Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Ruht die HGA-Schuld auf einem mehreren Personen gehörigen Grundstücke, so kann der HGA-Bescheid den Miteigentümern gegenüber nur einheitlich ergehen. Zu seiner Wirksamkeit bedarf es daher der Bekanntgabe an alle Miteigentümer. Wurde der Bescheid nur einem Miteigentümer bekanntgegeben, ist er gegebenenfalls im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen aufzuheben.

 

Normenkette

AO § 219 Abs. 1, § 239/3, § 241/3; LAG § 111 Abs. 1, § 125 Abs. 1, § 203/1

 

Tatbestand

Auf einem der Erbengemeinschaft X. gehörigen Grundstücke lasteten am 20. Juni 1948 Grundpfandrechte. Das Finanzamt zog die Schuldnergewinne aus der Umstellung der diesen Grundpfandrechten zugrunde liegenden Forderungen zur HGA heran. Den Bescheid richtete es "an die Erbengemeinschaft X., zu Händen Herrn Y.".

Dieser wandte sich gegen den HGA-Bescheid. Er sei nur zu einem Bruchteil an der Erbengemeinschaft beteiligt. Die übrigen Miterben, die zum Teil Ausländer seien und auch im Ausland wohnten, weigerten sich, für das Grundstück irgendwelche Steuern zu zahlen. Man könne ihm nicht zumuten, für sämtliche Miterben die Lastenausgleichsabgaben zu entrichten. Außerdem sei er selbst Angehöriger der Vereinten Nationen, so daß für ihn eine HGA-Pflicht entfalle.

Im Laufe des Berufungsverfahrens vertrat der Bf. den Standpunkt, er habe nie Vollmacht gehabt, für die Erbengemeinschaft zu handeln. Der HGA-Bescheid hätte daher nicht ihm, sondern allen Miterben zugestellt werden müssen.

Die Einwendungen des Bf. blieben im Einspruchs- und Berufungsverfahren ohne Erfolg. Das Finanzgericht führte aus, der Bf. habe nach seinen glaubhaften Angaben keine Vollmacht, die übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft zu vertreten. Der an die Erbengemeinschaft gerichtete, aber nur dem Bf. bekanntgegebene Abgabebescheid sei daher nur dem Bf. gegenüber wirksam geworden. Demgemäß könne wegen der öffentlichen Last nicht in das Grundstück vollstreckt werden, bevor nicht auch den übrigen Mitgliedern der Erbengemeinschaft der Abgabebescheid wirksam bekanntgegeben worden sei. Im übrigen seien die Einwendungen des Bf. nicht begründet. Bei dem Abgabebescheid handele es sich um einen Bescheid über die öffentliche Last, die auf dem Grundstück ruhe. Wer von den Grundstückseigentümern zahle und inwieweit der Zahlende von den Miteigentümern Erstattung verlangen könne, sei nicht im Abgabenbescheid zu regeln, sondern richte sich nach den bestehenden Vereinbarungen und nach den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Bf. führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen und des HGA-Bescheides.

Nach § 125 Abs. 1 LAG ist Ziel und wesentlicher Inhalt des HGA-Bescheides die Feststellung der Abgabeschuld, d. h. der auf dem Grundstücke ruhenden öffentlichen Last (ß 111 Abs. 1 LAG). Diese Feststellung kann, wenn das belastete Grundstück mehreren Eigentümern gehört, ihrem Wesen nach nur einheitlich getroffen werden. Auf den HGA-Bescheid sind daher die Vorschriften der AO, die diese einheitliche Feststellung sicherstellen sollen, entsprechend anzuwenden (ß 203 Abs. 1 LAG).

Der HGA-Bescheid richtet sich demnach gegen alle Personen, die an dem belasteten Grundstück beteiligt sind (ß 219 Abs. 1 Satz 1 AO), und ist deshalb diesen Personen zuzustellen. Eine Zustellung an einen Beteiligten kann nur unter den Voraussetzungen des § 219 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AO oder dann erfolgen, wenn dieser berechtigt ist, die anderen Beteiligten in der HGA-Sache zu vertreten. Auch im Rechtsmittelverfahren gegen einen HGA-Bescheid kann gegen sämtliche an dem belasteten Grundstücke beteiligten Personen nur eine einheitliche Entscheidung ergehen. Beteiligte, die selbst kein Rechtsmittel eingelegt haben, sind deshalb zu dem Verfahren von Amts wegen zuzuziehen (ß 239 Abs. 3 Sätze 1 und 2 AO).

Diese Grundsätze wurden in dem vorliegenden Verfahren nicht beachtet. Insbesondere hat das Finanzamt den HGA-Bescheid weder sämtlichen Erben noch dem Bf. mit Wirkung für die übrigen Miterben zugestellt. Der Bf. hatte, wie das Finanzgericht ohne Rechtsverstoß angenommen hat, keine Vollmacht, die anderen Miterben in der HGA-Sache zu vertreten. Die Erben des Grundstücks hatten den Bf. auch nicht gemäß § 219 Abs. 1 Satz 2 AO dem Finanzamt als Zustellungsvertreter benannt. Schließlich hat das Finanzamt nicht von seiner Befugnis Gebrauch gemacht, den HGA-Bescheid nach § 219 Abs. 1 Satz 3 AO dem Bf. mit Wirkung für und gegen die übrigen Miterben zugehen zu lassen. Nach § 219 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 AO wäre auf diese Wirkung in dem HGA-Bescheid ausdrücklich hinzuweisen gewesen. Der Vermerk auf dem Bescheid "an die Erbengemeinschaft X., zu Händen Herrn Y." ist weder ein derartiger Hinweis noch ersetzt er einen solchen.

Daß der HGA-Bescheid den übrigen Miterben nicht wirksam zugegangen ist, hat auch das Finanzgericht erkannt. Dennoch hat es die Berufung als unbegründet zurückgewiesen, weil der Bescheid, wenn aus ihm auch wegen der öffentlichen Last nicht in das Grundstück vollstreckt werden könne, jedenfalls dem Bf. gegenüber wirksam geworden sei. Dies ist unrichtig. Bescheide, die nur einheitlich ergehen können, müssen notwendig allen Beteiligten oder ordnungsmäßig mit Wirkung für und gegen alle Beteiligten zugestellt werden. Wenn dies nicht geschehen und, wie im Streitfalle, die Zustellung nur an einen Beteiligten erfolgt ist, muß der Bescheid gegebenenfalls im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen aufgehoben werden (vgl. auch Urteil des Reichsfinanzhofs VI 301/37 vom 1. Dezember 1937, RStBl 1938 S. 53).

Die Vorentscheidungen und der HGA-Bescheid waren daher aufzuheben.

Auf die materielle Seite brauchte hiernach nicht eingegangen zu werden. Wegen der HGA-Pflicht der Angehörigen der Vereinten Nationen wird jedoch auf die Urteile des erkennenden Senats III 265/55 U vom 11. Dezember 1959 (BStBl 1960 III S. 107, Slg. Bd. 70 S. 287) und III 323/59 U vom 1. März 1963 (BStBl 1963 III S. 300, Slg. Bd. 76 S. 824) sowie der Internationalen Schiedskommission für Güter, Rechte und Interessen in Deutschland vom 2. Juni 1959 - A C/1/J (59) 11 - (BStBl 1963 I S. 140) hingewiesen.

Das Finanzamt wird nunmehr den HGA-Bescheid erneut zustellen müssen. Es kann dabei von seiner Befugnis Gebrauch machen, den Bescheid gemäß § 219 Abs. 1 Satz 3 AO dem Bf. mit Wirkung für und gegen alle Miterben zugehen zu lassen. In einem etwaigen Rechtsmittelverfahren wären Miterben, die selbst kein Rechtsmittel eingelegt haben, gemäß § 239 Abs. 3 Satz 1 AO zuzuziehen. Auch die Verfügungen und Entscheidungen im Rechtsmittelverfahren könnten gemäß § 219 Abs. 1 Satz 3 AO an einen Miterben mit Wirkung für und gegen alle Miterben zugestellt werden (ß 239 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 AO). Aus den Akten ist zu entnehmen, daß das Grundstück nach dem Inkrafttreten des LAG von der Erbengemeinschaft, möglicherweise an den Bf. oder einen Dritten verkauft wurde. Im letzten Falle müßte der Bescheid auch dem Erwerber zugestellt und dieser gegebenenfalls an einem Rechtsmittelverfahren beteiligt werden (§§ 127 LAG, 240 AO - vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 339/57 U vom 25. April 1958, BStBl 1958 III S. 297, Slg. Bd. 67 S. 63).

 

Fundstellen

Haufe-Index 410994

BStBl III 1964, 16

BFHE 1964, 44

BFHE 78, 44

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