Leitsatz (amtlich)

Ergibt die Zusammenrechnung der unmittelbaren und/oder der mittelbaren Beteiligungen rein rechnerisch eine kapitalmäßige Beteiligung an der Kapitalgesellschaft von mehr als einem Viertel, so besteht eine wesentliche Beteiligung i. S. des § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG. Diese ist bezüglich der mittelbaren Beteiligung unabhängig davon, ob und in welchem Maße der Anteilseigner die Kapitalgesellschaft (wirtschaftlich) beherrscht.

 

Normenkette

EStG § 17 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die Alleinerbin ihres 1972 gestorbenen Ehegatten. Dieser war am 14. März 1960 an dem Grundkapital (500 000 DM) der A-AG zu 24 v. H. (mit 120 000 DM) beteiligt. Die A-AG hatte zum gleichen Zeitpunkt von dem Grundkapital (500 000 DM) der B-AG einen Anteil von 45 v. H. (225 000 DM) gehalten. Die B-AG war am 14. März 1960 mit 18 v. H. (90 000 DM) an der A-AG beteiligt.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung bei der A-AG stellte das dafür zuständige Finanzamt fest, daß der Ehegatte der Klägerin aus dem Verkauf von Anteilen einen Veräußerungsgewinn von 106 820 DM (1962) erzielt hatte. Es errechnet aus den aufgeführten Beteiligungsverhältnissen eine mittelbare Beteiligung des Ehegatten der Klägerin an der A-AG von (24 v. H. von 45 v. H. = 10,8 v. H.; 18 v. H. von 10,8 v. H. =) 1,944 v. H. und dessen gesamte Beteiligung an der A-AG mit (unmittelbare Beteiligung - 24 v. H. - + mittelbare Beteiligung - 1,944 v. H. - =) 25,944 v. H.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berichtigte den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1962 gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) und unterwarf den Veräußerungsgewinn gem. §§ 17, 34 des Einkommensteuergesetzes in der bis zum 31. Dezember 1964 geltenden Fassung (EStG) der Einkommensteuer.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1976 S. 386 (EFG 1976, 386) abgedruckt.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine unzutreffende Auslegung des Begriffs wesentliche Beteiligung nach § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG durch das FG.

Die Klägerin beantragt, die Veräußerungsgewinne nicht der Besteuerung zu unterwerfen.

 

Entscheidungsgründe

Das FA begehrt die Zurückweisung der Revision.

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. FA und FG haben zutreffend den Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an der A-AG im Jahre 1962 in Höhe von 106 820 DM der Einkommensteuer unterworfen. Die Voraussetzungen des § 17 EStG waren erfüllt. Der Ehegatte der Klägerin war unmittelbar und mittelbar (insgesamt) zu mehr als einem Viertel an der A-AG beteiligt.

a) § 17 EStG zählt zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb Gewinne, die sich bei der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft ergeben, wenn die Anteile zum Privatvermögen des Veräußerers gehörten, der veräußerte Anteil 1 v. H. des Grund- oder Stammkapitals der Gesellschaft übersteigt und der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war. Im vorliegenden Fall ist zwischen den Beteiligten allein streitig, ob der Ehegatte der Klägerin an der A-AG wesentlich beteiligt war.

b) Nach der Legaldefinition in § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG kann eine wesentliche Beteiligung in Form einer unmittelbaren oder/und einer mittelbaren Beteiligung an der Kapitalgesellschaft bestehen. Das Gesetz mißt insoweit beiden Beteiligungsformen die gleiche Bedeutung bei. Deshalb sind bei der Ermittlung der nach § 17 EStG maßgeblichen Beteiligungsquoten grundsätzlich - auch darüber besteht Einigkeit zwischen den Beteiligten - sowohl die unmittelbare als auch die mittelbare Beteiligung zusammenzurechnen.

Unstreitig betrugen - rein rechnerisch - die unmittelbare Beteiligung des Ehegatten der Klägerin an der A-AG 24 v. H., die mittelbare Beteiligung 1,944 v. H.

c) In der hier zu entscheidenden Frage, ob die mittelbare Beteiligung (als Teil der wesentlichen Beteiligung i. S. des § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG) rein kapitalmäßig zu sehen ist oder ob ein beherrschender (wirtschaftlicher oder gesellschaftsrechtlicher) Einfluß auf die Gesellschaft gegeben sein muß, stimmt der Senat der Rechtsauffassung des FG zu: Ergibt die Zusammenrechnung der unmittelbaren und der mittelbaren Beteiligungen rein rechnerisch eine kapitalmäßige Beteiligung an der Kapitalgesellschaft von mehr als einem Viertel, so besteht eine wesentliche Beteiligung i. S. des § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG. Diese ist bezüglich der mittelbaren Beteiligung unabhängig davon, ob und in welchem Maße der Anteilseigner die Kapitalgesellschaft (wirtschaftlich) beherrscht, die die Beteiligung vermittelt (ebenso Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 10. Auflage, § 17 Anm. 2 S. 1922; Uelner, Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe A 1965 S. 136 [141] - DStZ A 1965, 136 [141] -; Böttcher-Hennerkes, Rechts- und Wirschaftspraxis, 14 Steuer-R, D ESt II B 22 a; Kellerbach, Steuerliche Betriebsprüfung 1973 S. 145; Züll, Die Einkommensteuer bei der Veräußerung wesentlicher Beteiligungen, S. 42/43; a. A.: Urteil des Niedersächsischen FG vom 30. Juni 1972 II 120/70, Entscheidungen der Finanzgerichte 1973 S. 19 - EFG 1973, 19 -; Urteil des FG Hamburg vom 13. Juli 1977 I 6/74 (III), EFG 1978, 18; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 18. Aufl., § 17 EStG Anm. 149).

(1) Das FG hat § 17 EStG im Ergebnis zutreffend ausgelegt. Eine Rechtsverletzung liegt insoweit entgegen der Ansicht der Revision nicht vor. Zwar lassen sich Inhalt und Bedeutung des Begriffes der mittelbaren Beteiligung i. S. des § 17 EStG aus dem Gesetzeswortlaut nicht ohne weiteres erschließen. Die Auslegung des § 17 EStG, insbesondere die des Begriffes der mittelbaren Beteiligung, ergibt aber nicht, daß eine solche Beteiligung bei der Ermittlung der Beteiligungsquote nur dann berücksichtigt werden darf, wenn der Anteilsveräußerer die Kapitalgesellschaft wirtschaftlich und/oder gesellschaftsrechtlich beherrscht.

(a) Der Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG deutet auf eine bloße kapitalmäßige Beteiligung hin.

Die in der Vorschrift ausdrücklich genannten - in der nach dem 31. Dezember 1964 geltenden Gesetzesfassung als entbehrlich weggelassenen (vgl. Bundestags-Drucksache IV/2400, S. 70) - Beispiele ("... z. B. durch Treuhänder oder durch eine Kapitelgesellschaft ...") beschreiben lediglich, in welcher Art und Form die mittelbare Beteiligung unter anderem vermittelt werden kann. Dieser Gesetzeswortlaut läßt nicht erkennen, daß nur eine "sehr starke direkte Einwirkungsmöglichkeit" auf die Gesellschaft als mittelbare Beteiligung angesehen und gewertet werden soll. Das kann aus den im Gesetz genannten beiden Beispielen einer mittelbaren Beteiligung nicht hergeleitet werden. Weder ein Treuhänder noch eine Kapitalgesellschaft haben als solche und ohne weiteres Einwirkungs- und Einflußmöglichkeiten der von der Klägerin angeführten Art. Solche Möglichkeiten bedürfen vielmehr in der Regel einer (besonderen) gesellschaftsrechtlichen Grundlage, aus der sie vereinbarungsgemäß oder kraft Gesetzes fließen.

Die Worte "... an der Kapitalgesellschaft ..." in § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG stehen im Zusammenhang mit Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift, wonach "der Veräußerer am Kapital der Gesellschaft" beteiligt sein muß. Sachlich enthält Satz 2 keine Abweichung von Satz 1. Mit beiden Ausdrücken ist allein die Beteiligung am Grund- oder Stammkapital, nicht aber eine wirtschaftliche und/oder gesellschaftsrechtliche Machtstellung gemeint (so schon Strutz, Kommentar zum Einkommensteuergesetz vom 10. August 1925, § 30 Anm. 35; ebenso Herrmann-Heuer, a. a. O., § 17 EStG, Anm. 120, 122).

Die Höhe der maßgeblichen Beteiligung legt das Gesetz mit "einem Viertel" fest. Die Ermittlung dieses Bruchteils ist nur rein rechnerisch möglich.

(b) Nach seinem Sinn und Zweck begründet § 17 EStG (ausnahmsweise) die Besteuerung von Gewinnen, die bei der Veräußerung von zum Privat vermögen gehörenden Anteilen an Kapitalgesellschaften entstehen. Insoweit wird der Begriff "Einkünfte aus Gewerbebetrieb" durch § 17 EStG sachlich erweitert. Dadurch soll die Wertsteigerung, die die Anteile nach ihrem Erwerb durch einen (nicht als Gewinn an die Anteilseigner ausgeschütteten; vgl. hinsichtlich der Besteuerung insoweit § 20 Abs. 1 Satz 1 EStG) Zuwachs am Gesellschaftsvermögen erfahren haben, ebenso besteuert werden wie die gewerblichen Gewinne. Erfaßt wird damit der Wert der Anteile, der über den Nennwert und die früheren Anschaffungskosten hinausgeht, in der Regel also die bei der Kapitalgesellschaft angesammelten Gewinne, die sich in der Person des Anteilseigners erst bei der Veräußerung seiner Anteile verwirklichen. Das vollzieht sich unabhängig davon, ob der Veräußerer der Anteile tatsächlich oder rechtlich in der Lage ist (war), einen Einfluß auf die Kapitalgesellschaft auszuüben. Es bedurfte deshalb keines besonderen Zusatzes zu dem Begriff der mittelbaren Beteiligung über die Beherrschung der die Beteiligung vermittelnden Gesellschaft, um das Erfassen der Veräußerungsgewinne in dem für sachgerecht gehaltenen Maße sicherzustellen. Mögen auch die Maßnahmen der Geschäftsführung der Kapitalgesellschaft letzten Endes im wesentlichen für die Veräußerungsgewinne als solche und deren Höhe bestimmend sein, so rechtfertigt dies doch nicht, ein im Wortlaut des Gesetzes nicht enthaltenes, nach dem Sinn und Zweck nicht gebotenes Merkmal für die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen dieser Art zu fordern.

Im übrigen wäre es nach Auffassung des Senats in der Praxis kaum möglich, in jedem Fall einer mittelbaren Beteiligung die Möglichkeit und den Umfang der Einflußnahme auf die die Beteiligung vermittelnde Gesellschaft festzustellen.

(c) Das entspricht auch dem systematischen Zusammenhang, in den § 17 EStG im Gesetz gestellt ist. Zu Recht weist das FA in seiner Revisionserwiderung darauf hin, daß die Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften unmittelbar im Anschluß an die Besteuerung der Gewinne geregelt wird, die ein Unternehmer (Mitunternehmer) aus der Veräußerung seines Anteils an einer Personengesellschaft (§ 15 Nr. 2 EStG) erzielt. Gem. § 16 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, Abs. 4 EStG werden die Gewinne aus der Veräußerung eines Gesellschafteranteils - ebenso wie die aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften - den Einkünften aus Gewerbebetrieb zugeordnet. Sie werden besteuert unabhängig davon, wie groß der veräußerte Anteil war, welcher Anteil dem Veräußerer am Gesellschaftsvermögen zustand und welchen Einfluß der veräußernde Gesellschafter auf die Geschäftsführung der Gesellschaft hatte: Unter § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG fällt grundsätzlich die Veräußerung jeder gesamthänderischen Beteiligung am Betrieb. Ob jedoch die Steuerpflicht überhaupt eintritt, hängt - ebenso wie bei der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften - von der Höhe des Veräußerungsgewinns ab (§ 16 Abs. 4, § 17 Abs. 3 EStG). Die Gleichartigkeit der Sachverhalte, die der Besteuerung unterworfen werden, und die Gleichartigkeit der gesetzlichen Regelungen rechtfertigen es im Hinblick auf § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG nicht, die Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften von einem Beherrschen der vermittelnden Kapitalgesellschaft abhängig zu machen. Daß die Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften - anders als die Regelung gem. § 16 EStG - eine wesentliche Beteiligung voraussetzt, verstößt weder gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) noch gegen andere Normen des Grundgesetzes (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes - BVerfG - vom 7. Oktober 1969 2 BvL 3/66, 2 BvR 701/64, BVerfGE 27, 111, BStBl II 1970, 160).

(d) Auch die Entstehungsgeschichte des § 17 EStG gibt hinsichtlich des Begriffes der mittelbaren Beteiligung nichts für die Ansicht der Klägerin her.

§ 30 Abs. 3 EStG 1925 hatte erstmals den Gewinn aus der Veräußerung von "Anteilen an einer Erwerbsgesellschaft" der Besteuerung unterworfen. Dadurch sollten - wie der Begründung zum Entwurf eines Einkommensteuergesetzes (Verhandlungen des Reichstags, III. Wahlperiode, 1924/1925, Drucksache Nr. 795 S. 23 ff., 55 ff.) zu entnehmen ist - "die unrealisierten Konjunkturgewinne", also die zwar eingetretenen, aber beim Bestandsvergleich nicht ausgewiesenen Wertsteigerungen (Vermögensmehrungen) erfaßt werden, die der Steuerpflichtige "spätestens realisiert ... bei der Veräußerung ... seines Anteils an einem Gewerbebetrieb". Dabei ging man auch davon aus (Begründung, a. a. O., S. 56), daß sich die Anteile an zahlreichen Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderen Erwerbsgesellschaften nur in einer Hand oder in wenigen Händen befänden und deshalb solche Unternehmen den Einzelbetrieben und den Personengesellschaften wirtschaftlich sehr nahe stünden, bei denen der Unternehmer (Mitunternehmer) den Gewinn aus Gewerbebetrieb zu versteuern habe; die Veräußerung von Anteilen an solchen Gewerbebetrieben stehe der Veräußerung von Anteilen an Personengesellschaften gleich. Die Besteuerung der Veräußerungsgewinne war jedoch schon damals von einer wesentlichen Beteiligung des Veräußeres am Kapital der Gesellschaft abhängig (§ 30 Abs. 3 Satz 2 EStG 1925). Die Regelung in § 30 EStG 1925, insbesondere die Legaldefinition der wesentlichen Beteiligung, sind sachlich unverändert in § 17 EStG vom 16. Oktober 1934, (RGBl I 1934, 1005) übernommen worden. Das Steueränderungsgesetz - StÄndG - vom 14. Mai 1965 (BGBl I 1965, 377, BStBl I 1965, 217) behielt - wenn auch unter gewissen, hier unbeachtlichen Änderungen - die Besteuerung der Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen grundsätzlich bei. In den maßgeblichen Teilen blieb auch die Legaldefinition der wesentlichen Beteiligung unverändert (Bundestags-Drucksache IV/2400, S. 70). Der Finanzausschuß hat in seinem zweiten schriftlichen Bericht (Bundestags-Drucksache zu IV/3189, S. 7) eine Beschränkung der Besteuerung auf Beteiligungen von mehr als 50 v. H. abgelehnt und dazu bemerkt, daß § 17 "... lediglich eine systemgerechte Besteuerung der von der Kapitalgesellschaft angesammelten Gewinne in der Person des Anteilsveräußerers herbeiführen" solle.

(e) Der Senat kommt - zusammenfassend - aufgrund seiner Auslegung zu dem Ergebnis, daß eine mittelbare Beteiligung i. S. des § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht von einem beherrschenden Einfluß auf die sie vermittelnde Kapitalgesellschaft abhängig ist. Haben in § 17 Abs. 1 EStG dementsprechend keine Erwägungen bezüglich eines Beherrschens der die Beteiligung vermittelnden Kapitalgesellschaft Platz und Ausdruck gefunden, so verbietet es sich, diese Vorschrift gegen ihren Wortlaut und gegen ihren rechtlichen Gehalt, also letztlich in abgeänderter Fassung anzuwenden (vgl. BVerfG-Urteil vom 21. Mai 1952 2 BvH 2/52, BVerfGE 1, 299, [312 ff.]).

(2) Der Hinweis der Klägerin auf den BVerfG-Beschluß 2 BvL 3/66, 2 BvR 701/64 kann zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung führen. Durch diesen Beschluß, der zu den inhaltlich im wesentlichen gleichlautenden Sätzen 1 und 3 des § 17 Abs. 1 EStG 1965 ergangen ist, hat das BVerfG praktisch auch die Vereinbarkeit des § 17 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG mit dem Grundgesetz bestätigt. Dabei hatte das BVerfG nur zu prüfen, ob das gesetzgeberische Ermessen die Grenzen der Willkür überschritten hatte oder nicht. Dies hat es verneint: Das Gericht hat es für sachlich vertretbar gehalten, bei der Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von Kapitalanteilen zwischen Beteiligungen von mehr und weniger als 25 v. H. zu unterscheiden. Das macht deutlich, daß die rechtlichen Erwägungen dieses Gerichts für seine Entscheidung ganz andere sein mußten als die des erkennenden Senats für die im Streitfall zu treffende Entscheidung. Die Darlegungen des BVerfG über die zu den Veräußerungsgewinnen führenden Maßnahmen der Geschäftsführung, über die Besonderheit der "Pakete" und das "Schachtelprivileg" rechtfertigen zwar die Auffassung des BVerfG von der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift, können aber von dem erkennenden Senat nicht ohne weiteres für die Beurteilung übernommen werden, ob die mittelbare Beteiligung i. S. des § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG einen beherrschenden Einfluß des veräußernden Anteilseigners voraussetzt. Dies muß vielmehr - unabhängig von der Anknüpfung der Steuerpflicht an eine Beteiligung von mehr als einem Viertel - aus dem richtigen Verständnis der mittelbaren Beteiligung entschieden werden. Die von der Klägerin ausdrücklich erwähnten Entscheidungen des Niedersächsischen FG II 120/70 und des FG Hamburg I 6/74 (III), die sich im wesentlichen auf die genannte Entscheidung des BVerfG gründen, vermögen nach Ansicht des Senats aus den gleichen Erwägungen die Auffassung der Klägerin nicht zu stützen.

(3) Zu Unrecht verweist die Klägerin in Anlehnung an die Entscheidung des BVerfG 2 BvL 3/66, 2 BvR 701/64 auf das sogenannte Schachtelprivileg und die Organschaft. Beide Rechtsinstitute legen zwar die steuerlichen Auswirkungen bestimmter Beteiligungsverhältnisse fest, bezeichnen diese aber weder als wesentliche Beteiligung noch können sie mit einer wesentlichen Beteiligung im Sinne des § 17 Abs. 1 EStG verglichen werden.

Das Schachtelprivileg (§ 9 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG - in der vor dem 1. Januar 1977 geltenden Fassung) setzte eine "unmittelbare" Beteiligung "an dem Grund- oder Stammkapital ... in Form von Aktien ... oder Anteilen mindestens zu einem Viertel" voraus. Eine solche Beteiligung gewährt zwar in der Regel - von besonderen Mehrheiten und besonderen Erfordernissen kraft Gesetzes oder Satzung abgesehen - eine entsprechende Anzahl von Stimmrechten (§§ 113 bis 115, sowie u. a. § 87 Abs. 2 Satz 2, § 45 Abs. 4 Satz 1, § 146 Abs. 1 Satz 1, § 149 Abs. 1 Satz 1, § 160 Abs. 1 Satz 1 und § 30 Abs. 9, Abs. 10 des Aktiengesetzes 1937 - AktG 1937 -; §§ 133 ff. sowie u. a. § 103 Abs. 1 Satz 2, § 119 Abs. 1 Nr. 5, § 179 Abs. 2 Satz 1, § 202 Abs. 2 Satz 2, § 182 Abs. 2, § 193 Abs. 1 Satz 3, § 52 Abs. 5 Satz 1 AktG 1965; § 47 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -), aber nicht ohne weiteres einen beherrschenden Einfluß auf die Geschäftsführung der Kapitalgesellschaft. An dieses in § 9 KStG festgelegte Beteiligungsverhältnis knüpfte zwar die Regelung in § 17 Abs. 1 EStG hinsichtlich der für den Eintritt der Steuerpflicht maßgeblichen Beteiligungsquote mit gewissen Abweichungen an (vgl. Verhandlungen des Reichstags, III. Wahlperiode, 1924/1925, Drucksache Nr. 795 S. 56). Das rechtfertigt aber für sich allein nicht den Schluß, daß eine mittelbare Beteiligung im Sinne des § 17 Abs. 1 EStG die zu einer "wesentlichen Beteiligung" im Sinne dieser Vorschrift führt, eine wirtschaftliche und/oder gesellschaftsrechtliche Beherrschung der die Beteiligung vermittelnden Kapitalgesellschaft voraussetzt.

Nach der im Streitjahr geltenden, durch die Rechtsprechung entwickelten Auffassung von der Organschaft (vgl. für die Zeit ab 1969 die gesetzliche Regelung in § 7 a KStG i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des Körperschaftsteuergesetzes und anderer Gesetze vom 15. August 1969, BGBl I 1969, 1182, BStBl I 1969, 471) setzte das Bestehen einer Organschaft voraus, daß die Organgesellschaft finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert war. Die finanzielle Eingliederung erforderte für das Körperschaftsteuerrecht ausdrücklich eine kapitalmäßige Beherrschung der Organgesellschaft: Der Organträger mußte selbst und unmittelbar die Mehrheit der Anteile der Organgesellschaft besitzen; eine nur mittelbare Beteiligung genügte nicht (BFH-Urteil vom 25. Oktober 1960 I 62/59 S. BFHE 72, 185, BStBl III 1961, 69). Damit hatte - mangels einer gesetzlichen Regelung der Organschaft - die Rechtsprechung das Erfordernis der Beherrschung für die finanzielle Eingliederung und damit für das Bestehen einer Organschaft überhaupt ausdrücklich eindeutig festgelegt. Daraus kann eine entsprechende kapitalmäßige Beherrschung als Voraussetzung für eine mittelbare Beteiligung im Sinne des § 17 Abs. 1 EStG nicht hergeleitet werden. Eine dem Erfordernis der Rechtsprechung entsprechende Bestimmung bezüglich der Beherrschung läßt sich dieser Vorschrift nicht entnehmen. Wäre es sachlich notwendig - vgl. oben (1), (b) - und gewollt gewesen, hätte in § 17 Abs. 1 EStG eine ähnliche ausdrückliche Regelung für die mittelbare Beteiligung wie in § 7 a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 KStG 1969 aufgenommen werden können, wonach eine solche Beteiligung (nur) genüge, "wenn jede der Beteiligungen, auf denen die mittelbare Beteiligung beruht, die Mehrheit der Stimmrechte gewährt". Das ist nicht geschehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72838

BStBl II 1978, 590

BFHE 1979, 444

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