Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Gesellschafters einer aufgelösten GbR für Umsatzsteuer: Anwendung von § 159 HGB, Beginn und Dauer der Verjährungsfrist, gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter, Verjährungsunterbrechung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Frist, innerhalb derer ein Umsatzsteuerhaftungsbescheid gegen den Gesellschafter einer aufgelösten GbR ergehen kann, richtet sich nach den analog anzuwendenden Vorschriften des § 159 HGB.

2. Ob eine auch gegenüber dem Gesellschafter einer GbR nach § 159 Abs.4 HGB wirksame Unterbrechung der Verjährung des gegen die Gesellschaft festgesetzten Umsatzsteueranspruchs vorliegt, entscheidet sich allein nach den steuerrechtlichen Vorschriften über die Unterbrechung der Zahlungsverjährung.

 

Orientierungssatz

1. Bei einer GbR ergibt sich, soweit die Gesellschaft als solche der Besteuerung unterliegt, die persönliche gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter aus dem Rechtsgedanken der §§ 421, 427 BGB. Die spätere Auflösung der Gesellschaft ändert an der grundsätzlich fortbestehenden Haftung der Gesellschafter für die im Zeitpunkt ihrer Beteiligung an der GbR entstandenen Steuerschulden nichts.

2. Für die Verjährung des Steuerhaftungsanspruchs gegen den Gesellschafter einer aufgelösten GbR gilt nicht die allgemeine Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 195 BGB), sondern in analoger Anwendung von § 159 Abs. 1 HGB eine Frist von höchstens fünf Jahren (Anschluß an BGH-Urteil vom 10. Februar 1992 II ZR 54/91). Anders als im Falle der Personenhandelsgesellschaft hängt der Beginn der Verjährung dieses Haftungsanspruchs nicht nach § 159 Abs. 2 und 3 HGB von der Eintragung der Auflösung oder des Konkursvermerks im Handelsregister, sondern von dem Zeitpunkt ab, in dem das FA als Gläubiger der Steueranspruchs gegen die GbR von deren Auflösung Kenntnis erhalten hat.

 

Normenkette

AO 1977 § 191 Abs. 1, 4, § 231; BGB §§ 195, 421, 427, 736 Abs. 2 Fassung 1994-03-25; HGB § 159 Abs. 1-3, 4 Fassung 1994-03-25, § 160; NachhBG

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg (Gerichtsbescheid vom 19.02.1997; Aktenzeichen 7 K 139/96)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) beteiligt, die aus ihr und einem weiteren Mitgesellschafter bestand. Über das Vermögen des Mitgesellschafters ist am 27. Oktober 1988 der Konkurs eröffnet worden. Aufgrund des Ergebnisses einer im August 1988 abgeschlossenen Betriebsprüfung erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gegen die GbR (jeweils auch z.Hd. der Klägerin) Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1980 bis 1984, die Anfang Januar 1989 bekanntgegeben wurden. Alle Bescheide enthalten kein Leistungsgebot. Das FA ging von der Möglichkeit aus, die festgesetzte Schuld mit Erstattungsansprüchen der Klägerin zu verrechnen. Gegenüber dieser waren Umsatzsteuerfestsetzungen für die Jahre 1980 und 1984 aufgehoben worden.

Am 11. August 1994 erließ das FA gegen die Klägerin einen Haftungsbescheid über die Umsatzsteuer-Rückstände der GbR für die Jahre 1980 bis 1984 über insgesamt ... DM. Der Haftungsbescheid enthält eine "Zahlungsaufforderung" mit dem Hinweis auf eine Aufrechnung mit Erstattungsansprüchen der Klägerin.

Einspruch ... und Klage gegen den Haftungsbescheid blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung der Klageabweisung im einzelnen aus, das FA sei berechtigt gewesen, die Klägerin durch Haftungsbescheid nach § 191 der Abgabenordnung (AO 1977) in Anspruch zu nehmen. Die Haftungsschuld sei nach dem hierfür maßgebenden Recht (§ 191 Abs. 4 AO 1977) noch nicht verjährt gewesen. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Verjährungsfrist nach § 195 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) 30 Jahre oder gemäß § 159 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) fünf Jahre betrage. Denn auch bei Anwendung des § 159 HGB könnte vom Eintritt der Verjährung im Zeitpunkt des Erlasses des Haftungsbescheids nicht ausgegangen werden, weil die Verjährung (durch Erlaß der Umsatzsteuerbescheide gegen die GbR) unterbrochen gewesen sei. Die Unterbrechung der Verjährung richte sich nicht nach § 231 AO 1977, sondern nach §§ 209, 211 BGB.

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, die Haftungsschuld sei bei Erlaß des Haftungsbescheides am 11. August 1994 bereits verjährt gewesen. Eine Inanspruchnahme der Klägerin als Haftende für die gegen die durch Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Mitgesellschafters am 27. Oktober 1988 aufgelöste GbR festgesetzte Umsatzsteuer sei gemäß § 191 Abs. 4 AO 1977, § 736 Abs. 2 BGB, § 159 HGB nur bis zum 5. Januar 1994 möglich gewesen (fünf Jahre nach Auflösung der GbR bzw. Fälligkeit der festgesetzten Umsatzsteuer). Die nach § 159 Abs. 1 HGB bestehende fünfjährige Verjährungsfrist sei nicht unterbrochen worden. Das FA habe den Haftungsanspruch gegen die Klägerin erstmalig nach Ablauf der Verjährungsfrist geltend gemacht. Auch eine gegenüber der Klägerin gemäß § 159 Abs. 4 HGB (n.F.) wirkende Unterbrechung der Verjährung des Steueranspruchs gegenüber der aufgelösten GbR, die sich nach § 231 AO 1977 und nicht nach § 209 BGB richte, sei nicht gegeben.

Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid und den Haftungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Juli 1996 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung. Da die Sache nicht spruchreif ist, ist sie zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat rechtsfehlerhaft geurteilt, daß bei Erlaß des angefochtenen Haftungsbescheides selbst die nach § 159 HGB gegenüber der regelmäßigen 30-jährigen Verjährungsfrist (§ 195 BGB) verkürzte Verjährungsfrist von fünf Jahren noch nicht abgelaufen gewesen sei, weil die Verjährung durch den Erlaß der Umsatzsteuerbescheide 1980 bis 1984 unterbrochen worden sei. Da das FG deshalb --von seinem Rechtsstandpunkt aus mit Recht-- keine Feststellungen zum Beginn der nach § 159 Abs. 1 bis 3 HGB laufenden Verjährungsfrist getroffen hat, wird es diese noch nachzuholen und aufgrund der insoweit getroffenen Feststellungen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden haben.

1. Richtig ist zwar, daß die Klägerin für die Steuerschulden der GbR, an der sie im Zeitpunkt des Entstehens der Schulden beteiligt war, nach zivilrechtlichen Grundsätzen haftet. Nach § 191 Abs. 1 AO 1977 kann nämlich durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Diese Vorschrift umfaßt auch die Haftungsansprüche nach zivilem Recht. Bei einer GbR ergibt sich, soweit die Gesellschaft als solche der Besteuerung unterliegt, die persönliche gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter aus dem Rechtsgedanken der §§ 421, 427 BGB (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. Oktober 1985 VII R 187/82, BFHE 145, 13, BStBl II 1986, 156; vom 27. Juni 1989 VII R 100/86, BFHE 158, 1, BStBl II 1989, 952; vom 27. März 1990 VII R 26/89, BFHE 161, 390, BStBl II 1990, 939; vom 21. Juni 1995 II R 7/91, BFH/NV 1996, 71, und Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. August 1993 8 C 64.90, BStBl II 1994, 140). Die spätere Auflösung der Gesellschaft ändert an der grundsätzlich fortbestehenden Haftung der Klägerin für die im Zeitpunkt ihrer Beteiligung an der GbR entstandenen Steuerschulden nichts. Ergibt sich die Haftung --wie im Streitfall-- nicht aus den Steuergesetzen, so kann ein Haftungsbescheid nur ergehen, solange die Haftungsansprüche nach dem für sie maßgebenden Recht noch nicht verjährt sind (§ 191 Abs. 4 AO 1977). Da sich die Haftung der Klägerin für die Gesellschaftsschulden nach Zivilrecht richtet, sind somit auch die zivilrechtlichen Vorschriften über die Verjährung anwendbar. Diese verdrängen insoweit die nach § 191 Abs. 3 AO 1977 sonst geltenden Fristen für den Erlaß des Haftungsbescheides.

2. Der Senat vermag aber den weiteren Ausführungen des FG, die von einer Unterbrechung der fünfjährigen Verjährungsfrist bei Anwendung des § 159 Abs. 1 HGB ausgehen, nicht zu folgen. Deshalb kann die Frage, ob im Streitfall die 30-jährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) oder die fünfjährige Verjährungsfrist nach § 159 HGB gilt, nicht dahingestellt bleiben. Unerheblich ist indes, ob ggf. im Streitfall die §§ 159, 160 HGB in der vor Inkrafttreten der Änderungen durch das Nachhaftungsbegrenzungsgesetz (NachhBG) vom 18. März 1994 (BGBl I 1994, 560) --in Kraft seit 26. März 1994-- geltenden Fassung (a.F.) maßgebend sind oder § 159 HGB in der danach geltenden Fassung (n.F.) anzuwenden ist, weil beide Fassungen für den Fall der Auflösung der Gesellschaft die gleiche Verjährungsregelung für den Haftungsanspruch gegen den Gesellschafter vorsehen.

a) Für die Verjährung des Steuerhaftungsanspruchs gegen den Gesellschafter einer aufgelösten GbR gilt nicht die allgemeine Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 195 BGB), sondern in analoger Anwendung von § 159 Abs. 1 HGB eine Frist von höchstens fünf Jahren. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit überzeugenden Gründen, auf die sich der Senat im einzelnen bezieht, ausgeführt, daß § 159 Abs. 1 HGB (a.F.) auf die GbR entsprechend anzuwenden ist (BGH-Urteil vom 10. Februar 1992 II ZR 54/91, BGHZ 117, 168, 175). Der Entscheidung des BGH lag zwar ein Fall zugrunde, in dem es um die Haftung eines ausgeschiedenen GbR-Gesellschafters ging, sie ist aber darüber hinaus auch auf die Haftung des Gesellschafters einer aufgelösten GbR übertragbar, weil die Interessenlage insoweit gleich liegt.

Vor Inkrafttreten des NachhBG (s. jetzt § 736 Abs. 2 BGB) enthielten die Vorschriften des BGB über die GbR keine besonderen Bestimmungen über die Verjährung von Ansprüchen gegen den aus der GbR ausgeschiedenen Gesellschafter. Dies könne aber, wie in der Entscheidung des BGH mit Recht ausgeführt wird, nicht als Verweisung auf die allgemeine Verjährungsfrist nach § 195 BGB verstanden werden. Wegen der gleichen Interessenlage im Falle der Gesellschafter von Personenhandelsgesellschaften einerseits und denen der GbR andererseits sei es vielmehr geboten, die bestehende Gesetzeslücke durch die analoge Anwendung des § 159 HGB (a.F.) zu schließen. Denn die kurze Verjährungsfrist des § 159 Abs. 1 HGB sei dadurch gerechtfertigt, daß nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Gesellschaft dessen Beteiligung am Gesellschaftsvermögen beendet sei und er keinen Einfluß mehr auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen könne. Diese Lage bestehe in gleicher Weise für den Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft wie für den Gesellschafter einer GbR. Es sei deshalb ein gerechtfertigtes Bedürfnis dafür gegeben, auch seine trotz des Ausscheidens aus der GbR fortdauernde persönliche Haftung zeitlich in gleicher Weise wie die des aus einer Personenhandelsgesellschaft ausgeschiedenen Gesellschafters zu begrenzen. Auch die Gläubigerbelange forderten keine längere Verjährungsdauer (vgl. für die entsprechende Anwendung des § 159 HGB auch FG Hamburg, Urteil vom 6. April 1994 I 193/92, Entscheidungen der Finanzgerichte 1994, 1080).

Der Gesetzgeber hat dieser Rechtsprechung durch Art. 4 NachhBG Rechnung getragen und dem § 736 BGB einen Absatz 2 angefügt (vgl. BTDrucks 12/6569, S.13). Danach ist nunmehr ausdrücklich bestimmt, daß die Regelungen für Personenhandelsgesellschaften (§ 160 HGB i.d.F. des NachhBG) über die Begrenzung der Nachhaftung beim Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer GbR sinngemäß gelten.

Aus dem Umstand, daß das NachhBG die Nachhaftungsbegrenzungsregelungen nur für den Fall der Haftung des aus der GbR ausgeschiedenen Gesellschafters für sinngemäß anwendbar erklärt hat (Art. 4 NachhBG, § 736 Abs. 2 BGB), ist jedoch nicht zu schließen, daß sie für die Gesellschafterhaftung im Falle der Auflösung der Gesellschaft nicht ebenfalls analog gelten sollen. Vielmehr dürfte die Nichtbehandlung des Auflösungsfalles im NachhBG allein darauf zurückzuführen sein, daß die Vorschriften der Haftungsbegrenzung für diesen Fall (§§ 159, 160 HGB a.F.) durch das NachhBG inhaltlich nicht geändert, sondern nur in § 159 HGB n.F. zusammengefaßt worden sind und deshalb keine Gefahr bestand, daß aus dem Schweigen des Gesetzgebers der Schluß gezogen werden könnte, diese Vorschriften seien nicht mehr --wie in der Rechtsprechung des BGH durch die Nichtunterscheidung der Fälle des Ausscheidens eines Gesellschafters und der Auflösung der GbR vorgegeben-- auch im Falle der Auflösung der GbR anwendbar (vgl. Seibert, Nachhaftungsbegrenzungsgesetz - Haftungsklarheit für den Mittelstand, Der Betrieb 1994, 461, 464; Thomas in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 56. Aufl., Vor § 723 Rz. 3). Im übrigen besteht in beiden Fällen das gleiche berechtigte Interesse des Gesellschafters der aufgelösten GbR wie das des Gesellschafters einer aufgelösten Personenhandelsgesellschaft an der Verkürzung der regelmäßigen Verjährungsfrist. Auch die Gläubigerinteressen unterscheiden sich insoweit nicht, so daß kein Grund für eine unterschiedliche Behandlung des Gesellschafters einer aufgelösten GbR gegenüber dem einer aufgelösten Personenhandelsgesellschaft im Hinblick auf die Verjährung der etwa gegen sie bestehenden Haftungsansprüche besteht.

Anders als im Falle der Personenhandelsgesellschaft läßt sich jedoch im Falle der GbR der Beginn der Verjährung nicht an den Zeitpunkt der Eintragung ihrer Auflösung im Handelsregister knüpfen (§ 159 Abs. 2 HGB), weil die Auflösung der GbR nicht in ein Register eingetragen wird. Als maßgebender Zeitpunkt kann in diesem Fall deshalb nur der in Betracht kommen, zu dem der Gläubiger von der Auflösung der GbR Kenntnis erlangt hat (vgl. BGH in BGHZ 117, 168). Das kann zwar je nach dem Zeitpunkt, in dem die einzelnen Gläubiger von der Auflösung der GbR erfahren haben, zu unterschiedlichen Zeitpunkten für den Beginn der Verjährung führen. Dieser Nachteil rechtfertigt es aber nicht, von der ansonsten analogen Anwendung des § 159 Abs. 1 HGB im Falle der GbR abzusehen. Es ist davon auszugehen, daß die GbR-Gesellschafter die Gläubiger umgehend von der Auflösung der GbR unterrichten werden, ebenso wie die Auflösung einer Personenhandelsgesellschaft von den Gesellschaftern umgehend zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden wird (§ 143 HGB), um die zeitliche Begrenzung der Haftung einzuleiten.

b) Nach dem somit im Streitfall entsprechend anwendbaren § 159 Abs. 1 HGB (a.F. und n.F.) verjähren die Ansprüche gegen einen Gesellschafter aus Verbindlichkeiten der Gesellschaft grundsätzlich in fünf Jahren nach der Auflösung der Gesellschaft. Die in § 159 Abs. 1 HGB genannte Ausnahme einer kürzeren Verjährung kommt nicht in Betracht, weil hier wegen der gegen die GbR bereits festgesetzten Umsatzsteuern lediglich die Zahlungsverjährung relevant ist, die ebenfalls fünf Jahre beträgt (§ 228 Satz 2, § 229 Abs. 1 AO 1977). Die GbR ist durch Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Mitgesellschafters am 27. Oktober 1988 aufgelöst worden (§ 728 BGB). Der Zeitpunkt für den Beginn der Verjährung des Haftungsanspruchs gegen die Klägerin richtet sich nach § 159 Abs. 2 und 3 HGB. Er hängt --wie oben ausgeführt-- im Falle des Abs. 2 nicht von der Eintragung der Auflösung oder des Konkursvermerks im Handelsregister (§ 32 HGB, vgl. dazu BGH-Urteil vom 8. Februar 1982 II ZR 235/81, Neue Juristische Wochenschrift 1982, 2443), sondern von dem Zeitpunkt ab, in dem das FA als Gläubiger der Umsatzsteueransprüche gegen die GbR von deren Auflösung durch Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Mitgesellschafters Kenntnis erhalten hat. Falls die durch die jeweiligen Umsatzsteuerbescheide festgesetzte Umsatzsteuer vor diesem Zeitpunkt fällig geworden sein sollte, beginnt die (Festsetzungs-)Verjährung mit dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der Auflösung (§ 159 Abs. 2 HGB). Falls die Fälligkeit erst danach eingetreten ist, beginnt sie mit dem Zeitpunkt der Fälligkeit, der sich nach § 220 Abs. 1 AO 1977 i.V.m. § 18 Abs. 4 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes bestimmt.

Da das FG jedoch keine Feststellungen darüber getroffen hat, wann das FA von der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Mitgesellschafters und damit von der Auflösung der GbR erfahren hat, ist der Beginn und damit auch der Ablauf der fünfjährigen Verjährungsfrist offen. Der Senat vermag deshalb nicht zu entscheiden, ob das FA den Haftungsbescheid noch innerhalb der fünfjährigen Verjährungsfrist an die Klägerin gerichtet hat oder ob er erst nach Eintritt der Verjährung ergangen ist und damit die Haftungsschuld der Klägerin durch Eintritt der Festsetzungsverjährung erloschen ist (§ 47 AO 1977).

c) Die Feststellungen über den Zeitpunkt, zu dem das FA von der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Mitgesellschafters und damit von der Auflösung der GbR erfahren hat, sind erforderlich, weil kein anderes Ereignis vorliegt, das zu einer Unterbrechung der Verjährung nach § 159 Abs. 1 bis 3 HGB geführt hat.

Die insoweit allein in Betracht kommenden, in Sachen der GbR Anfang Januar 1989 auch z.Hd. der Klägerin bekannt gegebenen Umsatzsteuerbescheide 1980 bis 1984 waren jedenfalls nicht geeignet, die Verjährung zu unterbrechen. Zwar können auch noch gegen eine bereits aufgelöste Gesellschaft Steuerbescheide ergehen, solange diese noch steuerrechtliche Pflichten zu erfüllen hat (vgl. BFH-Urteil vom 13. Februar 1996 VII R 43/95, BFH/NV 1996, 530, m.w.N.). Die gegen die aufgelöste GbR erlassenen Steuerbescheide haben aber nicht zu einer Unterbrechung der Verjährung mit Wirkung gegenüber der Klägerin geführt, weil mit ihnen die Verjährung der festgesetzten Steueransprüche erst zu laufen beginnt (§ 229 AO 1977), nicht aber gemäß § 231 AO 1977 unterbrochen wird.

Der im Streitfall ebenfalls entsprechend anzuwendende § 159 Abs. 4 HGB n.F. (§ 160 HGB a.F.) bestimmt zwar, daß die Unterbrechung der Verjährung gegenüber der aufgelösten Gesellschaft auch gegenüber den Gesellschaftern, die der Gesellschaft zur Zeit der Auflösung angehört haben, wirkt. Hat eine solche Unterbrechung stattgefunden, so beginnt die Verjährungsfrist des § 159 Abs. 1 HGB erst wieder zu laufen, nachdem die Unterbrechung der Verjährung gegenüber der aufgelösten Gesellschaft beendet ist (§ 217 BGB). Voraussetzung ist aber, daß die Verjährung des gegenüber der aufgelösten Gesellschaft bestehenden Anspruchs gegenüber der Gesellschaft innerhalb der zugunsten der Gesellschafter nach Auflösung der Gesellschaft laufenden Verjährungsfrist wirksam unterbrochen worden ist.

Ob dies der Fall war, richtet sich allein nach den in bezug auf diesen Anspruch bestehenden Vorschriften über die Unterbrechung der Verjährung. Handelt es sich um einen zivilrechtlichen Anspruch, sind grundsätzlich die Vorschriften des BGB über die Unterbrechung der Verjährung (§ 209 ff. BGB) anzuwenden, geht es dagegen um festgesetzte steuerrechtliche Ansprüche, so sind die Bestimmungen über die Unterbrechung der steuerrechtlichen Verjährung maßgebend. Dies folgt daraus, daß § 159 Abs. 4 HGB n.F. (§ 160 HGB a.F.) nicht die Unterbrechung der Verjährung für gegen die aufgelöste Gesellschaft bestehende Ansprüche regelt, sondern diese voraussetzt und lediglich deren Wirkung auf die ehemaligen Gesellschafter der aufgelösten Gesellschaft überträgt. Die Unterbrechung der Verjährung der gegen die aufgelöste GbR bestehenden Umsatzsteueransprüche kann sich daher nicht nach Zivilrecht, sondern nur nach Abgabenrecht, hier § 231 AO 1977 richten.

Dafür, daß eine solche Unterbrechung vorliegt, bestehen aber keine Anhaltspunkte. Nach Festsetzung der Steueransprüche für die Jahre 1980 bis 1984 gegen die GbR und der danach gemäß § 229 AO 1977 beginnenden Verjährung hat das FA keine der in § 231 Abs. 1 AO 1977 genannten Maßnahmen getroffen. Es hat die Steueransprüche insbesondere nicht durch ein schriftliches Leistungsgebot i.S. von § 254 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 oder sonst ein Schreiben, in dem der Steuerpflichtige zur Zahlung aufgefordert wird (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 231 AO 1977 Rz. 5) geltend gemacht.

Aus dem Sinn und Zweck des § 159 HGB n.F. (§§ 159, 160 HGB a.F.) ergibt sich entgegen der Auffassung des FA nichts anderes. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es nicht, den Anspruch eines Gläubigers gegenüber dem Haftungsschuldner nicht vor dem des Gläubigers gegenüber der Gesellschaft verjähren zu lassen. Im Gegenteil, § 159 Abs. 1 HGB begrenzt bewußt den Zeitraum der Haftung des Gesellschafters, indem er die Verjährung auf höchstens fünf Jahre gegenüber der sonst im Zivilrecht geltenden Regelverjährung von 30 Jahren (§ 195 BGB) festlegt. Die für den Anspruch gegen die Gesellschaft geltenden Verjährungsfristen können danach durchaus von der für den Haftungsanspruch nach § 159 Abs. 1 HGB geltenden abweichen. Im Streitfall bedeutet dies, daß in bezug auf den Steueranspruch gegen die GbR die Verjährung nach § 229 AO 1977 läuft (Beginn mit Ablauf des Jahres der Fälligkeit), während für die Verjährung der Haftungsschuld gemäß § 191 Abs. 4 AO 1977 § 159 HGB entsprechend anzuwenden ist. Das hat zur Folge, daß auch jeweils der Beginn der Verjährungsfrist unterschiedlich geregelt ist und daß deshalb der Beginn der abgabenrechtlichen Verjährung des Steueranspruchs für die Verjährung des Haftungsanspruchs nach § 159 HGB (analog) keine Rolle spielt.

3. Das FG wird die nach den vorstehenden Ausführungen erforderlichen Feststellungen über den Zeitpunkt, in dem das FA von der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Mitgesellschafters Kenntnis erlangt hat, nachzuholen und aufgrund dieser Feststellungen darüber zu entscheiden haben, ob der Haftungsanspruch gegenüber der Klägerin verjährt ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66305

BFH/NV 1998, 242

BFH/NV 1998, 242-244 (Leitsatz und Gründe)

BStBl II 1997, 745

BFHE 183, 307

BFHE 1998, 307

BB 1997, 2224 (Leitsatz)

BB 1998, 1096

DStR 1997, 1723-1726 (Leitsatz und Gründe)

DStRE 1997, 975 (Leitsatz)

DStZ 1998, 302 (Leitsatz)

HFR 1998, 3

StE 1997, 674 (Leitsatz)

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