Entscheidungsstichwort (Thema)

Ansatz der Kostenmiete beim Nutzungswert der Wohnung in besonders aufwendigem Zweifamilienhaus auch für Schwimmbad - Verspätete Anschlußrevision

 

Leitsatz (NV)

1. Der Nutzungswert der Wohnung in einem besonders aufwendig gestalteten oder ausgestatteten Zweifamilienhaus ist anhand der Kostenmiete zu ermitteln, wenn sich eine für vergleichbare Objekte am Wohnungsmarkt erzielbare Miete nicht feststellen läßt oder die Marktmiete den besonderen Wohnwert der Wohnung nicht angemessen widerspiegeln würde.

2. Beim Ansatz des Nutzungswerts ist auch ein im Hause befindliches Schwimmbad zu berücksichtigen.

3. Eine nach Ablauf der Revisionsfrist vom Revisionsbeklagten eingelegte Revision ist als unselbständige Anschlußrevision statthaft. Sie muß jedoch innerhalb eines Monats nach Zustellung der Revisionsbegründung des Revisionsklägers eingelegt und begründet werden. Diese Frist ist nicht verlängerbar. Bei Fristversäumung kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden, da dem Prozeßbevollmächtigten des Revisionsbeklagten und Anschlußrevisionsklägers die Rechtslage hätte bekannt sein müssen. Es besteht keine Verpflichtung des Bundesfinanzhofs, den Anschlußrevisionskläger auf diese gesetzliche Frist hinzuweisen.

 

Normenkette

EStG § 8 Abs. 2, § 21 Abs. 2; FGO §§ 56, 155; ZPO § 85 Abs. 2, § 556 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Die Kläger, Revisionsbeklagten und Anschlußrevisionskläger (Kläger), die Eheleute sind, ließen im Jahre 1973 auf einem ihnen je zur Hälfte gehörenden Grundstück ein Zweifamilienhaus errichten. Die von den Klägern selbstgenutzte Wohnung hat eine Wohnfläche von 265 qm, während die fremdvermietete Einliegerwohnung 50 qm groß ist. Außerdem befindet sich in dem Gebäude ein Schwimmbad. Die Herstellungskosten des Gebäudes betrugen 616 722 DM, wovon 51 993 DM auf das Schwimmbad entfielen. Für die von den Klägern selbstgenutzte Wohnung ist nach einer Stellungnahme des Haus- und Grundbesitzervereins A e.V. eine Marktmiete von 6 DM bis 7,50 DM je qm zu erzielen; nach einer Äußerung des Haus- und Grundbesitzervereins B e.V. ist eine Marktmiete von 6,70 DM bis 7,80 DM erzielbar; von den gleichen Werten geht der Mietrichtwertspiegel der Stadt A nach dem Stande vom 1. Januar 1976 aus.

In ihren Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für die Streitjahre 1973 bis 1975 setzten die Kläger für die von ihnen genutzte Wohnung einen Mietwert von 5 DM je qm an und ermittelten infolgedessen erhebliche Werbungskostenüberschüsse. Dagegen ging der Beklagte, Revisionskläger und Anschlußrevisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) in dem Feststellungsbescheid unter Einbeziehung des Schwimmbads von der Kostenmiete aus, die er mit 12,80 DM je qm ermittelte. Der Einspruch der Kläger blieb insoweit erfolglos; das FA gelangte nun - nach Anerkennung eines häuslichen Arbeitszimmers - zu Werbungskostenüberschüssen von 20 803 DM (1973), 3 522 DM (1974) und 8 743 DM (1975). Dagegen gab das Finanzgericht (FG) der Klage, mit der die Kläger den Ansatz eines Mietwerts von 7,50 DM je qm begehrten, im wesentlichen statt. Als Mietwert sei gemäß § 8 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) grundsätzlich die orstübliche mittlere Miete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung anzusetzen. Deshalb sei in jedem Falle die Marktmiete und nicht die Kostenmiete zugrundezulegen, auch wenn sich die Marktmiete nur schwer ermitteln lasse, wie im einzelnen ausgeführt wird.

Aufgrund der von den Klägern vorgelegten Stellungnahmen der Haus- und Grundbesitzervereine in A und B sowie des Mietrichtwertspiegels der Stadt A lasse sich entgegen der Ansicht des FA auch eine Marktmiete für die von den Klägern genutzte Wohnung ermitteln, welche die Kläger in Höhe von 7,50 DM je qm und Monat auch zutreffend geschätzt hätten. Die auf das Schwimmbad entfallenden Aufwendungen seien allerdings nicht als Werbungskosten abziehbar.

Mit der hiergegen eingelegten Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts, nämlich des § 8 Abs. 2 EStG.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Mit der unstreitig verspätet eingelegten Anschlußrevision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe zu Unrecht das Schwimmbad nicht zur Wohnung gerechnet (Hinweis auf Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Oktober 1982 VIII R 74/81, BFHE 138, 23, BStBl II 1983, 364). Hinsichtlich der Verspätung sei die Fristversäumnis entschuldbar, wie dargelegt wird.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung des FG-Urteils und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Anschlußrevision der Kläger wird als unzulässig verworfen.

1. Revision des FA

Die Revision des FA ist begründet, weil das Urteil des FG § 21 Abs. 2 EStG verletzt.

Der gemäß § 21 Abs. 2 EStG einkommensteuerpflichtige Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus ist nach ständiger Rechtsprechung in der Weise zu ermitteln, daß einem zu schätzenden Rohmietwert die nachgewiesenen Werbungskosten gegenüber gestellt werden. Wie der Senat im Urteil vom 21. Januar 1986 IX R 7/79 (BFHE 146, 51, BStBl II 1986, 394) entschieden hat, ist der Nutzungswert der eigenen Wohnung in einem besonders aufwendig gestalteten oder ausgestatteten Zweifamilienhaus anhand der Kostenmiete zu ermitteln, wenn sich eine für vergleichbare Objekte am Wohnungsmarkt erzielbare Miete nicht feststellen läßt oder die Marktmiete den besonderen Wohnwert der Wohnung nicht angemessen widerspiegeln würde. Für die Annahme der letztgenannten Fallgestaltung ist außer verhältnismäßig hohen Herstellungskosten des Gebäudes auch bedeutsam, ob wegen der besonderen Gestaltung oder Ausstattung des Grundstücks die Voraussetzungen für eine Bewertung des Grundstücks im Sachwertverfahren vorliegen. Entgegen der Auffassung des FG verstößt der Ansatz der Kostenmiete in solchen Fällen - wie das Sachwertverfahren (Urteil des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 10. Februar 1987 1 BvL 18/81 und 20/82, Der Betrieb - DB - 1987, 462) - nicht gegen den Gleichheitssatz (vgl. Senatsurteil in BFHE 146, 51, BStBl II 1986, 394, Ziff. 2 c der Gründe, auf das auch im übrigen zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird).

Hiernach kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben. Die Sache ist nicht spruchreif. Abgesehen von der Höhe der Herstellungskosten und der Ausstattung des Gebäudes mit einem Schwimmbad sowie der Größe der von den Klägern selbstgenutzten Wohnung lassen sich dem FG-Urteil keine Feststellungen zu der entscheidungserheblichen Frage entnehmen, ob das Zweifamilienhaus der Kläger besonders gestaltet oder ausgestattet ist, so daß die erzielbare Miete dem höheren Gebrauchswert der Wohnung nicht gerecht werden könnte. Zur Nachholung dieser Feststellungen geht die Sache an das FG zurück.

Wie der Senat in seinem Urteil in BFHE 146, 51, BStBl II 1986, 394 ausgeführt hat, wird es zweckmäßig sein, die das Wohngrundstück der Kläger betreffenden Einheitswertakten beizuziehen.

Gelangt die Vorinstanz aufgrund ihrer erneuten Prüfung des Falles zum Ansatz der Kostenmiete, in welche - entgegen ihrer bisherigen Auffassung - auch das Schwimmbad einzubeziehen wäre (BFH-Urteile in BFHE 138, 23, BStBl II 1983, 364, und vom 26. November 1985 IX R 107/84, BFH / NV 1986, 284), so bedarf noch der Untersuchung, ob das FA die Kostenmiete zutreffend ermittelt hat. Hierzu besteht jedenfalls deshalb Anlaß, weil die Kläger im Klageverfahren mit ihrem Hilfsantrag die vom FA angesetzte Höhe der Instandhaltungskostenpauschale für die Streitjahre 1973 und 1974 bemängelt haben.

2. Anschlußrevision der Kläger

Die nach Ablauf der Revisionsfrist eingegangene Revision der Kläger ist als unselbständige Anschlußrevision statthaft, weil das FA eine zulässige Hauptrevision eingelegt hat. Die unselbständige Anschlußrevision ist jedoch unzulässig, da sie am 22. August 1984 verspätet, nämlich nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung der Revisionsbegründung des FA (20. Juli 1984), eingelegt und begründet wurde (§ 155 FGO i. V. m. § 556 Abs. 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -, vgl. BFH-Urteil vom 8. April 1981 II R 4/78, BFHE 133, 155, BStBl II 1981, 534).

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) wegen der Fristversäumnis ist nicht zu gewähren. Denn dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger hätte mit der Veröffentlichung des Urteils in BFHE 133, 155, BStBl II 1981, 534 die geänderte Rechtsprechung zur Fristwahrung im Fall der unselbständigen Anschlußrevision bekannt sein müssen. Es bestand keine Verpflichtung des Vorsitzenden des erkennenden Senats, den Klägervertreter im Begleitschreiben zur Revisionsbegründung des FA auf die gesetzliche Frist für die Anschlußrevision hinzuweisen. Der Prozeßbevollmächtigte der Kläger konnte auch nicht darauf vertrauen, daß die vom Senatsvorsitzenden für die Revisionserwiderung verfügte Frist zugleich für die Begründung der Anschlußrevision gelte. Denn die Frist für die Begründung der Anschlußrevision ist nicht verlängerbar (Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 120 Anm. 48; Baumbach / Lauterbach, Albers / Hartmann, Zivilprozeßordnung, 46. Aufl., § 556 Anm. 2 B, m. w. N.). Das Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten müssen sich die Kläger wie eigenes Verschulden nach § 155 FGO, § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen (BFH-Urteil vom 16. April 1985 VIII R 26/85, BFH / NV 1985, 83, 84).

3. Die Entscheidung über die Kosten des gesamten Revisionsverfahrens einschließlich der Anschlußrevision wird gemäß § 143 Abs. 2 FGO dem FG übertragen (vgl. Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 143 FGO, Tz. 13).

 

Fundstellen

Haufe-Index 62362

BFH/NV 1988, 635

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