Leitsatz (amtlich)

1. Bestrittene Forderungen können erst am Schluß des Wirtschaftsjahres angesetzt werden, in dem über den Anspruch rechtskräftig entschieden wird bzw. in dem eine Einigung mit dem Schuldner zustande kommt.

2. Bei Forderungen aufgrund einer Vertragsverletzung, einer unerlaubten Handlung oder einer ungerechtfertigten Bereicherung erscheint es unter Umständen geboten, zunächst nicht bestrittene Forderungen erst anzusetzen, wenn sie anerkannt sind bzw. über sie rechtskräftig entschieden ist.

 

Orientierungssatz

Ausführungen zum Grundsatz der Vorsicht (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB), zur Abgrenzung zum Forderungsansatz (bilanzierungsfähiges Wirtschaftsgut) bei gegenseitigen Verträgen und zur Anwendung der Werterhellungstheorie (vgl. BFH-Rechtsprechung).

 

Normenkette

EStG § 5 Abs. 1; HGB § 252 Abs. 1 Nr. 4

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 26.06.1984; Aktenzeichen 2 K 143/82)

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine AG. In einem Rechtsstreit, der in der Schweiz geführt wurde, erstritt sie eine Entscheidung, mit der ihr eine Forderung zuzüglich Zinsen gegen die Bank C in der Schweiz zugesprochen wurde. Die Forderung war vorher wertberichtigt, der Zinsanspruch bei der Gewinnermittlung nicht erfaßt worden. Die Gewinnauswirkungen durch Auflösung der Wertberichtigung und Ansatz des Zinsanspruchs sind nach Auffassung des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) bei der Körperschaftsteuerveranlagung für 1980 zu berücksichtigen. Dagegen wendet sich die Klägerin.

Der Rechtsstreit der Klägerin gegen die C wurde in erster Instanz vor dem Handelsgericht in Zürich geführt, das am ... 1979 durch Urteil antragsgemäß entschied, die C sei verpflichtet, der Klägerin 22 500 000 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 21.Dezember 1973 zu zahlen. Dazu führte das Handelsgericht u.a. aus:

Die C habe --angeblich im Auftrag von Kunden-- ab Frühjahr 1973 Aktien der Klägerin aufgekauft und sich in den Besitz von nominell 5 880 000 DM der Aktien gebracht. Die restlichen Aktien an dem Aktienkapital von insgesamt 6 000 000 DM habe die Klägerin selbst besessen. Am 18.Dezember 1973 habe die D ein Angebot der C vom 17.Dezember 1973 zum Kauf der in deren Besitz befindlichen Aktien angenommen, und zwar zum Preis von 22 500 000 DM, nachdem die C der D zugesichert gehabt habe, daß sie einen Zahlungsauftrag der Klägerin zugunsten der D über 22 500 000 DM ausführen und zwecks Regelung des Kaufpreises nur auf dieses Guthaben zurückgreifen würde. Die Klägerin habe vorher ein Konto bei der C eröffnet gehabt. Auf diesem Konto seien bis 19.Dezember 1973 22 630 000 DM gutgeschrieben gewesen. Es sei davon auszugehen, daß das Guthaben der Klägerin bei der C aus dem Verkauf des Anlagevermögens der Klägerin stamme. Am 19.Dezember 1973 habe N, der am 18.Dezember 1973 nach der Annahme des Kaufangebots von einem neu gewählten Aufsichtsrat zum alleinigen Vorstand der Klägerin bestellt worden sei, die C ersucht, 22 500 000 DM zu Lasten des Kontos der Klägerin zur Verfügung der D zu stellen. Die C habe diesen Auftrag am 20.Dezember 1973 ausgeführt und den Kaufpreisanspruch mit dem Guthaben der D verrechnet.

Nach Darstellung der C habe die D die Aktien für Rechnung von N gekauft, der jedoch eine Firma T, die er für 500 Dollar gekauft habe, als Erwerberin eingeschaltet habe; deren Bevollmächtigten seien die Aktien ausgehändigt worden. Die D habe den Betrag von 22 500 000 DM, der zunächst als Guthaben der Klägerin bei ihr (der D) behandelt worden sei, aufgrund einer von N gegengezeichneten Lastschrift mit einem N bzw. der T für den Kauf der Aktien gewährten Kredit verrechnet. Im Anschluß an einen Rechtsstreit zwischen der Klägerin und N seien der Klägerin im Zwangsvollstreckungsverfahren die Aktien der T zu Eigentum überwiesen worden.

Es sei davon auszugehen, daß sich die Kunden, in deren Auftrag die C tätig gewesen sei, durch den Verkauf der Aktien und die Begleichung des Kaufpreises aus dem Guthaben das Vermögen der Klägerin angeeignet hätten, ohne die Klägerin liquidieren zu müssen. Die Mitwirkung der C an dieser Aushöhlung der Klägerin verstoße gegen die guten Sitten. Der Kaufvertrag mit der D und die sich auf diesen Vertrag stützenden nachfolgenden Handlungen seien deshalb unwirksam. Damit fehle auch der Belastung des Kontos der Klägerin bei der C mit 22 500 000 DM die Rechtsgrundlage.

Die Rechtsmittel gegen dieses Urteil des Handelsgerichts in Zürich hatten keinen Erfolg.

Das Kassationsgericht des Kantons Zürich wies die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde am ... 1979 ab.

Mit Urteil vom November 1979 wies auch das Schweizerische Bundesgericht die Berufung ab und bestätigte das Urteil des Handelsgerichts.

In der Steuerbilanz der Klägerin auf den 30.Juni 1974 war u.a. eine Wertberichtigung von 11 300 000 DM zu der Forderung gegen die C gebildet worden. Das FA hatte für 1974 bis 1976 Steuerbescheide unter Vorbehalt der Nachprüfung erlassen und dabei für 1974 auch die Wertberichtigung berücksichtigt.

Im Jahre 1981 führte das FA K eine Außenprüfung für die Jahre 1974 bis 1980 bei der Klägerin durch. Während der Prüfung legte die Klägerin ihren Jahresabschluß zum 30.Juni 1980 und den Abschluß für das wegen Umstellung der Bilanzierung gebildete Rumpfwirtschaftsjahr vom 1.Juli bis 31.Dezember 1980 sowie die Körperschaftsteuererklärung für 1980 vor.

Der Prüfer kam zu dem Ergebnis, daß das zu versteuernde Einkommen der Klägerin in den Jahren 1974 bis 1979 Null DM und im Jahre 1980 5 032 245 DM betragen habe. Dabei hat er für 1980 Verlustvorträge aus den Jahren 1976 bis 1979 berücksichtigt. Für 1974 und 1975 waren positive Einkommen durch Verlustvorträge aus den Vorjahren ausgeglichen worden. Bei einem restlichen Verlustvortrag von 4 456 193 DM aus dem Jahre 1973 entfiel durch den Zeitablauf die Möglichkeit zum Ausgleich mit einem positiven Einkommen.

Auf den vom Prüfer zugrunde gelegten Gewinn für das Jahr 1980 wirkte sich insbesondere erhöhend aus, daß nach seiner Auffassung in diesem Jahr die Wertberichtigung von 11 300 000 DM aufzulösen und der Wertansatz der Forderung von 22 600 000 DM auf 29 171 875 DM aufzustocken war. Die Klägerin hatte die entsprechenden Ansätze im Jahre 1979 berücksichtigt.

Gegen den Körperschaftsteuerbescheid für 1980, die Feststellungsbescheide gemäß § 47 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1977) zum 30.Juni 1978, 30.Juni 1979 und 31.Dezember 1980 sowie den Gewerbesteuermeßbescheid für 1980, die das FA gemäß dem Prüfungsergebnis erließ, erhob die Klägerin nach erfolglosem Einspruch Klage. Sie machte dabei geltend, daß die Gewinnauswirkung schon 1978 zu berücksichtigen sei, weil bereits zum 30.Juni 1978 die volle Forderung gegen die C anzusetzen sei.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1985, 82 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 6 Abs.1 Nr.2 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Sie beantragt, das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidungen des FA aufzuheben, die Körperschaftsteuer 1980 auf 322 586 DM und den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag 1980 auf 20 904 DM festzusetzen sowie die Bescheide zur Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 KStG 1977 zum 30.Juni 1978, 30.Juni 1979 und 31.Dezember 1980 dementsprechend zu ändern.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Das FG ging zu Recht davon aus, daß das zu versteuernde Einkommen des Streitjahres sich um die Differenz erhöht, die zwischen dem Ansatz der Forderung gegen die C, wie er sich aufgrund des letztinstanzlichen Urteils gegen diese (29 171 875 DM) und dem Ansatz ergab, mit dem die Forderung unter Berücksichtigung der Wertberichtigung in der Steuerbilanz der Klägerin ausgewiesen war, bevor diese die Auswirkungen des günstigen Prozeßausgangs in der Steuerbilanz zum 30.Juni 1979 berücksichtigte.

Diese Differenz erhöht den Gewinn des am 30.Juni 1980 endenden Wirtschaftsjahres, das der Veranlagung des Streitjahres 1980 zugrunde lag.

2. Die Forderung gegen die C in der Höhe, wie sie sich aus dem Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom November 1979 ergab, durfte erstmals zu dem auf den November 1979 folgenden Bilanzstichtag, nämlich am 30.Juni 1980, angesetzt werden. Bei der Forderung gegen die C handelt es sich um eine bestrittene Forderung. Bestrittene Forderungen können erst am Schluß des Wirtschaftsjahres angesetzt werden (§ 5 Abs.1 EStG), der dem Zeitpunkt nachfolgt, zu dem über den Anspruch rechtskräftig entschieden wird bzw. zu dem eine Einigung mit dem Schuldner zustande komme. Dies gilt auch dann, wenn der Anspruch durch die Handlungen der C Ende 1973 entstanden sein sollte. Dies führt aber nicht zur Begründung der Aktivierungspflicht in der Bilanz. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der Vorsicht, der jetzt in § 252 Abs.1 Nr.4 des Handelsgesetzbuches (HGB) gesetzlich geregelt ist, jedoch bereits vor der gesetzlichen Regelung galt (vgl. Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, § 252 HGB Rz.18). Nach diesem gemäß § 5 Abs.1 EStG auch für die steuerliche Gewinnermittlung anzuwendenden Grundsatz ist der Bewertende gehalten, im Bewertungsprozeß ggf. den Faktoren ein größeres Gewicht beizulegen, die geeignet sind, den Wertansatz von Vermögenspositionen zu ermäßigen bzw. von Schuldposten zu erhöhen (vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, § 149 AktG Rz.82). Danach sind im vollen Umfange bestrittene Forderungen erst nach rechtskräftiger Feststellung bzw. Anerkennung durch den Schuldner anzusetzen. Bei einer hier in Betracht kommenden Forderung aufgrund einer Vertragsverletzung, einer unerlaubten Handlung oder einer ungerechtfertigten Bereicherung ist normalerweise mit Widerstand des in Anspruch Genommenen zu rechnen, so daß es unter Umständen sogar geboten erscheint, zunächst nicht bestrittene Forderungen erst anzusetzen, wenn sie anerkannt sind. Dies gilt um so mehr für Forderungen, die vom Schuldner nach Grund und Höhe bestritten sind.

Dies steht nicht im Gegensatz zu den Grundsätzen, die für den Ansatz von Forderungen aus gegenseitigen Verträgen als Wirtschaftsgut gelten. Insoweit wird neben dem bürgerlich-rechtlichen Entstehen der Forderung (vgl. für das deutsche Zivilrecht die §§ 194, 241, 305 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) verlangt, daß der zu der Sachleistung Verpflichtete den Vertrag wirtschaftlich erfüllt hat (vgl. u.a. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29.April 1987 I R 192/82, BFHE 150, 412, BStBl II 1987, 797). Wie bei anderen Forderungen genügt damit auch bei Forderungen aus gegenseitigen Verträgen nicht das Entstehen der Forderungen auf die Gegenleistung, sondern es muß ein weiteres Moment hinzukommen, um nach dem Vorsichtsprinzip von einem die Gewinnrealisierung auslösenden Ansatz der Forderung ausgehen zu können. Der Unterschied in den Voraussetzungen der Aktivierung als Wirtschaftsgut erklärt sich nicht nur aus dem Umstand, daß ein entsprechendes Merkmal bei anderen Ansprüchen nicht zur Verfügung steht, sondern auch aus dem Vorsichtsprinzip. Dieses gebietet es, im Falle anderer Ansprüche nicht auf ein vom Gläubiger zu verwirklichendes Merkmal abzustellen. Bei einem gegenseitigen Vertrag liegt der Forderung eine Einigung mit dem Schuldner zugrunde, die es normalerweise rechtfertigt, mit der wirtschaftlichen Erbringung der geschuldeten Leistung in der Forderung ein bilanzierungsfähiges Wirtschaftsgut zu sehen.

Im Streitfall fehlt eine Einigung zwischen der Klägerin und C, daß die C den im Auftrag der Klägerin der D zur Verfügung gestellten Betrag an die Klägerin zu zahlen hat.

Demgegenüber sind die Hinweise der Klägerin auf das deutsche Zivilrecht nicht erheblich. Sie träfen auch dann nicht zu, wenn die Schweizer Gerichte deutsches Recht angewandt hätten und davon ausgegangen wären, daß der Überweisungsauftrag der Klägerin nach § 138 BGB unwirksam ist. Dies gälte selbst für den Fall, daß man zugunsten der Klägerin unterstellt, dem Überweisungsauftrag habe ein gültiges Deckungsverhältnis in Form eines Bankvertrages zugrunde gelegen (vgl. im einzelnen zu den Folgen einer unwirksamen Überweisung Canaris in Staub (Großkommentar zum Handelsgesetzbuch, 4.Aufl., 10.Lieferung, Bankvertragsrecht 1.Teil, Rz.379 ff.) und sich daher den Anspruch gegen die C auf die Zahlung allein nach Vertragsrecht richtet. Entscheidend ist, daß die Klägerin der C tatsächlich den Auftrag durch ihre Organe erteilt hat und daher von Anfang an mit den Einwendungen der C zu rechnen war, die den Auftrag ausführte. Hinzu kommt, daß die C den Anspruch der Klägerin tatsächlich bestritt. Der Anspruch der Klägerin war, solange er nicht durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde, nicht so sicher wie der Anspruch des Steuerpflichtigen, der im Rahmen eines gegenseitigen Vertrages die Sachleistung erbracht hat. Die Aktivierung seines Anspruchs ist gerechtfertigt, weil sich die Vertragsparteien darüber einig sind, daß der Steuerpflichtige eine Gegenleistung erhält; die Aktivierung des Anspruchs wird aus Gründen der Vorsicht auf den Zeitpunkt verschoben, in dem der Steuerpflichtige seiner Verpflichtung nachkommt. Demgegenüber fällt nicht ins Gewicht, daß die C der Klägerin auf deren Konto 22 630 000 DM gutschrieb. Einmal ist schon fraglich, ob eine insoweit bestehende Einigung herausgegriffen werden kann; denn die Gutschrift stand im Zusammenhang mit den Maßnahmen, die zur Aushöhlung der Klägerin getroffen worden waren; von einem Weiterbestehen des Guthabens gingen diejenigen, die an den gegen die Klägerin gerichteten Maßnahmen beteiligt waren (einschließlich der C), nicht aus. Zum anderen bestand gerade in dem Zeitpunkt, in dem das Ereignis stattfand, das der Klägerin zur Verfolgung ihres Anspruchs Anlaß gab, nämlich im Zeitpunkt der Abbuchung, keine Einigung darüber, daß die Forderung der Klägerin aus dem Bankvertrag gegen die C trotz der Abbuchung weiterbestand.

Die Forderung kann im Streitfall auch nicht deswegen bereits zu einem früheren Bilanzstichtag angesetzt werden, weil die Klägerin bereits vor diesem ein obsiegendes, jedoch nicht rechtskräftiges Urteil erstritten hat. Nach dem Grundsatz der Vorsicht ist es im allgemeinen ausgeschlossen, eine bestrittene Forderung schon in dem Augenblick ganz oder teilweise zu aktivieren, in dem der Gläubiger ein obsiegendes, aber nicht rechtskräftiges Urteil erstritten hat. Solange das Urteil nicht rechtskräftig ist, kann in der Regel die Möglichkeit nicht verneint werden, daß in der nächsten Instanz ein ungünstiges Urteil ergeht (BFH-Urteil vom 27.Mai 1964 IV 352/62 U, BFHE 80, 8, BStBl III 1964, 478). Der Ansatz der Forderung bereits aufgrund eines obsiegenden nicht rechtskräftigen Urteils mag unter Umständen dann gerechtfertigt sein, wenn das Urteil nur in eingeschränktem Umfang angefochten werden kann und die Voraussetzungen hierfür nach der maßgebenden Rechtsordnung offensichtlich nicht vorliegen. Die Klägerin hat auf derartige Vorschriften des maßgebenden Schweizerischen Rechts nicht hingewiesen.

Die Wertaufhellungstheorie rechtfertigt es demgegenüber nicht, das Anerkenntnis der Forderung bzw. das rechtskräftige Urteil bereits zu Bilanzstichtagen zu berücksichtigen, die vor diesen Ereignissen liegen. Nach der Wertaufhellungstheorie sind spätere bessere Erkenntnisse über die (Wert-)Verhältnisse an Bilanzstichtagen unter Umständen zu berücksichtigen (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 17.Mai 1978 I R 89/76, BFHE 125, 172, BStBl II 1978, 497). Zwar trifft der Grundgedanke der These auch auf das Vorhandensein von Wirtschaftsgütern zu (BFH-Urteil vom 11.Oktober 1973 VIII R 1/69, BFHE 110, 532, BStBl II 1974, 90). Jedoch werden durch ein rechtskräftiges Urteil bzw. ein Anerkenntnis nach einem Bilanzstichtag keine besseren Erkenntnisse über das Bestehen eines bilanzierungsfähigen Wirtschaftsguts zum Bilanzstichtag vermittelt. Durch das nach dem Bilanzstichtag ergangene rechtskräftige Urteil bzw. das Anerkenntnis werden vielmehr erst die Voraussetzungen für ein bilanzierungsfähiges Wirtschaftsgut erfüllt (vgl. auch das Urteil in BFHE 110, 532, BStBl II 1974, 90 zum Falle eines Vergleichsabschlusses). Dem steht nicht entgegen, daß das Urteil eines Zivilgerichts nach der heute überwiegend in der Bundesrepublik Deutschland vertretenen Auffassung nur feststellt, was Rechtens ist (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, Zivilprozeßordnung mit Nebengesetzen, § 322 Anm.3 b), nicht aber selbst Recht schafft. Dies schließt nicht aus, ein Wirtschaftsgut im Falle eines Anspruches erst anzunehmen, wenn der Anspruch anerkannt bzw. rechtskräftig zuerkannt wird. Mag auch das rechtskräftige Urteil des Zivilgerichts die bereits zu einem vorangegangenen Bilanzstichtag bestehende Rechtslage lediglich bestätigen, so ist es doch erst Grundlage für die endgültige Durchsetzbarkeit des Anspruchs.

Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß ihr ein Wahlrecht zustehe, die bestehende Forderung gegen die C bereits zu Bilanzstichtagen anzusetzen, die vor der Rechtskraft des von ihr erstrittenen Urteils liegen. Der Grundsatz der Vorsicht ist zwingend. Zwar steht dem Kaufmann bei der Bewertung ein gewisser Spielraum zu, da er die Verhältnisse seines Unternehmens am besten kennt. Dies vermag jedoch nicht die für alle Unternehmen in Ausprägung des Vorsichtsprinzips entwickelten Grundsätze über den Ansatz einer Forderung zu durchbrechen. Aus den Urteilen in BFHE 80, 8, BStBl III 1964, 478 und in BFHE 110, 532, BStBl II 1974, 90 kann kein Wahlrecht des Steuerpflichtigen hergeleitet werden. Die auf ein Wahlrecht hindeutenden Formulierungen in den Urteilen ("im allgemeinen nicht gezwungen ...", "braucht ein Schadensersatzanspruch erst aktiviert zu werden") erklären sich aus den Besonderheiten der Sachverhalte, zu denen die Entscheidungen ergangen sind. In den Streitfällen wandten sich die Steuerpflichtigen jeweils gegen den Ansatz einer Schadensersatzforderung vor einem mit dem Schuldner geschlossenen Vergleich bzw. vor dem rechtskräftigen Urteil eines Zivilgerichts.

Auch aus § 6 Abs.1 Nr.2 Satz 3 EStG ergibt sich kein Ansatzwahlrecht. Aus der Vorschrift kann nicht hergeleitet werden, daß ein Ansatz möglich ist, wenn die Voraussetzungen für ein aktivierungsfähiges Wirtschaftsgut nicht gegeben sind.

3. Der Senat muß offenlassen, ob es richtig war, für die Besteuerung von dem Ausweis der Forderung in der Anfangsbilanz des am 30.Juni 1980 endenden Wirtschaftsjahres in Höhe von 11 300 000 DM auszugehen. Die FG dürfen durch ihre Entscheidung die Rechtsposition des Klägers im Vergleich zum Zustand vor Klageerhebung nicht verschlechtern (vgl. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, § 96 Anm.5). Soweit die Forderung in der Anfangsbilanz des Wirtschaftsjahres 1979/1980 nicht ausgewiesen ist, erhöht sich das zu versteuernde Einkommen der Klägerin im Streitjahr.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62748

BFH/NV 1989, 38

BStBl II 1991, 213

BFHE 157, 121

BFHE 1990, 121

BB 1989, 1729-1729 (LT1-2)

DB 1989, 1949-1950 (LT)

DStR 1989, 573 (KT)

HFR 1989, 599 (LT)

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