Entscheidungsstichwort (Thema)

Verdeckte Gewinnausschüttung: Aufhebung einer Schriftformklausel im Anstellungsvertrag eines beherrschenden Gesellschafters

 

Leitsatz (amtlich)

1. Vereinbaren eine Kapitalgesellschaft und ihr beherrschender Gesellschafter, daß jede Änderung eines zwischen ihnen geschlossenen Anstellungsvertrags zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform bedarf, so ist eine mündliche Änderung des Anstellungsvertrags grundsätzlich unwirksam.

2. Die vertragliche Aufhebung einer solchen Schriftformklausel setzt einen --zumindest konkludenten-- Aufhebungswillen voraus.

 

Orientierungssatz

NV: Zivilrechtlich ist anerkannt, daß ein vereinbarter Formzwang jederzeit formlos aufgehoben werden kann. Dabei soll nach der BGH-Rechtsprechung eine Schriftformklausel dadurch außer Kraft gesetzt werden, daß die Vertragschließenden deutlich den Willen zum Ausdruck bringen, die mündlich getroffene Abrede solle ungeachtet der Schriftformklausel gelten. Die vom BGH in diesem Zusammenhang gemachten Ausführungen haben Zweifel daran aufkommen lassen, ob für die Beseitigung der Rechtsfolgen der Schriftformklausel nach § 125 Satz 2 BGB ein Aufhebungswille oder lediglich ein Neuregelungswille der Vertragsparteien notwendig ist.

 

Normenkette

BGB § 125; KStG 1977 § 8 Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG (Urteil vom 09.08.1995; Aktenzeichen VI 336/93)

 

Tatbestand

I. Alleingesellschafter und von § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) befreiter Geschäftsführer der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer GmbH, war S. Er erhielt aufgrund eines mit der Klägerin am 24. September 1982 abgeschlossenen Anstellungsvertrages neben einem Festgehalt eine Gewinntantieme. Diese sollte 10 % des in der Steuerbilanz der Firma ausgewiesenen und 50 000 DM übersteigenden Jahresüberschusses vor Körperschaft- und Gewerbesteuer betragen. Der Anstellungsvertrag bestimmte ferner, daß Änderungen und Ergänzungen des Vertrages "zu ihrer Rechtswirksamkeit der schriftlichen Vertragsform" bedurften.

Mit laufend durchnumerierten schriftlichen Nachträgen wurde der Anstellungsvertrag in der Folgezeit u.a. wie folgt geändert bzw. ergänzt:

- Nachtrag Nr.3 vom 2. Januar 1986: Erhöhung der Tantieme ab

1. Januar 1986 auf 15 %;

- Nachtrag Nr.4 vom 24. März 1986: Festsetzung der

Tätigkeitsvergütung ab 1. April 1986 auf 12 000 DM;

- Nachtrag Nr.5 vom 2. Januar 1987: S erhält ab dem 1. Januar

1987 einen steuerfreien Zinszuschuß in Höhe von 2 000 DM

jährlich;

- Nachtrag Nr.6 vom 31. März 1987: Festsetzung der

Fixvergütung auf 13 500 DM;

- Nachtrag Nr.7 vom 1. Mai 1988: Festsetzung der

Tätigkeitsvergütung auf 14 500 DM;

- Nachtrag Nr.8 vom 2. Januar 1987: Erhöhung der

Gewinntantieme auf 20 %;

- Nachtrag Nr.11 vom 30. September 1988: Erhöhung der

Gewinntantieme von 20 % auf 25 % ab 1. Januar 1988.

In Abweichung vom Anstellungsvertrag ermittelte die Klägerin ab 1984 die Bemessungsgrundlage der Tantieme unter Außerachtlassung einer an einen 1984 eingestellten Handelsvertreter zu zahlenden Provision. Die Berechnung der Gewinntantieme wurde im jeweiligen Jahresabschluß dargestellt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beurteilte im Anschluß an eine Betriebsprüfung für 1988 bis 1990 (Streitjahre) die Tantieme, soweit die Klägerin in ihren Berechnungen vom Anstellungsvertrag abgewichen war, als verdeckte und andere Ausschüttungen.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 8 Abs.3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG).

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Revisionsrechtlich ist die Vorentscheidung nicht zu beanstanden.

Unter einer verdeckten Gewinnausschüttung i.S. des § 8 Abs.3 Satz 2 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Bundesfinanzhof (BFH) eine Veranlassung der Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte. Ist der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender Gesellschafter, so kann eine verdeckte Gewinnausschüttung auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft an diesen eine Leistung erbringt, für die es an einer klaren und von vornherein abgeschlossenen Vereinbarung fehlt oder diese entweder nicht durchgeführt oder zivilrechtlich unwirksam ist (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Urteil vom 31. Mai 1995 I R 64/94, BFHE 178, 321, m.w.N.; vgl. z.B. auch BFH-Urteil vom 13. März 1991 I R 1/90, BFHE 164, 255, BStBl II 1991, 597, m.w.N.). An diesem Grundsatz hält der Senat auch nach seinen jüngsten Entscheidungen zu § 181 BGB fest (so BFHE 178, 321; Urteile vom 30. August 1995 I R 128/94, BFH/NV 1996, 363; vom 22. November 1995 I R 168/94, BFH/NV 1996, 644).

Vereinbaren Vertragspartner, daß Änderungen oder Ergänzungen eines Vertrages der Schriftform bedürfen, so hat der Mangel dieser durch Rechtsgeschäft bestimmten Form nach § 125 Satz 2 BGB im Zweifel die Nichtigkeit zur Folge. Zweifel am Eintreten der im Gesetz vorgesehenen Rechtsfolge bestehen im Streitfall nicht, weil, wie dem vom FG festgestellten Inhalt der Schriftformklausel zu entnehmen ist, Änderungen und Ergänzungen des Anstellungsvertrages zu ihrer "Rechtswirksamkeit" schriftlich abgeschlossen werden müssen.

Zivilrechtlich ist allerdings anerkannt, daß der vereinbarte Formzwang jederzeit formlos aufgehoben werden kann. Dabei soll nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) eine Schriftformklausel dadurch außer Kraft gesetzt werden, daß die Vertragschließenden deutlich den Willen zum Ausdruck bringen, die mündlich getroffene Abrede solle ungeachtet der Schriftformklausel gelten (vgl. BGH-Urteile vom 11. Oktober 1967 VIII ZR 76/65, Neue Juristische Wochenschrift 1968, 32; vom 26. November 1980 VIII ZR 298/79, Wertpapier-Mitteilungen/ Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 1981, 121; vgl. auch BFH-Urteil vom 24. Januar 1990 I R 157/86, BFHE 160, 225, BStBl II 1990, 645; Staudinger, Bürgerliches Gesetzbuch, § 125 Rdnr.10; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 55.Aufl., § 125 Rdnr.14). Die vom BGH in diesem Zusammenhang gemachten Ausführungen haben Zweifel daran aufkommen lassen, ob für die Beseitigung der Rechtsfolgen der Schriftformklausel nach § 125 Satz 2 BGB ein Aufhebungswille oder lediglich ein Neuregelungswille der Vertragsparteien notwendig ist (vgl. hierzu z.B. Staudinger, a.a.O., § 125 Rdnr.11; Förschler in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 125 Rdnr.77). Für die Notwendigkeit eines sich zumindest konkludent manifestierenden Aufhebungswillens spricht die jüngere Rechtsprechung des BGH zu diesem Problemkreis. So hat dieser im Urteil vom 30. September 1992 VIII ZR 196/91 (BGHZ 119, 283, 291) ausdrücklich auf das Vorliegen eines "die Schriftform aufhebenden Willens" abgestellt. In diesem Sinn sind auch die Ausführungen des 12.Senats des BGH (Urteil vom 17. April 1991 XII ZR 15/90, NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 1991, 1289) zu verstehen, wonach eine formlose Aufhebung der (qualifizierten) Schriftformklausel eine Einigung über die Änderung der Schriftformklausel voraussetzt. Stellt man dementsprechend darauf ab, ob sich in der tatsächlichen Handhabung ein konkludenter Aufhebungswille manifestiert haben kann, so ist die Entscheidung des FG, wonach sich im Streitfall die Parteien des Anstellungsvertrages an die dort vereinbarte Schriftformklausel stets gebunden fühlten, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Insoweit handelt es sich um die Auslegung von Willenserklärungen und damit um Feststellungen tatsächlicher Art, an die der Senat grundsätzlich gemäß § 118 Abs.2 FGO gebunden ist (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. Nachweise bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3.Aufl., § 118 Rdnr.17).

Die Auslegung des FG verstößt auch nicht gegen allgemeine Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 118 Rdnr.17). Sie stützt sich insbesondere darauf, daß die Klägerin und S mit Ausnahme der hier streitigen Berechnung der Bemessungsgrundlage sämtliche Vertragsänderungen und -ergänzungen schriftlich abschlossen. Im übrigen hat auch die Klägerin im Revisionsverfahren vorgetragen, daß die unterlassene schriftliche Änderung der Tantiemebemessungsgrundlage auf einem Irrtum beruht habe. So gesehen bestand auch aus ihrer Sicht zu keinem Zeitpunkt Anlaß, die Schriftformklausel, sei es auch nur konkludent, als unmaßgeblich zu erachten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65949

BFH/NV 1997, 89

BStBl II 1997, 138

BFHE 181, 281

BFHE 1997, 281

BB 1997, 141 (Leitsatz)

DB 1997, 305 (Leitsatz und Gründe)

DStR 1997, 66-67 (Kurzwiedergabe)

DStRE 1997, 105 (Leitsatz)

DStZ 1997, 228-229 (Leitsatz und Gründe)

HFR 1997, 160-161 (Leitsatz)

StE 1997, 34 (Kurzwiedergabe)

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