erhöhte Absetzungen nur auf ihren ursprünglichen, hälftigen Miteigentumsanteil als begünstigtes Objekt i.S. von § 7b EStG zustünden.

Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit seinem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1991, 661 veröffentlichten Urteil statt: Maßgebend für die Bestimmung des nach § 7b EStG begünstigten Objektes sei im Falle der Selbstnutzung der Zeitpunkt, in dem erstmals ein Nutzungswert anzusetzen sei. Zu diesem Zeitpunkt sei das Einfamilienhaus der Klägerin alleine zuzurechnen gewesen, so daß ihr erhöhte Absetzungen gemäß § 7b EStG für das ganze Einfamilienhaus zustünden. Da die Herstellungskosten unstreitig über 200 000 DM betragen hätten und diese infolge der unentgeltlichen Übertragung des Grundstücksanteils auf die Klägerin nach § 11d Abs.1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) auch insoweit zu berücksichtigen seien, als sie von dem heutigen Ehemann der Klägerin getragen worden seien, seien die erhöhten Absetzungen nach der Höchstbemessungsgrundlage von 200 000 DM zu bemessen.

Mit der Revision rügt das FA sinngemäß eine Verletzung des § 7b Abs.5 Satz 1, Abs.6 Satz 1 EStG.

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat im Ergebnis zu Recht erhöhte Absetzungen nach Maßgabe der Höchstbemessungsgrundlage von 200 000 DM berücksichtigt.

1. Nach § 7b Abs.1 Sätze 1 und 3 EStG in den für die Streitjahre geltenden Fassungen kann der Bauherr bei im Inland gelegenen Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen, die zu mehr als 66 2/3 v.H. Wohnzwecken dienen, im Jahr der Fertigstellung und in den sieben folgenden Jahren erhöhte Absetzungen jeweils bis zu 5 v.H. der Herstellungskosten, höchstens aber 5 v.H. von 200 000 DM (bei Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen) oder 250 000 DM (bei Zweifamilienhäusern) in Anspruch nehmen. Nach § 7b Abs.5 Satz 1 EStG werden erhöhte Absetzungen grundsätzlich nur für ein Einfamilienhaus oder ein Zweifamilienhaus oder eine Eigentumswohnung gewährt. Hinsichtlich dieser Objektbeschränkung bestimmt § 7b Abs.6 Satz 1 EStG, daß in den Fällen, in denen ein Bauwerk mehreren Steuerpflichtigen zuzurechnen ist, der Anteil eines Steuerpflichtigen hieran einem begünstigten Objekt i.S. von § 7b Abs.5 Satz 1 EStG gleichgestellt wird, mithin auch ein Miteigentumsanteil an einem begünstigten Objekt zum Objektverbrauch führen kann.

Erhöhte Absetzungen i.S. von § 7b EStG setzen hiernach zum einen ein begünstigungsfähiges Objekt und zum anderen voraus, daß in der Person des Steuerpflichtigen noch kein Objektverbrauch eingetreten ist. Während für die Qualifizierung eines Bauwerks als ein nach § 7b EStG begünstigtes Objekt und damit auch für die Bestimmung der maßgeblichen Höchstbemessungsgrundlage --im Falle der Herstellung-- auf den Zustand des Gebäudes im Zeitpunkt der Fertigstellung (§ 9a EStDV) abzustellen ist (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. Urteil vom 13.März 1990 IX R 179/88, BFH/NV 1991, 24 m.w.N.), konkretisiert sich eine Baulichkeit in bezug auf die Objektbeschränkung erst dadurch zu einem begünstigten Objekt i.S. des § 7b EStG, daß der Steuerpflichtige hierfür --erstmals-- erhöhte Absetzungen in Anspruch nimmt und sich diese über die nach § 7 Abs.4 EStG zulässigen Absetzungen für Abnutzung (AfA) hinaus steuerlich ausgewirkt haben (Senatsbeschluß vom 5.April 1990 IX B 201/89, BFH/NV 1990, 766). Der Steuerpflichtige hat also insoweit ein steuerrechtliches Gestaltungsrecht, als er entscheiden kann, ob und ggf. für welches Objekt er die Begünstigung des § 7b EStG in Anspruch nehmen will; hierbei ist er an eine Frist nicht gebunden (vgl. Senatsentscheidung vom 25.Februar 1992 IX R 41/91, BFHE 167, 369, BStBl II 1992, 621). Er übt sein Gestaltungsrecht in der Weise aus, daß er für einen Veranlagungszeitraum --regelmäßig, aber nicht zwingend: das Jahr der Fertigstellung-- erstmals die erhöhten Absetzungen beansprucht. Berücksichtigt man neben diesem Gestaltungsrecht den Umstand, daß erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG nicht zeitanteilig, sondern stets --für den ganzen Veranlagungszeitraum-- beansprucht werden können, ist für die Frage der Objektbeschränkung nicht auf die Rechtsverhältnisse im Zeitpunkt der Fertigstellung abzustellen. Es genügt, daß das betreffende Bauwerk nach seiner Fertigstellung an irgendeinem, spätestens am letzten Tag des Jahres, für das erstmals die erhöhten Absetzungen in Anspruch genommen werden, dem Steuerpflichtigen i.S. von § 39 der Abgabenordnung (AO 1977) zuzurechnen ist. Unmaßgeblich sind hingegen für die Frage des Objektverbrauchs die Rechtsverhältnisse im Zeitpunkt der erstmaligen Zurechnung des Nutzungswertes, auf die das FG abgehoben hat (so auch Schmidt/Drenseck, EStG, 12.Aufl., § 7b Anm.6 h); denn abgesehen von der dargestellten Dispositionsmöglichkeit des Steuerpflichtigen in zeitlicher Hinsicht, besteht auch kein zwingender Zusammenhang zwischen der erstmaligen Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und dem erstmaligen Ansatz eines Nutzungswertes. Auch wenn grundsätzlich (nur) derjenige erhöhte Absetzungen nach § 9 Abs.1 Satz 3 Nr.7 i.V.m. § 7b EStG beanspruchen kann, der den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verwirklicht und der die Anschaffungskosten für das begünstigte Objekt getragen hat (vgl. Senatsurteil vom 15.Mai 1990 IX R 21/86, BFHE 162, 26, BStBl II 1992, 67), können erhöhte Absetzungen auch bereits vor dem Zeitpunkt der erstmaligen Erzielung von Einkünften aus dem begünstigten Objekt als vorab entstandene Werbungskosten beansprucht werden und kann damit eine Konkretisierung im Sinne des Objektverbrauchs eintreten: Zutreffend hat das FA darauf hingewiesen, daß z.B. bei der Fertigstellung eines begünstigten Objekts im Laufe des Monats Dezember eines Jahres für dieses Jahr bereits erhöhte Absetzungen beansprucht werden können, während --im Falle der Selbstnutzung-- ein Nutzungswert gemäß § 21 Abs.2, § 21a EStG erstmals im Januar des darauffolgenden Jahres zu erfassen wäre.

2. Im Ergebnis hat hiernach das FG der Klägerin zu Recht erhöhte Absetzungen für das Einfamilienhaus nach der Höchstbemessungsgrundlage von 200 000 DM gewährt; denn seit dem 1.November des Jahres 1985, für das die Klägerin erstmals erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG beanspruchte, war ihr das Einfamilienhaus i.S. von § 39 AO 1977 allein zuzurechnen.

Erhöhten Absetzungen für das gesamte Einfamilienhaus steht auch nicht entgegen, daß der heutige Ehemann der Klägerin die Hälfte der Herstellungskosten getragen hat. Zutreffend hat das FG insoweit entschieden, daß die Klägerin nach § 11d Abs.1 EStDV auch hinsichtlich des ihr unentgeltlich übertragenen Anteils an dem begünstigten Objekt erhöhte Absetzungen in Anspruch nehmen kann und sich diese nach den Herstellungskosten des Rechtsvorgängers bemessen (vgl. Senatsurteil vom 4.September 1990 IX R 197/87, BFHE 162, 404, BStBl II 1992, 69).

 

Fundstellen

Haufe-Index 64737

BFH/NV 1993, 77

BStBl II 1994, 921

BFHE 171, 562

BFHE 1994, 562

BB 1993, 2296 (L)

DB 1993, 2311-2312 (LT)

DStZ 1993, 762 (KT)

HFR 1994, 6 (LT)

StE 1993, 594 (K)

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