Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Laufende Vergütungen, die auf Grund eines auf die Bestellung eines Erbbaurechts gerichteten Vertrags gezahlt werden, dürfen jedenfalls dann nicht unter Hinweis auf die wirtschaftliche Betrachtung gewerbesteuerlich als Erbbauzinsen angesehen werden, wenn bei Abschluß des Erbbauvertrages mit der bürgerlich-rechtlichen Entstehung eines Erbbaurechts in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden konnte.

 

Normenkette

GewStG § 8 Ziff. 2; StAnpG § 1 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Gesellschafter der beschwerdeführenden GmbH i. L., betrieben in Y., unter der Firma X. - OHG ein Unternehmen, das sie auf Grund der notariellen Verträge vom 14. September und 1. November 1948 mit Wirkung vom 1. Oktober 1948 in eine von ihnen gegründete GmbH einbringen wollten. Der endgültige Vertrag über die Gründung der beschwerdeführenden GmbH wurde erst am 20. Juni 1949 mit Wirkung vom 1. Juni 1949 geschlossen. Die Bfin. und das Finanzamt gingen davon aus, daß die Bfin. ab 1. Juli 1949 steuerpflichtig geworden sei.

Am 19. Oktober 1948 schlossen die Gesellschafter mit den B.'schen Erben als Grundstückseigentümer einen Erbbauvertrag über in Y. gelegene Grundstücke, auf denen die Gesellschafter innerhalb von 15 Jahren Gebäude zu errichten berechtigt und verpflichtet waren. Innerhalb der gleichen Zeit mußten die Eigentümer die Grundstücke lastenfrei machen, weil vorher die Eintragung des Erbbaurechts nicht durchführbar war (ß 10 der Verordnung über das Erbbaurecht vom 15. Januar 1919, RGBl 1919 I S. 72). Zur Sicherung der Gesellschafter bis zur Eintragung des Erbbaurechts im Grundbuch bestellten die Eigentümer den Gesellschaftern einen Nießbrauch an den Grundstücken. Die jährlich zu entrichtende Nutzungsentschädigung - im Vertrage als Erbbauzins bezeichnet - betrug 45.000 DM. Die Gesellschafter erklärten im Erbbaurechtsvertrag vom 19. Oktober 1948, daß sie nicht nur im eigenen Namen, und zwar für sich persönlich, sondern auch als vertretungsberechtigte Geschäftsführer der in der Gründung befindlichen Bfin. handeln wollten.

Das Finanzamt sah in den Nutzungsentschädigungen und einigen Nebenkosten eine dauernde Last im Sinne des § 8 Ziff. 2 GewStG und rechnete sie zur Ermittlung des Gewerbeertrags 1952 dem Gewinn der Bfin. hinzu. Wirtschaftlich betrachtet müßte, so meinte das Finanzamt, das Erbbaurecht trotz fehlender Eintragung als bestehend angesehen und deshalb die Zahlung der 45.000 DM gewerbesteuerlich wie ein Erbbauzins behandelt werden. Erbbauzinsen gehörten zu den dauernden Lasten im Sinne des § 8 Ziff. 2 GewStG (Urteil des Reichsfinanzhofs I 38/39 vom 10. Oktober 1939, RStBl 1940 S. 357, Slg. Bd. 47 S. 325). Die Bfin. war demgegenüber der Auffassung, daß die laufenden Jahreszahlungen mit Rücksicht darauf, daß das Erbbaurecht in absehbarer Zeit nicht eingetragen werden könne, auch steuerlich kein Erbbauzins, sondern Pachtzinsen für die überlassung des Grund und Bodens gleichzustellen seien. Die Hinzurechnung entfalle deshalb nach § 8 Ziff. 8 GewStG 1950. Selbst, wenn man in den 45.000 DM aber einen Erbbauzins sehe, so fehle es an einem wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen ihrer, der Bfin., Gründung und dem Erbbauzins.

Das Finanzgericht schloß sich der Auffassung des Finanzamts an. Die laufenden Zahlungen könnten mit Rücksicht auf den Inhalt und Zweck des Vertrags vom 19. Oktober 1948, der auf die Bestellung des Erbbaurechts gerichtet sei, nicht als Pachtzahlungen gewürdigt werden. Sie seien wirtschaftlich als Erbbauzinsen und deshalb als eine dauernde Last anzusehen. Der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen der Verpflichtung zur Zahlung und der Gründung der Bfin. liege vor. Aus dem Vertrag vom 19. Oktober 1948 sei allein die Bfin. berechtigt. Im letzten notariellen Gründungsvertrag vom 20. Juni 1949, der allein durchgeführt worden sei, werde als Gegenstand der zu gründeten Bfin. die Fortführung des Betriebs der OHG als Warenhaus angegeben. Die Feststellungen in diesem Vertrag, daß die OHG kein Grundvermögen besitze, ihr Gesellschaftszweck aber offensichtlich ohne den Erwerb entsprechender Grundstücke oder eines Erbbaurechts nicht erfüllbar gewesen sei, führe zu der Annahme, daß der Abschluß des Vertrags vom 19. Oktober 1948 und die übernahme der Zahlungsverpflichtung der Bfin. in engstem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Gründung der Bfin. und ihrem Gesellschaftszweck gestanden hätten.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. der Bfin. ist begründet.

Der Reichsfinanzhof mißbilligte im Urteil I 38/39 vom 10. Oktober 1939, RStBl 1940 S. 357, Slg. Bd. 47 S. 325, ohne nähere Begründung die Auffassung der Vorinstanz, daß die kapitalisierte Erbbauverpflichtung und die Erbbauzinsen Dauerschulden und Dauerschuldzinsen im Sinne des § 8 Ziff. 1 GewStG darstellten, und erklärte unter Hinweis auf § 9 der Verordnung über das Erbbaurecht, daß die Erbbauzinsen zu den dauernden Lasten im Sinne des § 8 Ziff. 2 GewStG gehörten. Der Senat braucht darüber, ob er sich dieser Auffassung des Reichsfinanzhofs anschließt, nicht zu entscheiden, weil ein Erbbaurecht noch nicht entstanden war.

Der Reichsfinanzhof hat allerdings in demselben Urteil die laufenden Nutzungsentschädigungen schon vor der Eintragung des Erbbaurechts ins Grundbuch mit der Begründung als Erbbauzinsen behandelt, daß dem formellen Mangel der noch nicht durchgeführten Eintragung keine Bedeutung beizumessen sei, wenn die Beteiligten die Verpflichtungen aus dem Vertrage als gültig behandelten. Es kann dahingestellt bleiben, ob man vor Eintragung von einem Erbbauzins und damit von einer Reallast und einer dauernden Last im Sinne des § 8 Ziff. 2 GewStG dann sprechen kann, wenn der Eintragung des Erbbaurechts keine ernstlichen Hindernisse entgegenstehen und mit der Durchführung der Eintragung in angemessener Zeit zu rechnen ist. Im Urteil des Reichsfinanzhofs I 38/39 verzögerte sich die Eintragung des Erbbaurechts offenbar deshalb, weil die Baugenehmigung für den den Gegenstand des Erbbaurechts bildenden Bau noch nicht vorlag. Aus dem Urteil kann aber nicht die Schlußfolgerung gezogen werden, daß ein schuldrechtlich auf die Bestellung eines Erbbaurechts gerichteter Vertrag auch dann steuerlich so behandelt werden dürfe, als sei das Erbbaurecht bereits eingetragen, wenn der Bestellung des Erbbaurechts auf lange Sicht rechtliche Hindernisse entgegenstehen.

Es ist nicht abzusehen, wann die Voraussetzungen für die Bestellung des von den Beteiligten beabsichtigten Erbbaurechts erfüllt sein werden. Es geht auch bei wirtschaftlicher Beurteilung des Sachverhalts nicht an, bei der Auslegung des Vertrags außer Betracht zu lassen, daß sein Ziel vielleicht für sehr lange Zeit nicht erreicht werden kann und bis dahin nur ein schuldrechtlicher Vertrag zwischen den Beteiligten besteht. Es kann daher der Auffassung des Finanzgerichts nicht beigetreten werden, daß die auf Grund des Vertrags zu entrichtenden laufenden Zahlungen steuerlich so beurteilt werden müßten, als sei das Erbbaurecht bereits eingetragen. Damit entfällt die Möglichkeit, die laufenden Zahlungen dem Gewinn zuzurechnen. Die Voraussetzungen des § 8 Ziff. 8 GewStG 1950 liegen schon deshalb nicht vor, weil es sich um die überlassung von in Grundbesitz bestehenden Wirtschaftsgütern handelt. Die Zahlungen gehören mangels einer Zurechnungsvorschrift zu den auch bei der Ermittlung des Gewerbeertrags abzugsfähigen Betriebsausgaben (ß 7 GewStG).

 

Fundstellen

Haufe-Index 409810

BStBl III 1960, 470

BFHE 1961, 592

BFHE 71, 592

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