Leitsatz (amtlich)

Beiträge einer Kommunalbehörde zur Gruppen-Krankenversicherung ihrer Beamten und nichtpflichtversicherten Angestellten werden auch dann nicht zu Ausgaben für die Zukunftsicherung der Bediensteten aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung, wenn die für die Bediensteten maßgebenden Besoldungsvorschriften vorsehen, daß die nach den Beihilfegrundsätzen zu leistende Fürsorge auch durch den Abschluß einer Krankenversicherung gewährt werden kann. Das gleiche gilt für Barzuschüsse, die die Kommunalbehörde zu den Krankenversicherungsbeiträgen von Beamten und nichtpflichtversicherten Angestellten leistet, die sich selbst bei einer Ersatzkasse oder privaten Krankenkasse versichert haben.

 

Normenkette

LStR Abschn. 10 Abs. 1; LBG NW § 30; LStDV § 2 Abs. 3 Nr. 2, § 6 Nr. 9; EStG § 3 Nr. 11, § 19 Abs. 1

 

Tatbestand

I. Sachverhalt und Entscheidung des FG

1. a) Der Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger), eine Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts, hat für einen Teil seiner Beamten und nichtpflichtversicherten Angestellten mit X Gruppen-Krankenversicherungsverträge zur Abgeltung der Beihilfeansprüche dieser Bediensteten abgeschlossen. Der Kläger zahlte an die X die vollen Versicherungsbeiträge ohne den Selbstbehaltzuschlag (vgl. die Empfehlungen des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen im Runderlaß vom 28. August 1954 - III A - 2706/54, Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen 1954 S. 1678 - MinBl NW 1954, 1678 -). Die X erbrachte ihre tariflichen Leistungen unmittelbar an die Bediensteten des Klägers. In Höhe des Betrages, um den die Versicherungsleistungen hinter den nach den Beihilfegrundsätzen zu gewährenden Leistungen zurückblieben, hatten die Beamten und Angestellten des Klägers gegen diesen einen Anspruch auf Beihilfe. Die Bediensteten des Klägers machten die vom Kläger geleisteten Versicherungsbeiträge nicht als Sonderausgaben geltend. Der Kläger hat auf die an die X geleisteten Beiträge Lohnsteuer nicht einbehalten und nicht abgeführt.

b) Der Kläger zahlte an andere Beamte und nichtpflichtversicherte Angestellte, die sich selbst bei einer Ersatz- oder Privatkrankenkasse versichert hatten, unmittelbar einen Barzuschuß in Höhe des Betrages, den der Kläger hätte aufwenden müssen, wenn auch diese Bediensteten der Gruppen-Krankenversicherung bei der X angehört hätten. Auf diese Beträge wurde ebenfalls keine Lohnsteuer einbehalten und abgeführt.

Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (FA) sah die an die X geleisteten Beiträge als Ausgaben für die Zukunftsicherung (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 LStDV) an. Das FA berechnete die Lohnsteuer gemäß § 35b LStDV pauschal mit 8 v. H. der Beträge, die je Arbeitnehmer 312 DM im Kalenderjahr überstiegen. Für die hierauf entfallende Lohnsteuer im Betrag von 991,20 DM nahm das FA den Kläger als Haftungsschuldner in Anspruch. Für die den Bediensteten unmittelbar geleisteten Zuschüsse zu den Versicherungsbeiträgen an Ersatz- oder Privatkrankenkassen berechnete das FA die Lohnsteuer ebenfalls pauschal, und zwar auf (20 v. H. der Zahlungen des Arbeitnehmers =) 24 282,20 DM. Auch für diesen Betrag wurde der Kläger als Haftungsschuldner in Anspruch genommen.

2. Die Sprungklage hatte zum Teil Erfolg. Das FG führte in dem in den EFG 1969, 347 veröffentlichten Urteil im wesentlichen aus: Die unmittelbar an die X gezahlten Krankenkassenbeiträge gehörten nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn, da der Kläger sie auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung geleistet habe. Diese Verpflichtung beruhe auf § 30 des Besoldungsgesetzes i. d. F. vom 8. November 1960 (GVBl NW 1960, 357). Danach könnten die Gemeinden die ihnen in Krankheits-, Geburts- oder Todesfällen obliegende Fürsorge dadurch erbringen, daß sie jährlich einen bestimmten Betrag in den Haushaltsplan zur Verwendung als Beihilfe einsetzten oder dadurch, daß sie mit einer Versicherungsgesellschaft eine Versicherung abschlössen. Für die Besteuerung sei es unbeachtlich, für welche der beiden Regelungen sich die Gemeinde entscheide. Auch wenn, wie im Streitfall, die Versicherung ihre tariflichen Leistungen nicht an den Dienstherrn, sondern an den Bediensteten unmittelbar erbringe, erfülle der Dienstherr seine ihm nach § 30 Abs. 2 Satz 2 des Landesbesoldungsgesetzes obliegende Verpflichtung.

Die Barzuschüsse, die der Kläger unmittelbar an die bei einer Ersatzkasse oder privaten Krankenkasse nicht pflichtversicherten Bediensteten geleistet habe, seien steuerpflichtiger Arbeitslohn. Sie seien nicht auf Grund gesetzlicher Verpflichtung gezahlt. Denn § 30 Abs. 2 Satz 2 des Landesbesoldungsgesetzes lasse es nur zu, daß die nach den Beihilfegrundsätzen au leistende Fürsorge durch den Abschluß einer Versicherung gewährt werde. Der Kläger habe seine Verpflichtung nicht dadurch abgelten können, daß er dem betreffenden Personenkreis gegen Vorlage der Beitragsrechnungen die von den Bediensteten selbst bezahlten Versicherungsbeiträge erstattete. Es sei unerheblich, daß der Kläger auch den Weg der Gewährung von Beihilfen hätte gehen können. Der Besteuerung sei der tatsächlich verwirklichte und nicht ein gedachter Sachverhalt zugrunde zu legen. Es sei zu beachten, daß die Arbeitnehmer ihre Beiträge zu ihrer Krankenversicherung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG als Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abziehen könnten. Das FA habe sein Ermessen nicht dadurch verletzt, daß es anstelle der Arbeitnehmer als der Steuerschuldner den Kläger als Arbeitgeber im Wege der Lohnsteuerhaftung in Anspruch genommen habe. Wenn nach einer Lohnsteueraußenprüfung viele und meist kleinere Lohnsteuerbeträge auf Grund eines im wesentlichen gleichliegenden Tatbestandes nachzuzahlen seien, so handele das FA im Rahmen seines Ermessens, wenn es aus Vereinfachungsgründen den Arbeitgeber in Anspruch nehme (Urteil des BFH vom 16. März 1962 VI 85/61 U, BFHE 75, 36, BStBl III 1962, 282). Der Kläger könne sich auch nicht auf einen entschuldbaren Rechtsirrtum berufen. Ihm sei bereits auf Grund der Lohnsteueraußenprüfung vom 1. März 1961 bekannt gewesen, daß die umstrittenen Zahlungen lohnsteuerpflichtig seien.

II. Revisionen

Gegen die Vorentscheidung haben der Kläger und das FA Revision eingelegt.

1. Der Kläger rügt eine Verletzung des § 2 Abs. 3 Nr. 2 LStDV. Wie die unmittelbar an die X gezahlten Krankenkassenbeiträge gehörten auch die - in Abgeltung der Beihilfeansprüche - gezahlten Zuschüsse zu den Beiträgen an eine Ersatzkasse oder private Krankenkasse nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn. Der Gesetzgeber habe in § 30 Abs. 2 Satz 2 des Landesbesoldungsgesetzes offengelassen, ob der Abschluß einer Versicherung zur Abgeltung der Beihilfeansprüche durch den Arbeitgeber zu erfolgen habe oder ob der Bedienstete selbst eine entsprechende Versicherung abschließe und sich seine Beiträge erstatten lasse. Die zur Abgeltung der Beihilfe gezahlten Zuschüsse zu den Krankenkassenbeiträgen seien ebenso wie die Beiträge an die X als Ausgaben für die Zukunftsicherung der Arbeitnehmer anzusehen und gehörten nach Abschn. 55 Abs. 6 LStR nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn. Es sei unbeachtlich, daß die Bediensteten ihre Beiträge als Sonderausgaben hätten geltend machen können. Denn auch bei der Beihilfegewährung seien die Krankenkassenbeiträge - die nach der Beihilfeverordnung beihilfefähige Aufwendungen waren - in voller Höhe erstattet worden, ohne daß dafür hätten Steuern abgeführt werden müssen. In Abschn. 55 LStR seien die Beiträge, die der Arbeitgeber auf Grund einer eigenen gesetzlichen Verpflichtung zu leisten habe, lediglich beispielhaft aufgeführt. Die Beiträge des Arbeitgebers zur Krankenversicherung in Abgeltung der Beihilfeansprüche hätten hier ebenso mit aufgeführt werden können. Da die Formulierung in Abschn. 55 Abs. 1 LStR umfassend sei und der Klammerzusatz die Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung nur beispielhaft erwähne, seien die Beiträge des Arbeitgebers zur Krankenversicherung als steuerfrei anzusehen. Für den Kläger habe eine gesetzliche Verpflichtung zur Zahlung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen bestanden. Diese gesetzliche Verpflichtung habe nach § 30 Abs. 1 und 2 des Landesbesoldungsgesetzes entweder durch unmittelbare Gewährung von Beihilfen oder durch den Abschluß einer entsprechenden Versicherung erfüllt werden können.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung und den Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 24. November 1964 aufzuheben.

2. Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Es rügt einen Verstoß der Vorentscheidung gegen § 2 Abs. 3 Nr. 2 LStDV. Bei den Beitragsleistungen des Klägers an die X handele es sich um Aufwendungen des Arbeitgebers für die Zukunftsicherung seiner Bediensteten. Diese Aufwendungen des Klägers gehörten zum steuerpflichtigen Arbeitslohn, soweit sie 312 DM überstiegen. Die Ausgaben des Klägers für die Zukunftsicherung der Bediensteten beruhten auch nicht auf einer gesetzlichen Verpflichtung im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 6 LStDV. Diese Vorschrift stelle hauptsächlich auf die Arbeitgeberanteile zur gesetzlichen Sozialversicherung ab. Zwar sei den Gemeinden nach § 30 Abs. 1 des Landesbesoldungsgesetzes auferlegt, auch die übrigen Geldbezüge nach den für die Landesbeamten geltenden Vorschriften zu regeln. Es sei ihnen nach § 30 Abs. 2 des Landesbesoldungsgesetzes auch freigestellt, die nach den Beihilfevorschriften zu leistende Fürsorge durch den Abschluß einer Versicherung zu gewähren. Eine gesetzliche Verpflichtung, entsprechende Versicherungen abzuschließen, bestehe jedoch nicht.

 

Entscheidungsgründe

III. Entscheidung des Senats

Die Revisionen der Beteiligten führen zur Aufhebung der Vorentscheidung.

1. Revision des FA

Die Beitragsleistungen des Klägers an die X sind weder unter dem Gesichtspunkt einer Beihilfe (§ 3 Nr. 11 EStG, § 6 Nr. 9 LStDV 1960 und 1963, Abschn. 10 Abs. 1 LStR 1960 und 1962) steuerfrei noch handelt es sich dabei um Ausgaben des Klägers für die Zukunftsicherung seiner Arbeitnehmer, die auf einer gesetzlichen Verpflichtung im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 6 LStDV beruhen.

a) Gemäß § 3 Nr. 11 EStG (§ 6 Nr. 9 LStDV) gehören u. a. Bezüge aus öffentlichen Mitteln, die wegen Hilfsbedürftigkeit bewilligt werden, nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn. Hilfsbedürftigkeit im Sinne dieser Vorschriften ist bei laufenden Bezügen an natürliche Personen in der Regel nur gegeben, wenn die Einkünfte der die Zuwendungen empfangenden Personen insgesamt das Zweifache des Pflichtsatzes der öffentlichen Fürsorge einschließlich der Mietbeihilfen nicht übersteigen (§ 3 der Verordnung zur Durchführung der §§ 17 bis 19 des Steueranpassungsgesetzes vom 24. Dezember 1953, BGBl I 1953, 1592, BStBl I 1954, 6). Das trifft im Streitfall nicht zu. Darüber hinaus bleiben bei Personen mit höherem Einkommen Bezüge aus öffentlichen Mitteln steuerfrei, wenn sie in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen im Einzelfall gewährt werden. Aus diesem Grund sind, wie der Senat im Urteil vom 13. August 1971 VI R 171/68 (BFHE 103, 350, BStBl II 1972, 57) dargelegt hat, die Beihilfen und Unterstützungen, die an öffentlich Bedienstete gewährt werden, nach § 3 Nr. 11 EStG (§ 6 Nr. 9 LStDV) steuerfrei. Im Streitfall erbringt der Kläger die Beitragsleistungen an die X nicht im Einzelfall, sondern regelmäßig und unabhängig von besonderen Krankheits- oder Unglücksfällen. Es handelt sich demnach nicht um steuerfreie Beihilfen im Sinne des § 3 Nr. 11 EStG (§ 6 Nr. 9 LStDV). Allein der Zweck der Beitragsleistungen, den Kläger von der Verpflichtung zur Leistung von Beihilfen in Höhe der von der X erbrachten Leistungen freizustellen, macht die Zahlungen des Klägers an die X nicht zu steuerfreien Beihilfen im Sinne des § 3 Nr. 11 EStG (§ 6 Nr. 9 LStDV), wenn die übrigen Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht erfüllt sind.

b) Der Senat ist mit dem FG der Auffassung, daß es sich bei den Beitragsleistungen des Klägers an die X um Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftsicherung seiner Bediensteten im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 LStDV handelt. Diese Ausgaben sind gegenwärtig zufließender Arbeitslohn, da sich der Sachverhalt - wirtschaftlich betrachtet - so darstellt, als ob der Kläger die Beiträge seinen Bediensteten für die Zwecke der Krankenversicherung zugewendet habe. Der gegenwärtige wirtschaftliche Vorteil der Bediensteten liegt darin, daß die X den Versicherungsschutz übernimmt und mit dem Eintritt des Versicherungsfalles verpflichtet ist, einen hierdurch verursachten Vermögensschaden den Bediensteten des Klägers nach Maßgabe der tariflichen Bestimmungen zu ersetzen oder die sonst vereinbarte Leistung unmittelbar an die Bediensteten des Klägers zu bewirken. Nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 LStDV gehören Ausgaben für die Zukunftsicherung nur insoweit zum Arbeitslohn, als sie im Kalenderjahr insgesamt 312 DM übersteigen. Zutreffend hat demnach das FA die Beitragsleistungen des Klägers an die X nur insoweit als steuerpflichtigen Arbeitslohn behandelt, als sie für den einzelnen Arbeitnehmer den Freibetrag von 312 DM überstiegen.

Der Auffassung des FG, der Kläger habe die Beiträge an die X auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 6 LStDV geleistet, stimmt der Senat nicht zu. § 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 6 LStDV setzt eine gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers voraus, Ausgaben für die Zukunftsicherung seiner Bediensteten zu leisten. Inhalt der gesetzlichen Verpflichtung muß demnach die Zukunftsicherung der Bediensteten sein. Eine Pflicht dieses Inhalts enthält entgegen der Auffassung des FG der § 30 Abs. 2 des Landesbesoldungsgesetzes Nordrhein-Westfalen nicht. Diese Vorschrift bestimmt lediglich, daß die Gemeinden, Gemeindeverbände und sonstigen in § 30 Abs. 1 des Landesbesoldungsgesetzes genannten juristischen Personen des öffentlichen Rechts ihrer Verpflichtung, in Krankheits- und sonstigen Notfällen eine Fürsorge nach den Beihilfegrundsätzen zu leisten, auch durch den Abschluß einer Versicherung erfüllen können. § 30 Abs. 2 des Landesbesoldungsgesetzes begründet seinem Wortlaut nach lediglich eine Ersetzungsbefugnis (facultas alternativa) des Arbeitgebers. Der Kläger schuldet seinen Bediensteten nach § 30 Abs. 1 und 2 des Landesbesoldungsgesetzes allein eine nach den Beihilfegrundsätzen zu leistende Fürsorge, hat aber nach § 30 Abs. 2 des Landesbesoldungsgesetzes das Recht, diese Verpflichtung durch eine andere Leistung, nämlich den Abschluß einer Versicherung, zu erbringen. Diese Auffassung wird dadurch bestätigt, daß der Anspruch der Bediensteten auf Beihilfe in der Höhe des Betrages fortbesteht, um den die Leistungen der X hinter der nach den Beihilfegrundsätzen zu erbringenden Fürsorge zurückbleiben.

Daß sich der Inhalt der in § 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 6 LStDV bezeichneten Pflicht nicht auf die Verpflichtung, Fürsorgeleistungen nach den Beihilfegrundsätzen zu erbringen, erstreckt, folgt auch aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Die Regelung des § 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 6 LStDV, die ihrem Inhalt nach bereits in § 2 Abs. 3 Nr. 2 LStDVO 1934 (vgl. auch § 2 Abs. 3 Nr. 2 LStDB 1939) enthalten war, geht zurück auf die Rechtsprechung des RFH (Urteile vom 14. November 1928 VI A 801/27, RStBl 1929, 61; Gutachten vom 16. Januar 1929 VI D 2/26, RStBl 1929, 511, und vom 8. Juli 1931 VI A 772/30, RStBl 1931, 644). Nach dieser Rechtsprechung wurden die gesetzlichen Arbeitgeberanteile zur gesetzlichen Sozialversicherung deshalb nicht als Arbeitslohn angesehen, weil die Sozialversicherung der Arbeitnehmer den Interessen sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer entspreche und der Arbeitgeber mit der Leistung seines Anteils ein eigenes Interesse verfolge. Die in der angeführten RFH-Rechtsprechung entschiedenen Fälle, die zu der Regelung des § 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 6 LStDV geführt haben, betreffen die Arbeitgeberanteile zur gesetzlichen Sozialversicherung und sind wirtschaftlich nicht vergleichbar mit dem hier vorliegenden Sachverhalt. Auch nach der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ist somit davon auszugehen, daß die in § 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 6 LStDV bezeichnete gesetzliche Verpflichtung die Pflicht, Beihilfe zu leisten, nicht umfassen soll.

Die Vorentscheidung, der in diesem Punkt eine andere Rechtsauffassung zugrunde liegt, war aufzuheben. Das FA hat zutreffend die Beitragszahlungen des Klägers an die X, soweit sie je Bediensteten 312 DM im Kalenderjahr überstiegen, dem Lohnsteuerabzug unterworfen. Es ist nicht zu beanstanden, daß das FA den Umstand, daß die einzelnen Bediensteten den auf sie entfallenden Teil der Beitragsleistungen des Klägers nicht als Sonderausgaben geltend gemacht haben, dadurch berücksichtigte, daß es den steuerpflichtigen Teil der Beitragsleistungen an die X pauschal mit nur 8 v. H. besteuert hat (Abschn. 55 Abs. 9 LStR).

Es war auch nicht ermessensfehlerhaft, für die Lohnsteuerschuld den Kläger als Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen. Sind - wie im Streitfall - nach einer Lohnsteuerprüfung viele und meist kleinere Lohnsteuerbeträge auf Grund eines im wesentlichen gleichliegenden Tatbestandes nachzuzahlen, so bleibt das FA in der Regel im Rahmen seines billigen Ermessens, wenn es zur Vereinfachung des Verfahrens den Arbeitgeber in Anspruch nimmt (Urteil des Senats vom 16. März 1962 VI 85/61 U, BFHE 75, 36, BStBl III 1962, 282). Ein entschuldbarer Rechtsirrtum des Klägers (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juli 1962 VI 167/61 U, BFHE 76, 64, BStBl III 1963, 23) scheidet im Streitfall aus, da der Kläger bereits anläßlich der vorausgegangenen Lohnsteueraußenprüfung auf die Zugehörigkeit der Versicherungsbeiträge zum steuerpflichtigen Arbeitslohn hingewiesen worden war.

2. Revision des Klägers

a) Das FG hat zutreffend entschieden, daß die Barzuschüsse keine Beihilfen im Sinne des § 3 Nr. 11 EStG (§ 6 Nr. 9 LStDV) sind. Der Senat hat bereits oben unter 1. a) dargelegt, daß Bezüge aus öffentlichen Mitteln, die nach § 3 Nr. 11 EStG (§ 6 Nr. 9 LStDV) wegen Hilfsbedürftigkeit der Empfänger gewährt werden, nur dann steuerfrei bleiben, wenn sie aus Anlaß z. B. einer Krankheit im Einzelfall zugewendet werden. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht gegeben. Hier leistete der Kläger Barzuschüsse zu den Krankenkassenbeiträgen seiner nichtpflichtversicherten Bediensteten nicht aus Anlaß von Krankheits-, Geburts- oder Todesfällen im Einzelfall, sondern regelmäßig und aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und um Haushaltsschwankungen zu vermeiden, die bei stärkerer Inanspruchnahme von Beihilfen auftreten können. Daß die Barzuschüsse einen teilweisen Ersatz für die sonst bei Krankheit gewährten steuerfreien Beihilfen darstellen, muß bei der Beurteilung der Frage, ob die Zuschüsse steuerpflichtiger Arbeitslohn sind, unberücksichtigt bleiben (vgl. Urteil des RFH vom 24. März 1927 VI A 624/26, RStBl 1927, 148, und Urteil des BFH VI R 171/68).

b) Mit Urteil VI R 171/68 hat der Senat für einen dem Streitfall vergleichbaren Sachverhalt entschieden (vgl. Ziff. 3 der Entscheidung), daß Zuschüsse des Arbeitgebers zu Krankenversicherungsbeiträgen der Arbeitnehmer als Aufwendungen für die Zukunftsicherung der Zuschußempfänger auch dann anzusehen seien, wenn der Arbeitgeber die Zuschüsse nicht unmittelbar an die der Zukunftsicherung dienende Einrichtung geleistet, sondern dem Arbeitnehmer zweckbestimmt zugewendet hat (vgl. auch Urteil vom 5. November 1971 VI R 284/69, BFHE 103, 477, BStBl II 1972, 139). Es macht wirtschaftlich keinen Unterschied, ob der Arbeitgeber die Zuschüsse unmittelbar an die Krankenkasse entrichtet oder ob der Arbeitgeber Anteile der Beiträge gegen Nachweis der eigenen Leistung der Bediensteten ersetzt. Wie der Senat ebenfalls im Urteil VI R 171/68 ausgeführt hat, gehören solche Aufwendungen für die Zukunftsicherung nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 LStDV nur insoweit zum steuerpflichtigen Arbeitslohn, als sie im Kalenderjahr beim einzelnen Arbeitnehmer insgesamt 312 DM übersteigen. Die streitigen Zuschüsse gehören damnach im Streitfall nur insoweit zum steuerpflichtigen Arbeitslohn, als sie den Freibetrag von 312 DM übersteigen oder dieser Freibetrag bereits durch andere Leistungen des Arbeitgebers für die Zukunftsicherung seiner Bediensteten ausgenutzt worden ist.

Die Vorentscheidung beruht auch in diesem Punkt auf einer anderen Rechtsauffassung. Die Sache wird, weil in diesem Punkt nicht spruchreif, an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das FG wird festzustellen haben, ob und in welchem Umfang der 312-DM-Freibetrag des § 2 Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 LStDV durch andere Leistungen des Klägers ausgenutzt worden ist. Soweit die Barzuschüsse des Klägers zu den Krankenversicherungsbeiträgen der nichtpflichtversicherten Bediensteten zusammen mit etwaigen anderen Leistungen des Arbeitgebers für die Zukunftsicherung den 312-DM-Freibetrag überschreiten, sind sie Teil des steuerpflichtigen Arbeitslohns. Auch für die hierauf entfallende Lohnsteuer kann der Kläger als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens folgt aus § 143 Abs. 2 FGO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70470

BStBl II 1973, 588

BFHE 1973, 242

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