Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsätzlich „häusliches“ Arbeitszimmer im selbstgenutzten Einfamilienhaus

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Arbeitszimmer, das sich in einem selbst genutzten Einfamilienhaus befindet, ist grundsätzlich ein "häusliches" Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b

 

Verfahrensgang

FG München (Entscheidung vom 18.10.2001; Aktenzeichen 11 K 967/99; EFG 2002, 902)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Handelsvertreter und erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Zum 1. Juli des Streitjahres 1996 wechselte er den Arbeitgeber. Bei beiden Arbeitgebern standen ihm keine Arbeitsplätze zur Verfügung.

Zusammen mit seiner Ehefrau bewohnt er ein Einfamilienhaus, das neben dem Erdgeschoss über ein Dachgeschoss verfügt. Die Fläche des privat genutzten Erdgeschosses beträgt 146 qm. Das gesamte Dachgeschoss von 110 qm nutzt der Kläger als Büro. Die Einrichtung besteht nach den Angaben des Klägers aus vier Schreibtischen, Aktenschränken und drei Computer-Arbeitsplätzen.

Für das Büro machte der Kläger mit der Einkommensteuererklärung 1996 Werbungskosten in Höhe von 31 995 DM geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) erkannte diese lediglich in Höhe von 2 400 DM an.

Die hiergegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, das Büro des Klägers sei ein häusliches Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Umstand, dass sich der Arbeitsbereich des Klägers über die gesamte Speicherfläche erstrecke, stehe dem nicht entgegen. Das Arbeitszimmer bilde auch nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung des Klägers, da dessen Berufsausübung wesentlich durch die Tätigkeit im Außendienst geprägt sei. Die Gründe des Urteils sind in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 902 abgedruckt.

Mit der Revision macht der Kläger geltend, das FG habe § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG unzutreffend ausgelegt. Das Büro sei kein häusliches Arbeitszimmer; denn es liege nicht innerhalb der privaten Wohnung. Der Speicher sei von dem privaten Wohnbereich im Erdgeschoss komplett abgetrennt und verfüge über einen eigenen Eingang. Allein die räumliche Nähe zur privat genutzten Wohnung dürfe nicht schädlich sein; denn die Beschränkung des Werbungskostenabzugs sei nur dort gerechtfertigt, wo private und berufliche Sphären vermischt würden, also bei beruflich genutzten Räumlichkeiten "innerhalb" der privat genutzten Wohnung. Wo aber ―wie hier― eine klare Trennung zwischen Privatwohnung und Büro vorliege, seien die tatbestandlichen Voraussetzungen der Abzugsbeschränkung nicht erfüllt. Darüber hinaus bilde das Büro den Mittelpunkt seiner gesamten beruflichen Tätigkeit. Die im Büro verrichteten Arbeiten könnten nicht getrennt von der Außendiensttätigkeit betrachtet werden. Beides sei für den Erwerb und das Fortkommen unverzichtbar; denn die arbeitsvertraglichen Verpflichtungen bildeten eine untrennbare Einheit und könnten nicht in Innen- und Außendienst aufgeteilt werden. Die nötigen schriftlichen Arbeiten könnten auch nur in dem Büro erledigt werden und seien für die berufliche Tätigkeit unverzichtbar. Gleichzeitig nähmen sie einen erheblichen Teil seiner Arbeitszeit in Anspruch. Eine Beschränkung des Werbungskostenabzugs sei daher nicht gerechtfertigt.

Der Kläger beantragt, das vorinstanzliche Urteil und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer 1996 unter Berücksichtigung von Werbungskosten für das Büro in Höhe von 31 995 DM herabzusetzen.

Das FA tritt der Revision entgegen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das FG hat zutreffend entschieden, dass das Büro des Klägers ein häusliches Arbeitszimmer i.S. der Abzugsbeschränkung ist und dieses Büro nicht den Mittelpunkt seiner gesamten beruflichen Betätigung bildet.

1. Nach § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 1 EStG kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten abziehen. Dies gilt nach Satz 2 der letztgenannten Vorschrift u.a. dann nicht, wenn dem Steuerpflichtigen für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesem Fall wird nach Satz 3 Halbsatz 1 der Vorschrift (in der hier maßgeblichen Fassung) die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 2 400 DM begrenzt. Die Beschränkung der Höhe nach entfällt, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (Satz 3 Halbsatz 2 der Vorschrift).

2. Das im Dachgeschoss des selbstgenutzten Einfamilienhauses gelegene Büro des Klägers ist kein außerhäusliches Arbeitszimmer.

a) Der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers ist im Gesetz nicht näher bestimmt. Der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zufolge erfasst die Abzugsbeschränkung das häusliche Büro, d.h. einen Arbeitsraum, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dient (BFH-Urteile vom 19. September 2002 VI R 70/01, BFHE 200, 336, BStBl II 2003, 139; vom 16. Oktober 2002 XI R 89/00, BStBl II 2003, 185; vom 13. November 2002 VI R 164/00, BFH/NV 2003, 550).

b) In die häusliche Sphäre eingebunden ist ein Arbeitszimmer regelmäßig dann, wenn es sich in einem Raum befindet, der zur privat genutzten Wohnung bzw. zum Wohnhaus des Steuerpflichtigen gehört (BFH-Urteile vom 23. September 1999 VI R 74/98, BFHE 189, 438, BStBl II 2000, 7; in BStBl II 2003, 185, und in BFH/NV 2003, 550). Dies betrifft nicht nur die eigentlichen Wohnräume, sondern ebenso Zubehörräume (Abstell-, Keller- und Speicherräume etc.). Kann hingegen ein als Arbeitszimmer genutzter Raum nicht der privaten Wohnung bzw. dem Wohnhaus des Steuerpflichtigen zugerechnet werden, so ist er in der Regel auch kein "häusliches" Arbeitszimmer.

In diesem Sinne hat der Senat die "Häuslichkeit" eines Arbeitszimmers im Keller des von dem Steuerpflichtigen und seiner Familie bewohnten Einfamilienhauses grundsätzlich bejaht (BFH in BFHE 200, 336, BStBl II 2003, 139). Das Gleiche gilt für ein Arbeitszimmer in einem Anbau zum Einfamilienhaus, der nur vom straßenabgewandten Garten aus betreten werden kann (BFH in BFH/NV 2003, 550).

c) Im Streitfall hat das FG zutreffend die "Häuslichkeit" des vom Kläger genutzten Büros bejaht. Das Dachgeschoss gehört zum Einfamilienhaus des Klägers und ist damit in die häusliche Sphäre eingebunden. Die vom Kläger vorgetragene räumliche Trennung zwischen Büro und Wohnbereich hebt diese Einbindung nicht auf.

3. Das Büro bildet nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung des Klägers.

a) Auch der Begriff des Betätigungsmittelpunkts ist im Gesetz nicht näher bestimmt. Der Senat hat insoweit festgestellt, dass das häusliche Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen, der seinen Beruf teilweise im Arbeitszimmer und teilweise außer Haus ausübt, Mittelpunkt i.S. der Abzugsbeschränkung ist, wenn er dort die für seinen Beruf wesentlichen und prägenden Tätigkeiten verrichtet ("qualitativer" Mittelpunkt - BFH-Urteile vom 13. November 2002 VI R 82/01, VI R 104/01, VI R 28/02 - die Entscheidungen sind zur Veröffentlichung bestimmt). Wegen der Einzelheiten wird auf die genannten Entscheidungen Bezug genommen.

b) In diesem Sinne hat auch das FG den Mittelpunktsbegriff ausgelegt. Es hat darauf abgestellt, wo der Kläger in beiden Beschäftigungsverhältnissen die für seinen Beruf prägenden Tätigkeiten verrichtet hat, und sich dabei insbesondere an der vom Kläger vorgelegten Tätigkeitsbeschreibung orientiert. Der Kläger werde dort als "Bindeglied zwischen Werk und Kundenkreis" bezeichnet. Die wesentlichen Leistungen habe er insoweit im Außendienst erbracht, während den "Vorarbeiten im häuslichen Büro" eine zwar notwendige, aber doch nur begleitende Funktion zugekommen sei. Diese Feststellungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Unzutreffend ist dagegen die Auffassung des Klägers, ein Arbeitszimmer bilde bereits dann den Mittelpunkt der beruflichen Betätigung, wenn notwendige schriftliche Arbeiten nur dort erledigt werden könnten, für die Berufstätigkeit insgesamt unverzichtbar seien und einen erheblichen Teil der Arbeitszeit in Anspruch nähmen. Der Senat verweist auch insoweit auf seine Ausführungen in den bereits genannten Entscheidungen vom 13. November 2002 VI R 82/01, VI R 104/01 und VI R 28/02.

 

Fundstellen

Haufe-Index 937956

BFH/NV 2003, 989

BStBl II 2004, 75

BFHE 1974, 116

BFHE 2004, 116

BFHE 202, 116

BB 2003, 1270

BB 2003, 1364

DStR 2003, 1021

DStRE 2003, 831

HFR 2003, 856

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