Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Übergangsregelung für unentgeltlich aufgrund gesicherter Rechtsposition überlassene Wohnungen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögens

 

Leitsatz (NV)

1. Überläßt der Land- und Forstwirt einem Angehörigen unentgeltlich eine Wohnung seines Betriebsvermögens, die von diesem aufgrund gesicherter Rechtsposition genutzt wurde, so führt die Überlassung nach § 52 Abs. 15 Satz 9 zweiter Halbsatz EStG zur steuerfreien Entnahme dieser Wohnung und des dazugehörenden Grund und Bodens zum 31. Dezember 1986.

2. Ungeachtet der Kompliziertheit des Gesetzes ist es in diesem Fall auch nicht geboten, die Übergangsregelung des § 52 Abs. 15 Satz 2 EStG im Wege der Auslegung auf den Eigentümer anzuwenden.

 

Normenkette

EStG § 52 Abs. 15 Sätze 2, 9

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) zu 1 gründete am 1. August 1986 mit seinem Sohn, dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) zu 2, eine land- und forstwirtschaftliche Personengesellschaft (XY & Sohn GbR), die zum 1. Juli 1994 wieder aufgelöst wurde, weil der Sohn den Betrieb übernahm. Gesellschaftszweck war die gemeinsame Bewirtschaftung des bis dahin vom Vater als Einzelbetrieb geführten Hofs. Nach dem Gesellschaftsvertrag überließ der Vater als Eigentümer die Grundstücke, Wohn- und Wirtschaftsgebäude der Gesellschaft zur Nutzung. Der Sohn bewohnte die ihm von seinem Vater unentgeltlich und ohne schriftlichen Vertrag zur Nutzung überlassene Wohnung im Obergeschoß des Wohngebäudes. Diese Wohnung ist über einen Treppenaufgang vom Flur der unteren Wohnung aus zu erreichen. Weder unter- noch oberhalb der Treppe befindet sich eine Abschlußtür. In den Gewinnermittlungen der Gesellschaft für die Wirtschaftsjahre 1987/88, 1988/89, 1989/90 setzten die Kläger den Nutzungswert für die vom Kläger zu 2 genutzte Wohnung als Betriebseinnahme sowie die anteiligen Grundstücksaufwendungen -- u. a. für einen in den Jahren 1988 und 1989 erfolgten Ausbau -- als Betriebsausgabe an.

Nach einer die Veranlagungszeiträume 1986 bis 1989 umfassenden Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) die Auffassung, die Wohnung des Klägers zu 2 gehöre mit anteiligem Grund und Boden zum notwendigen Privatvermögen und sei daher gemäß § 52 Abs. 15 Satz 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zum 31. Dezember 1986 aus dem Betriebsvermögen zu entnehmen, weil ihm der Nutzungswert aufgrund seiner gesicherten Rechtsposition zuzurechnen sei. Das FA erließ für die Streitjahre 1988 und 1989 die angefochtenen geänderten Feststellungsbescheide, in denen es die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft entsprechend erhöhte.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hielt die Klage zwar auch nach Auflösung der Gesellschaft für zulässig, folgte in der Sache jedoch dem FA, weil die vom Sohn genutzte Wohnung und der dazugehörende Grund und Boden mit dem Fortfall der Nutzungswertbesteuerung notwendiges Privatvermögen geworden seien, ohne daß eine der in § 52 Abs. 15 EStG vorgesehenen Übergangsregelungen Anwendung fänden.

Mit ihrer dagegen gerichteten, vom FG zugelassenen Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts. Sie sind der Auffassung, die Vorentscheidung verletze den Gleichheitssatz, weil die begünstigende Übergangsregelung des § 52 Abs. 15 Satz 2 EStG nicht auf den Fall der gleitenden Hofübergabe angewendet worden sei. Die Rechtsprechung müsse berücksichtigen, daß die durch § 52 Abs. 15 EStG geschaffene Rechtslage unübersichtlich sei.

Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Änderung der Feststellungsbescheide die Gewinne der Gesellschaft für 1988 auf ... DM und 1989 auf ... DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzu weisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1. Zu Recht ist das FG von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen. Zwar führte die Vollbeendigung der Gesellschaft dazu, daß ihre Beteiligtenfähigkeit und damit auch ihre Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO erloschen ist. Gleichwohl ist der anhängige Rechtsstreit nicht unterbrochen worden (§ 239 der Zivilprozeßordnung -- ZPO -- i. V. m. § 155 FGO), da die Gesellschaft bereits im finanzgerichtlichen Verfahren durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten war (§ 246 ZPO i. V. m. § 155 FGO) und die Kläger als Feststellungsbeteiligte i. S. von § 239 ZPO Rechtsnachfolger der zunächst klagebefugten Personenhandelsgesellschaft wurden (s. Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 22. November 1988 VIII R 90/84, BFHE 155, 250, BStBl II 1989, 326, und vom 22. November 1988 VIII R 62/85, BFHE 155, 322, BStBl II 1989, 359).

2. In der Sache ist das FG zu Recht von einer steuerfreien Zwangsentnahme der dem Sohn zur Nutzung überlassenen Wohnung ausgegangen.

Nach § 52 Abs. 15 Satz 9 EStG sind die weitgehend Wahlrechte einräumenden Regelungen für den Übergang von der Nutzungswertbesteuerung zur sog. Privatgutlösung (§ 52 Abs. 15 Sätze 1 bis 8 EStG) auch auf den Fall der unentgeltlichen Nutzungsüberlassung einer Wohnung im land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen anzuwenden; allerdings gelten die Wohnung und der dazugehörende Grund und Boden zum 31. Dezember 1986 als entnommen, wenn der Nutzungswert beim Nutzenden anzusetzen war (§ 52 Abs. 15 Satz 9 2. Halbsatz EStG).

a) Nach den mit Revisionsrügen nicht angegriffenen und daher den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) hatte der Kläger zu 1, die in seinem Eigentum und nach Errichtung der Gesellschaft in seinem Sonderbetriebsvermögen stehende Wohnung seinem Sohn unentgeltlich überlassen. Denn die Gesellschafter hatten weder einen Mietvertrag abgeschlossen noch eine Verrechnung mit dem Kapitalkonto des Sohnes vorgesehen. Die Regelungen des § 52 Abs. 15 Satz 9 EStG finden auch auf Wohnungen im Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers Anwendung (gleicher Ansicht Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 21. Aufl., § 13 grün S. 19, und Märkle/Hiller, Die Einkommensteuer bei Land- und Forstwirten, 6. Aufl. 1992 Rdnr. 246). Wird eine solche Wohnung einem anderen Mitunternehmer unentgeltlich überlassen, so kann aus den Grundsätzen der Besteuerung von Arbeitnehmersachbezügen -- entgegen der Auffassung der Kläger -- nicht die Entgeltlichkeit der Nutzungsüberlassung im Rahmen des Gesellschaftsverhältnisses hergeleitet werden.

b) Mit dem FA ist das FG auch zutreffend davon ausgegangen, daß der Nutzungswert mit der Folge beim Sohn anzusetzen war, daß die Wohnung zum 31. Dezember 1986 als entnommen galt. Nach ständiger zur Zurechnung nach § 21 Abs. 2 2. Alternative EStG ergangener Rechtsprechung des BFH hat der unentgeltlich Nutzende den Nutzungswert einer Wohnung zu versteuern, wenn ihm diese vom Eigentümer aufgrund einer gesicherten Rechtsposition überlassen wurde (s. etwa Urteile vom 29. November 1983 VIII R 215/79, BFHE 140, 199, BStBl II 1984, 366; vom 15. Dezember 1992 IX R 13/90, BFHE 170, 162, BStBl II 1993, 490, und vom 30. November 1993 IX R 99/91, BFH/NV 1994, 776). Zur Einräumung einer solchen gesicherten Rechtsposition genügt ein schuldrechtliches Nutzungsrecht, das auch durch formlosen Leihvertrag begründet werden kann (BFH-Urteile vom 21. Januar 1986 IX R 27/83, BFH/NV 1986, 456; vom 25. Oktober 1988 IX R 132/85, BFH/NV 1989, 295, und BFH in BFH/NV 1994, 776).

In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das FG den Umstand, daß der Kläger zu 2 als Hofübernehmer vorgesehen war, die Übertragung des Betriebs durch den Gesellschaftsvertrag vorbereitet werden sollte und später auch tatsächlich durchgeführt wurde, dahin gewürdigt, daß dem Sohn die Wohnung im Obergeschoß bis zum Zeitpunkt seines Erwerbs vom Vater nicht entzogen werden konnte. Der Sohn hatte danach eine gesicherte Rechtsposition inne, die sich auch auf eine Wohnung i. S. des § 52 Abs. 15 Satz 9 EStG bezog. Insofern gilt die zur Anwendung des § 21 Abs. 2 2. Alternative EStG ergangene Rechtsprechung des BFH, wonach der Begriff der Wohnung eine Zusammenfassung von Räumen voraussetzt, die eine Führung eines selbständigen Haushalts ermöglicht. Dazu genügt es, daß eine Küche oder Kochgelegenheit, ein Bad oder eine Dusche und eine Toilette vorhanden sind (BFH-Urteile vom 10. April 1991 XI R 7, 8/84, BFHE 164, 343, BStBl II 1991, 791; vom 24. April 1991 XI R 9/84, BFHE 164, 354, BStBl II 1991, 794; vom 25. Juli 1991 XI R 4/89, BFH/NV 1992, 31; vom 11. August 1992 IX R 223/87, BFHE 169, 85, BStBl II 1993, 31). Daß die dem Kläger zu 2 allein zur Verfügung stehenden Räume im Obergeschoß als Wohnung in diesem Sinne zu beurteilen sind, hat das FG festgestellt und zutreffend erkannt, daß eine Abgeschlossenheit der Räume nicht erforderlich ist (zuletzt BFH- Urteil vom 23. August 1993 IX R 151/89, BFH/NV 1994, 537).

c) Dem Einwand der Revision, die Kompliziertheit der Übergangsregelung des § 52 Abs. 15 EStG gebiete eine Auslegung, die dem Kläger zu 1 auch im Streitfall das Wahlrecht einräume, die unentgeltlich überlassene Wohnung bis zum 31. Dezember 1998 als Betriebsvermögen zu behandeln, vermag der Senat nicht zu folgen. Eine derartige Auslegung verbietet sich schon angesichts des klaren und eindeutigen Wortlauts des § 52 Abs. 15 Satz 9 EStG, der den Klägern bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Gesellschaftsvertrags bekannt gewesen sein konnte. Denn zum 1. August 1986 war das Wohnungseigentumsförderungsgesetz vom 15. Mai 1986 (BGBl I, 730, BStBl I, 278), durch das u. a. auch § 52 Abs. 15 in das EStG eingefügt wurde, bereits mehrere Monate in Kraft, nachdem bereits Einzelheiten im Gesetzgebungsverfahren bekanntgeworden waren. Die Kläger hätten danach ohne weiteres eine entgeltliche Nutzungsüberlassung vereinbaren können, mit der Folge allerdings, daß eine steuerfreie Entnahme nur noch unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 52 Abs. 15 Satz 8 Nr. 2 EStG möglich gewesen wäre. Daß die angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide unter diesen Umständen den Gleichheitssatz verletzen, vermag der Senat nicht zu erkennen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65921

BFH/NV 1997, 101

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