Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Ist für die Vermögensabgabe ein Ablösungsbescheid auf Grund eines Vorauszahlungsbescheides ergangen, so ist das Finanzamt durch den Ablösungsbescheid nicht gehindert, die endgültigen Abgaben höher als im Vorauszahlungsbescheide festzusetzen.

 

Normenkette

LAG § 199 Abs. 4

 

Tatbestand

Die beschwerdeführenden Eheleute hatten früher ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik und sind 1950 bzw. 1953 nach der Schweiz ausgewandert. Die Ehefrau hat zuvor ihre ideellen Anteile an zwei Waldgütern und an einem bebauten Grundstück auf ihren mitbeteiligten Bruder übertragen. Dieser hat sich dabei verpflichtet, die auf die erworbenen Grundstücksanteile entfallende Vermögensabgabe zu übernehmen. Die Vertragspartner haben beim Finanzamt die Genehmigung der Schuldübernahme beantragt. Diese setzte Mitte Oktober 1953 die vierteljährlichen Vorauszahlungen der Ehefrau auf die Vermögensabgabe nach einem Vermögen von 648.805 DM auf 4.100,05 DM fest und genehmigte die Schuldübernahme durch den Bruder in Höhe eines anteiligen Vierteljahrsbetrages von 1.335,75 DM. Die für die Ehefrau verbliebenen vierteljährlichen Vorauszahlungen mit 2.764,50 DM wurden zum 9. Oktober 1953 abgelöst. Der Ablösungsbescheid ist unanfechtbar geworden.

Bei der Veranlagung im November 1955 ermittelte das Finanzamt den Vierteljahresbetrag mit 4.452,80 DM und setzte den nach Abzug der Schuldübernahme und der Ablösung noch verbleibenden Vierteljahresbetrag auf 415,65 DM fest. Der Unterschied dieses Betrages zu dem zuvor für die Vorauszahlung berechneten Vierteljahresbetrage ist im wesentlichen darauf zurückzuführen, daß das Finanzamt bei der Veranlagung I.G.-Farben-Aktien mit dem halben Werte als sonstige Vermögen heranzog, die bei der vorläufigen Festsetzung nicht berücksichtigt worden waren. Im Rechtsmittelverfahren wird geltend gemacht, der rechtskräftige Ablösungsbescheid habe eine endgültige Freistellung der Abgabepflichtigen bewirkt. Das Finanzamt sei somit schon aus formalrechtlichen Gründen nicht befugt gewesen, die Abgabepflichtige nachträglich zur Vermögensabgabe zu veranlagen. Die Heranziehung der Aktien der I.G.Farbenindustrie AG zur Vermögensabgabe unterliege überdies auch materiellrechtlichen Bedenken. Diese Wertpapiere könnten bei der Ermittlung des abgabepflichtigen Vermögens nicht angesetzt werden, weil sie vor dem 31. Dezember 1948 weder gehandelt noch notiert worden seien. Die Aktien der I.G.-Farbenindustrie AG hätten damals der Beschlagnahme der Militärregierung unterlegen und infolgedessen nur noch Spekulationswert gehabt. Die von dem Finanzamt zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung angezogene Vorschrift des § 39 Abs. 2 der Zehnten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz (10. AbgabenDV-LA) biete für die Heranziehung der Aktien keine Rechtsgrundlage. Diese Vorschrift sei unwirksam, weil sie die gesetzliche Bestimmung des § 24 Ziff. 2 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) nicht erläutere oder ergänze, sondern abändere.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht begründete in übereinstimmung mit dem Finanzamt seine Entscheidung wie folgt. Die nach dem Ergehen des rechtskräftigen Ablösungsbescheides durchgeführte Veranlagung zur Vermögensabgabe sei in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Der Vorauszahlungsbescheid habe nur vorläufigen Charakter und hindere die endgültige Veranlagung nicht. Die Zulässigkeit der Veranlagung sei auch nicht dadurch in Frage gestellt, daß auf der Grundlage der vorläufig festgesetzten Vorauszahlungen ein Ablösungsbescheid erlassen worden sei. Das Veranlagungsverfahren werde durch die auf Betreiben der Abgabepflichtigen durchgeführte Ablösung nicht berührt. § 13 der Ersten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz (1. AbgabenDV-LA) stelle klar, daß die Ablösung und das Veranlagungsverfahren im formalrechtlichen Bereiche in keiner Beziehung zueinander ständen. Mit dieser Vorschrift sei dem Abgabepflichtigen nicht zugleich das Recht eingeräumt worden, durch eine vorzeitige Ablösung die spätere Veranlagung auszuschließen. Das ergebe sich auch aus § 14 der 1. AbgabenDV-LA.

Die Heranziehung der I.G.-Farben-Aktien sei auch sachlich gerechtfertigt. Nach § 24 Ziff. 2 LAG seien Aktien und sonstige Anteile an Kapitalgesellschaften bei der Ermittlung des der Abgabe unterliegenden Vermögens mit ihrem halben Wert anzusetzen, sofern sie vor dem 31. Dezember 1948 zum amtlichen Verkehr an der Börse zugelassen gewesen seien. Der Handel mit I.G.-Farben-Aktien sei zwar zu dem damaligen Zeitpunkt untersagt gewesen. Das schließe aber ihre Heranziehung zur Vermögensabgabe nicht aus. Der Gesetzgeber habe bewußt nur auf die Zulassung der Aktien zum amtlichen Börsenverkehr abgestellt, um sicherzustellen, daß auch die Aktien zur Vermögensabgabe herangezogen würden, deren Handel auf Grund der alliierten Maßnahmen damals nicht möglich gewesen sei. Nach § 39 Abs. 2 der 10. AbgabenDV-LA gälten als zum amtlichen Verkehr zugelassen auch die Anteile an Kapitalgesellschaften, deren Handel am 31. Dezember 1948 verboten gewesen sei, sofern sie vor Erlaß des alliierten Verbotes in den amtlichen Börsenverkehr einbezogen gewesen seien. Diese Vorschrift sei auch gültig, denn sie ändere den § 24 Nr. 2 LAG nicht, sondern erläutere lediglich den gesetzgeberischen Grundgedanken. Der Gesetzgeber habe durch die Fassung des § 24 Nr. 2 LAG erreichen wollen, daß auch solche Anteile zur Veranlagung herangezogen würden, deren Handel vor dem 31. Dezember 1948 von den Besatzungsmächten untersagt gewesen sei.

In der Rechtsbeschwerde (Rb.) wird vorgetragen, für den Fall der Auswanderung sähen § 51 Abs. 1 in Verbindung mit § 199 LAG die sofortige Fälligkeit der Abgabeschuld vor. Die Auswanderung schließe das Ende der finanziellen Rechtsbeziehungen zwischen dem Staat und seinem ehemaligen Staatsbürger in sich. Der Staat und der Ablösungsverpflichtete hätten eine endgültige Regelung angestrebt. Es sei ein Verfahrensmangel, wenn das Finanzgericht den Willen, endgültig abzulösen, als beweiserheblich ansehe, aber keinen Beweis erhoben habe. Das Finanzgericht begehre aber auch bei Anwendung der §§ 13 bis 14 der 1. Abgaben-DV-LA einen Rechtsirrtum, indem es die hier zu behandelnde Sache mit solchen verwechsle, bei denen keine sofort anschließende Veranlagung erfolgt sei. § 13 der 1. AbgabenDV-LA bestimme, daß die Ablösung einer Abgabeschuld bereits vor Bekanntgabe eines Bescheides über die Abgabe zulässig sei, und daß das Finanzamt nicht verpflichtet sei, die Höhe der Rate, die der Abgabeschuldner seiner Verrechnung des Ablösungsbetrages zugrunde gelegt habe, für die Zwecke der Ablösung zu prüfen. Handle es sich hier um die Ablösung eines im Inland verbleibenden Abgabeschuldners, der nur habe ablösen wollen, weil ihm dies zweckmäßig erschienen sei, so hätte er keinen Anspruch auf einen Ablösungsbescheid gehabt. Für diesen Fall des § 13 der 1. AbgabenDV-LA gelte die Regelung des § 14 a. a. O. Die Beschwerdeführer (Bf.) seien auf Grund der Zahlung im Wege der Selbstberechnung anschließend sofort endgültig veranlagt worden. Der Ablösungsbescheid enthalte drei Teile: Unter 1 werde die Vermögensabgabe-Ablösung errechnet, unter 2 die übernahme des Teiles der Vermögensabgabe, der von den Bf. nicht abgelöst, sondern vom Schuldübernehmer übernommen werde, und unter 3 werde die Rechtsmittelbelehrung ausgesprochen, die sich aber ausdrücklich nur auf die weiterlaufende vorläufige Vorauszahlung beschränke. Für den unter 1 behandelten Teil des Bescheides sei ein endgültiger Bescheid über die Ablösung der Vermögensabgabe ergangen.

Die Ansicht des Finanzamtes, die I.G.-Farben-Aktien müßten zur Vermögensabgabe herangezogen werden, habe angesichts der rechtskräftigen Feststellung in dem Ablösungsbescheid mangels einer neuen Tatsache nicht mehr zur Geltung kommen können. Im übrigen verstoße die nachträgliche Heranziehung der Aktien gegen Treu und Glauben; denn Steuerbescheide, die in Rechtskraft erwachsen könnten, müßten so klar sein, daß ein normal gebildeter Staatsbürger erkennen könne, ob es sich um eine endgültige oder um eine vorläufige Regelung handle. Für die Heranziehung der Aktien fehle es nach dem rechtskräftigen Bescheide an einer neuen Tatsache.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. kann keinen Erfolg haben.

Das Finanzgericht ist mit zutreffender Begründung davon ausgegangen, daß der Vorauszahlungsbescheid der endgültigen Veranlagung nicht entgegensteht, weil er nur vorläufigen Charakter hat. Die Verpflichtung zur Vorauszahlung begründet für die Vorauszahlungsschuld ein Steuerschuldverhältnis, das aber das Entstehen der endgültigen Abgabeschuld nicht hindert. Es ist ferner richtig ausgeführt, daß die Ablösung bereits vor der Veranlagung erfolgen kann, wie schon § 199 LAG durch die Fassung "jederzeit" sagt.

Hier ist die Ablösung vor Bekanntgabe des Vermögensabgabebescheides erfolgt, denn zur Zeit der Ablösung lag nur ein Vorauszahlungsbescheid vor. Der Tatbestand fällt darum unter § 13 der 1. AbgabenDV-LA. In § 14 der 1. AbgabenDV-LA ist ausdrücklich geregelt, wie zu verfahren ist, wenn sich auf Grund der Veranlagung eine Erhöhung der der Ablösung zugrunde gelegten Rate ergibt. Daraus aber ergibt sich, daß auch ein rechtskräftiger Ablösungsbescheid eine Erhöhung der Vermögensabgabe durch den endgültigen Bescheid nicht unwirksam machen kann. Der Ablösungsbescheid, der auf Grund der festgesetzten Vorauszahlungen ergangen ist, hindert daher das Finanzamt nicht, die endgültigen Abgaben höher festzusetzen.

Die Berufung auf § 51 LAG geht fehl, da die sofortige Fälligkeit der Abgabeschuld bei Abwanderung keinen Schluß darauf zuläßt, daß in diesem Falle der Ablösungsbescheid unabänderlich ist; diese Vorschrift ist ein Sicherungsmittel zugunsten des Lastenausgleichsfonds gegen unvorhergesehene Ausfälle. Auch der unter Beweis gestellte Wille, endgültig abzulösen, kann hieran nichts ändern. Die Ansicht, § 13 der 1. AbgabenDV-LA beziehe sich nur auf Fälle, bei denen keine sofort anschließende Veranlagung erfolgt ist, ist rechtsirrig, da die Vorschrift einen solchen Schluß nicht rechtfertigt. Auch der Meinung, die Verfügung des Finanzamts vom 17. Oktober 1953 beinhalte eine endgültige Veranlagung, kann nicht gefolgt werden; soweit sich die Verfügung mit der Ablösung befaßt, läßt sie in Verbindung mit dem Ablösungsbescheid deutlich erkennen, daß der Ablösungsbetrag auf dem Vorauszahlungsbetrag beruht. Die Berufung auf Treu und Glauben geht fehl, da der Ablösungsbescheid klar genug ist, dem Abgabenpflichtigen kenntlich zu machen, wie der Ablösungsbetrag errechnet worden ist, und daß die Vorauszahlungen, auf denen der Bescheid beruhte, eine vorläufige Schuld darstellten. Die Folgeänderungen, wonach ein Bescheid, der auf einer notwendigen vorherigen Feststellung beruht, bei änderung dieser Feststellung auch nach seiner Unanfechtbarkeit noch geändert werden kann, ist im deutschen Steuerrecht anerkannten Rechtes.

Die Ausführungen des Finanzgerichtes über die Heranziehung der I.G.-Farben-Aktien und die Rechtsgültigkeit des § 39 der 10. AbgabenDV-LA sind frei von Rechtsirrtum. Daß die I.G.-Farben-Aktien am 21. Juni 1948 bewertungsfähig waren, hat der Senat bereits im Urteil III 187/55 S vom 5. Juli 1957, BStBl 1957 III S. 295, Slg. Bd. 65 S. 157, eingehend gewürdigt. Da die änderungsmöglichkeit wegen des vorläufigen Charakters des Vorauszahlungsbescheides bereits bejaht ist, ist eine neue Tatsache für den Erlaß des Abgabebescheides nicht erforderlich.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409410

BStBl III 1959, 360

BFHE 1960, 262

BFHE 69, 262

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