Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den sachlichen Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung; zum Anspruch auf Investitionszulage bei bestehender Betriebsaufspaltung

 

Leitsatz (NV)

1. Die Qualifizierung eines Wirtschaftsgutes als wesentliche Betriebsgrundlage im Rahmen einer Betriebsaufspaltung hängt nicht davon ab, ob es der Vermieter / Verpächter oder das Betriebsunternehmen selbst entsprechend gestaltet hat (Anschluß an das Urteil in BFHE 158, 245, BStBl II 1989, 1014).

Von einer Betriebsgesellschaft, die einen Einzelhandel mit Textilien betreibt, angemietete Räume sind auch von der Lage her für die Belange der Gesellschaft besonders geeignet (Urteil in BStBl II 1991, 336), wenn sie in einer Hauptgeschäftsstraße unweit des schon bisher unterhaltenen Ladenlokals liegen.

2. Bei bestehender Betriebsaufspaltung stehen im Rahmen der sog. Konzernklausel des § 4b Abs. 6 InvZulG 1982 die materielle Zulagenberechtigung und das formelle Antragsrecht auch dem Betriebsunternehmen zu (Bestätigung des Urteils in BFHE 155, 444, BStBl II 1989, 379).

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1; InvZulG 1982 § 4b Abs. 1 S. 1, Abs. 6

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, betreibt in der Hauptgeschäftsstraße (G-Straße) von B einen Einzelhandel mit Textilien.

Sie wurde mit notariellem Vertrag vom 8. August 1978 gegründet. Am Stammkapital von 20000DM waren im Streitjahr (1983) Herr A mit einem Anteil von 90 v.H. und dessen Ehefrau, Frau D, mit einem Anteil von 10 v.H. beteiligt. Alleiniger Geschäftsführer war A.

Die Klägerin übte ihren Geschäftsbetrieb bis zum 7. März 1983 in Räumen des Anwesens G-Straße 1 aus, die sie von fremden Dritten gemietet hatte. Am 8. März 1983 mietete sie zusätzlich Räume in der G-Straße 5 an, die ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer A gehörten. Die Klägerin verlagerte den größten Teil ihres Sortiments in diese Räume; im Anwesen G-Straße 1 verkaufte sie ab diesem Zeitpunkt fast nur noch Kinder- und Umstandsmoden.

Die von A vermieteten Räume hatte dieser in den Jahren 1982/1983 im Rahmen eines Bauherrenmodells errichtet. Es handelt sich um Räume im Untergeschoß (Laden-, Büro- und Aufenthaltsraum, WC) und im Erdgeschoß (Verkaufsraum) mit einer Gesamtfläche von 331,55qm. Sie wurden der Klägerin im ,,Rohzustand" überlassen.

Am 18. Oktober 1983 erwarb A weitere Räume im Anwesen G-Straße 5, die neben den bereits von der Klägerin angemieteten Räumen lagen. Er überließ auch diese Räume der Klägerin zur Nutzung.

Die Klägerin stellte am 21. Mai 1984 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) einen Antrag auf Gewährung einer Zulage nach § 4b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1982. Das darin angegebene Begünstigungsvolumen in Höhe von . .

. DM setzt sich wie folgt zusammen:

a) Aufwendungen der Klägerin für die Ausgestaltung der Geschäftsräume

- Anteil 1. Halbjahr 1983: ... DM

- Anteil 2. Halbjahr 1983: ... DM

... DM;

b) Aufwendungen des A für die Herstellung der Geschäftsräume

in den Jahren 1982/1983 sowie für den Zuerwerb vom 18. Oktober 1983 ... DM und

c) sonstige Investitionen der Klägerin ... DM.

Das FA gewährte mit Bescheid vom 12. Februar 1985 eine Zulage lediglich für die unter c) genannten Investitionen der Klägerin. In der Einspruchsentscheidung vom 12. März 1987 berücksichtigte es auch die von der Klägerin im ersten Halbjahr 1983 aufgewendeten Kosten für die Ausgestaltung der Geschäftsräume. Im übrigen verneinte das FA die Zulagenbegünstigung. Es schloß vor allem die Aufwendungen des A aus. Diese seien nicht im Rahmen eines Gewerbebetriebs angefallen. Die Voraussetzungen einer steuerrechtlichen Betriebsaufspaltung zwischen der Klägerin und A lägen nicht vor, da die von A angemieteten Räume für die Klägerin keine wesentliche Betriebsgrundlage darstellten.

Dagegen erhob die Klägerin Klage. Sie minderte das ursprünglich angegebene Begünstigungsvolumen (weiter) um Aufwendungen in Höhe von . . . DM, die auf den Hinzuerwerb der Räume am 18. Okober 1983 durch A entfallen waren.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Auch das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, die Aufwendungen des A seien nicht - wie von § 4b Abs. 1 InvZulG 1982 verlangt - in einem Berieb angefallen. Es verneinte das Vorliegen der sachlichen Voraussetzungen einer steuerrechtlichen Betriebsaufspaltung. Die von A hergestellten und an die Klägerin vermieteten Räume stellten für deren Betrieb keine wesentliche Betriebsgrundlage dar. Es fehle bereits an der besonderen Gestaltung der Räume. Diese seien der Klägerin ,,im Rohzustand" überlassen worden. Sie hätten von A offenkundig auch einem anderen Einzelhandelsgeschäft zur Verfügung gestellt werden können. Andererseits hätte die Klägerin entsprechende Geschäftsräume in vergleichbarer Lage von fremden Dritten anmieten können. Dies zeige der Umstand, daß im Jahre 1984 im Zentrumsbereich von B ein (anderes) Textilhandelsgeschäft in einem ehemaligen Kaufhaus eröffnet worden sei.

Aufwendungen im Zusammenhang mit der Ausgestaltung der im Oktober 1983 übernommenen Räume seien auch dann nicht begünstigt, wenn sie die Klägerin selbst getragen haben sollte. Insoweit fehlten die zeitlichen Voraussetzungen des § 4b Abs. 2 Sätze 2 ff. InvZulG 1982.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 4b InvZulG 1982 und des § 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Steuerpflichtigen i.S. des Einkommensteuergesetzes (EStG) und des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) wird für begünstigte Investitionen, die sie in einem Betrieb im Inland vornehmen, auf Antrag eine Investitionszulage gewährt (§ 4b Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1982). Überläßt das investierende Unternehmen die Wirtschaftsgüter zur Nutzung an andere Unternehmen, so werden die zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter bei der Ermittlung des Begünstigungsvolumens (und des Vergleichsvolumens) dem nutzenden Unternehmen zugerechnet, wenn dieses in bestimmter Weise mit dem überlassenden Unternehmen beteiligungsmäßig verbunden ist (§ 4b Abs. 6 InvZulG 1982).

Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind - entgegen der Auffassung des FG - im Streitfall erfüllt.

1. Das FG hat zu Unrecht angenommen, A habe nicht in einem Betrieb - oder wenigstens im Hinblick auf die Eröffnung eines solchen (s. hierzu das Urteil des erkennenden Senats vom 12. April 1991 III R 39/86, BFHE 165, 125, BStBl II 1991, 773) - investiert. Es hat die Voraussetzungen für die Annahme einer sachlichen Verflechtung zwischen Vermieter / Verpächter und der von ihm ,,beherrschten" Betriebsgesellschaft verkannt.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (s. aus jüngerer Zeit die Urteile vom 24. August 1989 IV R 135/86, BFHE 158, 245, BStBl II 1989, 1014, und vom 29. Oktober 1991 VIII R 77/87, BFHE 166, 82, BStBl II 1992, 334) sind im Rahmen der (steuerrechtlichen) Betriebsaufspaltung solche Grundstücke eine wesentliche Betriebsgrundlage, die zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich sind und besonderes Gewicht für die Betriebsführung haben. Für die Beantwortung der Frage, ob ein Wirtschaftsgut für das Betriebsunternehmen besonderes Gewicht hat, hat der BFH eine Reihe von Kriterien entwickelt. So muß das betreffende Wirtschaftsgut insbesondere entweder für die Bedürfnisse des Betriebsunternehmens besonders gestaltet sein (vgl. Urteile vom 12. November 1985 VIII R 342/82, BFHE 145, 396, BStBl II 1986, 299, und vom 5. September 1991 IV R 113/90, BFHE 165, 420, BStBl II 1992, 349) oder es muß nach seiner Lage für die Belange des Betriebs besonders geeignet sein (Urteil vom 7. August 1990 VIII R 110/87, BStBl II 1991, 336). Maßgebend ist bei Grundstücken demnach, ob das Betriebsunternehmen jederzeit am Markt ein für seine Belange gleichwertiges Grundstück mieten oder kaufen kann. Ist dies nicht möglich, dann ist das Grunstück für die Betriebsführung des Betriebsunternehmens grundsätzlich von besonderem Gewicht (BFHE 166, 82, BStBl II 1992, 334).

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze sind die am 8. März 1983 angemieteten Räume in der G-Straße 5 eine für den Textileinzelhandel der Klägerin wesentliche Betriebsgrundlage.

aa) Ohne die Nutzung dieser Räume hätte die Klägerin ihren Betrieb nicht erweitern oder den größten Teil ihres Sortiments aus den bisherigen Verkaufsräumen auslagern können. Die Räume in der G-Straße 5 sind damit zur Erreichung des - damals auch auf Expansion gerichteten - Betriebszwecks erforderlich.

bb) Diese Räume sind für die Betriebsführung der Klägerin auch von besonderem Gewicht.

Die Klägerin hat sie nach den Feststellungen des FG, gegen die begründete Verfahrensrügen nicht erhoben worden sind und an die der erkennende Senat daher gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), im ,,Rohzustand" übernommen. Für die ihren speziellen Bedürfnissen entsprechende Ausgestaltung und Herrichtung hat sie selbst gesorgt. Das nimmt den Räumen - entgegen der Auffassung des FG - aber nicht das ,,besondere Gewicht" für den Betrieb der Klägerin. Die Qualifizierung eines Wirtschaftsgutes im Rahmen einer Betriebsaufspaltung als wesentliche Betriebsgrundlage hängt nicht davon ab, ob es der Vermieter/ Verpächter oder das Betriebsunternehmen selbst entsprechend gestaltet hat. Nach der Rechtsprechung des BFH zählen sogar unbebaute Grundstücke, die erst von der Betriebsgesellschaft für deren besondereBedürfnisse hergerichtet worden sind, zu deren wesentlichen Betriebsgrundlagen (BFHE 158, 245, BStBl II 1989, 1014).

Darüber hinaus waren die Räume in der G-Straße 5 auch von ihrer Lage her für die Belange des Betriebs der Klägerin besonders geeignet. Die G-Straße ist die Hauptgeschäftsstraße in B. Die von A angemieteten Räume lagen unweit des Ladens im Gebäude G-Straße 1. Kunden konnten so rasch von einem Geschäftslokal in das andere wechseln. Die Klägerin konnte z.B. auch in beiden Geschäftslokalen für das jeweils andere mit dem Argument des ,,kurzen Weges" werben.

c) Der Aussage des FG in dem angefochtenen Urteil, die Klägerin hätte ,,entsprechende Geschäftsräume in vergleichbarer Lage von einem fremden Dritten mieten können", kommt angesichts dieser Rechtslage keine Bedeutung zu.

Im übrigen wird diese Aussage auch nicht den vom FG festgestellten Tatsachen gerecht. Sie berücksichtigt insbesondere nicht den Umstand, daß die von A angemieteten Räume in unmittelbarer Nähe des bis dahin einzigen, weiterhin beibehaltenen Geschäftslokals der Klägerin liegen. Weiter bestand - auch nach den Feststellungen des FG - die Möglichkeit der Eröffnung eines Ladengeschäfts in den Räumlichkeiten des ehemaligen Kaufhauses im Zentrum von B erst im darauffolgenden Jahr (1984).

Nach alledem konnte die Klägerin nicht - wie von der Rechtsprechung des BFH gefordert (s. zuletzt BFHE 166, 82, BStBl II 1992, 334) - jederzeit am Markt ein für ihre Belange gleichwertiges Grundstück mieten oder kaufen.

d) Entgegen der Auffassung des FG war es auch unerheblich, ob die von der Klägerin angemieteten Räume in der G-Straße 5 auch von einem andersartigen Einzelhandelsgeschäft hätten genutzt werden können (s. auch hierzu das Urteil in BFHE 166, 82, BStBl II 1992, 334).

2. Unberechtigt sind weiter die Zweifel des FG an der Berechtigung der Klägerin, Investitionszulage auch insoweit zu begehren, als A begünstigte Investitionen vorgenommen hat. Der Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf seine Urteile vom 9. Dezember 1988 III R 27/86 (BFHE 155, 444, BStBl II 1989, 242) und III R 40/88 (BFHE 156, 309, BStBl II 1989, 379), nach denen bei bestehender Betriebsaufspaltung im Rahmen der sog. Konzernklausel des § 4b Abs. 6 InvZulG 1982 die materielle Zulagenberechtigung und das formelle Antragsrecht auch dem Betriebsunternehmen zustehen.

3. Gleichwohl kann der Senat nicht durcherkennen. Das FG hat - aus seiner Sicht zutreffend - noch keine Feststellungen dazu getroffen, inwieweit A selbst begünstigte Investionen i.S. des § 4b Abs. 2 InvZulG 1982 getätigt hat. Auch ist noch nicht geklärt, in welchem Umfang die Klägerin Aufwendungen für die Ausgestaltung der ihr erst im Oktober 1983 überlassenen Räume in das Begünstigungsvolumen (§ 4b Abs. 4 InvZulG 1982) einbezogen hat. Diese Aufwendungen dürften - worauf schon das FG am Schluß seiner Entscheidung hingewiesen hat - außerhalb des Begünstigungszeitraumes des § 4b Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1982 angefallen sein.

Bei der erneuten Verhandlung ist allerdings davon auszugehen, daß A die am 8. März 1983 an die Klägerin vermieteten Räume - jedenfalls i.S. des § 4b Abs. 2 Satz 1 Nr.3 InvZulG 1982 - hergestellt und nicht angeschafft hat. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, daß A Bauherr war. Gegenteiliges ist auch aus den Akten nicht ersichtlich.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418564

BFH/NV 1993, 167

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