Entscheidungsstichwort (Thema)

Ansatz des vollen Nutzungswerts beim Eigentümer auch bei ,,Zimmer-Wohnrecht" Dritter

 

Leitsatz (NV)

Überträgt eine Mutter ihrem Sohn ein Einfamilienhaus unter Vorbehalt des Wohnrechts an einigen Räumen, die in ihrer Gesamtheit keine abgeschlossene Wohnung darstellen, so ist dem Sohn der Nutzungswert des ganzen Hauses zuzurechnen.

 

Normenkette

EStG §§ 7b, 21 Abs. 2, § 21a

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erhielt im Februar 1982 von seiner Mutter ein Einfamilienhausgrundstück übertragen. Der Kläger übernahm Hypotheken und Grundschulden und verpflichtete sich, an seine Mutter . . . DM zu zahlen. Seiner Mutter und seinem Stiefvater wurde als Gesamtberechtigten ein unentgeltliches Wohnrecht an mehreren Räumen in dem Einfamilienhaus vorbehalten. Der Wert des Wohnrechts betrug 44 000 DM, während sich der Wert des Grundstücks nach der Vertragsangabe auf 370 000 DM belief. Nach Feststellung des Finanzgerichts (FG) war die Mutter des Klägers in finanzielle Bedrängnis geraten und dadurch zur Übertragung veranlaßt worden.

In der Folge nutzte der Kläger das Haus für eigene Wohnzwecke; er machte erhöhte Absetzungen nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) bei den Einkünften nach § 21, § 21 a EStG geltend. Er berief sich darauf, daß es sich um einen Kauf des Grundstücks, nicht aber um eine Vermögensübertragung in vorweggenommener Erbfolge handele. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) behandelte den Vorgang demgegenüber als Schenkung und versagte Abschreibungen nach § 7 b EStG. Die Klage hatte Erfolg. Das FG ging davon aus, daß der Kläger zwar nicht hinsichtlich des vorbehaltenen Wohnrechts, wohl aber hinsichtlich der übernommenen Schulden und der Zahlung an die Mutter eine Gegenleistung bewirkt habe. Es verteilte diesen Betrag auf das Gebäude und den Grund und Boden und berechnete danach die Absetzungen nach § 7 b EStG.

Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision des FA.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Zu Recht hat das FG angenommen, daß der Kläger Einkünfte nach § 21 Abs. 2 i. V. m. § 21 a EStG erzielt hat und daß ihm dabei der Nutzungswert des gesamten Hauses zuzurechnen war. Zwar weist das FA in der Revisionsinstanz darauf hin, daß das Wohnrecht nach der Grundbucheintragung das gesamte Haus belaste und demnach ein Ermittlungsfehler des FG zu rügen sei. Dem ist jedoch nicht zu folgen. In Abteilung II des Grundbuchs ist eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (Wohnrecht) für die Mutter und den Stiefvater des Klägers als Gesamtberechtigte eingetragen. Die Eintragung nimmt jedoch Bezug auf die Eintragungsbewilligung vom 24. Februar 1982. Hierbei handelt es sich um die mit dem Übertragungsvertrag verbundene Bewilligung. Das Wohnrecht beschränkt sich damit auf die in diesem Vertrag genannten einzelnen Räume. Nach § 874 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) kann bei der Eintragung eines Rechts, mit dem ein Grundstück belastet wird, zur näheren Bezeichnung des Inhalts des Rechts auf die Eintragungsbewilligung Bezug genommen werden. Das ist vorliegend geschehen.

Dem Kläger ist auch der gesamte Nutzungswert des Hauses zuzurechnen. Dies wäre nur anders, wenn seine Eltern ihrerseits eine Wohnung genutzt hätten, d. h. einen Raum oder eine Zusammenfassung von Räumen, die die Führung eines selbständigen Haushalts ermöglichte. Eine Wohnung ist grundsätzlich nur gegeben, wenn eine Küche oder Kochgelegenheit, Bad oder Dusche und eine Toilette vorhanden ist. Wird die Mitbenutzung von Räumen gestattet, so wird keine Wohnung überlassen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. Dezember 1982 VIII R 166/80, BFHE 139, 23, BStBl II 1983, 660; vom 16. Juli 1985 IX R 1/79, BFH/NV 1985, 77, und vom 8. August 1990 IX R 122/86, BFHE 162, 244, BStBl II 1991, 171). Nach dem Vertrag stand den Eltern des Klägers die Nutzung an den rechts von der Haustür gelegenen Räumen, ausgenommen das WC, sowie an Räumen im Dach- und Kellergeschoß zu. Hieraus ergibt sich nicht, daß es sich um eine abgeschlossene Wohnung innerhalb des Einfamilienhauses handelte.

2. Ob es sich bei der Übertragung des Einfamilienhauses auf den Kläger um eine Vermögensübergabe im Wege vorweggenommener Erbfolge handelte oder, wie das FG angenommen hat, der Vorgang kaufvertragliche Elemente beinhaltete, kann offenbleiben. Wie sich aus dem Beschluß des Großen Senats des BFH vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) ergibt, liegt auch in der Übergabe eines Grundstücks im Wege vorweggenommener Erbfolge insoweit ein entgeltlicher Vorgang, als Grundstücksverbindlichkeiten übernommen oder Leistungen an den Übergeber zugesagt werden. Davon ausgenommen sind allerdings Versorgungsleistungen, die der Übernehmer an den Übergeber oder dessen Angehörige zusagt. Handelte es sich bei der Grundstücksübertragung um eine Schenkung ohne Bezug auf die Erbfolge, kann nichts anderes gelten; wie der Große Senat ausgeführt hat, kommt es dabei auf die Unterscheidung zwischen einer Schenkung unter Auflage und einer gemischten Schenkung nicht an.

Das FG hat die Anschaffungskosten auf den Grund und Boden und das Gebäude aufgeteilt. Für letzteres kann der Kläger Absetzungen bis zur Höchstbemessungsgrundlage des § 7 b Abs. 1 Satz 3 EStG in Anspruch nehmen (BFH-Urteil vom 21. März 1989 IX R 58/86, BFHE 156, 201, BStBl II 1989, 778).

 

Fundstellen

Haufe-Index 423064

BFH/NV 1992, 31

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