Leitsatz (amtlich)

Auch ein besonders hoher, beruflich veranlaßter Verschleiß von bürgerlicher Kleidung kann grundsätzlich nicht zu einem Werbungskostenabzug führen, es sei denn, dieser Verschleiß ist von dem normalen Kleidungsverschleiß nach objektiven Maßstäben zutreffend und in leicht nachprüfbarer Weise abgrenzbar (Einschränkung der Rechtsprechung in BFHE 97, 103, BStBl II 1970, 7).

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 Nr. 6, § 12 Nr. 1 S. 2; FGO § 76

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) bezieht als Kfz-Elektrikermeister Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1974 machte er u. a. folgende Aufwendungen als Werbungskosten geltend:

40,80 DM für einen Kittel, 90 DM für zwei Hosen, 90 DM für zwei Paar Schuhe, 72 DM für Hosenreinigung (24 x 3 DM), 36 DM für Besohlen der Schuhe und 6,50 DM für Schuhcreme.

Der Kläger legte dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) drei Bescheinigungen (von Kollegen und dem Arbeitgeber) vor, wonach er eine Hose und ein Paar Schuhe jeweils nur im Betrieb benutze und abends dort in seinem Spind zurücklasse. Außerdem machte er geltend, daß er "viel mit Säuren" arbeite und daß "seine Hosen davon nach 4 Wochen zerfressen sind, seine Schuhe bald danach".

Das FA berücksichtigte von den vorbezeichneten Aufwendungen pauschal 120 DM für Berufskleidung und den für Hosenreinigung ausgegebenen Betrag von 72 DM voll. Darüber hinaus lehnte das FA den geltend gemachten Werbungskostenabzug ab. Mit den vom FA anerkannten anderen Werbungskosten kam der Kläger bereits über die Werbungskostenpauschale von 564 DM.

Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos. Mit der Klage hielt der Kläger sein Begehren aufrecht. Er trug vor, daß er im Betrieb einen Kittel und darunter Hosen und Schuhe trage, wie sie auch auf der Straße benutzt würden. Da er viel mit Säure umgehe, würden Hosen und Schuhe in kurzer Zeit zerfressen. Deshalb könne er diese Kleidungsstücke nur im Betrieb tragen. Hierfür bot der Kläger zum Beweis ein Sachverständigengutachten und das Zeugnis von Betriebsangehörigen an. Für die Behauptung, daß er die Kleidungsstücke nachts im betrieblichen Spind belasse, verwies er auf die dem FA vorgelegten Bescheinigungen und bot insoweit ebenfalls Zeugenbeweise und Sachverständigengutachten an.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte aus: Aufwendungen für bürgerliche Kleidung seien Kosten der privaten Lebenshaltung, auch wenn die Kleidungsstücke im Beruf getragen und verschlissen würden. Etwas anderes gelte nur für typische Berufskleidung, die im Streitfall jedoch nicht gegeben sei.

Mit der Revision macht der Kläger geltend, das FG habe§ 76 Abs. 1 Satz 1, § 96 Abs. 1 Satz 1, § 119 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes dadurch verletzt, daß es den angebotenen Sachverständigen- und Zeugenbeweis zu seiner Behauptung nicht erhoben habe, er gehe viel mit Säure um, so daß seine im Betrieb getragenen Hosen und Schuhe in kurzer Zeit zerfressen seien, und ferner, daß er diese Sachen nur im Betrieb trage. Das FG habe auch § 9 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 6 des Einkom mensteuergesetzes (EStG) verletzt, weil es auf die private Verwendbarkeit der Kleidungsstücke, nicht aber auf ihre tatsächliche Verwendung abgestellt habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 6 EStG sind Aufwendungen für Arbeitsmittel (Berufskleidung) als Werbungskosten abziehbar. Das FG hat im Streitfall jedoch in nicht zu beanstandender Weise entschieden, daß der Kläger die geltend gemachten Aufwendungen nicht als Werbungskosten abziehen darf.

1. Nach dem Urteil des Senats vom 20. November 1979 VI R 25/78 (BFHE 129, 149, BStBl II 1980, 75) können Aufwendungen für sog. bürgerliche Kleidung auch dann nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn feststeht, daß die Kleidung ausschließlich bei der Berufsausübung benutzt wird. Denn solche Kleidung würde auch getragen werden, wenn der jeweilige Beruf nicht ausgeübt würde. Das Tragen derartiger Kleidung sei also auch durch die Lebenshaltung veranlaßt, so daß das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG eingreife (vgl. das vorbezeichnete Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH -). Hieran hält der Senat fest.

Schon in dem Urteil vom 26. Juni 1969 VI R 125/68 (BFHE 97, 103, BStBl II 1970, 7) hat der Senat entschieden, daß Aufwendungen für die Anschaffung von bürgerlicher Kleidung Kosten der privaten Lebenshaltung sind, auch wenn diese Kleidung im Beruf getragen und verschlissen wird. Allerdings hat der Senat in diesem Urteil den Abzug eines ausschließlich beruflich veranlaßten erhöhten Anteils der Aufwendungen als Werbungskosten anerkannt, wenn bei Anlegung eines strengen Maßstabes feststehe, daß die Ausübung des Berufs einen besonders hohen Verschleiß an bürgerlicher Kleidung erfordere. Da in dem Urteil in BFHE 129, 149, BStBl II 1980, 75 ein solcher Verschleiß nicht festgestellt war, ist der Senat in dieser Entscheidung ausdrücklich nicht näher darauf eingegangen, ob er an der Rechtsprechung im Urteil in BFHE 97, 103, BStBl II 1970, 7 festhält, soweit sie bei einem besonders hohen beruflichen Verschleiß den Werbungskostenabzug gestattete. Der Senat ist nunmehr der Auffassung, daß auch ein derartiger beruflich veranlaßter Verschleiß von bürgerlicher Kleidung grundsätzlicn nicht zu einem Werbungskostenabzug führen kann. Etwas anderes kommt nur in Betracht, wenn dieser Verschleiß von dem normalen Kleidungsverschleiß nach objektiven Maßstäben zutreffend und in leicht nachprüfbarer Weise abgrenzbar ist.

Nach Ergehen des vorgenannten Urteils in BFHE 97 103, BStBl II 1970, 7 hat der GroßeSenat des BFH entschieden, daß ein Werbungskostenabzug grundsätzlich ausgeschlossen ist, wenn Aufwendungen zwar den Beruf fördern, daneben aber auch der Lebensführung dienen, es sei denn, daß der den Beruf fördernde Teil der Aufwendungen sich nach objektiven Maßstäben zutreffend und in leicht nachprüfbarer Weise abgrenzen Iäßt und nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. Beschluß vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17). An diesem vom Großen Senat des BFH im Beschluß vom 27. November 1978 GrS 8/77 (BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213) erneut bestätigten sog. Aufteilungs - und Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG hält der Senat fest. Da dieses Verbot nicht nur für Aufwendungen zum Erwerb ei nes konkreten Wirtschaftsguts, sondern auch für laufende Aufwendungen gilt (BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17, unter II. 2.), ist es auch auf Aufwendungen anzuwenden, die durch einen gleichzeitig beruflich und privat veranlaßten Kleiderverschleiß entstehen. Folgerichtig kann selbst ein besonders hoher, beruflich veranlaßter Verschleiß von bürgerlicher, im Beruf getragener Kleidung nicht zu einem Werbungskostenabzug führen, es sei denn, daß sich der beruflich veranlaßte Verschleiß nach objektiven Maßstäben zutreffend und in leicht nachprüfbarer Weise von dem normalen, durch die Lebenshaltung veranlaßten Verschleiß abgrenzen ließe und der beruflich veranlaßte Verschleiß nicht von untergeordneter Bedeutung ist (ebenso Söhn, Finanz-Rundschau 1980 S. 301, 306f.; Anmerkung zum BFH-Urteil VI R 25/78 in Höchstrichterlicher Finanzrechtsprechung 1980 S. 89 f.).

2. Im Streitfall steht nach den Bekundungen des Klägers unstreitig fest, daß die von ihm im Beruf getragene Kleidung, mit Ausnahme vielleicht des Kittels, der jedoch durch die vom FA pauschal anerkannten Aufwendungen in Höhe von 120 DM abgegolten ist, bürgerliche Kleidung war. Sollte der Kläger, wie er behauptet, die Kleidungsstücke nur im Betrieb getragen haben, so könnte dies ebenso wie im Urteilsfall in BFHE 129, 149, BStBl II 1980, 75 nicht zum Abzug von Werbungskosten führen, zumal es sich ebensowenig wie in dem zuletzt bezeichneten Urteilsfall um Kleidungsstücke handelte, deren private Nutzung aufgrund ihrer berufsspezifischen Eigenschaft so gut wie ausgeschlossen ist (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 9. März 1979 VI R 171/77, BFHE 127, 522, BStBl II 1979, 519). Das FG hat deshalb zu Recht den schriftlichen Bestätigungen, der Kläger benutze die Kleidungsstücke nur im Betrieb, keine Bedeutung beigemessen und zu dieser Frage auch keine Zeugen vernommen. Der Vortrag des Klägers kann in diesem Punkt als wahr unterstellt werden, ohne daß dies zu einer anderen Entscheidung führen würde (vgl. hierzu Gräber, Kommentar zur Finanzgerichtsordnung, § 76 Anm. 2).

Soweit der Kläger rügt, das FG habe den angebotenen Sachverständigen- und Zeugenbeweis zu seiner Behauptung nicht erhoben, seine beruflich benutzte Kleidung werde durch Säureeinwirkung in kurzer Zeit zerfressen, liegt ebenfalls kein unzulässiges Übergehen eines Beweisangebots vor. Es kann dahingestellt bleiben, ob insoweit schon deshalb von einer Beweiserhebung abgesehen werden konnte, weil der Vortrag des Klägers widersprüchlich war. Denn er hatte vor dem FA behauptet, seine Hosen würden durch die Säuren nach vier Wochen zerfressen, andererseits nur- im einzelnen im übrigen nicht belegte - Aufwendungen für zwei Hosen im Streitjahr geltend gemacht. Jedenfalls kommt es auch insoweit auf diese Beweiserhebung nicht an, weil ein erhöhter, beruflich veranlaßter Verschleiß, wie unter 1. ausgeführt, nur dann zum Werbungskostenabzug, führen könnte, wenn er sich nach objektiven Maßstäben zutreffend und in leicht nachprüfbarer Weise von dem normalen, durch die Lebenshaltung veranlaßten Verschleiß abgrenzen ließe. Da solche objektiven Maßstäbe nicht erkennbar sind, wäre eine Abspaltung des beruflich veranlaßten Mehrverschleißes nur im Wege der Schätzung möglich. Dies widerspräche jedoch den Grundsätzen, die der Große Senat des BFH im Beschluß in BFHE 100, 309, BStBl II 1971, l7 aufgestellt hat (vgl. auch Söhn, a. a. O., S.307). Selbst wenn also ein Sachverständiger oder Zeugen bestätigt hätten, daß die Kleidung des Klägers, die er im Betrieb trägt, durch Säureeinwirkung einem erhöhten Verschleiß ausgesetzt ist, hätte dies für die Entscheidung im Streitfall keine Bedeutung haben können, weil dann mangels objektiver Abgrenzungsmaßstäbe immer noch der auf die berufliche und der auf die private Nutzung entfallende Verschleiß hätte geschätzt werden müssen und somit das Aufteilungs- und Abzugsverbot zum Zuge gekommen wäre.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413691

BStBl II 1981, 781

BFHE 1981, 29

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