Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer , Körperschaftsteuer ,

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die wirtschaftliche und rechtliche Natur der Warenrückvergütungen.

Eine Bilanzänderung im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG setzt ein steuerliches Bilanzierungswahlrecht voraus. Die handelsrechtlich wirksame änderung des Beschlusses über die Warenrückvergütungen fällt hinsichtlich ihrer steuerlichen Anerkennung nicht unter diese Vorschrift.

Zur Frage der Verwirkung im Steuerrecht.

Die Ermächtigung des § 23 KStG 1934 ist auf Grund des Art. 129 Abs. 3 GG erloschen.

Zur Frage der Ausgestaltung der Ermächtigung nach Art. 80 Abs. 1 GG zum Erlaß einer Rechtsverordnung hinsichtlich Inhalt, Zweck und Ausmaß.

4. Die in § 36 KStDV 1949 vorgenommene Einschränkung des Begriffes der Betriebsausgabe (die Warenrückvergütungen müssen "bezahlt" sein) entbehrt der rechtlichen Grundlage und ist deshalb rechtsunwirksam.

EStG 1950 § 4 Abs. 2 Satz 2; KStG 1934 § 23; KStDV 1950 § 36; GG Art. 80 Abs. 1; GG Art. 129 Abs.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 2 S. 2; KStG § 23; KStDV § 36; GG Art. 80 Abs. 1, Art. 129 Abs. 3

 

Tatbestand

Anläßlich einer im Jahre 1951 durchgeführten Betriebsprüfung bei der Beschwerdeführerin (Bfin.) - eGmbH -, die den Kolonialwarengroßhandel betreibt, wurde festgestellt, daß in der Handelsbilanz zum 31. Dezember 1950 verschiedene aktive Rechnungsabgrenzungsposten nicht aktiviert worden waren. Es handelte sich dabei um Umsatzvergütungen, die der Genossenschaft für im Jahre 1950 getätigte Warenbezüge gegen ihre Lieferanten zustanden. Der Prüfer berichtigte deshalb die Handelsbilanz und errechnete in Abweichung von der dem Finanzamt eingereichten Steuererklärung für das Jahr 1950 ein um 26.942,60 DM höheres Ergebnis. Der Betriebsprüfungsbericht datiert vom 21. Dezember 1951. Er wurde der Bfin. unter dem 21. Januar 1952 zugesandt. Das Finanzamt erließ unter dem 6. Februar 1952 einen berichtigten Körperschaftsteuerbescheid, wobei es das vom Betriebsprüfer errechnete Ergebnis der Besteuerung zugrunde legte.

Daraufhin beschloß die Mitgliederversammlung anläßlich der Genehmigung des Jahresabschlusses für 1951, die am 25. Mai 1952 ausgesprochen wurde, die für das Jahr 1950 festgesetzte Rückvergütung von ursprünglich 300.494,58 DM um den vom Prüfer errechneten Betrag von 26.942,60 DM auf 327.437,18 DM zu erhöhen. Das Finanzamt sah hierin im Gegensatz zur Genossenschaft, die eine Bilanzberichtigung annahm, eine Bilanzänderung. Es verweigerte hierzu die nach § 4 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erforderliche Zustimmung, da die in der nachträglichen Erhöhung der Rückvergütung liegende änderung mit der Aktivierung der Rechnungsabgrenzungsposten in keinem organischen Zusammenhang stehe und wirtschaftlich nicht gerechtfertigt sei. Sie habe lediglich den Zweck, den vom Betriebsprüfer festgestellten Mehrüberschuß zu beseitigen.

Die Genossenschaft machte hiergegen folgendes geltend: Da der Gewinn für 1950 auf Grund der Betriebsprüfung erhöht worden sei, habe die Genossenschaft zu dieser Gewinnerhöhung und seiner Verwendung erneut Stellung nehmen müssen. Die Genossenschaft habe auch die Handelsbilanz entsprechend berichtigt. Sie sei berechtigt gewesen, den Mehrüberschuß zu einer Erhöhung der Warenrückvergütung an ihre Mitglieder zu verwenden. Diese Tatsache müsse auch in der Steuerbilanz zum Ausdruck kommen. Es handele sich somit um eine Bilanzberichtigung und um keine Bilanzänderung. Nach Lage der Verhältnisse sei es ihr erst möglich gewesen, den Beschluß in der Generalversammlung 1952 zu fassen. Sie habe beantragt, die in Abschnitt 79 Abs. 4 der Körperschaftsteuer-Richtlinien (KStR) vorgesehene Frist (31. Dezember 1951) zu verlängern.

Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet zurück. Es handele sich um eine Bilanzänderung. Die neue Generalversammlung sei nicht verpflichtet gewesen, die Gewinnerhöhung zu einer weiteren Warenrückvergütung an die Mitglieder zu verwenden. Es hätte auch eine andere Art der Gewinnverwendung beschlossen werden können. Dies habe zur Folge, daß die Bilanz in ihrer ursprünglichen Fassung nicht unrichtig gewesen sei. Im übrigen sei auch anzunehmen, daß die Generalversammlung vom 5. August 1951, die über das Geschäftsergebnis 1950 erstmals zu beschließen gehabt habe, nicht den Satz von 3,268 % festgesetzt hätte, wie dies nunmehr geschehen sei. Man habe bisher die Rückvergütungen stets nach einem durch 0,5 teilbaren Hundertsatz bemessen. Die Erhöhung der Warenrückvergütungen für 1950 habe nur den Zweck, den durch die Betriebsprüfung nachfestgestellten Gewinn auszugleichen. Es bestehe unter diesen Verhältnissen keine Veranlassung, die Zustimmung zu einer Bilanzänderung zu erteilen. Im übrigen fordere § 36 der Verordnung zur Durchführung des Körperschaftsteuergesetzes (KStDV) 1950 in Verbindung mit Abschnitt 79 Abs. 4 der Körperschaftsteuer-Richtlinien (KStR) 1950 für die Anerkennung der Warenrückvergütungen als Betriebsausgaben, daß sie bis 31. Dezember 1951 bezahlt seien. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Bei der Ablehnung der Verlängerung der Frist für die Bezahlung durch das Finanzamt (Abschnitt 79 Abs. 4 Satz 4 KStR 1950) handele es sich nicht um einen Ermessensmißbrauch.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rechtsbeschwerde (Rb.) der Steuerpflichtigen (Stpfl.) ergibt folgendes:

I. Es handelt sich im vorliegenden Falle um keine Bilanzänderung im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG. Die Bfin. hat in ihrer Generalversammlung 1952 ihren Beschluß von 1951 hinsichtlich der Warenrückvergütungen geändert. Hierzu war sie nach den handelsrechtlichen Vorschriften berechtigt. Auch von den Vorbehörden werden keine Gesichtspunkte gegen die handelsrechtliche Wirksamkeit des Beschlusses geltend gemacht. Es muß deshalb davon ausgegangen werden, daß es sich um eine handelsrechtlich wirksame Maßnahme handelt. Die entscheidende Frage besteht darin, ob dieser Beschluß steuerlich auf den 31. Dezember 1950, den Bilanzstichtag, zurückwirkt.

Für die Beurteilung der Frage ist bedeutsam, ob es sich bei den Warenrückvergütungen um verteilte Gewinne oder um Betriebsausgaben handelt. Die Frage ist bürgerlich-rechtlich und steuerrechtlich umstritten. Nach der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts, so Urteil vom 24. April 1906 J. N. II. 895 Rep. II. C. 185/05, Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Bd. 49 S. 61, verteilt ein Konsumverein durch die Warenrückvergütungen (sogenannte Kundengewinne) keinen gewerblichen Gewinn an seine Mitglieder. Der Reichsfinanzhof sah in Kaufpreisvergütungen einer nicht steuerbegünstigten Genossenschaft an ihre Mitglieder eine Gewinnausschüttung, auch wenn den Genossen ein Rechtsanspruch auf die Rückvergütungen zusteht, so Entscheidung I 197/38 vom 19. Juli 1938, Slg. Bd. 44 S. 251, Reichssteuerblatt S. 879. Die Auffassungen in der Literatur, insbesondere in den Erläuterungsbüchern zum Genossenschaftsgesetz gehen ebenfalls auseinander. So rechnen Lang-Weidmüller (Verlag Walter de Gruyter & Co., Berlin, 26. Auflage) in Anmerkung 4 zu § 19 des Genossenschaftsgesetzes (GenG) die Warenrückvergütungen zu den Gewinnausschüttungen. Krakenberger (Beck'sche Verlagsbuchhandlung, 1932) in Anmerkung 3 zu § 19 und Parisius-Crüger (Walter de Gruyter & Co., 12. Auflage) in Anmerkung 7 zu § 19 betonen den wirtschaftlichen und damit auch rechtlichen Unterschied zwischen Kundengewinnen und Kapitaldividenden. Siehe auch Anmerkung 42, insbesondere Abs. 4 des Körperschaftsteuer-Kommentars von Blümich-Klein-Steinbring zu § 23. Die Beurteilung hängt davon ab, ob man in den Beträgen, die in Form von Warenrückvergütungen (Kaufpreisrückvergütungen) den Genossen zufließen, das Ergebnis eines auf Gewinn gerichteten Strebens der Genossenschaft, oder Sparbeträge der Genossen erblickt, für die die Genossenschaft dann wirtschaftlich betrachtet kein selbständiges Erwerbsunternehmen darstellt, sondern lediglich eine ihnen, gegebenenfalls ihren landwirtschaftlichen oder gewerblichen Betrieben, dienende Vereinigung.

Stellen die Warenrückvergütungen Gewinnausschüttungen dar, so müssen die Bestimmungen des § 28 Abs. 1 KStDV 1950 entsprechend angewandt werden, d. h. die Ausschüttungen sind dem Wirtschaftsjahr zuzurechnen, für das sie gewährt werden. Der Beschluß der Genossenschafter in der Generalversammlung dient dann lediglich der Klärung eines am Bilanzstichtag noch unklaren Tatbestandes. Die Gewinnverteilung ist in ihren Grundlagen am Bilanzstichtag bereits gegeben.

§ 5 Abs. 1 der Verordnung vom 8. Dezember 1939, Reichssteuerblatt S. 1189, und § 36 Abs. 2 KStDV erkennen die Warenrückvergütungen an die Genossen unter bestimmten Voraussetzungen als Betriebsausgaben an. Der Verordnungsgeber hat sich damit der Auffassung angeschlossen, daß die Genossenschaft sich in ihrer wirtschaftlichen Zielsetzung von den Kapitalgesellschaften (Aktiengesellschaften, Gesellschaften mbH) unterscheidet. Es wurden die Begriffe "Gewinnausschüttung" und "Betriebsausgaben" des Einkommensteuerrechtes nicht verändert, der Verordnungsgeber hat sich vielmehr lediglich für eine mögliche wirtschaftliche Würdigung entschieden.

Nach den Grundsätzen der dynamischen Bilanz können Betriebsausgaben bilanzmäßig schon vor ihrer Verausgabung berücksichtigt werden, wenn sie Aufwand geworden sind. Die Grundlage der Warenrückvergütungen ist bei dieser Betrachtungsweise die Verpflichtung der Genossenschaft, den bei den Waren erzielten überschuß in der Hauptsache den Genossen zugute kommen zu lassen. Der Beschluß der Generalversammlung, der die Warenrückvergütungen zahlenmäßig genau festsetzt, bedeutet danach lediglich die Durchführung dieser Verpflichtung. Die Verpflichtung ruht auf dem Jahresergebnis, wie es sich für den Bilanzstichtag darstellt. Diese Betrachtung führt somit zu einem ähnlichen Ergebnis wie die Zurückbeziehung des Gewinnverteilungsbeschlusses.

Die Rückbeziehung des Beschlusses 1951 über die Warenrückvergütung entspricht auch der Handhabung der Vorbehörden.

Es ist nicht zu erkennen, warum der im Jahre 1952 gefaßte Beschluß in geringerem Umfange zurückwirken soll, wie der Generalversammlungsbeschluß des Jahres 1951. Auch § 36 Abs. 1 Satz 3 KStDV 1950 enthält keine Einschränkung. Wirkt er aber zurück, so müssen ihm die Handelsbilanz und die Steuerbilanz 1950 Rechnung tragen. Sie können nicht mehr auf dem rechtlich beseitigten Beschluß 1951 aufgebaut werden. Mit § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG hat der Vorgang nichts zu tun. Eine Bilanzänderung ist dort gegeben, wo ein zulässiger Bilanzansatz (Anschaffungswert) durch einen anderen zulässigen Bilanzansatz (Teilwert, Zwischenwert) ersetzt wird, wo also ein Bewertungswahlrecht besteht. Im vorliegenden Falle liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Der Genossenschaft war es freigestellt, wie sie den Gewinn verwenden will. Es stand ihr aber nicht frei, die Rechtslage, die sich auf Grund dieses Beschlusses ergeben hat, bilanzmäßig zum Ausdruck zu bringen oder nicht. Es handelt sich hier nicht um ein Bilanzierungswahlrecht, sondern um die Auswirkung ihres auf Grund ihrer bürgerlich-rechtlichen Handelsfreiheit gefaßten Beschlusses.

Die Steuerbehörden sind nicht verpflichtet, dort, wo Körperschaften handelsrechtlich berechtigt sind, ihre Beschlüsse zu ändern, diesen änderungen in allen Fällen Rechnung zu tragen. Es ist das Rechtsproblem, das der Senat bereits in der Entscheidung I 147/52 U vom 23. März 1953, Bundessteuerblatt III S. 140, erörtert hat. Es ist der Grundsatz der Verwirkung im Steuerrecht zu beachten. Hat ein Steuerpflichtiger gegenüber dem Finanzamt eine Entscheidung getroffen, so ist er an diese Erklärung nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen von Treu und Glauben gebunden. Er kann seine Erklärung nicht willkürlich ändern. Das Verbot der Willkür für die Behörden (ß 2 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -) gilt auch für den Steuerpflichtigen hinsichtlich seiner dem Finanzamt gegenüber abgegebenen Willenserklärung.

Im vorliegenden Falle liegt ein Verstoß gegenüber dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht vor. Bei einer änderung des Jahresergebnisses auf Grund einer Betriebsprüfung, die auch handelsbilanzmäßig anerkannt wird, ist es notwendig, daß die Generalversammlung über die Verwendung des Mehrgewinnes einen Beschluß faßt. Daß sie hierbei im Rahmen der ihr gegebenen Möglichkeiten vorgeht, insbesondere, daß sie den Mehrgewinn zu einer Warenrückvergütung verwendet, wie es dem Wesen einer Genossenschaft entspricht, kann keinesfalls als ein Verstoß gegen Treu und Glauben angesehen werden.

II. Von den Vorbehörden werden des weiteren die Fassung des § 36 KStDV 1950 und die dazu ergangenen Richtlinien für ihre ablehnenden Entscheidungen geltend gemacht. Hiernach müssen die Warenrückvergütungen "bezahlt" sein. Abschnitt 79 Abs. 4 KStR 1950 stellt hierfür bestimmte Fristen auf. Rechtlich bilden diese Anordnungen eine Einschränkung des im EStG festgelegten Begriffes der "Betriebsausgabe". Bei den unter § 4 Abs. 1 und § 5 EStG fallenden Steuerpflichtigen kommt es im Gegensatz zu den Steuerpflichtigen nach § 4 Abs. 3 nicht auf den Zeitpunkt der Bezahlung, sondern auf den Zeitpunkt an, in dem die Ausgabe Aufwand geworden ist. Es muß deshalb geprüft werden, ob diese Vorschrift der Verordnung rechtswirksam ist.

Die Anordnung ist erstmals in der KStDV 1949 enthalten. Diese ist von dem Direktor der Verwaltung für Finanzen des Vereinigten Wirtschaftsgebietes unter dem 4. Juli 1949 erlassen worden und stützt sich auf Art. XII des Anhanges zum Gesetz Nr. 64 der Militärregierung zur vorläufigen Neuordnung von Steuern. Da sie nach Inkrafttreten des Grundgesetzes (GG) für die Bundesrepublik Deutschland ergangen ist, unterliegt sie den Bestimmungen der Art. 80 und Art. 129 Abs. 3 GG.

Das Militärregierungsgesetz Nr. 64 gab lediglich eine Ermächtigung zur Durchführung des Steuergesetzes. Sie gab nicht das Recht, das Gesetz zu ändern. Hinsichtlich des Begriffes der Durchführungsverordnung siehe Klein-Paulick, Steuer und Wirtschaft 1952 Spalte 438. Der Direktor der Verwaltung für Finanzen des Vereinigten Wirtschaftsgebietes war somit auf Grund dieser Ermächtigung nicht befugt, den Begriff der Betriebsausgabe zu verändern.

Es muß aber weiter geprüft werden, ob nicht § 23 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1934 eine entsprechende Grundlage für die Bestimmung der Verordnung bieten könnte. Hierbei ist zu entscheiden, ob diese Ermächtigung unter Art. 129 Abs. 3 GG fällt. Art. 80 GG fordert wohl, daß in der Verordnung die Rechtsgrundlage anzugeben ist. Der Direktor der Verwaltung für Finanzen des Vereinigten Wirtschaftsgebietes hat sich in der Verordnung auf § 23 KStG nicht gestützt. Es erscheint aber nicht unzweifelhaft, ob ein derartiger Formmangel die Rechtsunwirksamkeit der Verordnung zur Folge hätte. Diese letztere Frage braucht jedoch aus nachstehenden Gründen nicht endgültig entschieden zu werden.

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Februar 1953 - 1. BvL 21/51 - (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Bd. 2 S. 124) unterliegen solche Gesetze, die vor Inkrafttreten des GG, dem 24. Mai 1949, verkündet worden sind, nicht der Normenkontrolle durch das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG. Ebenso Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juni 1953 - I BvL 122/52 - (Deutsche Steuer-Rundschau 1953 S. 352/382). Die Entscheidung muß deshalb durch den Senat getroffen werden.

§ 23 KStG 1934 ermächtigte den Reichsminister der Finanzen, für bestimmte Gruppen von Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften eine Befreiung von der Körperschaftsteuer oder die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes vorzuschreiben oder die Ermittlung ihres Einkommens besonders zu regeln. Durch diese Ermächtigung übertrug der Gesetzgeber die gesetzliche Regelung der Besteuerung den Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften einem Organ der Verwaltung, dem Reichsminister der Finanzen. Der Reichsminister der Finanzen wurde ohne Einschränkung ermächtigt, die gesetzlichen Bestimmungen des § 1 Abs. 1 Ziff. 2 KStG 1934 außer Wirksamkeit zu setzen, da die "Gruppen der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften" in der Ermächtigung nicht aufgeführt werden. In der Ermächtigung fehlen die Grundsätze für die Regelung durch die Verordnung. Es fehlt das "Programm" im Sinne der Ausführungen von Wolff, Archiv des öffentlichen Rechtes 1952, S. 197 ff. Siehe auch Rechtssatz 19 der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Oktober 1951 - 2 BvG 1/51 - Bd. 1 S. 14, 17. Es ist hier eine ähnliche Lage gegeben, wie sie Gegenstand einer Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 24. April 1950 (Slg. von Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs mit Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, Jahrgang 1950, II. Teil S. 28) war.

Der demokratische Rechtsstaat ist auf der Dreiteilung der Gewalten aufgebaut. Die Gesetzgebung erfolgt durch den Bundestag. Es ist mit den Grundlagen des demokratischen Rechtsstaates nicht vereinbar, daß der Gesetzgeber seine Rechte und Pflichten zur Schaffung der Rechtsnormen auf die Verwaltung überträgt und auf diese Weise einen totalitären Zustand herbeiführt. Im einzelnen siehe Klein-Paulick, Steuer und Wirtschaft 1952 Spalte 441 ff., und Mangoldt, "Das Bonner Grundgesetz" Vorbemerkung III 2c (S. 225). Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat in der oben mitgeteilten Entscheidung (a. a. O. S. 46) ausgeführt:

"Die Ermächtigungen der §§ 162 und 165 des BBG übertragen ganz allgemein der Staatsregierung die Befugnis, die Rechtsverhältnisse der in den beiden Artikeln genannten Personen durch Verordnung zu regeln. Sie umgrenzen lediglich den Kreis der Personen, deren Rechtsverhältnisse geregelt werden sollen, besagen aber nichts über den Inhalt, noch weniger über das Ausmaß der damit erteilten Verordnungsgewalt. Der Staatsregierung wäre völlig freie Hand in der Gestaltung der Rechtsverhältnisse dieses Personenkreises gegeben gewesen". "Solche weitgehende Ermächtigungen widersprechen aber rechtsstaatlichen Grundsätzen und insbesondere dem Art. 70 Abs. 1 und 3 mit Art. 55 Ziff. 2 der Bayerischen Verfassung. Sie sind damit verfassungswidrig und damit nichtig".

Gleichzeitig verweist der Bayerische Verfassungsgerichtshof (a. a. O. S. 45) darauf, daß Art. 80 GG eine rechtsstaatliche, der verfassungsmäßigen Gewaltenteilung entsprechende Einschränkung der Befugnis zum Erlaß von Rechtsverordnungen darstelle, wenn er verlange, daß Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt sein müßten.

Eingehende Ausführungen zur Auslegung des Art. 129 Abs. 3 GG enthält der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Juni 1953 - I BvF 1/53 - (Neue Juristische Wochenschrift 1953 S. 1177). Hiernach ist Art. 129 Abs. 3 GG dahin auszulegen, daß der Verfassungsgeber an die von Jacobi (Handbuch des Deutschen Staatsrechts Zweiter Band S. 248 ff.) vorgenommene Einteilung der Rechtsverordnungen in gesetzesvertretende d. h. den Vorrang des Gesetzes besitzende und einfache Rechtsverordnungen anknüpfen und insbesondere solche Ermächtigungen zum Erlöschen bringen wollte, die sich auf die änderungen oder Aufhebung eines Gesetzes im formellen Sinn erstrecken.

Der Senat kommt zu dem Ergebnis, daß § 23 KStG 1934 unter die Vorschrift des § 129 Abs. 3 GG fällt.

Art. III Ziff. 8 des Gesetzes zur änderung des EStG und des KStG vom 29. April 1950 (Bundesgesetzblatt 1950 S. 95) hat die Ermächtigung des § 23 KStG erneuert. Ob dies rechtswirksam nach Art. 80 GG geschehen ist, braucht in diesem Verfahren nicht entschieden zu werden, da die KStDV 1950 sich nicht auf diese Ermächtigung gründet. Die Verordnung zur änderung der Verordnung zur Durchführung des KStG vom 11. Juli 1950 (Bundesgesetzblatt S. 329) läßt § 36 KStDV 1949 unberührt. Für das Rechtsproblem erscheinen jedoch folgende Darlegungen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Juni 1953 beachtlich: "In diesem Zusammenhang ist auch auf die Ausführungen von Holtkotten (Bonner Kommentar Art. 129 Anmerkung II D 1 S. 127 hinzuweisen. Danach war der Allgemeine Redaktionsausschuß bei der Formulierung des Art. 129 Abs. 3 GG von der Erwägung geleitet, Ermächtigungen alten Rechtes gegenüber denen neuen Rechtes weder zu begünstigen, noch sie verschärften Bedingungen zu unterwerfen". In Anschluß an diese Ausführungen vertritt Holtkotten in dem Kommentar die Auffassung, daß alle nach Art. 129 Abs. 3 GG als erloschen bezeichneten Ermächtigungen alten Rechtes im neuen Recht nicht mehr geschaffen werden könnten.

Hieraus ergibt sich, daß die durch die KStDV 1949 vorgenommene Einengung des Begriffes Betriebsausgaben ("bezahlt sind") der rechtlichen Grundlage entbehrt und deshalb rechtsunwirksam ist. Hinsichtlich der Verpflichtung des Bundesfinanzhofs, die Sache in eigener Zuständigkeit zu entscheiden, siehe Rechtssatz 1 des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 20. März 1952 - 1 BvL 12, 15, 16, 24, 28/51 - Bd. 1 S. 184.

§ 36 KStDV 1949 erfordert nicht mehr eine angemessene Verzinsung des Eigenkapitals, wie dies nach § 5 Abs. 2 der Verordnung vom 8. Dezember 1939 der Fall ist. Der Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 11. Dezember 1939 S. 2215 - 300 III, Reichssteuerblatt 1939 S. 1198, enthielt hierzu unter G, b eingehende Bestimmungen und forderte insbesondere auch eine angemessene Verzinsung der offenen Rücklagen. Der Erlaß bindet als Verwaltungsanordnung die Gerichte nicht. Man wird aber aus § 36 KStDV 1949 die Auffassung entnehmen müssen, daß hinsichtlich der Verzinsung des Eigenkapitals nur noch geringere Anforderungen gestellt werden sollen, als es in dem Erlaß des Reichsministers der Finanzen der Fall war. Im vorliegenden Falle wurden die Genossenschaftsanteile mit 4 % verzinst. Die Vorbehörden haben dies nicht beanstandet. Der Senat hat hiergegen keine Bedenken.

Auf Grund dieser Erwägungen ergibt sich, daß im vorliegenden Fall der Begriff der Betriebsausgabe nach den allgemeinen Grundsätzen des Einkommensteuerrechtes ausgelegt werden muß. Daß der Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 1. Oktober 1944 - S. 2515 - 77 III -, Reichssteuerblatt 1944 S. 625, keine Rechtsvorschrift darstellt, wurde bereits durch die Entscheidung des Obersten Finanzgerichtshofs I 9/48 S vom 11. August 1948, Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen S. 267, ausgesprochen.

Die Vorentscheidung wird aufgehoben und die Sache an das Finanzamt zur Prüfung der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen für die Anerkennung der Beträge als Warenrückvergütungen gegeben sind, zurückverwiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407745

BStBl III 1954, 36

BFHE 1954, 320

BFHE 58, 320

BB 1953, 587

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