Leitsatz (amtlich)

Wiederkehrende, als Entgelt für die Hingabe eines Vermögensgegenstandes zu erbringende Zahlungen, die ein Steuerpflichtiger in jeweils gleichbleibender Höhe für eine von vornherein eindeutig festgelegte Laufzeit zu gewähren hat, sind steuerrechtlich regelmäßig als Kaufpreisraten zu behandeln.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1, § 22 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Steuerpflichtige) hat von seinem Vater durch Vertrag vom 6. Juli 1957 Aktien zum Kaufpreis von 735 000 DM erworben. Den Kaufpreis brauchte er zunächst nicht zu erbringen; er mußte ihn jedoch vom 1. Januar 1958 an mit 6 v. H. verzinsen. Der Vater hat in einem zwischen ihm und seiner Tochter, einer Schwester des Steuerpflichtigen, und dem Steuerpflichtigen geschlossenen Vertrag einen Teil der Kaufpreisforderung in Höhe von 250 000 DM an die Tochter schenkweise - in vorweggenommener Erbfolge - abgetreten. Der abgetretene Betrag sollte in jährlichen Teilbeträgen von 10 000 DM, erstmals fällig zum 1. Januar des vierten auf den Tod des Vaters folgenden Jahres, von der Tochter gefordert werden können. Schriftliche Vertragsänderungen sind dieser und dem Steuerpflichtigen gestattet.

In einer gemeinsamen Erklärung vom 3. August 1961 haben der Steuerpflichtige und sein Vater bestätigt, der Steuerpflichtige habe seine Schuld von 485 000 DM gegenüber seinem Vater durch Überweisung getilgt. Weiter heißt es in der Erklärung, es sei Ehrenpflicht des Steuerpflichtigen, bei Eintreten einer Geldentwertung mit seiner Schwester eine ergänzende Abrede hinsichtlich der Schuld von 250 000 DM zu treffen; der Vermögenswert, die Rendite und die Rückzahlungsraten seien der Kaufkraft der DM anzugleichen.

Durch Vereinbarung vom 21./25. Januar 1963 kamen der Steuerpflichtige und seine Schwester überein, daß er für den Kaufkraftschwund vom 1. Januar 1958 bis 31. Dezember 1962 einen Aufwertungsbetrag von 25 000 DM schulde. Davon hat der Steuerpflichtige im Jahre 1963 und 1964 je 5 000 DM gezahlt. Die verbliebene Gesamtforderung der Schwester gegen den Steuerpflichtigen von nunmehr insgesamt 265 000 DM nebst 6 v. H. Zinsen ist durch notariellen, zwischen dem Steuerpflichtigen und der Schwester geschlossenen Vertrag vom 23. Januar 1965/30. März 1965 zum Zweck der Unterhaltssicherung der Schwester "verrentet" worden. Nach dem Vertrag schuldet der Steuerpflichtige der Schwester oder ihren Erben vom 1. Februar 1965 an bis zum 31. Januar 2005 monatlich 1 430 DM. Hierzu ist noch eine Wertsicherungsklausel vereinbart worden.

Für das Jahr 1965 begehrte der Steuerpflichtige 15 730 DM (11 X 1 430 DM) und für das Jahr 1966 17 748 DM (12 X 1 479 DM) als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG zum Abzug zuzulassen. Zusätzlich beantragte er für 1965, den noch nicht ausgezahlten Aufwertungsbetrag von 15 000 DM als Sonderausgaben anzuerkennen. Das FA ging von Kaufpreisraten aus, die der Steuerpflichtige der Schwester erbringe; es berücksichtigte lediglich die Zinsanteile unter Zugrundelegung des vertragsgemäßen Zinssatzes von 6 v. H. als Sonderausgaben.

Das FG wies die Klage im wesentlichen aus folgenden Gründen ab: Es liege keine Leibrente, sondern eine auf 40 Jahre berechnete Zeitrente vor; denn es fehle hier an dem für Leibrenten typischen Risiko durch Anknüpfung an das Lebensalter der Berechtigten. Die Zeitrente sei entgeltlich gewährt worden. Die Schwester des Steuerpflichtigen habe für diesen Rentenanspruch auf ihre Forderung von 265 000 DM verzichtet. Im übrigen sei die ursprüngliche Schuld des Steuerpflichtigen gegenüber seiner Schwester in Höhe von 265 000 DM eine Kaufpreisverbindlichkeit - also ebenfalls eine entgeltliche Schuld - gewesen, die zunächst dem Vater des Steuerpflichtigen, später der Schwester zugestanden habe. Diese Forderung sei dann in eine Rente umgewandelt worden, die also in jedem Fall entgeltlich von der Schwester erworben worden sei. Bei Zeitrenten sei es wesentlich, ob sie entgeltlich oder unentgeltlich gewährt worden seien. Denn entgeltliche Zeitrenten hätten oft nur den Charakter von Kaufpreisraten oder Kapitalrückzahlungen. Sie seien deshalb sog. unechte Zeitrenten, bei denen nur ein etwaiger Ertragsanteil nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG als Sonderausgaben abziehbar sei. Bei entgeltlichen Zeitrenten habe die Rechtsprechung die Abgrenzung gegenüber reinen Kaufpreisraten immer mehr zugunsten der letzten ausgeweitet; sie nehme auch bei längerer Dauer der Ratenzahlung wirtschaftlich in der Regel keine Rente an, sondern nur Kapitalrückzahlungen, bei denen lediglich der in ihnen evtl. enthaltene Zinsanteil als Einnahmen aus Kapitalvermögen der Einkommensteuer zu unterwerfen sei. Zwar seien nach dem Rechtssatz des Urteils des BFH VI 288/62 U vom 10. Oktober 1963 (BFH 77, 719, BStBl III 1963, 584) Zeitrenten schlechthin beim Geber voll als Sonderausgaben abzusetzen und beim Empfänger voll als Einkünfte nach § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG anzusetzen. Dieser Grundsatz könne aber nicht für entgeltliche Zeitrenten gelten. Es sei nicht im Sinne der Einkommensbesteuerung, daß derjenige, der selber die Gegenleistung erbracht habe, für die Rente auf Zeit gleich hohe Steuern zahlen solle wie derjenige, der ohne eine Leistung in den Genuß solcher wiederkehrenden Bezüge komme. So sehr es daher billig und Rechtens sei, daß der Empfänger solcher entgeltlicher Zeitrenten nur den Ertragsanteil der Einkommensteuer zu unterwerfen habe, so könne andererseits der Geber wegen der Wechselwirkung der §§ 10 und 22 EStG auch nur den gleichen Anteil als Sonderausgaben abziehen. Es sei schließlich zutreffend, den Wertausgleich von 15 000 DM nicht als Sonderausgaben anzuerkennen.

Mit der Revision macht der Steuerpflichtige geltend, die seiner Schwester eingeräumte Zeitrente sei unentgeltlich gewährt worden. Für die Beurteilung der Frage, ob eine entgeltliche oder unentgeltliche Rente vorliege, komme es nicht auf die Rechtsbeziehungen zwischen ihm und seinem Vater, sondern zwischen seinem Vater und seiner Schwester an. Der Vater habe ihr die Forderung aber geschenkt. Die Vereinbarung vom 23. Januar 1965 habe demgegenüber kein neues Rechtsverhältnis begründet. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise sei die Rechtslage so zu beurteilen, als hätte der Vater bei Veräußerung der Aktien durch echten Vertrag zugunsten Dritter nach § 328 BGB unmittelbar eine Rente zugunsten der Schwester begründet. Selbst wenn seine Schwester die Rente entgeltlich erworben hätte, wären seine Rentenzahlungen an sie voll als Sonderausgaben abziehbar. Die Einschränkung des § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG sei nur auf Leibrenten, die hier nicht vorlägen, anwendbar. Die genannte Vorschrift könne auch nicht analog auf entgeltliche Zeitrenten angewandt werden. Schließlich sei der Wertausgleich von 15 000 DM im Jahre 1965 als Sonderausgaben abziehbar. Es liege hier eine Doppelmaßnahme vor. Die erste Maßnahme sei die fiktive Tilgung der Schuld einschließlich des Wertausgleichs. Damit liege einkommensteuerrechtlich ein Zufluß bei der Schwester vor, bei der zweiten Maßnahme handele es sich dann um die Rückgabe des gesamten Betrags gegen Gewährung einer Zeitrente.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

Dem FG ist zunächst darin zuzustimmen, daß die Vereinbarung vom 23. Januar/30. März 1965 keine Leibrente begründete. Eine Leibrente muß auf einem Rentenstammrecht beruhende wiederkehrende, fest begrenzte und gleichmäßige Leistungen auf die Lebenszeit des Berechtigten zum Gegenstand haben (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z. B. das Urteil des Senats VI R 31/66 vom 2. Dezember 1966, BFH 87, 395, BStBl III 1967, 179). Im Streitfall ist die Zahlung nicht auf die Lebenszeit der Schwester des Steuerpflichtigen abgestellt. Die "Rente" ist unabhängig von dem Leben der Schwester - auch dem ihrer Erben - auf insgesamt 40 Jahre zu gewähren.

Entgegen der Auffassung des FG ist im Streitfall aber auch keine Zeitrente gegeben. Denn nach dem Urteil des BFH IV 70/49 U vom 18. September 1952 (BFH 56, 754, BStBl III 1952, 290) sind gegen Hingabe eines Vermögensgegenstandes erworbene sog. Zeitrenten weitgehend als Kaufpreisraten aufzufassen. Im Schrifttum wird deshalb auch überwiegend die Auffassung vertreten, daß es betriebliche und private Veräußerungs zeit renten eigentlich gar nicht gibt (vgl. Jansen-Wrede, Renten, Raten, dauernde Lasten, 1966 S. 38; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 13. Auflage, § 22 EStG, Anm. 58; Lenski in Hartmann-Böttcher-Grass, Großkommentar zur Einkommensteuer, § 22 Anm. 4). Der Senat ist gleichfalls der Auffassung, daß entgeltlich erworbene sog. Zeitrenten regelmäßig keine Renten, sondern Kapitalrückzahlungen sind. Denn die Hingabe eines Vermögensgegenstandes gegen eine bestimmte Zahl von Kaufpreisraten unterscheidet sich in der Regel nicht von der Hingabe eines Vermögensgegenstandes gegen eine gleich hohe und gleich lang zu gewährende Zeitrente.

Hier erbringt der Steuerpflichtige demnach an seine Schwester Kaufpreisraten. Das ergibt sich im übrigen klar aus dem Sachverhalt: Zwar hat die Schwester die Forderung von 250 000 DM von ihrem Vater geschenkt erhalten. Darauf kommt es aber nicht an. Zu beachten ist nur das Rechtsverhältnis zwischen dem Steuerpflichtigen, dem Zahlungsverpflichteten, und der Schwester, der Zahlungsberechtigten. Zunächst stand dieser der ihr abgetretene Kaufpreisanspruch zu. Aus der Sicht des Steuerpflichtigen handelte es sich insoweit eindeutig um ein Entgelt für den Erwerb der Aktien, das er allerdings nicht dem Veräußerer, wohl aber als Gegenleistung für die Aktien einem Dritten, nämlich der Schwester, zu erbringen hatte. Der Einwand des Steuerpflichtigen, die Rechtslage sei so zu sehen, wie wenn ein Vertrag zugunsten Dritter, nämlich der Schwester, vorgelegen habe, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn wenn der Vater mit dem Steuerpflichtigen sofort vereinbart hätte, der Kaufpreis stehe zum Teil der Schwester zu und sei ihr in der Form auszuzahlen, wie es nunmehr vereinbart ist, so handelte es sich zwar um einen Vertrag zugunsten eines Dritten. Der Steuerpflichtige hätte in diesem Fall aber auch Kaufpreisraten an die Schwester als Entgelt für die Aktien zu erbringen. Daß der Gesamtpreis von 735 000 DM ein ausgewogener Kaufpreis ist, ergibt sich im übrigen aus der Tatsache, daß er den Wert darstellt, den der Vater des Steuerpflichtigen seinerzeit als den zutreffenden Wert der Aktien ermitteln ließ.

Zwar ist bei der Umwandlung der ursprünglichen Forderung der Schwester in eine "Rente" die Unterhaltssicherung der Schwester mitentscheidend gewesen. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des Vertrags vom 23. Januar/30. März 1965, aber auch aus der in jenem Vertrag vereinbarten Wertsicherungsklausel. Diese Klausel sollte jedoch gerade sicherstellen, daß die Leistungen einen etwa gleichbleibenden wirtschaftlichen Wert haben. Sie steht deshalb einer Kaufpreisverbindlichkeit nicht entgegen. Im übrigen konnte durch die Änderung des ursprünglich vereinbarten Auszahlungsmodus der Charakter der Kaufpreisverpflichtung als solcher nicht beeinträchtigt werden.

Liegen hier aber nur Kaufpreiszahlungen des Steuerpflichtigen vor, so können sie jedenfalls nicht voll als Sonderausgaben berücksichtigt werden. Ob ein Abzug des Zinsanteils, wie vom FA zugelassen, statthaft ist, kann hier nicht entschieden werden. Das nach dem Inkrafttreten der FGO bestehende Verböserungsverbot gestattet es dem FG und dem BFH nicht, einen vom FA anerkannten Betrag nicht anzuerkennen (vgl. das Urteil des Senats VI R 261/67 vom 19. August 1969, BFH 96, 458, BStBl II 1970, 11).

Zu Recht hat das FG auch den Wertausgleich von 15 000 DM nicht als Sonderausgaben im Jahre 1965 anerkannt. Diesen Betrag hat der Steuerpflichtige im Jahre 1965 tatsächlich nicht geleistet (§ 11 Abs. 2 EStG). Er ist vielmehr der ursprünglichen Kaufpreisforderung von 250 000 DM zugeschlagen und auf die einzelnen Raten umgelegt worden. Dieser Vorgang kann auch nicht, wie es der Steuerpflichtige meint, als Doppelmaßnahme gesehen werden. Die - nach Auffassung des Steuerpflichtigen - fiktive Tilgung der Schuld führte eben nicht, was § 11 Abs. 2 EStG fordert, zu einem tatsächlichen Abfluß des Wertausgleichs von 15 000 DM.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69036

BStBl II 1970, 541

BFHE 1970, 38

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