Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Sonstiges Bewertung Bewertung/Vermögen-/Erbschaft-/Schenkungsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Verordnung über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus vom 26. Januar 1937 (RGBl I S. 99, RStBl S. 161) ist rechtsgültig.

Die Beschränkung des Abzugs von Schuldzinsen in § 2 Abs. 2 der Verordnung ist ebenfalls rechtsgültig.

 

Normenkette

EStG § 12 Nr. 1, § 29 Abs. 3; GG Art. 3 Abs. 1; EinfHausVO 2/2

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) errichtete ein Einfamilienhaus, das er selbst bewohnt. Der Einheitswert beträge 9.600 DM. Von dem Grundbetrag von (3,5 v. H. von 9.600 DM =) 336 DM wollte der Bf. die gezahlten Schuldzinsen mit 752 DM abziehen. Das Finanzamt ließ gemäß § 2 Abs. 2 der Verordnung über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus - im folgenden abgekürzt: VO - vom 26. Januar 1937 (Reichsgesetzblatt - RGBl - I S. 99, Reichssteuerblatt - RStBl - 1937 S. 161) den Abzug der Schuldzinsen nur bis zur Höhe des Grundbetrags zu. Der Bf. hält die Beschränkung des Schuldzinsenabzugs in § 2 Abs. 2 VO für rechtsungültig. Das Finanzgericht wies die Sprungberufung als unbegründet zurück. Es bejahte die Rechtsgültigkeit der Bestimmung.

 

Entscheidungsgründe

Auch die Rechtsbeschwerde , die das Finanzgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitfrage zugelassen hat, kann keinen Erfolg haben.

Die Frage, ob § 2 Abs. 2 VO den Schuldzinsenabzug rechtswirksam auf die Höhe des Grundbetrags beschränken konnte, ist in der Rechtsprechung und im Schrifttum mehrfach erörtert worden. Gegen die Rechtsgültigkeit der Bestimmung haben sich vor allem Friedrich (Der Betriebs-Berater 1954 S. 407, Steuer und Wirtschaft 1954 Spalte 597), Felix (Finanz-Rundschau 1955 S. 351) und Jaekel (Der Betrieb 1955 S. 154) gewendet. Die Rechtsgültigkeit haben bejaht die Finanzgerichte Schleswig-Holstein (Entscheidungen der Finanzgerichte 1955 S. 332) und Karlsruhe (Entscheidungen der Finanzgerichte 1955 S. 330); ferner u. A. Boeker (Deutsche Steuer- Zeitung 1955 S. 359) und Littmann (Einkommensteuer-Recht, 5. Auflage, Anm. 26 zu § 21 EStG).

Die VO ist vom Reichsminister der Finanzen auf Grund von § 29 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und § 12 der Reichsabgabenordnung (AO) erlassen worden und ist in ihren Grundlagen unverändert bestehen geblieben. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs hat die VO bisher als rechtsgültig behandelt. Im Urteil IV 438/54 S vom 21. April 1955 (Slg. Bd. 60 S. 453, Bundessteuerblatt - BStBl - 1955 III S. 173) ist ausgeführt, daß sich die VO für die Steuerpflichtigen und die Finanzbehörden als überaus nützlich erwiesen haben.

Die Rechtsgültigkeit der VO im ganzen kann nicht zweifelhaft sein. Im § 29 EStG, der die Aufstellung von Durchschnittsätzen gestattet, ist in Abs. 3 zugelassen, den Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus, der nach § 21 Abs. 2 EStG zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gehört, in einem Hundertsatz des zuletzt festgestellten Einheitswerts des Grundstücks zu bemessen. Nach der inzwischen aufgehobenen Bestimmung des § 12 Abs. 1 Satz 1 AO konnte der Reichsminister der Finanzen zur Durchführung und zur Ergänzung der Steuergesetze Rechtsverordnungen erlassen. Beide Vorschriften bildeten zusammengefaßt eine einwandfreie Rechtsgrundlage für die Einführung einer Durchschnittsbesteuerung bei Einfamilienhäusern durch Rechtsverordnung.

Nach § 2 Abs. 1 VO ist als Grundbetrag je nach dem Baujahr des Hauses ein Satz von 3 oder 3,5 v. H. des maßgebenden Einheitswerts anzusetzen. Von dem Grundbetrag sind - von einigen vorübergehenden Sonderregelungen wird hier abgesehen - nur die Schuldzinsen abzugsfähig. Die anderen Werbungskosten sind im Grundbetrag abgegolten. Der Schuldzinsenabzug wiederum ist in § 2 Abs. 2 VO auf die Höhe des Grundbetrags begrenzt, so daß durch den Abzug von Schuldzinsen steuerlich kein Verlust aus Vermietung und Verpachtung entstehen kann.

Nach dem Wortlaut des § 29 Abs. 3 EStG hätte der Reichsminister der Finanzen an sich auch die Schuldzinsen wie die anderen Werbungskosten in den Grundbetrag einbeziehen können. Er hat, wie die Begründung im Erlaß vom 27. Januar 1941 (RStBl 1941 S. 97) erkennen läßt, diesen Weg bewußt nicht gewählt. Da die Höhe der Schulden und damit die Zinslast bei den einzelnen Grundstücken verschieden sind, läßt sich eine Durchschnittsbesteuerung, die die Schuldzinsen einbezieht, kaum durchführen. Der Reichsminister der Finanzen knüpfte in der VO an die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs über die Ermittlung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus auf der Grundlage der Kapitalnutzung an (vgl. zum Beispiel Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 439/27 vom 8. Februar 1928, Slg. Bd. 23 S. 35 ff., RStBl 1928 S. 197). über die Rechtsentwicklung und die umfangreiche Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs zu der Behandlung des Wohnungswerts im eigenen Einfamilienhaus siehe Vangerow, Kommentar zum Einkommensteuergesetz 1934, Anm. 7 zu § 21 EStG. Der Reichsminister der Finanzen setzte in der VO als Kapital der Einfachheit halber den Einheitswert und als durchschnittliche Nettoverzinsung einen Satz von 3 bzw. 3,5 v. H. an. Zur Ermittlung des Eigenkapitals werden vom Einheitswert nicht die mit dem Grundstück zusammenhängenden Fremdschulden abgezogen, sondern es werden die tatsächlich gezahlten Zinsen für die Fremdschulden vom Grundbetrag abgesetzt.

Die Regelung der VO ist im allgemeinen den Einfamilienhausbesitzern günstig. Zunächst sind die Ausgangswerte niedrig. Die Einheitswerte 1935 bei Einfamilienhäusern lagen vielfach von Anfang an unter den Verkehrswerten. Bei Häusern, die später, insbesondere in der Zeit nach der Währungsumstellung, gebaut wurden, beträgt der Einheitswert oft nur einen Bruchteil des Verkehrswerts bzw. der Herstellungskosten, weil bei der Feststellung der Einheitswerte immer noch die Wertverhältnisse vom 1. Januar 1935 maßgebend sind (§ 3 a der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz - BewDV -). Auch die zugrunde gelegte Nettoverzinsung von 3 bzw. 3,5 v. H. war von vorneherein bewußt niedrig gewählt. Schließlich ist es den Steuerpflichtigen günstig, wenn von dem niedrigen Grundbetrag die gezahlten Zinsen in tatsächlicher Höhe abgesetzt werden.

Die Regelung der VO führt in vielen Fällen dazu, daß auch Steuerpflichtige, die beträchtliches Eigenkapital in ihrem Einfamilienhaus gebunden haben, keinen Nutzungswert aus dem Einfamilienhaus zu versteuern brauchen. Die Einfamilienhausbesitzer stehen insoweit im allgemeinen günstiger als Hausbesitzer, die im eigenen Mietwohngrundstück eine Wohnung haben. Diesen wird die Wohnung mit der üblichen Miete, wie sie auch die Fremdmieter zahlen, angesetzt (§ 21 Abs. 2 in Verbindung mit § 8 Abs. 2 EStG). Diese Miete ist in aller Regel höher als der Nutzungswert nach der VO, weil sie sich nach wirtschaftlich richtigeren Grundsätzen entwickelt.

Der Reichsminister der Finanzen brauchte nicht unbedingt als Nutzungswert einen festen Vomhundertsatz des Einheitswerts als Netto-Nutzungswert anzusetzen. Er konnte im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs eine Regelung treffen, die die Belastung des Einfamilienhauses durch Fremdkapital angemessen berücksichtigte.

Die VO ist auch nicht etwa durch die Entwicklung der Verhältnisse überholt (§ 1 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -). Zweifellos haben sich die Verhältnisse seit Erlaß der VO im Jahre 1937 in mancher Hinsicht geändert. Insbesondere sind die Einheitswerte auf der Grundlage der Wertverhältnisse vom 1. Januar 1935 überholt; es ist auch zweifelhaft, ob eine Nettoverzinsung von 3 bzw. 3,5 v. H. den derzeitigen Verhältnissen entspricht. Im allgemeinen sind ferner die Schulden der Einfamilienhausbesitzer und die Zinsbelastung gegenüber 1937 gewachsen; andererseits ist aber auch der Wert der Grundstücke gestiegen. Diese mannigfachen Verschiebungen legen eine gesetzliche Neuregelung nahe. Sie berechtigen aber die Steuergerichte nicht, die VO nicht mehr anzuwenden. Die Gesetzgebung hält offenbar die bisherige Regelung trotz der erkennbaren Mängel steuerpolitisch für noch vertretbar. Nach dem Grundsatz der Dreiteilung der Staatsgewalt sind die Steuergerichte grundsätzlich an den Willen des Gesetzgebers gebunden.

Zweifellos wirkt sich innerhalb des Kreises der Einfamilienhausbesitzer die VO steuerlich verschieden aus. Solche Abweichungen sind bei einer Durchschnittsbesteuerung unvermeidbar. Der Gesetzgeber hat, als er in § 29 Abs. 3 EStG die Aufstellung von Durchschnittsätzen gestattete, damit gerechnet. Offenbar zum Ausgleich möglicher Härten ist, wie erwähnt, die Gesamtregelung der VO von vorneherein entgegenkommend gewesen; sie führt im allgemeinen zu einer milden Besteuerung der Einfamilienhausbesitzer. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des § 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) kann weder in der Zulassung der Durchschnittsbesteuerung (§ 29 Abs. 3 EStG) noch in der VO selbst gefunden werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 150/55 U vom 2. August 1955, Slg. Bd. 61 S. 247, BStBl 1955 III S. 293).

Die Bedenken im Schrifttum richten sich denn auch weniger gegen die grundsätzliche Regelung der VO, als gegen die Begrenzung des Schuldzinsenabzugs in § 2 Abs. 2 VO. Der Senat hält auch diese Bestimmung für rechtsgültig. Die amtliche Begründung (RStBl 1941 S. 98 rechts unten) führt dazu aus:

"Der Abzug der Schuldzinsen, die mit der Nutzung des Grundstücks zu Wohnzwecken in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, ist § 2 Abs. 2 gemäß auf die Höhe des Grundbetrags beschränkt. Ein Verlust aus Vermietung und Verpachtung kann danach bei dem Einfamilienhaus nicht angesetzt werden. Diese Anordnung entspricht ebenfalls dem Grundgedanken der VO, daß sich für den Inhaber der Wohnung eine angemessene Verzinsung des Eigenkapitals ergeben muß. Deshalb Auch angemessene Verzinsung des Eigenkapitals ergeben muß. Deshalb stellt ein Herabgehen auf 0 RM bereits ein Entgegenkommen dar. Auch wenn der Inhaber der Wohnung eigenes Kapital in dem Grundstück nicht angelegt hat, entspricht die Regelung dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Ein Steuerpflichtiger, der eine Mietwohnung inne hat, darf den Wohnungsaufwand, zu dem insbesondere die Mietzinsen gehören, bei der Ermittlung seines Einkommens nicht absetzen. Bei der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus treten an die Stelle der Mietzinsen die Zinsen für das im Haus angelegte Fremdkapital und die Kosten der Erhaltung des Hauses. Würde man dem Inhaber der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus den Abzug der Schulden auch insoweit gestatten, als sie den Grundbetrag übersteigen, so käme das im Ergebnis einem Abzug des Wohnungsaufwands gleich. Das würde eine Begünstigung dieser Steuerpflichtigen gegenüber denjenigen sein, die in gemieteten Räumen wohnen."

Diese Ausführungen entsprechen den Grundgedanken, die der Reichsfinanzhof entwickelt hatte. Im übrigen kann die Regelung der VO als eine auf § 12 Abs. 1 Satz 1 AO gestützte Maßnahme zur "Durchführung und Ergänzung" des EStG aufgefaßt werden, die nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs als fortgeltendes Recht aus der autoritären Zeit die Steuergerichte bindet (Urteile des Bundesfinanzhofs als fortgeltendes Recht aus der autoritären Zeit die Steuergerichte bindet (Urteile des Bundesfinanzhofs I 40/55 U vom 14. Februar 1956, Slg. Bd. 62 S. 284, BStBl 1956 III S. 105; I 200/55 S vom 17. Juli 1956, Slg. Bd. 63 S. 306, BStBl 1956 III S. 316).

Es wird im Fachschrifttum darauf hingewiesen, daß die Beschränkung des Schuldzinsenabzugs eine Benachteiligung der Einfamilienhausbesitzer sei. In Wirklichkeit kann aber wohl von einer Benachteiligung keine Rede sein. Das Bild ist dadurch etwas verzerrt, daß die Besteuerung nach wie vor an die überholten Einheitswerte 1935 anknüpft und vielleicht auch die zugrunde gelegte Nettoverzinsung von 3 bzw. 3,5 v. H. den derzeitigen Verhältnissen nicht mehr entspricht. Bei sinnvoller Auslegung muß aber die Regelung der VO im ganzen gesehen werden. Man kann nicht die günstige Behandlung der Einnahmenseite hinnehmen, die damit wirtschaftlich zusammenhängende Beschränkung des Schuldzinsenabzugs indessen ablehnen. Es mag, wie gesagt, auch die steuerliche Auswirkung der VO bei den einzelnen Einfamilienhausbesitzern verschieden sein. Es ist Sache der Gesetzgebung, dem, soweit es ihr erforderlich erscheint, durch Anpassung der Bestimmungen Rechnung zu tragen.

Jaekel a. a. O. ist der Auffassung, Schuldzinsen, die infolge der Abzugsbeschränkung des § 2 Abs. 2 VO nicht als Werbungskosten zur Auswirkung kämen, müßten als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG berücksichtigt werden. Dem tritt der Senat nicht bei. Im Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 27. Januar 1941 wird ausgeführt (RStBl 1941 S. 99):

"Aus den Ausführungen in Abs. 4 ergibt sich, daß Schuldzinsen, die mit der Nutzung des Einfamilienhauses zu Wohnzwecken in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, bei der Ermittlung des Einkommens überhaupt außer Betracht bleiben müssen, soweit sie den Grundbetrag übersteigen. Diese Schuldzinsen dürfen insoweit auch nicht andere Einkünfte mindern und auch nicht als Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden."

Nach § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG können nur Schuldzinsen, die nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind, als Sonderausgaben abgesetzt werden. Es kommt darauf an, ob Zinsen begrifflich zu den Betriebsausgaben oder Werbungskosten rechnen, nicht ob sie sich auch entsprechend ausgewirkt haben. Zinsen für Schulden, die wirtschaftlich mit der Errichtung des Grundstücks zusammenhängen, sind aber begrifflich Werbungskosten (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 622/53 U vom 25. November 1954, Slg. Bd. 60 S. 67, BStBl 1955 III S. 26). Im gleichen Sinn ist im Urteil des Bundesfinanzhofs IV 300/53 U vom 13. Mai 1954 (Slg. Bd. 58 S. 752, BStBl 1953 III S. 199) bereits abgelehnt worden, den Erbbauzins, der im Zusammenhang mit einem eigengenutzten Einfamilienhaus gezahlt wird, als Sonderausgabe zu berücksichtigen. Nach den Grundsätzen des Einkommensteuerrechts wirken Schuldzinsen zwar grundsätzlich einkommensmindernd. Bei Schuldzinsen im Zusammenhang mit der Nutzung eines eigenen Einfamilienhauses muß aber sichergestellt werden, daß Steuerpflichtige, die im eigenen Einfamilienhaus wohnen, in etwa mit denen gleichgestellt werden, die in fremden Häusern zur Miete wohnen oder im eigenen Mietwohngrundstück eine Wohnung benutzen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408674

BStBl III 1957, 131

BFHE 1957, 345

BFHE 64, 345

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