Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Durchführung eines Verfahrens wegen unbefugter Hilfeleistung in Steuersachen ist das FA befugt, eine Zeitung um Auskunft über die Identität des Aufgebers einer Chiffreanzeige zu ersuchen.

2. Die Regelung des § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO 1977, wonach die Presse ein Auskunftsverweigerungsrecht nur hinsichtlich des redaktionellen Teils besitzt, ist verfassungsmäßig.

 

Normenkette

GG Art. 5; StBerG §§ 5, 7, 164a; AO 1977 §§ 93, 102 Abs. 1 Nr. 4

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) verlegt u. a. das X Wochenblatt. Am 22. Juni 1978 erschien in diesem Blatt folgende Anzeige:

"Ich übernehme alle anfallenden Buchhaltungsarbeiten für kleinere Betriebe und liefere eine übersichtliche EDV-Auswertung.

Angeb. unt. Nr. 46114 an die ..."

Am 3. Juli 1978 trat die Steuerberaterkammer an den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) heran mit der Bitte, den Inserenten der Anzeige zu ermitteln und wegen unbefugter Hilfeleistung in Steuersachen und Verletzung des Werbeverbotes zu verfolgen. Am 12. Januar 1979 stellte das FA der Klägerin ein förmliches Auskunftsersuchen zu. Die hiergegen gerichtete Beschwerde blieb erfolglos.

Mit ihrer Klage beantragte die Klägerin, den Bescheid vom 12. Januar 1979 und die dazu ergangene Beschwerdeentscheidung aufzuheben. Die Klage hatte keinen Erfolg.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 93 AO 1977. Zur Begründung führt sie aus:

§ 93 AO 1977 biete keine Rechtsgrundlage für das Auskunftsersuchen. Die Auffassung des FG, daß § 93 AO 1977 im Rahmen von § 16a StBerG Anwendung finde, sei unrichtig. Das Auskunftsersuchen des FA habe unstreitig keine Fragen der Besteuerung zum Gegenstand. Es gehe um standesrechtliche, berufsrechtliche, oder im weiteren Sinne um Gewerbeordnungs-Fragen. Ähnliche Fragen könnten auch bei Rechtsanwälten oder sonstigen durch Berufsgesetze geregelten Berufen auftreten. In diesen Berufsgesetzen finde sich kein Hinweis auf eine Bestimmung wie den § 93 AO 1977.

Es gehe auch nicht um die Frage einer Abwägung zwischen den Belangen der Steuerberater oder des Steuerfiskus einerseits und der wirtschaftlichen Basis von Zeitungen andererseits. Zu berücksichtigen sei die Pressefreiheit und die Integrität eines Presseunternehmens und der darin Tätigen vor staatlicher Gewalt. Die durch Art. 5 GG geschützte Pressefreiheit müsse als höherwertig angesehen werden als das Interesse des Steuerfiskus oder der Steuerpflichtigen, vor unzuverlässigen Beratern in Steuersachen geschützt zu werden.

Auch wenn man davon ausgehe, daß § 93 AO 1977 überhaupt anwendbar sei, entspreche die Vorentscheidung nicht § 93 Abs. 2 AO 1977. In dem Auskunftsersuchen sei nämlich nicht angegeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollten und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert werde. Das formale Erfordernis sei nicht erfüllt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Rechtsgrundlage für das Auskunftsersuchen, das Inhalt der angefochtenen Verfügung des FA vom 12. Januar 1979 war, ist, wie das FG zutreffend entschieden hat, § 164a StBerG i. V. m. § 93 AO 1977.

Nach § 164a StBerG richtet sich die Durchführung des Verwaltungsverfahrens in öffentlich-rechtlichen und berufsrechtlichen Angelegenheiten, die durch den Ersten Teil, den Zweiten und Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils und den Ersten Abschnitt des Dritten Teils des Steuerberatungsgesetzes geregelt werden, nach der Abgabenordnung. Im Ersten Teil des Steuerberatungsgesetzes ist u. a. das Verbot der unbefugten Hilfeleistung in Steuersachen (§ 5) sowie die Ermächtigung an das FA geregelt, solche Hilfeleistungen zu untersagen (§ 7). Das Tätigwerden des FA zur Untersagung der verbotenen Hilfeleistung ist somit als Verwaltungsverfahren i. S. des § 164a StBerG anzusehen. Seine Durchführung richtet sich also nach der Abgabenordnung. Dabei kann es sich nur um eine sinngemäße Anwendung der Vorschriften der Abgabenordnung handeln, wie das FG ohne Rechtsirrtum entschieden hat. Denn die Abgabenordnung gilt für Steuern (§ 1), während es sich bei den Verwaltungsverfahren i. S. des § 164a StBerG nur um Verfahren in (anderen) öffentlich-rechtlichen und berufsrechtlichen Angelegenheiten handeln kann. Die Verweisung auf die Abgabenordnung in § 164a liefe weitgehend leer, würde sie nur solche Bestimmungen der Abgabenordnung betreffen, die nach ihrem Wortlaut unmittelbar anwendbar sind. Sinn und Zweck der Regelung des § 164a StBerG bestehen erkennbar darin, der Finanzverwaltung die Anwendung der ihr vertrauten Verfahrensvorschriften auch zu ermöglichen, soweit sie nach dem Steuerberatungsgesetz tätig wird.

Demnach ist auch § 93 AO 1977 anwendbar. Danach haben Beteiligte und andere Personen der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Die nur sinngemäße Anwendung der Vorschrift im Rahmen der Verwaltungsverfahren nach § 164a StBerG bedeutet, daß Beteiligte und andere Personen der Finanzbehörde Auskünfte zu erteilen haben, die zur Feststellung eines für die Durchführung eines solchen Verwaltungsverfahrens erheblichen Sachverhalts erforderlich sind, also im vorliegenden Fall für die Durchführung eines Verfahrens zur Untersagung der verbotenen Hilfeleistung in Steuersachen. Daß das Auskunftsersuchen des FA keine Frage der Besteuerung zum Gegenstand hatte, steht der sinngemäßen Anwendung des § 93 AO 1977 also nicht entgegen. Das Einholen von Auskünften ist eines der nach der Abgabenordnung für das Verwaltungsverfahren vorgesehenen Beweismittel (§ 92 Nr. 1 AO 1977). Es besteht kein Grund, dieses Beweismittel auf das Besteuerungsverfahren zu beschränken.

Die sinngemäße Anwendung des § 93 AO 1977 scheidet nicht deswegen aus, weil etwa die Regelung ihren Sinn nur im Zusammenhang mit den spezifischen Gegebenheiten bei der Erhebung von Steuern gewönne, also einer sinngemäßen Anwendung auf die genannten Verwaltungsverfahren nicht zugänglich sei. Auskunftspflichten Dritter sind dem öffentlichen Recht auch außerhalb des Steuerrechts nicht fremd. So sind z. B. nach § 10 Abs. 1 des Gesetzes über die Statistik für Bundeszwecke alle natürlichen und juristischen Personen zur Beantwortung der ordnungsmäßig angeordneten Fragen verpflichtet (das Oberlandesgericht - OLG - Celle hat dazu entschieden, daß diese Auskunftspflicht verfassungsrechtlich unbedenklich ist, Beschluß vom 21. April 1964 3 Ws (B) 24/68, Betriebs-Berater 1964 S. 665 - BB 1964, 665 -). Das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) sieht zwar eine allgemeine Pflicht zur Auskunftserteilung nur in "förmlichen Verwaltungsverfahren" (§ 65) vor, nicht aber im Rahmen sonstiger Ermittlungsmaßnahmen der Verwaltungsbehörden (§ 26 Abs. 3). Daraus ist aber nicht zu entnehmen, daß das Festlegen einer Auskunftspflicht Dritter eine steuerrechtliche Besonderheit ist, zumal durchaus streitig ist, ob das Absehen von einer solchen allgemeinen Auskunftspflicht in § 26 Abs. 3 VwVfG sachlich gerechtfertig ist (vgl. Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 26 Anm. 6, mit weiteren Nachweisen). Auch aus dem Verwaltungsverfahrensgesetz ergibt sich zumindest, daß die gesetzliche Anordnung von Auskunftspflichten im öffentlichen Recht keine Ausnahme ist. Dem entspricht die Auffassung des BVerfG (Beschluß vom 15. Januar 1975 2 BvR 65/74, BVerfGE 38, 312, 320), daß die gesetzliche Anordnung einer grundsätzlich uneingeschränkten Zeugnispflicht verfassungsrechtlich unbedenklich ist, da "außerhalb des unantastbaren Bereichs privater Lebensgestaltung ... jedermann als gemeinschaftsbezogener und gemeinschaftsgebundener Bürger staatliche Maßnahmen hinnehmen (muß), die im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebots getroffen werden".

Für die hier vertretene Auffassung spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 164 a StBerG. Dieser ist durch Art. 8 Nr. 5 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) in das Steuerberatungsgesetz eingefügt worden, um - wie die Begründung dazu auf S. 8 der Bundestags-Drucksache 7/5458 lautet - "die Fortführung der bisherigen Verwaltungspraxis sicherzustellen, nach der in Angelegenheiten des Steuerberatungsgesetzes, für deren Durchführung die Finanzbehörden zuständig sind, das Verfahrensrecht der Abgabenordnung gilt". Die bisherige Praxis war aber, daß das Recht des FA, Dritte um Auskunft ersuchen zu dürfen (§ 175 der Reichsabgabenordnung - AO - = § 93 AO 1977), auch in Anspruch genommen wurde, um verbotener Hilfeleistung in Steuersachen entgegenzuwirken (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 29. März 1961 VII 128/59 U, BFHE 72, 729, BStBl III 1961, 265).

Der Hinweis der Klägerin schließlich, andere berufsrechtliche Regelungen sähen eine solche Auskunftspflicht nicht vor, mag zwar zutreffen. Er ist aber deswegen unbeachtlich, weil der Gesetzgeber nicht gehindert ist, ähnliche Materien unterschiedlich zu regeln. Für das Verwaltungsverfahren nach § 7 StBerG ist jedenfalls die Regelung des § 93 AO 1977 entsprechend anwendbar.

2. Zu Recht hat das FG auch entschieden, daß die Voraussetzungen des § 93 AO 1977 vorliegen.

Nach § 93 Abs. 1 AO 1977 sollen andere Personen als die Beteiligten erst zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht. Als Beteiligter in diesem Sinne kann jedoch im Gegensatz zur Auffassung des FG allein der Inserent der Kleinanzeige angesehen werden; er ist derjenige, an den die Finanzbehörde den Verwaltungsakt (Verbot der unbefugten Hilfeleistung in Steuersachen) ggf. richten will (vgl. § 164 a StBerG i. V. m. § 78 Nr. 2 AO 1977). Da seine Identität nicht bekannt ist, sondern durch das Auskunftsersuchen erst festgestellt werden soll, sind Aufklärungsmaßnahmen unter Zuhilfenahme des Beteiligten im vorliegenden Fall nicht durchführbar. Die Auskunft soll gerade dazu dienen, den Beteiligten festzustellen. Die Anwendung des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 nach seinem Buchstaben könnte folglich im Streitfall nicht zu dem angestrebten Ziel führen und wäre somit sinnwidrig (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 20. Februar 1979 VII R 16/78, BFHE 127, 104, BStBl II 1979, 268, Abschn. B II Nr. 3 am Ende).

Das FA hat sich mit seinem Auskunftsersuchen sowohl an die Klägerin als auch an die Geschäftsführer der geschäftsführenden GmbH der Klägerin gewandt. Das ist nicht zu beanstanden. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, sind weder die Klägerin noch die Geschäftsführer Beteiligte i. S. des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO 1977; sie sind vielmehr "andere Personen" i. S. dieser Bestimmung. Welche dieser anderen Personen die Verwaltung um Auskunft ersuchen darf, ist ihr durch § 93 AO 1977 nicht vorgeschrieben. Das FA kann also eine oder mehrere dieser Personen zur Auskunft anhalten, ohne daß diese berechtigt wären, die Auskunft unter Hinweis darauf zu verweigern, daß die Verwaltung andere (dritte) Personen um Auskunft ersuchen könne.

Nach § 93 Abs. 2 AO 1977 ist in dem Auskunftsersuchen anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Das Auskunftsersuchen des FA vom 12. Januar 1979 entspricht, wie das FG zutreffend entschieden hat, diesen Anforderungen. Aus ihm ergibt sich deutlich, worüber das FA eine Auskunft haben will. Man kann daraus bei verständiger Würdigung nur entnehmen, daß es Name und Anschrift des Inserenten der Anzeige zu erfahren sucht. Unschädlich ist, daß im Auskunftsersuchen nicht auch angegeben war, ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Wie ausgeführt, kommt ohnehin nur eine sinngemäße Anwendung des § 93 AO 1977 in Betracht. In deren Rahmen bedarf es naturgemäß eines solchen Hinweises in bezug auf das Besteuerungsverfahren nicht. Vielmehr kommt es im Rahmen der sinngemäßen Anwendung des § 93 AO 1977 aufgrund von § 164 a StBerG nur darauf an, daß aus dem Auskunftsersuchen zu entnehmen ist, ob die Auskunft im Rahmen eines Verfahrens gegen den Auskunftspflichtigen oder gegen andere Personen angefordert wird. Das ist der Fall.

3. Das Auskunftsverweigerungsrecht des ebenfalls entsprechend anwendbaren § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO 1977 steht dem Auskunftsersuchen nicht entgegen. Denn es gilt ausdrücklich nur hinsichtlich des redaktionellen Teils von periodischen Druckwerken. Das Auskunftsersuchen bezog sich aber auf den Anzeigenteil. Die Klägerin kann also nicht unter Berufung auf das sog. Chiffregeheimnis die Auskunft verweigern (vgl. zur Rechtslage vor der Änderung des § 177 Abs. 1 Nr. 4 AO - dem Rechtsvorgänger des im Wortlaut gleichen § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO 1977 - die Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. Februar 1952 IV 430/51 S, BFHE 56, 122, BStBl III 1952, 52; vom 1. Juli 1959 II 99/56 U, BFHE 69, 409, BStBl III 1959, 413, und vom 25. Oktober 1973 VII R 113/69, BFHE 110, 468, BStBl II 1974, 172).

Diese Regelung ist verfassungsmäßig. Nach der Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 21, 271, 278 umfaßt das durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG garantierte Grundrecht der Pressefreiheit auch den Anzeigenteil einer Zeitung. Die Regelung des § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO 1977 berührt somit dieses Grundrecht (vgl. BFHE 110, 468, BStBl II 1974, 172). Art. 5 Abs. 2 GG bestimmt jedoch, daß das Grundrecht der Pressefreiheit seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze findet. Die genannte Regelung stellt eine solche (zulässige) Einschränkung der Pressefreiheit dar.

Der Umstand allein, daß die Pressefreiheit auch den Anzeigenteil einer Zeitung umfaßt, hindert den Gesetzgeber nicht grundsätzlich, hinsichtlich des Anzeigenteils die Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 2 GG durch allgemeines Gesetz einzuschränken. Diese Einschränkung darf jedoch, wie sich aus der ständigen Rechtsprechung des BVerfG zum Grundrecht der Pressefreiheit ergibt (Entscheidungen vom 15. Januar 1958 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198, 207, und vom 5. August 1966 1 BvR 586/62 usw., BVerfGE 20, 162, 176) den "besonderen Wertgehalt dieses Grundrechts" nicht beeinträchtigen. Das bedeutet, daß der Wesensgehalt des Grundrechts erhalten bleiben muß. Die Regelung des § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO 1977 entspricht diesen Anforderungen.

Einer der wesentlichen Gründe für die Garantie der Pressefreiheit ist, daß es die Kontrollfunktion der Presse zu wahren gilt. Diese Kontrollfunktion übt die Presse im wesentlichen durch den redaktionellen Teil aus. Unter dem Gesichtspunkt der Pressefreiheit kommt also diesem Teil eine wesentlich größere Bedeutung zu als dem Anzeigenteil. Letzterer hat nur in Ausnahmefällen und in geringerem Maße ähnliche Funktionen der Meinungsbildung und Kontrolle wie der redaktionelle Teil. Es sind überwiegend wirtschaftliche Interessen, die die Presse veranlassen, Anzeigen aufzunehmen (vgl. zu dieser Frage die Begründung der Bundesregierung zu dem Entwurf eines Gesetzes über das Zeugnisverweigerungsrecht der Mitarbeiter von Presse und Rundfunk auf S. 9 der Bundestags-Drucksache 7/2539 und den Bericht der Abgeordneten Sieglerschmidt und Dr. Klein zu diesem Gesetzentwurf auf S. 4 der Bundestags-Drucksache 7/3118).

Daraus ergibt sich zwar nicht, daß nicht auch der Anzeigenteil des Schutzes gegenüber staatlichen Eingriffen bedarf, zumal nicht zu verkennen ist, daß die Einnahmen aus dem Anzeigenteil oft die unentbehrliche wirtschaftliche Voraussetzung für das Bestehen einer vom Staat unabhängigen Presse sind. Dieser Schutz braucht jedoch nicht so weit zu gehen wie der des redaktionellen Teils. Insbesondere kommt dem Schutz der Anonymität der Informationsquelle beim Anzeigenteil weniger Bedeutung zu als beim redaktionellen Teil. Nur wenige potentielle Inserenten werden sich durch das Fehlen eines gesetzlichen Auskunftsverweigerungsrechts der Presse hinsichtlich des Anzeigenteils veranlaßt sehen, vom Aufgeben einer Anzeige abzusehen. Das Fehlen eines solchen Rechts hat also keine ins Gewicht fallende wirtschaftliche Auswirkung für die Presse.

Die danach geringere Schutzbedürftigkeit des Anzeigenteils ist abzuwägen gegen das Interesse, das die Öffentlichkeit daran hat, daß die Finanzbehörden bei der Durchführung der Besteuerung oder der Erledigung der sonst ihnen übertragenen Aufgaben auch auf Auskünfte Dritter zurückgreifen können. Dieses Interesse ist nicht gering zu veranschlagen, wie der vorliegende Fall zeigt, in dem es darum geht, die Allgemeinheit vor Schäden zu bewahren, die eintreten könnten, wenn ungeeignete Personen geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten. Berücksichtigt man ferner, daß die gesetzliche Festlegung einer Auskunftspflicht auch der Presse gegenüber den Finanzbehörden hinsichtlich der Inserenten eine in bezug auf Inhalt und Ausmaß eng begrenzte Einschränkung der Pressefreiheit ist, so muß davon ausgegangen werden, daß die Regelung des § 102 Abs. 1 Nr. 4 AO 1977 den Wesensgehalt des Grundrechtes der Pressefreiheit nicht berührt.

Da der Gesetzgeber die genannte Auskunftspflicht vorgesehen hat und sich diese Regelung als verfassungskonform erweist, ist der erkennende Senat daran gebunden. Im Gegensatz zur Auffassung der Vorinstanz ist er daher weder verpflichtet noch auch nur befugt, im konkreten Fall noch eine Güterabwägung zwischen den Erfordernissen einer freien Presse auf der einen Seite und dem Interesse an der Erlangung der konkret erbetenen Auskunft auf der anderen Seite vorzunehmen.

4. Zu Unrecht beruft sich die Klägerin für ihre gegenteilige Auffassung auf das Urteil des OLG Koblenz vom 18. Januar 1980 2 U 76/78 (Archiv für Presserecht 1980 S. 40 ff.). In diesem Urteil hat das OLG Koblenz entschieden, daß ein Anzeigenvertrag, kraft dessen eine Anzeige unter Chiffre veröffentlicht werden soll, den Verlag verpflichtet, seinen Auftraggeber einem Dritten nicht preiszugeben. Dieses Urteil betrifft danach lediglich die Frage, welche zivilrechtlichen Pflichten die Partner eines Anzeigenvertrages haben. Aus der zivilrechtlichen Pflicht des Verlages, die Identität des Auftraggebers einer Chiffreanzeige nicht preiszugeben, ergibt sich jedoch nichts für die Frage, ob den Verlag nicht eine öffentlich-rechtliche Auskunftspflicht nach § 93 AO 1977 trifft. Diese Frage ist allein in den §§ 101 ff. AO 1977 über die einzelnen Auskunftsverweigerungsrechte geregelt. Diese Bestimmungen geben aber kein solches Recht für den Fall, daß die Erteilung der Auskunft zivilrechtlichen Verpflichtungen widerspricht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73639

BStBl II 1980, 699

BFHE 1981, 187

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