Leitsatz (amtlich)

Bei der Entscheidung darüber, ob der seine Anteile an einer Kapitalgesellschaft veräußernde Steuerpflichtige zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar und damit wesentlich beteiligt war, ist von einem um eigene Anteile der Kapitalgesellschaft verminderten Nennkapital auszugehen.

 

Normenkette

EStG § 17 Abs. 1 i.d.F. des StÄndG 1965

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige war an dem Nennkapital einer GmbH von 48 000 DM mit 12 000 DM beteiligt. Ein gleich hoher Anteil befand sich im Betriebsvermögen der GmbH. Im Streitjahr 1959 veräußerte die Steuerpflichtige ihren im Privatvermögen befindlichen Anteil an der GmbH zu einem ihre Anschaffungskosten unstreitig übersteigenden Kaufpreis. Diesen Gewinn zog der Revisionsbeklagte (FA) zur Einkommensteuer (§ 17 EStG) heran. Die Steuerpflichtige bestreitet ihre Steuerpflicht. Das FG folgte der Auffassung des FA und begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt.

Die Steuerpflicht des Gewinns aus der Veräußerung der Beteiligung hänge nach § 17 in Verbindung mit § 52 Abs. 16 EStG in der Fassung des StändG 1965 vom 14. Mai 1965 (BGBl I 1965, 377, BStBl I 1965, 217) davon ab, ob die Steuerpflichtige innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung an der GmbH zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar beteiligt gewesen sei. Aus dem Sinn und Zweck des § 17 EStG, nämlich die Möglichkeit einzuschränken, daß die Gesellschafter die Gewinne der Kapitalgesellschaft thesaurierten und sich dann durch eine steuerfreie Veräußerung der Anteile zuführten, ergebe sich, daß der Begriff der Beteiligung wirtschaftlich auszulegen sei. Daraus folge, daß eine von der GmbH selbst gehaltene Beteiligung bei der Berechnung der Höhe der Beteiligung eines Gesellschafters unberücksichtigt bleibe, weil die gesellschaftlichen Rechte aus der Beteiligung der GmbH ruhten und damit die Einflußmöglichkeit der Gesellschafter entsprechend erhöht werde. Da somit die Steuerpflichtige wirtschaftlich an der GmbH mit 12 000 DM von 36 000 DM = 1/3 beteiligt gewesen sei, sei der Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG steuerpflichtig.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

Den Ausführungen des FG ist in vollem Umfang zuzustimmen. Der Steuerpflichtigen ist zuzugeben, daß die hier zur Entscheidung stehende Frage, ob und in welcher Weise eigene Anteile der Kapitalgesellschaft bei der Berechnung der Beteiligung eines veräußernden Gesellschafters berücksichtigt werden müssen, aus dem Wortlaut des § 17 EStG (unmittelbare oder mittelbare Beteiligung des Veräußerers an der Gesellschaft) nicht ohne weiteres beantwortet werden kann. Bereits der RFH legte im Urteil I 415/40 vom 8. April 1941 (RStBl 1941, 410) den Begriff der wesentlichen Beteiligung, von der damals die Zurechnung einer Gewinnbeteiligung zum Gewerbeertrag nach § 8 Nr. 6 GewStG abhing, wirtschaftlich aus und ließ die eigene Beteiligung der GmbH mit der Begründung außer Betracht, daß die Gestaltungs- und Einflußmöglichkeiten der Gesellschafter auf die Höhe der Gewinnausschüttungen durch die ruhende eigene Beteiligung der GmbH wirtschaftlich anteilig verstärkt würden. Diese vom Senat für zutreffend gehaltenen Erwägungen rechtfertigen in Übereinstimmung mit dem FG auch bei der Auslegung des § 17 EStG eine entsprechende Behandlung des eigenen Anteils der GmbH.

Es kommt hinzu, daß sich diese wirtschaftliche Berechnung der Höhe der Beteiligung auch durch den Wortlaut des Gesetzes rechtfertigen läßt, weil die mittelbare Beteiligung der unmittelbaren Beteiligung ausdrücklich gleichgestellt wird. Es braucht hier nicht entschieden zu werden, wie der Begriff der Mittelbarkeit auszulegen ist und ob der unmittelbaren Beteiligung an der Gesellschaft anteilig jede Beteiligung an einer anderen Kapitalgesellschaft, die ihrerseits an der Gesellschaft beteiligt ist, zugerechnet werden darf. Denn jedenfalls läßt sich aus der zweifelsfreien Zulässigkeit der Berücksichtigung bestimmter mittelbarer Beteiligungen die Schlußfolgerung ziehen, daß es der Gesetzgeber für die Begriffsbestimmung der wesentlichen Beteiligung nicht allein auf den ziffernmäßigen und formellen Anteil am Nennkapital der Gesellschaft abstellt und damit für einen bestimmten Fall eine wirtschaftliche Beurteilung fordert. Auch diese Überlegung rechtfertigt es, die eigenen Anteile der GmbH bei der Ermittlung des Hundertsatzes der Beteiligung des Veräußerers nicht zu berücksichtigen. Daß der veräußernde Gesellschafter nach dem Wortlaut des Gesetzes "allein" wesentlich beteiligt sein muß, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Denn damit soll gegenüber der bisherigen Gesetzesfassung nur klargestellt werden, daß Anteile naher Angehöriger nicht mehr berücksichtigt werden dürfen.

Eine andere von der Steuerpflichtigen gewünschte formale Auslegung des Begriffs der wesentlichen Beteiligung würde besonders in den Fällen, in denen die Gesellschaft den größten Teil der Anteile selbst besitzt und ihr Einmanngesellschafter zahlenmäßig am Nennkapital nur geringfügig beteiligt ist, zu einem wirtschaftlich sinnlosen Ergebnis führen. Denn durch diese Gestaltung könnte sich der Einmanngesellschafter alle im Laufe der Jahre in voller Höhe thesaurierten Gewinne der Gesellschaft durch eine Veräußerung seines Anteils, der wirtschaftlich das gesamte Vermögen der Gesellschaft darstellt, in vollem Umfang steuerfrei zuführen. Das aber soll gerade durch § 17 EStG ausgeschlosssen werden. Dieser Auffassung des Senats folgt, soweit ersichtlich, auch das Schrifttum (z. B. Brönner, Die Besteuerung der Gesellschaften, 11. Aufl., VII, Anm. 155; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 17 EStG, Anm. 6; Landemann-Lenski-Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 3. Aufl., § 17, Anm. 2).

Die Einwendungen der Steuerpflichtigen können eine andere Gesetzesauslegung nicht rechtfertigen. Es ist zwar richtig, daß der BFH im Urteil VI 177/62 U vom 28. August 1964 (BFH 80, 288, BStBl III 1964, 578) die Zweifelsfrage, ob schon der Erwerb eigener Anteile durch die Kapitalgesellschaft zu einem anteiligen geldwerten Vorteil des Gesellschafters im Sinn des § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG, also zu steuerpflichtigen Einkünften aus Kapitalvermögen führe, unter Berufung auf die Wichtigkeit der Stetigkeit der Rechtsprechung und wegen der noch nicht ausreichenden Konkretisierung des Vorteils verneint hat. Aus dieser Verneinung eines Zuflusses steuerpflichtiger Kapitaleinkünfte können aber für die Auslegung des Begriffs der wesentlichen Beteiligung keine Schlußfolgerungen gezogen werden. Das bezeichnete Urteil spricht vielmehr für die vom erkennenden Senat vertretene Auslegung, weil es ausdrücklich hervorhebt, daß die im eigenen Anteil verkörperte, bei der Kapitalgesellschaft ruhende wirtschaftliche Macht den verbleibenden Gesellschaftern wirtschaftlich gesehen anteilig zuwächst. Das von der Steuerpflichtigen für ihre Auffassung angegebene BFH-Urteil IV 204/62 U vom 27. August 1964 (BFH 80, 416, BStBl III 1964, 624) befaßt sich mit dem Sinn und Zweck des § 17 EStG, um die gegen diese Vorschrift erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken auszuräumen. Es betont, daß die Abstellung des Gesetzes auf eine 25 v. H. übersteigende Beteiligung eine die Gleichstellung mit einem Mitunternehmer rechtfertigende wirtschaftliche Machtstellung zur Voraussetzung der Steuerpflicht mache. Gerade diese wirtschaftlichen Gesichtspunkte des Gesetzgebers sind für die jetzige Entscheidung des Senats maßgebend.

Es ist zwar richtig. daß die wirtschaftliche Begriffsbestimmung der Wesentlichen Beteiligung dazu führen kann, daß ein bisher nicht wesentlich Beteiligter durch einen von ihm nicht gewollten Erwerb eines Anteils durch die Gesellschaft eine wesentliche Beteiligung erlangt. Das ist aber nichts Ungewöhnliches. Denn wenn die Satzung dem die Gesellschaft nicht beherrschenden Gesellschafter keine Möglichkeit gibt, bestimmte Rechtsgeschäfte der Gesellschaft zu verbieten, muß er mit Beschlüssen und Maßnahmen der Geschäftsführung rechnen, die für ihn nachteilige Folgen haben können. Entgegen der Auffassung der Steuerpflichtigen kann die Entscheidung darüber, welche Bedeutung eigenen Anteilen der Gesellschaft bei der Begriffsbestimmung der wesentlichen Beteiligung zuzumessen ist, nicht davon abhängig gemacht werden, ob Gewinne der GmbH tatsächlich thesauriert wurden, ob die Steuerpflichtige ihre Einflußmöglichkeiten auf die Behandlung von Gewinnen ausnutzte und ob ihre wirtschaftlich 25 v. H. übersteigende Beteiligung am Gesellschaftsvermögen bei der Bemessung des Kaufpreises tatsächlich ausreichend berücksichtigt wurde. Sollte die Steuerpflichtige tatsächlich als Kaufpreis nur ein Viertel des Wertes aller Anteile oder des durch die Anteile repräsentierten Vermögens erhalten haben, so befand sie sich entweder in einem Irrtum über den tatsächlichen gemeinen Wert ihrer Beteiligung oder sie erhielt einen zu geringen Preis. Für die Ermittlung der tatsächlichen Höhe ihrer Beteiligung ist das unerheblich.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69301

BStBl II 1971, 89

BFHE 1971, 448

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