Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Bilanzänderung nach bestandskräftiger Veranlagung - auch bei Verlust

 

Leitsatz (amtlich)

Die Änderung einer Bilanz, die einer bestandskräftigen Veranlagung zugrunde liegt, ist auch dann nicht möglich, wenn die Bilanz einen Verlust aufweist.

 

Orientierungssatz

1. Obwohl über die Höhe des abzugsfähigen Verlustes nicht bereits im Entstehungsjahr, sondern erst im Abzugsjahr entschieden wird, rechtfertigt dies nicht, Steuerpflichtigen bei der Entscheidung über die Höhe des abzugsfähigen Verlustes im Abzugsjahr ein von diesen bei der früheren bestandskräftig gewordenen Veranlagung ausgeübtes Wahlrecht (hier: Bildung einer Rücklage gemäß § 6b EStG) nochmals einzuräumen (vgl. BFH-Urteil vom 19.2.1974 VIII R 118/69). Dem steht nicht entgegen, daß die Besteuerungsgrundlagen einen selbständigen Teil des Steuerbescheides bilden. Die Einschränkung des Wahlrechts ist im Interesse des Rechtsfriedens geboten.

2. Wahlrechte des Steuerpflichtigen (hier: Bildung einer Rücklage gemäß § 6b EStG) können nur solange ausgeübt werden, wie der sich auf den Veranlagungszeitraum beziehende Steuerbescheid noch nicht bestandskräftig ist, dem das Besteuerungsmerkmal zugrunde liegt, auf das sich das Wahlrecht bezieht (vgl. BFH-Rechtsprechung, auch zur Änderung einer bereits getroffenen Wahl bzgl. der Veranlagungsart).

3. Auch wenn das FG des Inhalt (hier:) eines Körperschaftsteuerbescheids nicht ausdrücklich festgestellt hat, gilt er als i.S. des § 118 Abs. 2 FGO festgestellt, wenn das FG in den Entscheidungsgründen mehrfach auf die Körperschaftsteuerveranlagung des betreffenden Kalenderjahres hingewiesen hat (vgl. Beschluß des Großen Senats vom 17.7.1967 3/66).

 

Normenkette

AO § 213 Abs. 1; AO 1977 § 157 Abs. 2; EStG §§ 6b, 10d, 4 Abs. 2, § 26 Abs. 1; FGO § 118 Abs. 2

 

Tatbestand

Zwischen der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) und der Firma FWB bestand ein Organschaftsverhältnis. Danach war die Firma FWB als Organ durch einen Ergebnisabführungsvertrag mit der Klägerin als Organträgerin verbunden. Die Klägerin war am Stammkapital der Firma FWB mit 95 v.H. beteiligt. Die restlichen Anteile wurden von Minderheitsgesellschaftern gehalten.

Nach einer im Kalenderjahr 1977 für die Jahre 1971 bis 1975 durchgeführten Außenprüfung hat die Klägerin gegen den berichtigten Körperschaftsteuerbescheid 1974 sowie gegen den erstmals ergangenen Körperschaftsteuerbescheid 1975 Einspruch eingelegt und beantragt, die Bilanz ihres Organs FWB zum 31.Dezember 1970 durch Bildung einer Rücklage nach § 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 313 500 DM zu ändern und unter unveränderter Fortführung zum 31.Dezember 1971 diese Rücklage zum 31.Dezember 1972 gewinnerhöhend aufzulösen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA-- ) lehnte in der Einspruchsentscheidung den Antrag der Klägerin ab.

Die Körperschaftsteuerveranlagungen 1970 der Klägerin wie auch die ihres Organs FWB sind bestandskräftig.

Mit der Klage machte die Klägerin insbesondere geltend, daß die Bilanzänderung nicht deshalb unzulässig sei, weil die Körperschaftsteuerveranlagungen 1970 sowohl bei ihr als auch bei der Firma FWB bestandskräftig seien. Der gegen sie ergangene Körperschaftsteuerbescheid 1970 setze eine auf einer Schachtelbeteiligung beruhende Nachsteuer fest. Die Bilanzänderung habe auf die festgesetzte Steuer keinerlei Auswirkungen. Das gleiche gelte für den Körperschaftsteuerbescheid 1970 der FWB. Dieser Bescheid beruhe auf den gegenüber den Minderheitsgesellschaftern gewährten Dividendengarantien, so daß sich die Bestandskraft ausschließlich auf die in diesem Zusammenhang festgesetzte Steuer beziehe.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und unter Abänderung der Körperschaftsteuerbescheide für 1974 und 1975 in Gestalt der Einspruchsentscheidung die Körperschaftsteuer für das Kalenderjahr 1974 auf null DM und für das Kalenderjahr 1975 auf 75 997 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das FA konnte bei der Veranlagung der Klägerin davon ausgehen, daß in der Bilanz des Organs der Klägerin zum 31.Dezember 1970 keine Rücklage gemäß § 6b EStG in Höhe von 313 500 DM gebildet wurde.

Eine Änderung der Bilanz des Organs der Klägerin mit dem Ziel, die zunächst nicht gebildete Rücklage in die Bilanz einzustellen, war mit steuerrechtlicher Wirkung nicht mehr möglich. Einer Bilanzänderung steht die Bestandskraft der Veranlagung entgegen, der die Bilanz zugrunde liegt. Wahlrechte des Steuerpflichtigen können nur solange ausgeübt werden, als der sich auf den Veranlagungszeitraum beziehende Steuerbescheid noch nicht bestandskräftig ist, dem das Besteuerungsmerkmal zugrunde liegt, auf das sich das Wahlrecht bezieht (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18.Dezember 1973 VIII R 101/69, BFHE 111, 302, BStBl II 1974, 319; vgl. auch die Rechtsprechung zur Änderung einer bereits getroffenen Wahl bezüglich der Veranlagungsart: BFH-Urteile vom 28.August 1981 VI R 139/78, BFHE 134, 412, BStBl II 1982, 156; vom 27.September 1988 VIII R 432/83, BFHE 155, 83, BStBl II 1989, 225, und vom 27.September 1988 VIII R 98/87, BFHE 155, 91, BStBl II 1989, 229). Der Abschluß der FWB zum 31.Dezember 1970 liegt einer bestandskräftigen Veranlagung zugrunde. Sowohl die Körperschaftsteuerveranlagung der Klägerin als auch die der FWB für das Kalenderjahr 1970 sind bestandskräftig. Auf die Körperschaftsteuerveranlagung der Klägerin kommt es an, weil ihr das Einkommen des Organs gemäß § 7a des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1968 zugerechnet wird.

In dem gegen die Klägerin ergangenen Körperschaftsteuerbescheid für das Kalenderjahr 1970 wurde die Körperschaftsteuer auf 4 482 DM festgesetzt. Sie beruht auf Schachteldividenden, die gemäß §§ 9 Abs.3, 19 Abs.5 KStG 1968 einer Nachsteuer von 36 v.H. unterliegen. Das zu versteuernde Einkommen beträgt nach dem Körperschaftsteuerbescheid null DM. Zugrunde lag dabei ein um den von den Organgesellschaften abgeführten Gewinn bereinigtes negatives Einkommen von 1 035 951 DM und ein zuzurechnendes Einkommen der Organgesellschaften in Höhe von 532 879 DM. Auch wenn das FG den Inhalt des Körperschaftsteuerbescheids nicht ausdrücklich festgestellt hat, gilt er als i.S. des § 118 Abs.2 FGO festgestellt, weil das FG in den Entscheidungsgründen mehrfach auf die Körperschaftsteuerveranlagung des Kalenderjahres 1970 hingewiesen hat (vgl. Beschluß des Großen Senats vom 17.Juli 1967 GrS 3/66, BFHE 91, 213, BStBl II 1968, 285).

Der Senat kann offenlassen, ob bei der Klägerin für das Kalenderjahr 1970 von einer Steuerfestsetzung auf null DM auszugehen ist, weil die gemäß § 19 Abs.1 Nr.1 bzw. § 19 Abs.1 Nr.2 KStG 1968 festzusetzende Steuer im Streitfall auf null DM festgesetzt wurde (vgl. Zeile 91 des Körperschaftsteuerbescheides für 1970).

Geht man von einer Steuerfestsetzung auf null DM aus, führt zwar die beantragte Bilanzänderung zu keiner Änderung des verfügenden Teils des Steuerbescheids. Durch die Verminderung des zuzurechnenden Einkommens um die begehrte Rücklage nach § 6b EStG in Höhe von 313 500 DM verbliebe es hinsichtlich der in Zeile 91 des Körperschaftsteuerbescheids auszuweisenden Betrages bei null DM. Obwohl die Bemessungsgrundlage einer Steuerfestsetzung regelmäßig nicht in Bestandskraft erwächst, berechtigt dieser Umstand nach der Rechtsprechung des BFH die Klägerin nicht, nach Eintritt der Bestandskraft das Wahlrecht erneut auszuüben (Urteil in BFHE 155, 83, BStBl II 1989, 225).

Geht man davon aus, daß im Streitfall bei der Klägerin für das Kalenderjahr 1970 eine Steuerfestsetzung in Höhe von 4 482 DM vorliegt, kann die beantragte Bilanzänderung nicht über § 175 Abs.1 Nr.2 der Abgabenordnung (AO 1977) der Besteuerung zugrunde gelegt werden. Dabei kann der Senat offenlassen, ob die Bilanzänderung unter Zustimmung des FA ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs.1 Nr.2 AO 1977 ist. Die Anwendung des § 175 Abs.1 Nr.2 AO 1977 würde voraussetzen, daß die begehrte Bilanzänderung die für 1970 entstandene und festgesetzte Steuer beeinflußt (Urteil in BFHE 155, 83, BStBl II 1989, 225). Der Antrag zur Rücklage gemäß § 6b EStG in der Bilanz der FWB zum 31.Dezember 1970 ergäbe jedoch keine Verminderung der Körperschaftsteuerschuld der Klägerin; der in Zeile 91 des Körperschaftsteuerbescheides auszuweisende Betrag beliefe sich auch in diesem Fall auf null DM.

Unerheblich ist, daß die Klägerin letztlich erreichen will, in den Streitjahren ihr Einkommen wegen eines im Jahre 1970 entstandenen Verlustes zu mindern. Obwohl über die Höhe des abzugsfähigen Verlustes nicht bereits im Entstehungsjahr, sondern erst im Abzugsjahr entschieden wird, rechtfertigt dies nicht, Steuerpflichtigen bei der Entscheidung über die Höhe des abzugsfähigen Verlustes im Abzugsjahr ein von diesen bei der früheren bestandskräftig gewordenen Veranlagung ausgeübtes Wahlrecht nochmals einzuräumen (BFH-Urteil vom 19.Februar 1974 VIII R 118/69, BFHE 111, 494, BStBl II 1974, 336). Dem steht nicht entgegen, daß die Besteuerungsgrundlagen einen selbständigen Teil des Steuerbescheides bilden (§ 213 Abs.1 der Reichsabgabenordnung (*= § 157 Abs.2 AO 1977). Die Einschränkung des Wahlrechts ist im Interesse des Rechtsfriedens geboten. Im übrigen könnte eine erneute Ausübung des Wahlrechts auch zu einer Änderung des verfügenden Teils des Steuerbescheids führen, der das Jahr betrifft, in dem ohne Berücksichtigung der erneuten Ausübung des Wahlrechts ein Verlust entstanden ist. Die erneute Ausübung des Wahlrechts könnte auch zur Festsetzung einer Körperschaftsteuer für das Jahr führen, in dem ohne Berücksichtigung der erneuten Ausübung des Wahlrechts ein Verlust entstanden ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63514

BFH/NV 1990, 65

BStBl II 1990, 905

BFHE 160, 529

BFHE 1991, 529

BB 1990, 1740

BB 1990, 1740 (LT1)

DB 1990, 1945 (LT)

HFR 1991, 67 (LT)

StE 1990, 316 (K)

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