Leitsatz (amtlich)

Umzugskosten sind unabhängig von der Art der Wohnungskündigung durch Mieter oder Vermieter in der Regel keine außergewöhnlichen Belastungen i. S. des § 33 EStG.

 

Normenkette

EStG 1969 § 33

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) bewohnte mit seiner Ehefrau und seinen acht Kindern von 1956 bis zum Jahr 1970 eine Mietwohnung. Der Mietvertrag war auf unbestimmte Zeit geschlossen und wurde von der Vermieterin im Jahr 1970 wegen Eigenbedarfs fristgerecht gekündigt. Der Kläger machte mit dem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1970 folgende Umzugskosten als außergewöhnliche Belastung geltend:

a) Kosten des Umzugunternehmers 568,88 DM

b) Bewirtung des Umzugpersonals 72,10 DM

c) Installation von Elektrogeräten 154,94 DM

d) neue Vorhänge 263,72 DM

e) Instandsetzung der alten Wohnung 2 000,- DM

f) Instandsetzung der neuen Wohnung 1719,40 DM

insgesamt 4779,04 DM

Der Kläger meint, die Aufwendungen seien für ihn zwangsläufig und - insbesondere auch wegen ihrer Höhe - außergewöhnlich gewesen. Sie hätten ihn in eine unverschuldete Notlage gebracht und er habe ein Darlehen von seiner Schwester aufnehmen müssen. Die Miete der neuen Wohnung mit 550 DM liege zudem weit über der früheren Miete von zuletzt 300 DM. Die Kosten seien ihm ebenso unausweichlich und schicksalhaft entstanden wie die einer Krankheit. Er habe durch die Aufregungen im Oktober 1969 einen Schlaganfall erlitten, an dessen Folgen er heute noch leide.

Der Beklagte und Revisionskläger (FA) lehnte im Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheid die Anerkennung der Umzugskosten als außergewöhnliche Belastung ab. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das FG gab der Klage teilweise statt. Es führte in dem in den EFG 1973, 317, veröffentlichten Urteil aus, Umzugskosten könnten eine außergewöhnliche Belastung i. S. des § 33 EStG sein, wenn der Umzug auf Gründen beruhe, auf die der Steuerpflichtige keinen Einfluß gehabt habe. Diese Voraussetzung sei im Streitfall erfüllt. Die streitigen Aufwendungen seien für den Kläger außergewöhnlich gewesen, da Räumungskündigungen nur eine kleine Minderheit von Mietern treffen. Sie seien aber nur insoweit als außergewöhnliche Belastung i. S. von § 33 EStG anzuerkennen, als sie den Umständen nach notwendig seien und einen angemessenen Betrag nicht überstiegen. Im Streitfall könnten daher nur die Ausgaben für den Transportunternehmer, für die Bewirtung des Umzugspersonals, für die Installation von Elektrogeräten und für neue Vorhänge berücksichtigt werden. Solche Kosten entständen vergleichbaren anderen Steuerpflichtigen nicht und der Kläger habe für sie keinen Gegenwert erhalten. Bei den Vorhängen sei zu berücksichtigen, daß der Kläger die Vorhänge der alten Wohnung nicht habe verwenden können. Aufwendungen für die Instandsetzung der alten und der neuen Wohnung seien hingegen keine außergewöhnliche Belastung i. S. von § 33 EStG.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des § 33 EStG. Es trägt vor, das FG habe den Begriff der Zwangsläufigkeit verkannt. Der Kläger sei mit Abschluß eines übliche Kündigungsklauseln enthaltenen Mietvertrages durch freie Willensentscheidung das Risiko eines späteren Umzuges eingegangen. Das schließe die Annahme einer von außen eintretenden Zwangsläufigkeit von Umzugskosten aus.

Die Aufwendungen seien im Streitfall nicht außergewöhnlich gewesen. Entgegen der Ansicht des FG sei es für § 33 EStG ohne Bedeutung, ob dem Steuerpflichtigen die bisherige Wohnung gekündigt werde, weil der Vermieter sie benötige oder weil der Vermieter eine höhere Miete erzielen wolle, die er, der Mieter, nicht bezahlen könne oder nicht bezahlen wolle. Es gebe zudem häufig Fälle, in denen ein Mieter aus mehr oder minder zwingenden Gründen seine Wohnung wechseln müsse, so z. B., um einem behinderten Kind den Besuch einer entsprechenden Schule zu ermöglichen. Es sei nicht möglich, solche Sachverhalte im Rahmen des § 33 EStG voneinander abzugrenzen.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Nach § 33 Abs. 1 EStG liegt eine außergewöhnliche Belastung vor, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift mit typischem Billigkeitscharakter fallen hierunter nicht die jedermann treffenden Kosten für Ernährung, Kleidung und Obdach, sondern lediglich Aufwendungen, die die üblichen Lebenshaltungskosten übersteigen (vgl. Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl., Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) in der Regel keine außergewöhnliche Belastung, weil sie zu den Aufwendungen für die Wohnungsbeschaffung zählen, die regelmäßig typische Lebenshaltungskosten sind, mit denen jeder zu rechnen hat (vgl. insbesondere BFH-Urteile vom 5. März 1953 IV 243/52 U, BFHE 57, 317, BStBl III 1953, 126, und vom 2. August 1963 VI 266/62 U, BFHE 77, 443, BStBl III 1963, 482).

Die Ausführungen des FG veranlassen den Senat nicht zur Änderung seiner Rechtsprechung. Es kann dahingestellt bleiben, ob dem Kläger die mit dem Umzug zusammenhängenden Aufwendungen zwangsläufig entstanden sind, weil die Vermieterin ihm nach 15jähriger Mietzeit wegen Eigenbedarfs gekündigt hat. Belastungen i.S. des § 33 EStG lagen jedenfalls deshalb nicht vor, weil sie nicht außergewöhnlich waren. Umzüge wegen Wohnungswechsels sind in der Bundesrepublik Deutschland alltägliche Ereignisse. Dadurch entstehende Kosten sind nicht deshalb außergewöhnlich, weil der Umzug durch eine Kündigung der Wohnung durch den Mieter oder Vermieter veranlaßt worden ist. Es ist ebenfalls ohne Bedeutung, ob der Vermieter die Kündigung wegen Eigenbedarfs oder zur Erzielung eines höheren Mietzinses ausgesprochen hat. Entgegen der Ansicht des FG ist insbesondere eine Kündigung des Vermieters wegen Eigenbedarfs nicht ungewöhnlich. Im Hinblick auf das Widerspruchsrecht des Mieters nach § 556a BGB gegen eine vom Vermieter ausgesprochene Kündigung hat in letzter Zeit gerade diese Art der Kündigung eine besondere Bedeutung erlangt. Gemäß den zutreffenden Ausführungen des FA ist es nicht möglich, im Rahmen des § 33 EStG zwischen den verschiedenen Arten von Wohnraumkündigungen zu differenzieren. Würden Umzugskosten wegen Räumungskündigungen unter § 33 EStG fallen, nicht aber solche wegen Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung, so würde gerade dem Steuerpflichtigen der Steuerabzug nach § 33 EStG versagt, der nicht die Mittel hat, die geforderte höhere Miete aufzubringen. Da auch Kündigungen des Mieters u.U. zwingend geboten sein können, kann der Senat die mit einem Wohnungswechsel zusammenhängenden Kosten in der Regel nur dem Bereich der üblichen Lebenshaltungskosten zuordnen, die im Rahmen des § 33 EStG nicht berücksichtigt werden können, mag ein Wohnungswechsel auch für den einzelnen Steuerpflichtigen und seine mehr oder minder große Familie überraschend eintreten und sie finanziell stark belasten.

Die Vorentscheidung war aufzuheben, da das FG von anderen rechtlichen Erwägungen ausgegangen ist. Die Klage war abzuweisen, weil das FA zu Recht die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen von insgesamt 4.779,04DM nicht zum Abzug zugelassen hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71374

BStBl II 1975, 482

BFHE 1975, 259

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