Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückabwicklung eines irrtümlich angenommenen Sozialversicherungsverhältnisses: Rückfluß von beschränkt abziehbaren Sonderausgaben, rückwirkendes Ereignis, Mitteilung der Krankenkasse als Grundlagenbescheid - Kürzung des Vorwegabzugs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Werden Sozialversicherungsbeiträge mangels Versicherungspflicht zurückgezahlt, fällt für den Sonderausgabenabzug (§ 10 Abs.1 Nr.2, Abs.3 Nr.2 EStG 1977-1983) ein Tatbestandsmerkmal mit Wirkung für die Vergangenheit fort (§ 175 Abs.1 Satz 1 Nr.2 AO 1977).

2. Ist im Jahr der Erstattung an den Steuerpflichtigen eine Kompensation mit gleichartigen Aufwendungen nicht möglich, ist der Sonderausgabenabzug des Jahres der Verausgabung um die --ggf. zeitanteilig anzusetzende-- nachträgliche Erstattung zu mindern. Ein bereits bestandskräftiger Bescheid ist nach § 175 Abs.1 Satz 1 Nr.2 AO 1977 zu ändern (Fortführung des Senatsurteils vom 26. Juni 1996 X R 73/94).

 

Orientierungssatz

1. Zudem entfällt die Kürzung des Vorwegabzugs rückwirkend, wenn wegen der Rückabwicklung der rechtsgrundlosen Beiträge die entsprechenden Versicherungsanwartschaften entfallen.

2. Im Streitfall konnte dahinstehen, ob die Mitteilung einer Krankenkasse, daß ein Steuerpflichtiger aufgrund seines Arbeitsverhältnisses mit einer GmbH nicht sozialversicherungspflichtig sei, ein Grundlagenbescheid für die Einkommensteuerfestsetzung des Steuerpflichtigen i.S. des § 171 Abs. 10 AO 1977 ist.

3. Zweck der Kürzung des Vorwegabzugs i.S. des § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG ist es, solche Personen, die im Zusammenhang mit ihrer Berufstätigkeit ohne eigene Beitragsleistung Anwartschaften auf eine Altersversorgung oder Leistungen im Krankheitsfalle erlangen, mit selbständig Tätigen gleichzustellen, die ihre Beiträge zur Altersvorsorge in voller Höhe aus eigenen Mitteln aufbringen müssen; diese Gleichstellung wird rechtstechnisch dadurch bewirkt, daß allen Steuerpflichtigen ein Vorwegabzug gewährt wird, der für bestimmte, nach sachlichen Gesichtspunkten umgrenzte Personengruppen gekürzt wird.

 

Normenkette

AO 1977 § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 1 S. 1 Nr. 2; EStG § 10 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

FG Köln (Urteil vom 12.10.1994; Aktenzeichen 11 K 2783/92)

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute und wurden in den Streitjahren 1978 bis 1984 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger ist seit dem 1. Januar 1978 mit einem Geschäftsanteil in Höhe von 40 v.H. an der Firma H und Söhne GmbH (im folgenden: GmbH) beteiligt, deren Geschäftsführer er ist. Zu Beginn seiner Arbeitnehmertätigkeit teilte ihm die zuständige Innungskrankenkasse mit, daß er aufgrund dieses Arbeitsverhältnisses für die Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig sei. Daraufhin wurden die Arbeitnehmerbeiträge zu diesen Versicherungen vom Arbeitslohn einbehalten und an die Sozialversicherungsträger abgeführt.

Die Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre wurden in den Jahren 1980 bis 1986 beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) eingereicht, zuletzt die Steuererklärung für 1984 am 16. Mai 1986. In den Veranlagungen übernahm das FA die erklärten Angaben zur Sozialversicherungspflicht, da der Arbeitgeber die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge auf der Lohnsteuerkarte bestätigt hatte. Bei der Berechnung der abziehbaren Vorsorgeaufwendungen für die Jahre 1978 bis 1988 wurde der Vorwegabzug nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) um die Arbeitgeberanteile zur Rentenversicherung gekürzt.

Mit Bescheid vom 19. April 1989 teilte die Innungskrankenkasse der GmbH mit, daß der Kläger als Geschäftsführer weder kranken- noch rentenversicherungspflichtig gewesen sei. Auch habe er keine Beiträge an die Bundesanstalt für Arbeit zu entrichten gehabt. Die zu Unrecht erhobenen Arbeitgeberanteile wurden von den verschiedenen Sozialversicherungsträgern an die GmbH im Jahre 1989 zurückerstattet. Die Arbeitnehmeranteile für die Jahre 1978 bis 1988 wurden auf das Konto des Klägers überwiesen.

Mit Schreiben vom 11. September 1991 beantragten die Kläger, die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1978 bis 1988 unter Gewährung des Vorwegabzugs bei den beschränkt abziehbaren Sonderausgaben zu ändern. Dem entsprach das FA für die Jahre 1985 und 1986 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) und hinsichtlich der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1987 und 1988 gemäß § 164 Abs. 2 AO 1977. Eine Korrektur der Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 1978 bis 1984 lehnte das FA mit Bescheid vom 25. September 1991 ab. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Das FA vertrat die Auffassung, eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 sei nicht möglich, da für die fraglichen Zeiträume bereits Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Eine Änderung nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 komme nicht in Betracht, weil durch den Bescheid der Innungskrankenkasse die Sozialversicherungspflicht nicht rückwirkend aufgehoben worden sei.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Unabhängig vom Eintritt der Regelverjährung und unabhängig davon, ob die Bescheide der Innungskrankenkasse über die Sozialversicherungspflicht Grundlagenbescheide i.S. des § 171 Abs. 10 AO 1977 seien, ergebe sich die Befugnis zur Änderung der Steuerbescheide für die Streitjahre jedenfalls aus § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977. Der Bescheid der Innungskrankenkasse vom 19. April 1989 sei ein rückwirkendes Ereignis im Sinne dieser Bestimmung. Die Entscheidung des FG ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 764.

Mit der Revision rügt das FA die rechtsfehlerhafte Anwendung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977. Die Versicherungspflicht habe das FA anhand der Gesamtumstände in eigener Zuständigkeit zu beurteilen. Entscheidungen ressortfremder Behörden --hier: der Innungskrankenkasse-- seien keine Grundlagenbescheide. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (Urteil vom 22. August 1969 VI R 306/67, BFHE 96, 479, BStBl II 1969, 681) sei die Korrektur eines Bescheides über den Grad der Körperbehinderung kein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977. Gleiches müsse auch für die Korrektur eines sozialversicherungsrechtlichen Bescheides gelten. Der die Versicherungspflicht feststellende Verwaltungsakt des Sozialversicherungsträgers sei nicht Tatbestandsmerkmal eines Steueranspruchs und zwinge die Finanzverwaltung auch nicht zu derselben rechtlichen Beurteilung.

Das FA beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt aus anderen als den geltend gemachten Gründen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG in der in den Streitjahren 1978 bis 1984 geltenden Fassung konnten zusammenveranlagte Steuerpflichtige Vorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG --auch Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen-- zusätzlich zu den Höchstbeträgen des § 10 Abs. 3 Nr. 1 und 3 EStG bis zu Beträgen zwischen 3 000 DM und 6 000 DM als Sonderausgaben abziehen (§ 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG). Dieser sog. Vorwegabzug verminderte sich bei Arbeitnehmern um den vom Arbeitgeber geleisteten gesetzlichen Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie um bestimmte steuerfreie Zuschüsse des Arbeitgebers i.S. des § 3 Nr. 62 EStG (§ 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG).

2. Der Senat läßt dahingestellt, ob die Mitteilung der Innungskrankenkasse, daß der Steuerpflichtige aufgrund seines Arbeitsverhältnisses mit der GmbH nicht sozialversicherungspflichtig sei, ein Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10 AO 1977 ist. Bedenken in dieser Hinsicht bestehen deswegen, weil der steuer- und der sozialversicherungsrechtliche Arbeitnehmerbegriff (§ 2 Abs. 2 Nr. 1, § 7 des Sozialgesetzbuches --SGB-- IV) --insbesondere bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern einer Kapitalgesellschaft (hierzu Seewald in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 7 SGB IV Rdnr. 90, mit Nachweisen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts)-- nicht deckungsgleich sind.

Wurde der Bescheid der Innungskrankenkasse dem Kläger im Jahre 1989 bekanntgegeben, endete die Festsetzungsfrist von einem Jahr (§ 171 Abs. 10 AO 1977 i.d.F. vor Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 1997 vom 20. Dezember 1996, Art. 20 Nr. 4, BGBl I 1996, 2049, Art. 97 § 10 Abs. 7 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung --EGAO 1977--) im Jahre 1990; ein nach diesem Zeitpunkt gestellter Antrag auf Änderung der Steuerfestsetzungen konnte daher keinen Erfolg haben (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Der Eintritt der Festsetzungsverjährung bewirkt auch, daß der Steuerpflichtige die Änderung einer Steuerfestsetzung zu seinen Gunsten nicht mehr beanspruchen kann (vgl. Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, Vor § 169 AO 1977 Tz. 2). Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten (vgl. BFH-Urteil vom 11. Dezember 1984 VIII R 263/82, BFHE 143, 1, BStBl II 1985, 278).

3. Eine Änderung der hier streitigen Steuerbescheide ist zulässig, weil die "Freistellung" von der Versicherungspflicht ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 --mit dementsprechendem Beginn der Festsetzungsfrist (§ 175 Abs. 1 Satz 2 AO 1977)-- darstellt. Die Befugnis zur Änderung auf dieser Rechtsgrundlage ergibt sich unter dem rechtlichen Gesichtspunkt, daß die in den Streitjahren maßgebenden Regelungen über den Vorwegabzug voraussetzen, daß der Arbeitgeber --hier: die GmbH-- für den Arbeitnehmer tatsächlich Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung gezahlt hat, und daß dieses Tatbestandsmerkmal mit Wirkung für die Vergangenheit wegfällt, wenn der Sozialversicherungsträger die geleisteten Beiträge mangels Versicherungspflicht wieder zurückzahlt. Zugleich ist jedoch der Sonderausgabenabzug für Vorsorgeaufwendungen rückgängig zu machen, wenn und soweit wie im Streitfall auch die vom Arbeitnehmer geleisteten Beträge zurückgezahlt werden.

a) Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG sind bestimmte im einzelnen aufgeführte "Aufwendungen" als Sonderausgaben abziehbar. Aus der Verwendung des Begriffs "Aufwendungen" und aus dem Zweck des § 10 EStG, bestimmte die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen mindernde Privatausgaben vom Abzugsverbot des § 12 EStG auszunehmen, folgt nach ständiger Rechtsprechung des BFH, daß nur solche Ausgaben als Sonderausgaben berücksichtigt werden dürfen, durch die der Steuerpflichtige tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet ist (vgl. z.B. Urteile vom 22. November 1974 VI R 138/72, BFHE 114, 346, BStBl II 1975, 350; vom 24. Oktober 1990 X R 43/89, BFHE 162, 425, BStBl II 1991, 175). Das Bundesverfassungsgericht hat diese Rechtsprechung als verfassungsgemäß bestätigt (Beschluß vom 18. Februar 1988 1 BvR 930/86, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1989, 271, unter 1 b).

Aufwendungen des Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum werden somit mangels wirtschaftlicher Belastung nicht als Sonderausgaben berücksichtigt, soweit sich bereits im Zeitpunkt der Zahlung absehen läßt, daß die Aufwendungen rückzuerstatten sind. Unerheblich ist, ob die Erstattung in den Veranlagungszeitraum der Aufwendungen oder in einen späteren Zeitraum fällt.

b) In Fortführung dieses Grundsatzes hat der Senat zur rechtlich vergleichbaren Frage einer Erstattung gezahlter und als Sonderausgabe abgezogener Kirchensteuer mit Urteil vom 26. Juni 1996 X R 73/94 (BFHE 181, 144, BStBl II 1996, 646) entschieden: Zwar ist aus Gründen der Praktikabilität und der Rechtskontinuität am Grundsatz der Verrechnung im Erstattungsjahr festzuhalten (vgl. --zur Verrechnung von Beitragsrückerstattungen-- BFH-Urteil vom 20. Februar 1970 VI R 11/68, BFHE 98, 357, BStBl II 1970, 314; H 86a der Einkommensteuer-Richtlinien 1996). Werden jedoch (Nach-)Zahlungen auf die Kirchensteuer ohne Rechtsgrund geleistet, weil der Steuerpflichtige nie Mitglied der Kirche war, und werden diese rechtsgrundlos geleisteten Zahlungen nach Änderung der Kirchensteuerbescheide in einem späteren Veranlagungszeitraum erstattet, ist die vorstehend dargestellte Ausnahme von der steuersystematisch richtigen Korrektur im Zahlungsjahr nicht hinreichend begründet, zumal dies zu ungerechtfertigten Steuervorteilen führen kann, wenn im Erstattungsjahr gleichartige Sonderausgaben nicht oder nicht in dieser Höhe angefallen sind. Die im Veranlagungszeitraum aufgrund einer Steuerfestsetzung gezahlte Kirchensteuer ist auch dann nicht als Sonderausgabe abziehbar, wenn erst nach Ablauf des Veranlagungszeitraums geklärt wird, daß der Steuerpflichtige die Kirchensteuer mangels Kirchenmitgliedschaft nicht geschuldet hat. Ist der Einkommensteuerbescheid für das Zahlungsjahr noch nicht bestandskräftig, ist daher der Sonderausgabenabzug um die nachträgliche Erstattung zu mindern.

c) Dem vorstehend genannten Senatsurteil liegt der verallgemeinerungsfähige Rechtsgedanke zugrunde, daß die zeitlich zutreffende Erfassung der endgültigen steuerlichen Entlastung aufgrund gezahlter Sonderausgaben dann Vorrang vor Praktikabilitätserwägungen hat, wenn eine Erstattung der Aufwendungen deswegen nicht zu einem zeitraumübergreifenden Ausgleich führen würde, weil und soweit die Entlastung infolge einer Erstattung in einem späteren Veranlagungszeitraum mangels verrechenbarer gleichartiger Sonderausgaben --hier: Vorsorgeaufwendungen-- nicht mehr kompensiert werden könnte. Werden mithin rechtsgrundlos gezahlte Versicherungsbeiträge vom Versicherungsträger zu einem späteren Zeitpunkt erstattet und ist im Jahr der Erstattung eine Kompensation mit gleichartigen Aufwendungen nicht möglich, ist der Sonderausgabenabzug des Jahres der Verausgabung um die --ggf. zeitanteilig anzusetzende-- nachträgliche Erstattung zu mindern.

d) Der Senat hat in seinem Urteil in BFHE 181, 144, BStBl II 1996, 646 offengelassen, ob ein bereits bestandskräftiger Bescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 zu ändern wäre. Diese Frage ist zu bejahen (vgl. Söhn in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 10 Rdnr. B 54 ff.; Trzaskalik, ebenda, § 11 C 46, m.w.N.). Die Erstattung der als Sonderausgaben abgezogenen Beträge wirkt aus den dargelegten materiell-rechtlichen Gründen auf die betreffenden Steuerfestsetzungen zurück.

4. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist und sich seine Entscheidung auch nicht aus anderen Gründen als rechtlich zutreffend darstellt, war das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.

Bei der Neuberechnung der Einkommensteuer ist in materiell-rechtlicher Hinsicht zu berücksichtigen, daß auch die Rückzahlung der Arbeitnehmerbeiträge zu den gesetzlichen Sozialversicherungen zurückwirkt, soweit eine Verrechnung mit anderen Vorsorgeaufwendungen im Jahre der Erstattung --hier: 1989-- wegen eines Erstattungsüberhangs nicht in Betracht kommt. Zweck der Kürzung des Vorwegabzugs ist es, solche Personen, die im Zusammenhang mit ihrer Berufstätigkeit ohne eigene Beitragsleistung Anwartschaften auf eine Altersversorgung oder Leistungen im Krankheitsfalle erlangen, mit selbständig Tätigen gleichzustellen, die ihre Beiträge zur Altersvorsorge in voller Höhe aus eigenen Mitteln aufbringen müssen; diese Gleichstellung wird rechtstechnisch dadurch bewirkt, daß allen Steuerpflichtigen ein Vorwegabzug gewährt wird, der für bestimmte, nach sachlichen Gesichtspunkten umgrenzte Personengruppen gekürzt wird (Senatsurteil vom 12. Oktober 1994 X R 260/93, BFHE 175, 563, BStBl II 1995, 119, m.w.N.). Daher entfällt auch diese Kürzung rückwirkend, wenn wegen der Rückabwicklung der rechtsgrundlosen Beiträge die entsprechenden Versicherungsanwartschaften entfallen sind.

Das FG hat --auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung zutreffend-- keine Feststellungen zu der Frage getroffen, wie hoch die Arbeitnehmerbeiträge des Klägers zu den gesetzlichen Sozialversicherungen in den einzelnen Streitjahren waren. Es wird unter Beachtung der lediglich beschränkten Durchbrechung der Bestandskraft durch § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 sowie des Verböserungsverbots den Sonderausgabenabzug der hier fraglichen Arbeitnehmeranteile rückgängig machen und zugleich den beantragten Vorwegabzug in der für die einzelnen Jahre in Betracht kommenden Höhe gewähren.

Ergänzend bemerkt der Senat: Sollte im Jahr 1989 der Abzug der Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben im Hinblick auf die Erstattung gekürzt worden sein, ist die Veranlagung ggf. auf der Rechtsgrundlage des § 174 Abs. 1 AO 1977 zu ändern.

 

Fundstellen

Haufe-Index 67400

BFH/NV 1999, 262

BStBl II 1999, 95

BFHE 186, 521

BFHE 1999, 521

BB 1998, 2354

BB 1999, 619

BB 1999, 619-621 (Leitsatz und Gründe)

DB 1998, 2402

DStR 1998, 1768

DStR 1998, 1786

DStRE 1998, 920

DStRE 1998, 920 (Leitsatz)

DStZ 1999, 103

HFR 1999, 86

StE 1998, 713

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