Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Körperschaftsteuer Handelsrecht Gesellschaftsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Der Erwerb eines eigenen Anteils durch eine GmbH und die spätere Amortisation dieses Anteils gemäß § 34 GmbHG ist kein einkommensteuerpflichtiger Vorteil für die anderen Gesellschafter.

Das gilt auch, wenn gleichzeitig der Nennwert der Anteile der Gesellschafter dem Stammkapital wieder angepaßt wird.

 

Normenkette

EStG § 11 Abs. 1, § 20 Abs. 2 Ziff. 1; KStG § 6 Abs. 1 S. 2; GmbHG § 34

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige (Stpfl.) ist alleinige Gesellschafterin eine GmbH, deren Stammkapital zunächst 900.000 DM betrug und ursprünglich mit 270.000 DM in der Hand des Kaufmanns H. und mit 630.000 DM in der Hand des im Jahre 1958 gestorbenen Ehemannes der Stpfl. war. Als H. im Jahre 1957 ausschied, übernahm die GmbH seinen Anteil von 270.000 DM für 1.140.000 DM und aktivierte ihn mit dem übernahmepreis. In der Bilanz zum 31. Dezember 1960 löste die GmbH den Posten zu Lasten der freien Rücklagen auf; zuvor hatte sie beschlossen, den eigenen Anteil einzuziehen und den Anteil der Stpfl. von 630.000 DM auf 900.000 DM zu erhöhen. Das Stammkapital wurde alsdann nach den Vorschriften des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung vom 23. Dezember 1959 (BGBl 1959 I S. 789) durch Umwandlung von Rücklagen von 2.100.000 DM auf 3.000.000 DM erhöht.

Streitig ist, ob die GmbH durch die Erhöhung des Geschäftsanteils von 630.000 DM auf 900.000 DM der Stpfl. im Sinne von § 20 Abs. 2 EStG einen Vorteil (Freianteil) von 270.000 DM zugewendet hat. Das Finanzamt (FA) nahm das an und zog die Stpfl. mit entsprechenden Einkünften aus Kapitalvermögen heran.

Die Sprungberufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG), dessen Entscheidung in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 1965 S. 322 veröffentlicht ist, führte aus: Wenn eine GmbH den Anteil eines ausscheidenden Gesellschafters erwerbe oder einen so erworbenen Anteil nach § 34 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) einziehe, so flössen dem verbleibenden Gesellschafter dadurch keine Einnahmen zu. Hier sei die GmbH nach § 34 GmbHG vorgegangen. Das Stammkapital der Gesellschaft von 900.000 DM sei durch die Einziehung des eigenen Anteils nicht berührt worden. Der Anteil der Stpfl. sei zwar zu dieser Zeit nur mit 630.000 DM zu beziffern gewesen. Darauf komme es indessen nicht an; denn wirtschaftlich sei der Anteil der Stpfl., nachdem die GmbH den Anteil des H. erworben hatte, bereits 900.000 DM wert gewesen. Die Heraufsetzung auf den Nennwert von 900.000 DM habe nur formal die bereits geschaffene wirtschaftliche Situation offenbar gemacht.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision, mit der der Vorsteher des FA unrichtige Anwendung des § 6 Abs. 1 Satz 2 KStG in Verbindung mit § 20 Abs. 2 Ziff. 1 EStG rügt, ist unbegründet.

In übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats hat das FG angenommen, daß die Stpfl. einen geldwerten Vorteil nicht dadurch erworben hat, daß die GmbH den Anteil des H. zu einem angemessenen Preis erwarb und in ihr Betriebsvermögen aufnahm (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - VI 177/62 U vom 28. August 1964, BStBl 1964 III S. 578, Slg. Bd. 80 S. 288).

Ebensowenig hat die Stpfl. durch die Amortisation des erworbenen Anteils gemäß § 34 GmbHG einen Freianteil erworben, wie der Senat in dem Urteil VI 177/62 U (a. a. O.) ebenfalls bereits entschieden hat. Die Einziehung von Anteilen nach § 34 GmbHG hat zur Folge, daß der Nennbetrag des Stammkapitals mit dem Nennbetrag der Geschäftsanteile nicht mehr übereinstimmt. Der Betrag des Stammkapitals und der Nennbetrag der Geschäftsanteile brauchen gemäß § 5 Abs. 3 Satz 3 GmbHG nur bei der Gründung der GmbH übereinzustimmen. Später kann es durch gesellschaftliche Vorgänge zu Abweichungen kommen (Schilling bei Hachenburg, 6. Aufl., Anm. 3 und 12 zu § 14 GmbHG). Die Einziehung des Anteils war für die GmbH erfolgsneutral, weil sie zu Lasten der freien Rücklage ging. Das Beteiligungsverhältnis der Stpfl. hat sich allerdings verändert, indem sie Alleingesellschafterin wurde (Beschluß des Kammergerichts 1 Wx 258/43 vom 29. Juli 1943 in Deutsches Recht 1943 S. 1230; Mangold, Deutsche Justiz, 1943 S. 179; Heim in Deutsches Recht 1944 S. 320; Schmidt bei Hachenburg, a. a. O., § 34 Anm. 20). Daraus ist indessen nicht zu folgern, daß der Stpfl. Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 2 Ziff. 1 EStG zugeflossen sind; denn ihre wirtschaftliche Lage hat sich dadurch nicht wesentlich verändert, wie das FG zutreffend angenommen hat. In der Entscheidung des Senats VI 177/62 U (a. a. O.) ist bereits ausgesprochen, daß der verbleibende Gesellschafter einen etwaigen Vorteil steuerlich erst später erwirbt, nämlich bei der Veräußerung seines Anteils oder bei der Liquidation der Gesellschaft.

Der Vorsteher des FA nimmt - im Gegensatz zum FG - an, daß der Geschäftsanteil der Stpfl. durch die Anpassung des Nennwerts an die Höhe des Stammkapitals wertvoller geworden und der Stpfl. dadurch ein Vorteil im Sinne von § 20 Abs. 2 Ziff. 1 EStG zugeflossen sei. Ohne Rechtsverstoß hat aber das FG es abgelehnt anzunehmen, daß der Stpfl. durch den Vorgang der Erhöhung des Nennwerts des Anteils ein Vorteil im Sinne des § 6 Abs. 1 KStG in Verbindung mit § 20 Abs. 2 Ziff. 1 EStG zugeflossen sei. Es führt mit Recht aus, daß der wirtschaftliche Wert des Anteils, der sich seit dem Erwerb des eigenen Anteils durch die GmbH in der Hand der Stpfl. befand, durch die Anpassung an den Nennbetrag des Stammkapitals keine Veränderung erfahren hat. Dem Erwerber des Anteils der Stpfl. würde es gleichgültig sein, ob der Anteil mit 630.000 DM oder 900.000 DM beziffert ist. Entscheidend würde für ihn sein, daß der Anteil ein Stammkapital von 900.000 DM verkörpert. Die Aufstockung des Nennbetrags diente nur der Beseitigung eines "Schönheitsfehlers", indem eine zeitweise bestehende Differenz zwischen dem Stammkapital und dem Nennbetrag der Geschäftsanteile beseitigt wurde (vgl. Thiel, GmbH-Rundschau, 1961, S. 49; Kohlenbach, Der Betrieb 1961, S. 180).

Der Vorsteher des FA weist auf das Urteil des Senats VI 89/59 U vom 4. Dezember 1959 (BStBl 1960 S. 90, Slg. Bd. 70 S. 243) hin, in dem der Senat entschieden hat, daß Gesellschaftern einer GmbH dann offen oder verdeckt Freianteile zugewendet würden, wenn gleichzeitig mit der Amortisation das Stammkapital der GmbH über den ursprünglichen Nennbetrag hinaus erhöht werde. Die Grundsätze dieser Entscheidung treffen aber den Streitfall nicht; denn hier ist nicht das Stammkapital der GmbH erhöht worden, das stets unverändert 900.000 DM war. Es geht vielmehr um die Amortisation von Geschäftsanteilen nach § 34 GmbHG und ihre steuerlichen Folgen.

Im übrigen ist auch nach dem Gesetz über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln steuerfrei. Das FA hat infolgedessen denn auch die Kapitalerhöhung von 900.000 DM auf 3.000.000 DM für die Stpfl. nicht als einkommensteuerrechtlich bedeutsamen Vorgang behandelt. Allerdings können die Grundsätze über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung auf den Erwerb und die Amortisation von eigenen Anteilen durch eine GmbH nicht unmittelbar angewendet werden (vgl. Hübl, Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe A 1963 S. 164 ff). Es wäre aber doch wenig sinnvoll, wenn man den Erwerb von echten Freianteilen steuerfrei beließe, die ziffernmäßige Anpassung des Geschäftsanteils an das unverändert gebliebene Stammkapital jedoch der Besteuerung unterwerfen wollte. Hätte die Stpfl. als Alleingesellschafterin das Stammkapital der GmbH zunächst von 900.000 DM auf 630.000 DM herabgesetzt und sodann das Stammkapital wieder von 630.000 DM auf 3.000.000 DM erhöht, so hätte dieser Vorgang nach dem Gesetz über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung keine einkommensteuerrechtlichen Folgen ausgelöst. Es würde aber kaum dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, für die Stpfl. eine Steuerpflicht daraus abzuleiten, daß im Streitfall die Kapitalherabsetzung unterblieben ist und die GmbH hier einen durch § 34 GmbHG ihr offengehaltenen einfacheren Weg gegangen ist. Das Gesetz über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung hat die schwierige Frage der Besteuerung von Freianteilen aus Gesellschaftsmitteln großzügig dadurch gelöst, daß es nicht schon den Vorgang der Zuteilung des Freianteils als geldwerten Vorteil betrachtet, sondern erst die spätere Realisierung der im Altanteil zusammen mit dem daraus abgespaltenen Freianteil liegenden Chance nach den allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Vorschriften würdigt. Aus der Sicht des Gesetzgebers ist es also nicht zu vertreten, mit dem FA aus dem formalen Vorgang der Anpassung des Nennwerts des Anteils an das Stammkapital eine Einkommensteuerpflicht für die Stpfl. abzuleiten. Erst die Zukunft wird zeigen, ob und in welcher Höhe die Stpfl. aus den Anteilen, die sie insgesamt für 630.000 DM erworben hat, einen Veräußerungsgewinn im Sinne des § 17 EStG erzielt.

Da demnach das FG mit Recht den Betrag von 270.000 DM für nicht einkommensteuerpflichtig erklärt hat, war die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411962

BStBl III 1966, 245

BFHE 1966, 90

BFHE 85, 90

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