Entscheidungsstichwort (Thema)

Begünstigter Veräußerungsgewinn bei Entnahme von Wirtschaftsgütern vor Veräußerung eines Gesellschaftsanteils

 

Leitsatz (amtlich)

Veräußert der Gesellschafter einer Personengesellschaft seinen Mitunternehmeranteil an einen Mitgesellschafter und entnimmt er im Einverständnis mit dem Erwerber und den Mitgesellschaftern vor der Übertragung des Gesellschaftsanteils bestimmte Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens, gehört der daraus entstehende Entnahmegewinn zum begünstigten Veräußerungsgewinn.

Das gilt auch bei der Veräußerung eines Bruchteils des Mitunternehmeranteils, soweit der Veräußerungspreis und der Wert der Entnahme nicht den Wert des veräußerten Bruchteils übersteigen.

 

Orientierungssatz

1. Zum tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn gehört auch der Gewinn aus der Aufgabe des Anteils eines Mitunternehmers (vgl. BFH-Urteil vom 15.7.1986 VIII R 154/85).

2. Die Tarifbegünstigung des § 16 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 34 EStG ist auch dann zu gewähren, wenn der Gesellschafter einer Personengesellschaft seinen Mitunternehmeranteil an einen Dritten veräußert und im Einverständnis mit ihm zusätzlich zum Veräußerungspreis bestimmte Wirtschaftsgüter von der Gesellschaft erhält.

 

Normenkette

EStG § 16 Abs. 1 Nr. 2, § 34 Abs. 1, 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Köln (EFG 1984, 457)

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, betreibt eine Maschinenfabrik. Gesellschafter der Klägerin waren bis zum 20.Januar 1977 als Komplementärin die X-GmbH (im folgenden Komplementär-GmbH) mit einem Kapitalanteil von 1,55 v.H. und als Kommanditisten Frau A, Frau B und Herr C mit Kapitalanteilen von 80,98 v.H. bzw. 10,36 v.H. bzw. 7,11 v.H. Frau A, Frau B und C waren zugleich alleinige Gesellschafter der Komplementär-GmbH.

Mit Kaufvertrag vom 26.Oktober 1976 verpflichteten sich Frau A, Frau B und C, ihre Anteile an der Komplementär-GmbH auf die Firma W und anschließend ihre Kommanditanteile --ausgenommen ein bei Frau A verbleibender Teil ihres Kommanditanteils von 3 v.H.-- auf die Komplementär- GmbH zu übertragen. Gleichzeitig wurde vereinbart, daß noch vor der Anteilsübertragung bestimmte zum Gesellschaftsvermögen der KG (Klägerin) gehörende Grundstücke, die nach Ansicht der W für den Geschäftsbetrieb der KG nicht benötigt wurden, aus dem Gesellschaftsvermögen herausgenommen und ins Privatvermögen der Kommanditisten Frau A, Frau B und C überführt werden. Zu diesem Zweck gründeten Frau A, Frau B und C eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR). Auf diese Gesellschaft wurden am 19.Januar 1977 die im Vertrag vom 26.Oktober 1976 genannten Grundstücke unentgeltlich übertragen. Anschließend übertrugen Frau A, Frau B und C am 20.Januar 1977 in Erfüllung des Kaufvertrags vom 26.Oktober 1976 ihre Anteile an der Komplementär- GmbH auf die W und ihre Kommanditanteile --mit Ausnahme eines bei Frau A verbleibenden Anteils von 3 v.H.-- auf die Komplementär-GmbH.

In ihrer Gewinnfeststellungserklärung für das Streitjahr 1977 wies die Klägerin einen Gewinn aus der Entnahme der auf die GdbR übertragenen Grundstücke, der unstreitig 2 072 585 DM beträgt, als Teil eines tarifbegünstigten Gewinns aus der Veräußerung der Mitunternehmeranteile von Frau B und C bzw. eines Bruchteils eines Mitunternehmeranteils von Frau A aus.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) vertrat demgegenüber die Auffassung, daß zwar die Gewinne aus der Veräußerung der GmbH-Anteile und der Kommanditanteile nach § 16 Abs.1 i.V.m. § 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) begünstigt seien, nicht jedoch der Gewinn aus der Entnahme der Grundstücke; zwischen der Veräußerung der Mitunternehmeranteile bzw. eines Bruchteils eines Mitunternehmeranteils und der Grundstücksentnahme bestünde lediglich ein zeitlicher, aber kein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang. Die Gewährung der Tarifvergünstigung für lediglich in zeitlichem Zusammenhang mit der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils oder Bruchteils eines Mitunternehmeranteils entstandenen Entnahmegewinne könne vom Gesetzgeber nicht gewollt sein; die Konsequenz wäre nämlich, daß wenn auch nur ein Splitteranteil, z.B. 1 v.H. der Beteiligung, veräußert würde, im Zusammenhang damit wirtschaftlich wertvolle Gegenstände, die den Wert des Anteils bei weitem übersteigen, steuerlich begünstigt übertragen werden könnten.

Auf dieser Grundlage erließ das FA einen Gewinnfeststellungsbescheid für 1977, in dem es den Entnahmegewinn als nichtbegünstigten laufenden Gewinn unter Berücksichtigung von Sonderbetriebsausgaben mit 1 616 182 DM der Frau A, mit 244 590 DM der Frau B und mit 163 203 DM dem C zurechnete.

Die Sprungklage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, der Entnahmegewinn sei ein Teil des Veräußerungsgewinns und damit gemäß § 34 Abs.2 Nr.1 EStG begünstigt, soweit er der Quote des veräußerten Mitunternehmeranteils am Gesamthandsvermögen entspreche. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 457 veröffentlicht. Auf die Revision des FA hob der erkennende Senat das Urteil des FG im Verfahren IV R 34/84 auf, weil die früheren Kommanditisten nicht zum Rechtsstreit beigeladen waren. Im zweiten Rechtsgang hatte die Klage im Umfang der Vorentscheidung wiederum Erfolg.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

1. Nach § 16 Abs.1 Nr.1 und Abs.3 Satz 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung eines Betriebs im ganzen oder aus seiner Aufgabe, die dadurch bewirkt wird, daß die einzelnen Wirtschaftsgüter in das Privatvermögen übernommen oder teilweise veräußert und teilweise in das Privatvermögen übernommen werden. Der entstehende Gewinn zählt zu den außerordentlichen Einkünften und wird wegen der Zusammenballung von Erträgen aufgrund der Auflösung stiller Reserven ermäßigt besteuert (§ 34 Abs.1, Abs.2 Nr.1 EStG). In der gleichen Weise ist nach § 16 Abs.1 Nr.2 EStG die Veräußerung des Anteils eines Mitunternehmers, aber auch die nicht eigens erwähnte Aufgabe des Anteils begünstigt (hierzu Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15.Juli 1986 VIII R 154/85, BFHE 147, 334, BStBl II 1986, 896). Nach dem Ziel dieser gesetzlichen Regelung ist im Streitfall auch der Gewinn aus der Überführung der Grundstücke in das Privatvermögen in den begünstigten Veräußerungsgewinn einzubeziehen.

2. Die tarifbegünstigte Veräußerung oder Aufgabe des Mitunternehmeranteils kann in unterschiedlicher Weise mit der Übernahme von Wirtschaftsgütern in das Privatvermögen des Gesellschafters verknüpft sein. Hierzu kommt es, wenn der Mitunternehmer über Sonderbetriebsvermögen verfügt und dieses nicht veräußert, sondern zurückbehält; das Sonderbetriebsvermögen geht alsdann in das Privatvermögen des bisherigen Mitunternehmers über und erhöht seinen tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn (vgl. BFH-Urteil vom 18.Mai 1983 I R 5/82, BFHE 138, 548, BStBl II 1983, 771).

Bei den übernommenen Wirtschaftsgütern kann es sich auch um solche der Personengesellschaft handeln. So ist denkbar, daß die Gesellschaft ihren Gewerbebetrieb in der Weise beendet, daß die vorhandenen Wirtschaftsgüter in das Privatvermögen der Gesellschafter übertragen werden oder daß die Gesellschaft einzelne Wirtschaftsgüter veräußert und den Rest auf die Gesellschafter überträgt oder aber den Betrieb in seinen wesentlichen Grundlagen veräußert, einzelne Wirtschaftsgüter aber auf die Gesellschafter überträgt. Es liegt nahe, daß die Gesellschafter bei derartigen Gestaltungen die Tarifvergünstigung des § 16 Abs.1 Nr.2, § 34 Abs.1 und 2 EStG in Anspruch nehmen können.

Insbesondere erhält ein Mitunternehmer aber Wirtschaftsgüter seiner Gesellschaft, wenn er aus der Personengesellschaft ausscheidet und sein Auseinandersetzungsguthaben ganz oder teilweise mit Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens abgegolten wird. Rechtlich liegt hierin eine Veräußerung des Mitunternehmeranteils an die verbliebenen Gesellschafter, auch wenn der Gegenwert aus dem Gesellschaftsvermögen stammt. Hierbei werden die stillen Reserven in den zur Abfindung gegebenen Wirtschaftsgütern sowohl von den verbleibenden als auch vom ausgeschiedenen Gesellschafter versteuert; der Gewinn des ausgeschiedenen Gesellschafters ist Teil seines tarifbegünstigten Veräußerungsgewinns (vgl. BFH-Urteil vom 24.Mai 1973 IV R 64/70, BFHE 109, 438, BStBl II 1973, 655).

3. Für diese Beurteilung kann es keinen Unterschied machen, ob im letztgenannten Fall der Gesellschafter Wirtschaftsgüter der Gesellschaft erst nach seinem Ausscheiden oder aufgrund getroffener Vereinbarung bereits vor seinem Ausscheiden und der damit verbundenen Übertragung des Mitunternehmeranteils, jedoch in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit diesem Rechtsvorgang übertragen erhält. Für den ausscheidenden Gesellschafter ergibt sich auch in diesem Falle eine Zusammenballung von Erträgen aufgrund der Auflösung der stillen Reserven seiner Beteiligung, die die Anwendung der Tarifbegünstigung rechtfertigt.

Unter diesem Gesichtspunkt muß die Begünstigung schließlich auch dann gewährt werden, wenn der Mitunternehmer seinen Anteil an einen Dritten veräußert und im Einverständnis mit ihm zusätzlich zum Veräußerungspreis bestimmte Wirtschaftsgüter von der Gesellschaft erhält; er steht in diesem Fall nicht anders, als hätte er unter Verzicht auf die Entnahme einen höheren Veräußerungspreis vereinbart und alsdann die Wirtschaftsgüter von der Gesellschaft erworben oder in Anrechnung auf den Veräußerungspreis vom neuen Gesellschafter erhalten. Auch bei einer derartigen Gestaltung realisiert der ausscheidende Gesellschafter in einem einheitlichen Vorgang die stillen Reserven seiner Beteiligung.

4. Danach muß auch im Streitfall, in dem die Kommanditisten ihren Mitunternehmeranteil an einen Dritten übertragen haben, nachdem sie zuvor im Einvernehmen mit ihm bestimmte Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens entnommen haben, die Tarifvergünstigung unter Einbeziehung des Entnahmegewinns gewährt werden. Die Rechtsprechung hat auch sonst den Wert von Leistungen, die nicht als Gegenwert für die Übertragung des Betriebs oder des Mitunternehmeranteils erbracht werden, die der Veräußerer aber im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Veräußerung erhält, in den begünstigten Gewinn einbezogen (vgl. BFH-Urteil vom 26.Januar 1989 IV R 86/87, BFHE 156, 141, BStBl II 1989, 456; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 8.Aufl., § 16 Anm.49 b, m.w.N.). Entsprechend muß im Streitfall verfahren werden (vgl. Schmidt, a.a.O., § 16 Anm.83 a). Hieraus folgt, daß der auf die Vorabentnahme der veräußernden Gesellschafter entfallende Entnahmegewinn in der einheitlichen Gewinnfeststellung der Gesellschaft als tarifbegünstigter Veräußerungsgewinn zu bezeichnen ist, wie dies auch hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung des Mitunternehmeranteils zu geschehen hat.

5. Von diesen Grundsätzen ist auch auszugehen, wenn ein Gesellschafter nur einen Teil seines Mitunternehmeranteils veräußert; ein hierbei entstehender Gewinn ist ebenfalls als begünstigter Veräußerungsgewinn i.S. von § 16 Abs.1 Nr.2 und § 34 EStG anzusehen (BFH-Urteil vom 27.Mai 1981 I R 123/77, BFHE 133, 412, BStBl II 1982, 211). Wie der Gesellschafter auch nur teilweise aus seiner Gesellschafterstellung ausscheiden und mit Geld und Sachwerten abgefunden werden kann, so ist es auch möglich, daß er seinen Anteil teilweise veräußert und aufgrund einer mit dem Erwerber und den verbliebenen Gesellschaftern getroffenen Vereinbarung bestimmte Gegenstände aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen übernimmt.

Die Begünstigung wird jedoch durch den Wert des veräußerten Bruchteils begrenzt; weitergehende Entnahmen des Gesellschafters genießen nicht die Tarifvergünstigung. Zu Unrecht wendet das FA gegen dieses Ergebnis ein, daß die Übertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils mit der Veräußerung eines Teilbetriebs durch einen Einzelunternehmer vergleichbar sei, in diesem Fall aber nur die Übernahme von dem Teilbetrieb dienenden Wirtschaftsgütern in das Privatvermögen zum begünstigten Gewinn gehöre (BFH-Urteil vom 18.April 1973 I R 57/71, BFHE 109, 505, BStBl II 1973, 700), während im Streitfall die entnommenen Wirtschaftsgüter auch der verbliebenen Beteiligung des Kommanditisten C gedient hätten. Diesem Vergleich ist nicht zuzustimmen, da ein veräußerter Teilbetrieb eine gegenständlich verselbständigte Einheit des Gesamtbetriebs darstellt, während der Mitunternehmeranteil und damit auch der Bruchteil des Mitunternehmeranteils die Vermögensrechte an allen Wirtschaftsgütern des Betriebes repräsentiert und sich nicht feststellen läßt, daß bestimmte Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens dem Mitunternehmeranteil dienen.

6. Das FG hat den Entnahmegewinn in Höhe der Gesellschaftsbeteiligung der Komplementär-GmbH und der verbliebenen Beteiligung der Kommanditistin A nicht zum steuerbegünstigten Veräußerungsgewinn gerechnet. Ob dem zuzustimmen ist, kann dahinstehen, weil die Klägerin das FG-Urteil insoweit nicht angefochten hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62637

BFH/NV 1990, 2

BStBl II 1990, 132

BFHE 158, 329

BFHE 1990, 329

BB 1990, 54-55 (L1)

DB 1990, 88-89 (LT)

DStR 1990, 32 (KT)

HFR 1990, 132 (LT)

StE 1990, 3 (K)

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