Entscheidungsstichwort (Thema)

Zweifel am Betriebsausgabencharakter von Zahlungen einer Landschaftsgärtnerei an Subunternehmer: Ermessensausübung bei einem Verlangen nach Benennung der Zahlungsempfänger, Schätzungsbefugnis, Schätzungsmethode, Beweislast bzw. Beweislastumkehr, fehlende Ordnungsmäßigkeit der Buchführung, Konkurrenz der §§ 160 und 162 AO 1977, fehlerhafte Eingangsrechnungen

 

Leitsatz (amtlich)

Ist sowohl streitig, ob der Höhe nach Betriebsausgaben vorliegen, als auch, ob die fehlende Benennung der Zahlungsempfänger dem Abzug entgegensteht, so ist zunächst die Höhe der Betriebsausgaben zu ermitteln oder ggf. zu schätzen (§ 162 AO 1977). Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit die fehlende Benennung der Zahlungsempfänger gemäß § 160 AO 1977 dem Abzug der nachgewiesenen oder geschätzten Ausgaben entgegensteht. Die bei der Anwendung des § 160 AO 1977 zu treffenden Ermessensentscheidungen können eine unterlassene Schätzung nicht ersetzen.

 

Orientierungssatz

1. Nur wenn die Würdigung des Sachverhalts ergibt, daß eine formell ordnungsmäßige Buchführung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sachlich unrichtig ist, kann das Ergebnis der Buchführung ganz oder teilweise verworfen werden. Die objektive Beweislast für die hierfür maßgeblichen steuererhöhenden Tatsachen trägt das FA. Eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen scheidet allerdings aus, wenn die durch die Fehler der Buchführung verursachten Unklarheiten und Zweifel durch anderweitige zumutbare Ermittlungen beseitigt werden können (vgl. BFH-Rechtsprechung).

2. Sind die Aussteller der vom Steuerpflichtigen vorgelegten Eingangsrechnungen nicht identisch mit den tatsächlichen Zahlungsempfängern, dann täuschen die vorgelegten Belege über den Namen der wahren Geschäftspartner und sind unrichtig. Dies macht die Buchführung insoweit fehlerhaft, so daß das FA nicht mehr nach den Regeln der objektiven Beweislast die Folgen der mangelnden Aufklärbarkeit trägt. Nach den allgemeinen Beweislastregeln kann von tatsächlich geleisteten Betriebsausgaben nur ausgegangen werden, wenn der Steuerpflichtige deren betriebliche Veranlassung und Höhe nachweist. Gelingt ihm das nicht der Höhe nach, obwohl offensichtlich Ausgaben angefallen sein müssen, so führt dies nicht zu Beweiserleichterungen oder einer Beweislastumkehr. Vielmehr sind in solchen Fällen gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 die nicht feststellbaren Besteuerungsgrundlagen zu schätzen.

3. § 160 AO 1977 setzt voraus, daß Schulden oder andere Lasten, Betriebsausgaben, Werbungskosten oder andere Ausgaben vorliegen, die steuerlich abziehbar sind. Fehlt es bereits hieran, so kommt es auf die weiteren Voraussetzungen der Vorschrift nicht mehr an, da ein Abzug ohnehin nicht in Betracht kommt. § 160 AO 1977 ist keine Schätzungsnorm. Nur soweit Ausgaben nach anderen steuerlichen Regelungen abziehbar sind, kann § 160 AO 1977 mit der Folge zur Anwendung kommen, daß ggf. ein Teil abziehbar bleibt. Unerheblich ist, aufgrund welcher Regelungen der Abzug ohne § 160 AO 1977 zulässig wäre. § 160 AO 1977 ist deshalb auch dann anwendbar, wenn Ausgaben aufgrund einer Schätzung anzunehmen sind (Ausführungen zur Konkurrenz mit § 162 AO 1977).

4. Sollen Ausgaben nach § 160 AO 1977 nicht berücksichtigt werden, so ist eine doppelte Ermessensausübung erforderlich. Zunächst ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob ein Benennungsverlangen geboten ist. Der zweite Schritt besteht darin, zu prüfen, ob die Hinzurechnungen dem Grunde und der Höhe nach pflichtgemäßem Ermessen entsprechen. Die Finanzgerichte sind nicht auf die Überprüfung des von der Verwaltung ausgeübten Ermessens beschränkt. Sie können vielmehr ein neues Benennungsverlangen an den Steuerpflichtigen richten und anschließend ein abweichendes, eigenes Ermessen ausüben. Der BFH als Revisionsgericht ist dagegen nur befugt, die Vorentscheidung auf Ermessensfehler zu überprüfen.

5. Ein Benennungsverlagen ist gerechtfertigt, wenn die Vermutung naheliegt, der Zahlungsempfänger habe den Bezug zu Unrecht nicht versteuert. Dies gilt auch dann, wenn einem Steuerpflichtigen mit Sicherheit Betriebsausgaben entstanden sind. Empfänger ist derjenige, dem der in der Betriebsausgabe enthaltene wirtschaftliche Wert übertragen worden ist. Werden Personen zwischengeschaltet, die die vereinbarten Leistungen nicht selbst erbringen können oder aus anderen Gründen die Aufträge weitergeleitet haben, so sind nicht die Mittelsmänner Empfänger, sondern die Personen, an die die Gelder letztlich gelangt sind, z.B.Schwarzarbeiter. Die Angabe von falschen Namen genügt zur Empfängerbenennung nicht. Ausnahmsweise kann die Anwendung des § 160 AO 1977 jedoch ermessenswidrig sein, wenn ein Steuerpflichtiger selbst Opfer einer nicht durchschaubaren Täuschung geworden ist.

6. Bei der Anwendung des § 160 AO 1977 darf der Gesichtspunkt, daß ein vollständiges Abzugsverbot für geltend gemachte Betriebsausgaben zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde, --im Gegensatz zu einer Schätzung nach § 162 AO 1977-- nicht berücksichtigt werden.

7. Schätzung der Zahlungen einer Landschaftsgärtnerei an namentlich nicht bekannte Subunternehmer: Die Schätzung muß insgesamt in sich schlüssig, wirtschaftlich vernünftig und möglich sein. Die Begründung der Schätzung muß es dem BFH ermöglichen, diese Voraussetzungen zu überprüfen. Eine grobe "griffweise" Schätzung kann diesen Anforderungen nur dann genügen, wenn keinerlei Möglichkeiten zur näheren Präzisierung der Schätzungsmethode (z.B. durch Anlehnung an die Richtsatzsammlung für Landschaftsgärtnereien oder anhand der Erfahrungswerte des FA bezüglich des Lohnaufwands) bestehen. Zumindest sind die geltend gemachten Betriebsausgaben um angemessene Unsicherheitsabschläge zu kürzen (Ausführungen zur Berücksichtigung der in den geltend gemachten Betriebsausgaben enthaltenen Umsatzsteuer).

 

Normenkette

AO 1977 §§ 158, 160, 162 Abs. 1, 2 S. 2, § 5; EStG § 4 Abs. 4; FGO §§ 102, 96 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

FG Köln (Entscheidung vom 08.11.1995; Aktenzeichen 11 K 2169/93; EFG 1996, 318; LEXinform-Nr. 0132415)

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) waren Gesellschafter der früheren X-GmbH & Co. KG (KG). Die KG betrieb bis Ende 1992 ein Landschafts- und Gartenbauunternehmen. Hauptauftraggeber waren Behörden, für die die KG die landschaftsgärtnerische Betreuung von Autobahnabschnitten und Landstraßen übernommen hatte. Diese Arbeiten wurden tatsächlich ausgeführt. Die KG selbst hatte nur wenige eigene Angestellte. Die Buchführung der KG verzeichnete eine erhebliche Zahl verschiedener Subunternehmer, die nacheinander, zum Teil aber auch nebeneinander, ohne schriftliche Verträge für die KG tätig gewesen sein sollen. Zum Nachweis legte die KG Rechnungen vor, auf denen der Empfang der Rechnungsbeträge in bar quittiert war.

Ein Teil der angeblichen Subunternehmer bestritt, für die KG Leistungen erbracht zu haben, ein anderer Teil erwies sich im Zuge der Nachforschungen als nicht existent oder unter der angegebenen Adresse als nicht ermittelbar. Bei den übrigen Subunternehmern scheiterte die Adressenermittlung oder sie waren in das Ausland ausgereist und nicht erreichbar. Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge für die auf den Baustellen tätigen (Schwarz-)Arbeiter wurden nicht abgeführt. Ebensowenig haben die angeblichen Subunternehmer die in den Rechnungen ausgewiesene Vorsteuer erklärt und Gewinne versteuert.

Zwischen dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) und der KG kam es zu Meinungsverschiedenheiten über die Anerkennung der Subunternehmerrechnungen. Bei der Festsetzung der Umsatzsteuer der Jahre 1985 bis 1991 berücksichtigte das FA die ausgewiesene Vorsteuer nicht mehr. Die Klage der KG gegen die geänderten Umsatzsteuerbescheide blieb erfolglos. Bei der Gewinnermittlung der KG verweigerte das FA zunächst für die Jahre 1986, 1989 und 1990 den Betriebsausgabenabzug einzelner Rechnungsbeträge. Im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung hatte der erkennende Senat keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen (Beschlüsse vom 6. Oktober 1993 VIII B 122/92, BFH/NV 1994, 173, und vom 6. Oktober 1993 VIII B 121/92, BFH/NV 1994, 311).

Bei der Gewinnfeststellung der Streitjahre versagte das FA den Betriebsausgabenabzug nicht nur einzelner, sondern sämtlicher Subunternehmerrechnungen. Vor Abzug der Gewerbesteuerrückstellungen ergaben sich Gewinnerhöhungen in folgender Höhe:

1985: 1 472 392 DM

1987: 1 538 848 DM

1988: 1 766 156 DM

Das FA sah die Subunternehmerrechnungen nicht als ausreichenden Nachweis von Betriebsausgaben an. Möglicherweise hätten die Kläger die streitigen Beträge überhaupt nicht aus betrieblichen Gründen ausgegeben oder sie seien an sie zurückgeflossen. Bei Geschäften der vorliegenden Art sei es naheliegend, daß sich die handelnden Personen eigene Risikoprämien gewährten. Mangels jeglicher substantiierter Tatsachen und konkreter Nachweise zur Bezahlung der streitigen Beträge sei der Betriebsausgabenabzug in voller Höhe zu versagen. Dabei komme es wegen der Grundsätze in den Beschlüssen des Bundesfinanzhofs (BFH) in BFH/NV 1994, 173 und in BFH/NV 1994, 311 auf § 160 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht mehr an.

Ferner hatte das FA die KG im Laufe des Besteuerungsverfahrens unter ausdrücklichem Hinweis auf § 160 AO 1977 vergeblich aufgefordert, mitzuteilen, an welche Personen welche Beträge gezahlt wurden. Unter Hinweis hierauf vertrat es die Ansicht, daß der Betriebsausgabenabzug auch an der fehlenden Benennung der richtigen Empfänger scheitere. Schwarzarbeiterlöhne wären zudem allenfalls in Höhe von 35,75 % der Rechnungsbeträge angefallen. Die Kläger machten geltend, sie seien davon ausgegangen, daß die von ihnen angegebenen Subunternehmer die Leistungen erbracht hätten. Anderes sei für sie nicht erkennbar gewesen. § 160 AO 1977 sei daher nicht anwendbar. Nicht bekannt sei ihnen zwar, wie die Subunternehmer mit den Leistungserbringern (Kolonnenführern und Arbeitern) im einzelnen abgerechnet hätten. Dennoch sei sicher, daß mit den Zahlungen der KG letztlich nur die tatsächlich erbrachten Leistungen abgegolten worden seien. In diesem Punkt habe der BFH in den o.g. Beschlüssen den Sachvortrag der KG falsch gewürdigt. Ferner sei in den Streitjahren eine gewinnmindernde Rückstellung für die aufgrund der geänderten Umsatzsteuerbescheide zurückzuzahlenden Vorsteuerbeträge zu bilden.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 318 veröffentlicht. Es führt aus, die betriebliche Veranlassung des Abflusses der streitigen Beträge könne nicht zweifelhaft sein, denn die von der KG übernommenen Arbeiten seien aufgrund der Zahlungen tatsächlich ausgeführt worden. Zudem seien mit den Geldern zumindest auch die tatsächlich geleisteten Arbeiten abgegolten worden. Es sei folglich unerheblich, wie die Zahlungsempfänger im einzelnen mit den Hintermännern abgerechnet hätten. Der Vortrag des FA, die Kläger hätten sich möglicherweise selbst Risikoprämien gewährt, sei eine unbeachtliche Spekulation, für die jeder Beleg fehle. Deutlich geworden sei, daß die Rechnungsaussteller nicht mit den Zahlungsempfängern identisch sein dürften. In den Streitjahren komme es jedoch auf die vom BFH in BFH/NV 1994, 173 und in BFH/NV 1994, 311 hierzu entwickelten Grundsätze nicht an, denn ein vollständiges Abzugsverbot der Aufwendungen führe zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung. Anzuwenden sei bei dieser Sachlage § 160 AO 1977. Das FA habe die Benennung der Zahlungsempfänger verlangen dürfen. Die Höhe der nicht abziehbaren Ausgaben sei griffweise mit 50 % der Nettorechnungsbeträge zu schätzen. In dieser Höhe sei von Provisionen, Schutzgeldern und Schmiergeldern auszugehen. In Höhe der anderen 50 % sei der Klage dagegen stattzugeben, denn es lägen Zahlungen an die wirklichen Subunternehmer vor, die selbst keinen einkommensteuerpflichtigen Gewinn erzielt hätten. Im übrigen sei der Gewinn der Streitjahre in Höhe der jeweiligen Vorsteuerrückforderungen gemäß Abschn. 22 Abs. 3 Nr. 2 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1987 (jetzt R 20 Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 EStR 1996) zu kürzen.

Mit der Revision macht das FA geltend, das FG habe die Grundsätze der Beweislast verkannt. Die Kläger müßten den Abfluß der behaupteten Zahlungen nachweisen. Das Bestreiten des FA könne nicht mit dem Argument, es liege eine bloße Spekulation ohne Anhaltspunkte vor, übergangen werden. Im Streitfall fehle es am betrieblichen Nachweis sämtlicher Zahlungen.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger zu 1 beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die bei der Beweiswürdigung gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO sinngemäß geltenden Vorschriften der §§ 158, 160 und 162 AO 1977 unzutreffend angewendet.

1. Die Würdigung des FG, die KG habe die streitigen Zahlungen in voller Höhe aus betrieblich veranlaßten Gründen geleistet, beruht auf einer Verletzung der Regeln der objektiven Beweislast.

a) Nach § 158 AO 1977 sind der Besteuerung die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO 1977 entsprechen, zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlaß besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Nur wenn die Würdigung des Sachverhalts ergibt, daß eine formell ordnungsmäßige Buchführung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sachlich unrichtig ist, kann das Ergebnis der Buchführung ganz oder teilweise verworfen werden. Die objektive Beweislast für die hierfür maßgeblichen steuererhöhenden Tatsachen trägt das FA (Urteil des BFH vom 9. August 1991 III R 129/85, BFHE 165, 326, BStBl II 1992, 55).

Ist eine Buchführung ganz oder teilweise nicht nach § 158 AO 1977 der Besteuerung zugrunde zu legen, sind die Besteuerungsgrundlagen grundsätzlich nach § 162 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 zu schätzen. Eine Schätzung scheidet allerdings dann aus, wenn die durch die Fehler der Buchführung verursachten Unklarheiten und Zweifel durch anderweitige zumutbare Ermittlungen beseitigt werden können (§ 162 Abs. 1 Satz 1 AO 1977; s. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1984 VIII R 195/92, BFHE 142, 558, BStBl II 1986, 226 unter 2.). Im Rahmen einer solchen Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse richten sich die Anforderungen an die nötigen Beweise und die Beweislast nach den allgemein geltenden Grundsätzen. Danach muß ein Steuerpflichtiger alle Voraussetzungen für den Abzug von Betriebsausgaben nachweisen (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Entscheidungen vom 15. Februar 1989 X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462, und in BFH/NV 1994, 173 und 311, m.w.N.).

b) Im Streitfall ist die Buchführung der KG nach den Feststellungen des FG nicht ordnungsgemäß. Den Buchungen der Betriebsausgaben lagen keine inhaltlich richtigen Belege zugrunde.

Eine Buchführung ist ordnungsgemäß, wenn sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann (§ 145 Abs. 1 AO 1977). Die Buchungen und die sonstigen Aufzeichnungen müssen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet sein (§ 146 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Dazu gehört die Sammlung von Belegen. Jede Buchung muß im Zusammenhang mit einem Beleg stehen. Die Belege und die empfangenen Geschäftsbriefe sind aufzubewahren (§ 147 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AO 1977). Fehlen sie, so ist eine Buchführung nicht ordnungsgemäß (z.B. BFH-Urteile in BFHE 142, 558, BStBl II 1986, 226 unter 1., und vom 21. Februar 1990 X R 54/87, BFH/NV 1990, 683 unter 1. c; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 145 AO 1977 Rz. 11 und § 147 AO 1977 Rz. 6; Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 146 AO 1977 Rz. 19 und § 147 AO 1977 Rz. 10 und 13; Klein/Orlopp, Abgabenordnung, § 146 Anm. 10).

Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) sind die Aussteller der von der KG vorgelegten Rechnungen nicht identisch mit den tatsächlichen Zahlungsempfängern. Die vorgelegten Belege täuschen somit über den Namen der wahren Geschäftspartner und sind unrichtig. Dies macht die Buchführung insoweit fehlerhaft, ohne daß es in diesem Punkt auf Fragen der objektiven Beweislast ankommt.

c) Tatsächliche Feststellungen zur Höhe des Abflusses der streitigen Zahlungen hat das FG nicht getroffen. Dennoch hat es die Betriebsausgaben der KG nicht nach § 162 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 geschätzt. Statt dessen hat es den Vortrag des FA, die Kläger hätten sich möglicherweise Teile der Zahlungen als Risikoprämien selbst gewährt, als bloße Spekulation ohne Belege unbeachtet gelassen und ist vom betrieblich veranlaßten Abfluß der streitigen Ausgaben in voller Höhe ausgegangen. Indes hätte das FA nur bei ordnungsgemäßer Buchführung nach den Regeln der objektiven Beweislast die Folgen der mangelnden Aufklärbarkeit tragen müssen. Aufgrund der fehlerhaften Buchführung war § 158 AO 1977 mit der sich aus der Regelung ergebenden besonderen Beweislastverteilung jedoch nicht anwendbar. Das FG hätte somit - -wenn keine Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts geboten waren-- die in den Senatsbeschlüssen in BFH/NV 1994, 173 und 311 zu anderen Streitjahren dargestellten allgemeinen Beweislastregeln anwenden müssen. Nach ihnen kann von tatsächlich geleisteten Betriebsausgaben nur ausgegangen werden, wenn die Kläger deren betriebliche Veranlassung und Höhe nachweisen. Gelingt dies einem Steuerpflichtigen nicht der Höhe nach, obwohl offensichtlich Ausgaben angefallen sein müssen, so führt dies nicht zu Beweiserleichterungen oder einer Beweislastumkehr. Vielmehr sind in solchen Fällen gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 die nicht feststellbaren Besteuerungsgrundlagen zu schätzen.

2. Eine Schätzung nach § 162 AO 1977 ist grundsätzlich unabhängig von der Prüfung eines Abzugsverbots nach § 160 AO 1977 durchzuführen. Die bei der Anwendung des § 160 AO 1977 zu treffenden Ermessensentscheidungen können eine unterlassene Schätzung nicht ersetzen. Nur wenn Ausgaben nach beiden Vorschriften gleich zu behandeln sind, kann auf eine Schätzung verzichtet werden.

a) § 160 AO 1977 setzt nach dem klaren und eindeutigen Gesetzeswortlaut voraus, daß Schulden oder andere Lasten, Betriebsausgaben, Werbungskosten oder andere Ausgaben vorliegen, die steuerlich abziehbar sind. Fehlt es bereits hieran, so kommt es auf die weiteren Voraussetzungen der Vorschrift nicht mehr an, da ein Abzug ohnehin nicht in Betracht kommt. § 160 AO 1977 ist keine Schätzungsnorm. Nur soweit Ausgaben nach anderen steuerlichen Regelungen abziehbar sind, kann § 160 AO 1977 mit der Folge zur Anwendung kommen, daß ggf. ein Teil abziehbar bleibt (BFH-Urteile vom 16. März 1988 I R 151/85, BFHE 153, 293, BStBl II 1988, 759, und vom 29. Januar 1992 X R 145/90, BFH/NV 1992, 439; Beermann, a.a.O., § 160 AO 1977 Rz. 2 und 3; Tipke/Kruse, a.a.O., § 160 AO 1977 Rz. 4).

Unerheblich ist, aufgrund welcher Regelungen der Abzug ohne § 160 AO 1977 zulässig wäre. § 160 AO 1977 ist deshalb auch dann anwendbar, wenn Ausgaben aufgrund einer Schätzung anzunehmen sind (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 5. Mai 1966 IV 37/64, BFHE 86, 339, BStBl III 1966, 518, und vom 13. März 1985 I R 7/81, BFHE 145, 502, BStBl II 1986, 318). In ständiger Rechtsprechung hat der BFH in diesem Zusammenhang entschieden, daß es nicht darauf ankommt, ob das FA oder das FG von der Verausgabung der Aufwendungen überzeugt ist oder nicht (BFH-Urteile vom 17. Dezember 1980 I R 148/76, BFHE 132, 211, BStBl II 1981, 333 unter 2. d, und in BFHE 145, 502, BStBl II 1986, 318). Aus diesen Entscheidungen kann jedoch nicht gefolgert werden, daß bei Anwendung des § 160 AO 1977 darauf verzichtet werden kann, ggf. durch Schätzung festzustellen, ob überhaupt abziehbare Ausgaben vorliegen. Die Urteile bringen vielmehr nur den Grundsatz zum Ausdruck, daß auf nicht entscheidungserhebliche Differenzierungen verzichtet werden kann (vgl. hierzu z.B. BFH-Urteil vom 4. Dezember 1996 I R 54/95, Der Betrieb --DB-- 1997, 707 unter 1.). Eine Unterscheidung zwischen § 160 und § 162 AO 1977 ist nicht erheblich, wenn die Anwendung beider Normen zum selben Ergebnis führt. So können Ausgaben nach beiden Vorschriften anzuerkennen sein (vgl. BFH-Urteil vom 22. Oktober 1991 VIII R 64/86, BFH/NV 1992, 449). Ferner kann auf eine Schätzung verzichtet werden, wenn die ggf. zu schätzenden Ausgaben ohnehin gemäß § 160 AO 1977 nicht abziehbar sind.

b) Sollen Ausgaben nach § 160 AO 1977 nicht berücksichtigt werden, so ist eine doppelte Ermessensausübung erforderlich. Die bei der Ermessensausübung gebotenen Erwägungen sind nicht mit den Schätzungsgrundsätzen des § 162 AO 1977 vergleichbar.

aa) Gemäß § 160 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 sind u.a. Betriebsausgaben regelmäßig steuerlich nicht zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige dem Verlangen der Finanzbehörde nicht nachkommt, die Gläubiger oder Empfänger genau zu benennen. Die rechtmäßige Anwendung des § 160 AO 1977 ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH in zwei Schritten zu überprüfen. Zunächst ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob ein Benennungsverlangen geboten ist. Der zweite Schritt besteht darin, zu prüfen, ob die Hinzurechnungen dem Grunde und der Höhe nach pflichtgemäßem Ermessen entsprechen (z.B. BFH-Urteile vom 25. August 1986 IV B 76/86, BFHE 149, 381, BStBl II 1987, 481; vom 9. August 1989 I R 66/86, BFHE 158, 7, BStBl II 1989, 995; vom 15. März 1995 I R 46/94, BFHE 178, 99, BStBl II 1996, 51, und vom 15. Mai 1996 X R 99/92, BFH/NV 1996, 891).

Die Finanzgerichte sind nicht auf die Überprüfung des von der Verwaltung ausgeübten Ermessens beschränkt. Sie können vielmehr ein neues Benennungsverlangen an den Steuerpflichtigen richten und anschließend ein abweichendes, eigenes Ermessen ausüben. Der BFH als Revisionsgericht ist dagegen nur befugt, die Vorentscheidung auf Ermessensfehler zu überprüfen (BFH-Urteile in BFH/NV 1996, 891, und vom 25. November 1986 VIII R 350/82, BFHE 148, 406, BStBl II 1987, 286).

bb) Ein Benennungsverlagen ist grundsätzlich dann gerechtfertigt, wenn die Vermutung naheliegt, der Zahlungsempfänger habe den Bezug zu Unrecht nicht versteuert. Dies gilt auch dann, wenn einem Steuerpflichtigen mit Sicherheit Betriebsausgaben entstanden sind (BFH-Urteil in BFHE 158, 7, BStBl II 1989, 995). Empfänger ist derjenige, dem der in der Betriebsausgabe enthaltene wirtschaftliche Wert übertragen worden ist. Werden Personen zwischengeschaltet, die die vereinbarten Leistungen nicht selbst erbringen können oder aus anderen Gründen die Aufträge weitergeleitet haben, so sind nicht die Mittelsmänner Empfänger, sondern die Personen, an die die Gelder letztlich gelangt sind (BFH-Urteile vom 8. Februar 1972 VIII R 41/66, BFHE 104, 502, BStBl II 1972, 442; in BFHE 149, 381, BStBl II 1987, 481, und vom 30. August 1995 I R 126/94, BFH/NV 1996, 267). Dies können auch Schwarzarbeiter sein (BFH-Urteil vom 4. April 1996 IV R 55/94, BFH/NV 1996, 801). Die Angabe von falschen Namen genügt zur Empfängerbenennung nicht. Ausnahmsweise kann die Anwendung des § 160 AO 1977 jedoch ermessenswidrig sein, wenn ein Steuerpflichtiger selbst Opfer einer nicht durchschaubaren Täuschung geworden ist (BFH in BFH/NV 1996, 801).

cc) Bei der Ermessensausübung zweiter Stufe ist über die Höhe des zu versagenden Ausgabenabzugs zu entscheiden. Maßgeblich für die anzustellenden Ermessenserwägungen ist der Zweck des § 160 AO 1977, einen Ausgleich für die vermutete Nichtversteuerung beim Empfänger zu schaffen, indem der Steuerpflichtige wie ein Haftender für fremde Steuern in Anspruch genommen wird. Nur soweit Steuerausfälle nicht zu erwarten sind, können Ausgaben trotz fehlender Empfängerbezeichnung zum Abzug zugelassen werden. Pauschale Berechnungen des möglichen Steuerausfalls sind zulässig; sonstige Erwägungen, die nicht im Zusammenhang mit dem möglichen Steuerausfall stehen, sind dagegen ermessensfehlerhaft (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 158, 7, BStBl II 1989, 995; vom 20. Juli 1993 XI B 85/92, BFH/NV 1994, 241, und in BFHE 178, 99, BStBl II 1996, 51).

c) Nach diesen Grundsätzen ist nicht zu beanstanden, daß das FG von einem rechtmäßigen Benennungsverlagen des FA ausging. Insbesondere hat das FG zu Recht darauf abgestellt, daß die Kläger die fehlende Seriosität der Subunternehmer erkennen mußten und nicht Opfer einer undurchschaubaren Täuschung waren.

Die Ermessenserwägungen zweiter Stufe sind indes fehlerhaft. Das FG durfte nicht darauf abstellen, daß ein vollständiges Abzugsverbot zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung der KG führen würde. Dieser Gesichtspunkt ist im Rahmen einer Schätzung der angefallenen Betriebsausgaben nach § 162 AO 1977 sachgerecht. Bei der Anwendung des § 160 AO 1977 ist er dagegen als Ermessensfehler anzusehen, denn es kommt ausschließlich darauf an, ob Steuerausfälle zu vermuten sind. Die gesetzliche Regelung nimmt bewußt in Kauf, daß ein Steuerpflichtiger wie ein Haftender letztlich fremde Steuern bezahlt. Dies kann auch dazu führen, den Abzug von Betriebsausgaben in voller Höhe zu versagen. Vor allem aber durfte das FG im Streitfall nicht auf eine vorrangige Schätzung der Betriebsausgaben verzichten bzw. eine Schätzung nach § 162 AO 1977 und die Anwendung des § 160 AO 1977 vermischen. Nur soweit die nicht nachgewiesenen Betriebsausgaben nach Schätzungsgrundsätzen zu bejahen sind, kommt ggf. ihre teilweise (Nicht-)Anerkennung nach § 160 AO 1977 in Betracht.

3. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Der BFH ist als Revisionsgericht weder zu einer Schätzung noch zu einem erneuten Benennungsverlangen mit anschließender eigener Ermessensausübung nach § 160 AO 1977 befugt. Die Sache ist daher zur anderweitigen Verhandlung an das FG zurückzuverweisen.

Im zweiten Rechtsgang wird das FG zunächst prüfen, ob Maßnahmen zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts geboten sind und in welcher Höhe die streitigen Betriebsausgaben als nachgewiesen angesehen werden können. Scheitert der Nachweis der --dem Grunde nach offensichtlich angefallenen-- Ausgaben durch die Kläger, sind die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 zu schätzen. Die Schätzung muß insgesamt in sich schlüssig, wirtschaftlich vernünftig und möglich sein. Die Begründung der Schätzung muß es dem BFH ermöglichen, diese Voraussetzungen zu überprüfen (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1984 VIII R 195/82, BFHE 142, 558, BStBl II 1986, 226). Die bisherige, grobe "griffweise" Schätzung kann diesen Anforderungen nur dann genügen, wenn keinerlei Möglichkeiten zur näheren Präzisierung der Schätzungsmethode (z.B. durch Anlehnung an die Richtsatzsammlung für Landschaftsgärtnereien oder anhand der vom FA behaupteten Erfahrungswerte bezüglich des Lohnaufwands) bestehen sollten. Zumindest sind die geltend gemachten Betriebsausgaben um angemessene Unsicherheitsabschläge zu kürzen.

Als Betriebsausgaben zu schätzen sind --soweit nicht ohnehin von Zahlungen an nicht umsatzsteuerpflichtige Schwarzarbeiter auszugehen ist-- die Bruttozahlungen der KG. Darin enthaltene Vorsteuerbeträge sind im Streitfall nicht gewinneutral zu erfassen, denn es steht fest, daß die KG gegenüber dem FA keine Ansprüche auf Vorsteuererstattungen hatte. Dies hat zur Folge, daß die Vorsteuererstattungen des FA zu den jeweiligen Zahlungszeitpunkten gewinnerhöhend anzusetzen sind, es sei denn, daß die Voraussetzungen zur zeitgleichen Bildung von Passivposten für die Rückforderungen (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 16. Februar 1996 I R 73/95, BFHE 180, 110, BStBl II 1996, 592 unter II. A.) gegeben sind.

Soweit nach den Ergebnissen der Ermittlungen oder der Schätzung von Betriebsausgaben auszugehen ist, wird das FG sodann prüfen, ob bzw. in welchem Umfang § 160 AO 1977 ihren Abzug zuläßt (vgl. zum Einsatz eigener Schwarzarbeiter BFH-Urteil in BFH/NV 1996, 801). Eine eigene Ermessensausübung ist unter der Voraussetzung zulässig, daß die Kläger vom FG zur Benennung der Zahlungsempfänger aufgefordert werden. Sollten (Brutto-)Zahlungen an umsatzsteuerpflichtige Subunternehmer geschätzt werden, so führen auch die von der KG bezahlten Vorsteuern zu einem einkommensteuerpflichtigen Gewinn der Empfänger und damit grundsätzlich zum Abzugsverbot des § 160 AO 1977. Da die Subunternehmer den Steuerbehörden nicht bekannt sind und ihre Entdeckung ohne Benennung durch die Kläger auch nicht bevorsteht, können sie gemäß dem BFH-Urteil vom 19. Oktober 1993 VIII R 14/92 (BFHE 172, 456, BStBl II 1993, 891 unter 1. b aa und dd) für vereinnahmte und nicht abgeführte Umsatzsteuer keinen einen Ertrag verhindernden Passivposten bilden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66184

BFH/NV 1998, 369

BFH/NV 1998, 369-371 (Leitsatz und Gründe)

BStBl II 1998, 51

BFHE 183, 358

BFHE 1998, 358

BB 1998, 831

BB 1998, 92

BB 1998, 92 (Leitsatz)

DB 1998, 352

DB 1998, 352 (Leitsatz)

DStRE 1998, 68

DStRE 1998, 68-71 (Leitsatz und Gründe)

DStZ 1998, 446

DStZ 1998, 446-447 (Leitsatz und Gründe)

HFR 1998, 166

StE 1997, 806-807 (Leitsatz)

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