Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der wirksamen Bekanntgabe eines Grunderwerbsteuerbescheides an den Gesamtrechtsnachfolger einer nicht mehr bestehenden KG als Steuerschuldner.

 

Normenkette

AO § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1; StAnpG § 8 Abs. 1; GrEStG § 15

 

Tatbestand

Es ist streitig, ob ein Grunderwerbsteuerbescheid nach Beendigung einer KG wirksam bekanntgegeben worden ist.

I. - Durch notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrag vom 16. Juli 1959 (Vertrag 1959) wurde die KG "Metallgießerei Dietrich X" (KG) gegründet. Persönlich haftende Gesellschafter waren die Herren Dietrich X (Vater) und Karl-Heinz X (Sohn), Kommanditistin Frau Maria X, die Ehefrau des Herrn Dietrich X. Letzterer brachte die bisher unter der gleichen Firma betriebene Einzelfirma mit allen Aktiven und Passiven ein. Darunter befand sich auch ein Grundstück, für das die Beteiligten die Auflassung erklärten und die Eintragung im Grundbuch bewilligten. Der Komplementär Dietrich X ist am 2. Januar 1960 verstorben. Nach einer - nach den Ausführungen des Finanzamts nicht notariell beurkundeten - Vereinbarung zwischen der Kommanditistin Frau Maria X und dem zweiten Komplementär Karl X vom 31. März 1960 (Vereinbarung 1960) ist Frau X mit Wirkung vom 2. Januar 1960 aus der KG ausgeschieden. Die Firma wurde von Herrn Karl X als Einzelfirma weitergeführt. Das Grundstück sollte nach der Vereinbarung 1960 rückwirkend nicht in das Eigentum der KG übergehen; die Umschreibung im Grundbuch unterblieb deshalb nach den Darlegungen des Vertreters der Bgin., der meinte, das Grundstück sei deshalb lediglich einkommensteuerrechtlich wirtschaftliches Eigentum der KG als notwendiges Betriebsvermögen geworden.

Das Finanzamt erblickte in der Einbringung des Grundstücks in die KG durch den Vertrag 1959 einen grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerbsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 1 Ziff. GrEStG und errechnete gemäß §§ 11, 5 Abs. 2 GrEStG eine entsprechende Grunderwerbsteuer. Am 11. Oktober 1961 erließ es einen Grunderwerbsteuerbescheid mit der Anschrift "Dietrich X KG zu Händen des Rechtsnachfolgers Karl X".

Auf die Sprungberufung hob das Finanzgericht den Steuerbescheid auf, weil er gegen ein nicht mehr bestehendes Rechtssubjekt ergangen sei, anstatt daß der persönlich haftende Gesellschafter (§ 113 AO) herangezogen worden wäre.

Mit der Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts wesentliche Verfahrensmängel und Verstoß gegen den klaren Akteninhalt. Darin, daß das Finanzgericht den Steuerbescheid aus formalen Gründen aufgehoben habe, ohne der Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, liege eine Versagung des rechtlichen Gehörs. Im übrigen sei der Bescheid mit richtiger Anschrift des Steuersubjekts rechtswirksam an einen zur Zustellung ermächtigten Vertreter gerichtet, zumal Herr Karl X der persönlich haftende Gesellschafter der KG gewesen sei; außerdem sei - wie bereits mit Schriftsatz vom 24. November 1961 an das Finanzgericht vorgetragen - auf ihn als Gesamtrechtsnachfolger kraft Zuwachsung die Steuerschuld der KG gemäß § 8 Abs. 1 StAnpG übergegangen. Es bedeute eine überspannung der Formalien, wenn eine erloschene Firmenbezeichnung nicht mehr in die Anschrift eines Steuerbescheides aufgenommen werden dürfe. Da die Besteuerungsgrundlage aus anderen Gründen neu ermittelt werden müsse, werde Zurückverweisung an das Finanzgericht beantragt.

 

Entscheidungsgründe

II. -

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Es trifft zu, daß die KG grunderwerbsteuerrechtlich als selbständige Rechtsträgerin anzusehen und daß deshalb ein Grunderwerbsteuerbescheid an die KG selbst als Steuerschuldnerin im Sinne des § 97 Abs. 1 AO, § 15 GrEStG zu richten ist ( siehe auch Boruttau-Klein, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 7. Aufl., § 1 Tz. 9; § 15 Tz. 18). Es ist auch richtig, daß ein Steuerbescheid gegen eine nicht mehr bestehende KG wegen Fehlens eines Steuersubjekts grundsätzlich nicht mehr wirksam ergehen kann.

Der Senat hat (wegen der Kraftfahrzeugsteuerpflicht einer KG) zwar in dem Urteil II 8/62 vom 24. Juli 1963 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1964 S. 20) entschieden, daß - bei insoweit anders gelagerten Verhältnissen - ein bereits schwebendes Rechtsbeschwerdeverfahren nur unterbrochen wird, wenn die KG während dieses Verfahrens aufgelöst und im Handelsregister gelöscht wird. Der dort behandelte Fall wies die weitere Besonderheit auf, daß eine Auseinandersetzung nicht stattgefunden hatte. Der Senat hat ferner a. a. O. die Auffassung vertreten, daß die Beendigung der Partei- und Prozeßfähigkeit einer KG nicht von der förmlichen Löschung im Handelsregister abhängt, daß die Steuerpflicht vielmehr, aber auch nur bis zur Vollabwicklung der KG, als fortbestehend anzusehen ist. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf die Gründe dieses Urteils a. a. O., besonders S. 21, rechts Spalte, S. 22 linke Spalte Bezug genommen. Dementsprechend hat der V. Senat des Bundesfinanzhofs entschieden, daß nach "Vollbeendigung" einer GdbR bzw. nach einer durch Auseinandersetzung eingetretenen Beendigung einer KG ein Steuerbescheid an die nicht mehr vorhandene KG nicht mehr wirksam im Sinne des § 91 Abs. 1 AO bekanntgegeben werden könnte (vgl. insoweit Urteil des Bundesfinanzhofs V 154/62 vom 30. Oktober 1962, HFR 1963 S. 312; V 56/63 vom 11. Juli 1963, HFR 1964 S. 396).

Findet aber bei einer aus nur zwei Gesellschaftern bestehenden KG die Auseinandersetzung in der Form statt, daß einer der Gesellschafter das Geschäft mit allen Aktiven und Passiven übernimmt und die Firma als Einzelfirma fortführt, so ist mit der - zum Handelsregister anzumeldenden (§ 143 Abs. 1, § 161 Abs. 2 HGB) - Ausübung der übernahme die Gesellschaft "vollbeendigt" (vgl. Baumbach-Duden, Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 16. Auf., § 157 Anm. 1 A; Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, 3. Aufl., § 23 I S. 245/246, § 30 III S. 346). Von diesem Zeitpunkt ab kann deshalb ein Steuerbescheid gegen die KG als solche nicht mehr erlassen werden (vgl. insoweit auch Urteil des Bundesfinanzhofs V 143/61 vom 13. Februar 1964, HFR 1964 S. 311). Da dann auch die gesetzliche Vertretungsbefugnis des persönlich haftenden Gesellschafters (§§ 161 Abs. 2, 125, 170 HGB) erloschen ist, so kann - entgegen der Auffassung des Finanzamts - ein Steuerbescheid auch nicht mehr mit Wirksamkeit gegen die KG an den Komplementär als dem Vertretungsberechtigten zugestellt werden. Insbesondere ist es - dies sei hier zur Vermeidung von Mißverständnissen bemerkt - auch nicht zulässig, einen unwirksamen Steuerbescheid gegen die KG selbst in einen wirksamen Haftungsbescheid gegen einen Gesellschafter umzudeuten. Gesellschaft und Gesellschafter sind im Grunderwerbsteuerrecht als Steuersubjekte streng auseinanderzuhalten. Die Inanspruchnahme eines Gesellschafters als Haftenden für eine geltend gemachte Grunderwerbsteuerschuld der KG, etwa nach § 113 AO, kommt nur in Betracht, wenn gegen ihn ein Haftungsbescheid ergangen ist, der formal und materiell den an einen solchen Bescheid zu stellenden Anforderungen entspricht (vgl. insoweit auch das Urteil des Senats II 8/62 vom 24. Juli 1963 a. a. O. S. 22 zu 4.).

Eine andere Frage ist es, ob nicht der frühere Gesellschafter Karl X wegen Rechtsnachfolge selbst als Steuerschuldner in Anspruch genommen werden konnte und auch genommen worden ist.

Selbst wenn im Gesellschaftsvertrag kein übernahmerecht vorgesehen ist, können die Gesellschafter und, wenn einer von ihnen gestorben ist, die verbleibenden Gesellschafter und die Erben des verstorbenen Gesellschafters den übergang eines Geschäfts auf einen der Gesellschafter vereinbaren. Eine solche Vereinbarung bedarf auch bei Vorhandensein von Grundstücken nicht der besonderen Form des § 313 BGB (vgl. Hueck a. a. O. § 30 II S. 345, § 31 V 1 S. 351/352; Fischer im Kommentar von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern zum BGB - BGB-RGRK - § 738 Anm. 2 mit Zitaten der Rechtsprechung). Scheidet aus einer zweigliedrigen KG der eine Gesellschafter aus und übernimmt der andere das Geschäft ohne Liquidation mit allen Aktiven und Passiven, so treten hierdurch Auflösung und zugleich Vollbeendigung der KG einerseits ein (vgl. Hueck a. a. O. § 23 I S. 245/246), andererseits geht das Vermögen (einschließlich der Schulden) nach dem entsprechend anzuwendenden § 738 BGB (§ 105 Abs. 2, § 138, § 142 Abs. 3, § 161 Abs. 2 HGB) kraft Gesetzes im Wege der Anwachsung auf den übernehmenden Gesellschafter über. Der übergang vollzieht sich uno actu durch Gesamtrechtsnachfolge (vgl. Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 136 S. 97, 99, und Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 32 S. 307, 315, letztere für eine GdbR; ferner Hueck a. a. O. § 30 III S. 345, § 31 V 1 S. 351/352; Schlegelberger-Geßler, Handelsgesetzbuch, 4. Aufl., § 142 Tz. 13, 14; Weipert im HGB-RGRK § 142 Anm. 15, alle mit weiteren Zitaten aus Rechtsprechung und Literatur; Fischer im BGB-RGRK § 738 Anm. 1, § 736 Anm. 6, und Enneccerus-Lehmann, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, 15. Bearbeitung, § 182 I 3 S. 757, 758, auch für eine GdbR). Der Senat hat sich dieser im Zivilrecht heute durchaus herrschenden Meinung bereits früher in z. T. auch nicht veröffentlichten Urteilen angeschlossen (vgl. insoweit Urteil II 155/60 U vom 31. Oktober 1963, BStBl 1963 III S. 579, 580, Slg. Bd. 77 S. 706; Boruttau-Klein a. a. O. § 1 Tz. 18).

Im Falle der Gesamtrechtsnachfolge geht aber gemäß § 8 Abs. 1 StAnpG die Steuerschuld des Rechtsvorgängers, der KG, auf den übernehmenden Gesellschafter als "Rechtsnachfolger" über. Letzterer ist selbst Steuerschuldner (nicht Haftender) geworden. Der Gesamtrechtsnachfolger tritt nicht nur in sachlich- rechtlicher, sondern auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht in die Rechtsstellung seines Vorgängers ein. Der Steuerbescheid muß also an den Gesamtrechtsnachfolger selbst gerichtet werden. Aus dem Wesen der Gesamtrechtsnachfolge hat es die Rechtsprechung jedoch für die Wirksamkeit der Bekanntgabe eines Steuerbescheides genügen lassen, daß der Bescheid zwar (nur) auf den Namen des Rechtsvorgängers - z. B. des Erblassers - lautet, wenn er nur dem Rechtsnachfolger bekanntgegeben worden ist (vgl. z. B. Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 43/60 vom 8. September 1960, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Reichsabgabenordnung, § 86, Rechtsspruch 43). So hat der Senat in einer Gesellschaftsteuersache (Urteil II 14/60 vom 8. Mai 1963, HFR 1963 S. 401) die unrichtige Bezeichnung des Rechtsvorgängers in der Einspruchsentscheidung und im Berufungsurteil einer Richtigstellung auf den Gesamtrechtsnachfolger für fähig gehalten. Diese Frage braucht hier nicht vertieft zu werden. Denn im Streitfall muß es jedenfalls als unschädliche äußere Form angesehen werden, wenn zwar der Name der nicht mehr bestehenden KG in die Anschrift eines Steuerbescheids aufgenommen wird, jedoch mit dem ausdrücklichen Zusatz "zu Händen des Rechtsnachfolgers XY", wenn auch diese klärende Ergänzung in solchen Fällen richtiger durch die Anschrift "Herrn XY als (Gesamt-) Rechtsnachfolger der KG" dargetan würde.

Zutreffend rügt deshalb das Finanzamt, daß das Finanzgericht unter Verkennung der Sach- und Rechtslage seiner Pflicht nicht nachgekommen ist, den Sachverhalt von Amts wegen so erschöpfend aufzuklären (§ 243 AO), daß eine rechtlich einwandfreie Beurteilung auch der Verfahrensfragen gewährleistet war. Die Klärung insbesondere der Frage, ob im Vollzuge der Vereinbarung 1960 die Gesamtrechtsnachfolge in vorstehend erörtertem Sinn eingetreten war, wäre bereits wegen der Formulierung der Anschrift des Steuerbescheides veranlaßt gewesen, zumindest aber - worauf das Finanzamt hinweist - auf Grund der Ausführungen des Vertreters der früheren KG vor dem Finanzgericht und der entsprechenden Stellungnahme des Finanzamts vom 24. November 1961.

Die Vorentscheidung, die schon wegen mangelnder Sachaufklärung zu einem verfahrensrechtlich möglicherweise unzutreffenden Ergebnis gekommen ist und insbesondere die Anwendbarkeit des § 8 StAnpG überhaupt nicht erörtert hat, war aufzuheben. Die Sache, in der das Finanzgericht die materiell- rechtliche Grunderwerbsteuerfrage noch nicht geprüft hat, ist nicht spruchreif; sie geht, ohne daß auf die materielle Rechtslage einzugehen war, an das Finanzgericht zurück, das unter Beachtung der oben entwickelten Rechtsgrundsätze den gesamten Rechtsstreit in verfahrens- und sachlich-rechtlicher Hinsicht erneut zu würdigen haben wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411629

BStBl III 1965, 422

BFHE 1965, 484

BFHE 82, 484

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