Leitsatz (amtlich)

1. Einnahme aus Vermietung und Verpachtung in Gestalt einer Sachleistung ist die Erstellung eines Gebäudes durch den Nutzungsberechtigten, wenn das Gebäude entschädigungslos in das Eigentum des zur Grundstücksüberlassung Verpflichteten übergeht und der Vermögenszuwachs seine Grundlage in dem Nutzungsvertrag hat.

2. Der Wert der Sachleistung (Nr. 1) fließt dem Eigentümer bereits beim Herstellen des Gebäudes in dem Umfang zu, in dem er durch die Verbindung der einzelnen Sachen mit dem Grundstück deren rechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer wird.

 

Normenkette

EStG § 21 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 2, § 11 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1970 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden.

Die Klägerin -- Ehefrau -- überließ 1967 der H-GmbH (GmbH), deren Gesellschafter und Geschäftsführer der Kläger -- Ehemann -- war, ein Grundstück zur Nutzung und räumte der GmbH ein Bebauungsrecht ein, welches zehn Jahre galt. Die GmbH durfte das Grundstück mit einer Werkhalle bebauen. Spätestens zum 1. April 1978 sollten Grundstück und Aufbauten an die Klägerin zurückfallen. Die GmbH übernahm alle mit dem Grundstück zusammenhängenden Kosten. Die Klägerin erklärte sich bereit, die Halle nach Ablauf von zehn Jahren zu einem angemessenen Pachtzins -- nicht höher als 10 v.H. der Baukosten -- zu überlassen. Die GmbH sollte ein Vorkaufsrecht haben.

Nach Vertragsabschluß bebaute die GmbH das Grundstück mit einer Halle für 225 591 DM. Am 1. Dezember 1969 wurde über das Vermögen der GmbH das Konkursverfahren eröffnet. Zur Vermeidung einer zwangsweisen Veräußerung des Grundbesitzes durch eine absonderungsberechtigte Bank trat die Klägerin Ende 1970 in eine Darlehensschuld der GmbH ein, welche 105 041 DM betrug. Am 26. Juli 1972 verkaufte die Klägerin die Halle für 250 000 DM an einen Dritten.

Das FA wies in einer Besprechung am 14. Mai 1979 die Klägerin darauf hin, daß es den Steuerbescheid zu ihrem Nachteil ändern und dabei den gemeinen Wert der Halle als mit der Konkurseröffnung zugefallen im Rahmen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zurechnen und den Betrag der übernommenen Schuld abziehen werde. Dementsprechend erging ein Steuerbescheid; der Einspruch dagegen blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab und führte dazu aus:

Der Wert der Halle sei nach ihrem "Heimfall" in 1970 den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zuzurechnen, wie auch die Beteiligten übereinstimmend annähmen. Für die Höhe dieser Einnahmen sei von den Herstellungskosten von 225 591 DM auszugehen, weil der "Heimfall" innerhalb kurzer Zeit nach der Herstellung erfolgt sei und der Verkaufspreis 250 000 DM betragen habe. Eine weitere Sachaufklärung dazu dränge sich nicht auf, zumal Einwendungen der Kläger dagegen nicht durchgriffen.

Mit der Revision wird Verletzung materiellen und formellen Rechts gerügt; dazu wird vorgebracht:

Hinsichtlich der Wertermittlung der Halle beim "Heimfall" seien § 76 Abs. 1 FGO i. V. m. § 160 Abs. 2 und 3 der Zivilprozeßordnung (ZPO) und § 96 Abs. 2 FGO verletzt.

Eine weitere Sachaufklärung sei geboten gewesen. In der mündlichen Verhandlung beantragte Zeugenvernehmungen seien nicht durchgeführt worden. Das nach vorläufigen Aufzeichnungen hergestellte Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 21. September 1981 lasse diesen Antrag unerwähnt. Eine Begründung für das Übergehen der Beweisanträge fehle. Wenn das FG seine Wertfindung vom zeitlichen Zusammenhang von Herstellungskosten und Verkaufspreis der Halle abgeleitet habe, so sei damit nicht den Besonderheiten des Falles Rechnung getragen worden.

Die Kläger beantragen, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Steuerfestsetzung für 1970 mit der Maßgabe zu ändern, daß bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Wert der Halle in 1970 auf 100 000 DM begrenzt werde, hilfsweise, die Streitsache zurückzuverweisen.

Das FA beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung hinsichtlich der Einkommensteuer für 1970 (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Ob die Klägerin -- Ehefrau -- im Streitjahr 1970 Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung durch eine Sachleistung in Gestalt der Werkhalle (§ 2 Abs. 3 Nr. 6, § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG) bezogen hat, läßt sich nach den bisherigen Feststellungen des FG nicht abschließend entscheiden.

a) Rechtlich zutreffend ist das FG -- in Übereinstimmung mit den Beteiligten -- davon ausgegangen, daß die Klägerin mit dem Wert der Werkhalle steuerpflichtige Einnahmen im Rahmen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung haben konnte.

Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sind Geld- oder Sachleistungen als Entgelt für die Überlassung der Nutzung eines Grundstücks. Entgelt in Gestalt einer Sachleistung ist auch die Erstellung eines Gebäudes durch den Nutzungsberechtigten, wenn das Gebäude entschädigungslos in das Eigentum des zur Grundstücksüberlassung Verpflichteten übergeht und der Vermögenszuwachs seine Grundlage in dem Nutzungsvertrag hat. Es gelten insoweit die gleichen Grundsätze wie für die steuerrechtliche Behandlung von verlorenen Baukostenzuschüssen bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (vgl. dazu Urteil vom 28. Oktober 1980 VIII R 34/76, BFHE 132, 41, BStBl II 1981, 161).

Hiernach waren Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zu bejahen, weil die Klägerin Bürgerlichrechtliche und wirtschaftliche Eigentümerin des von der GmbH errichteten Gebäudes wurde und weil der Vermögensübergang in einem Nutzungsvertrag zwischen der Klägerin und der GmbH begründet war.

aa) Bürgerlich-rechtliches Eigentum erlangte die Klägerin von Anfang an, weil das Bauwerk nach den Vereinbarungen der Vertragspartner wesentlicher Bestandteil und nicht nur Scheinbestandteil des Grundstücks wurde (§§ 946, 94, 95 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB --). Es gibt keinen Anhalt dafür, daß das Gebäude nur zu einem vorübergehenden Zweck eingebaut wurde.

Wirtschaftliches Eigentum -- zugleich mit dem bürgerlich-rechtlichen Eigentum -- der Klägerin anzunehmen entspricht den Grundsätzen der BFH-Rechtsprechung zur Frage des wirtschaftlichen Eigentums bei Bauten auf fremdem Grund und Boden. Wirtschaftliches Eigentum der Klägerin ergibt sich daraus, daß die Errichtung des Gebäudes gleichermaßen den Interessen der Vertragsparteien diente, der Wert des Gebäudes sich nicht innerhalb der vereinbarten Nutzungszeit verzehrte und nach Ablauf der Nutzungszeit eine neue Gestaltung des Nutzungsverhältnisses möglich war (vgl. dazu Urteil in BFHE 132, 41, BStBl II 1981, 161). Die Tatsache, daß der Nutzungsberechtigte ein Gebäude auf dem ihm überlassenen Grundstück errichtet und die Lasten des Grundstücks trägt, genügt allein nicht, um wirtschaftliches Eigentum des Nutzenden zu begründen (vgl. BFH-Urteil vom 21. Dezember 1978 III R 20/77, BFHE 127, 423, BStBl II 1979, 466). Ein Einverständnis des Grundstückseigentümers mit der Errichtung des Bauwerks rechtfertigt lediglich die Annahme, daß ein Nutzungsrecht vereinbart wurde.

bb) Daß der Vermögensübergang seine Grundlage in einem zwischen der Klägerin und der GmbH bestehenden Nutzungsvertrag hatte, ergibt sich aus den vertraglichen Abmachungen. Danach standen die Überlassung des Gebrauchs des Grundstücks und die Errichtung des Gebäudes in einem unmittelbaren rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang. Von den Vertragspartnern war ein dahin gehender Leistungsaustausch gewollt, daß der Gebäudewert Gegenleistung für die Überlassung des Grundstücks sein sollte. Anders ist das Fehlen eines Miet- oder Pachtentgelts in Form einer Geldleistung für die zehnjährige Nutzungsdauer nicht zu erklären. Dies gilt jedenfalls insoweit, als das übergegangene Vermögen eine angemessene Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung in diesem Zeitraum war.

cc) Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung wären jedoch insoweit nicht gegeben, als ein Zufluß nicht im Nutzungsverhältnis begründet wäre. Anlaß zu einer Prüfung in dieser Hinsicht besteht im Streitfall deshalb, weil das Grundstück einer GmbH überlassen wurde, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Ehemann der Klägerin war. Soweit der Wert der der Klägerin zugeflossenen Sachleistung unangemessen war, könnte die Leistung der GmbH an die Klägerin als nahe Angehörige des Gesellschafters der GmbH ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis haben und damit eine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne von § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes -- KStG -- 1977 (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KStG) sein. Insoweit lägen Einnahmen im Rahmen einer Einkunftsart nur beim Gesellschafter der GmbH vor; bei der Klägerin wäre eine Schenkung gegeben.

b) Die Vorentscheidung ist indessen rechtsfehlerhaft, weil sie die Einnahme als im Streitjahr 1970 bezogen angesehen hat, ohne zur Frage des Zuflusses Stellung zu nehmen.

Bei Überschußeinkünften ist der Wert als Einnahme mit dem Zufluß zu erfassen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 EStG). Ob bei Gewinneinkünften im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 5 und § 4 Abs. 1 EStG nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und steuerrechtlichen Aktivierungsvorschriften neben einer Aktivierung von Wirtschaftsgütern auch eine Verpflichtung zur Gebrauchsüberlassung zu passivieren ist, bedarf hier keiner Erörterung, weil diese Grundsätze nach der Systematik des EStG auf die Ermittlung von Überschußeinkünften nicht übertragbar sind (vgl. BFH-Urteil vom 17. Januar 1978 VIII R 97/75, BFHE 124, 445, BStBl II 1978, 337).

Zugeflossen sind Einnahmen, sobald der Empfänger wirtschaftlich über sie verfügen kann oder verfügt hat; das ist in der Regel der Zeitpunkt des Leistungserfolgs oder der Möglichkeit, den Leistungserfolg herbeizuführen (vgl. BFH-Urteile vom 30. Oktober 1980 IV R 97/78, BFHE 132, 410, BStBl II 1981, 305; vom 21. Oktober 1981 I R 230/78, BFHE 134, 315, BStBl II 1982, 139). Wird im Rahmen eines entgeltlichen Nutzungsverhältnisses ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden errichtet und erwirbt der Grundstückseigentümer zugleich mit dem bürgerlich-rechtlichen auch das wirtschaftliche Eigentum an dem Gebäude, so tritt der Leistungserfolg nicht erst mit der Fertigstellung, sondern bereits beim Herstellen des Gebäudes ein. Der Wert der Sachleistung fließt dem Eigentümer in dem Umfang zu, in dem er durch Verbindung der einzelnen Sachen mit dem Grundstück deren rechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer wird (§ 946 BGB; vgl. Quack in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 946 A. 6, 10). Maßgebend für diese Beurteilung des Zuflußzeitpunkts beim Grundstückseigentümer ist, daß der auf fremdem Grund und Boden Bauende unter den hier gegebenen Umständen zu keiner Zeit ein Eigentumsrecht am Gebäude, sondern ein Nutzungsrecht daran erwirbt.

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall bedarf es der Feststellung, in welchem Zeitraum die Werkhalle erstellt wurde und welcher Wert in diesem Zeitraum zugeflossen ist. Erstreckte sich die Bauzeit über mehrere Jahre, dann ist festzustellen, welche Werte in den einzelnen Kalenderjahren zugeflossen sind.

Auf die im Zusammenhang mit der Wertermittlung von der Revision erhobenen Verfahrensrügen kommt es nicht mehr an, weil das Urteil des FG bereits wegen unrichtiger Entscheidung der Zuflußfrage aufzuheben ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74758

BStBl II 1983, 755

BFHE 1984, 171

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Gold. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge