Leitsatz (amtlich)

Zollgut kann nicht durch schriftliche Anzeige an die Lagerzollstelle, sondern nur durch körperliche Entnahme aus einem offenen Zollager entnommen werden. Dies gilt auch, soweit sich das Zollgut zollrechtlich und einfuhrumsatzsteuerrechtlich im offenen Zollager befindet und sich die Anzeige über die körperlich nicht vollzogene Entnahme ausdrücklich nur auf die Einfuhrumsatzsteuer bezieht.

 

Normenkette

ZG § 46; UStG 1967 § 21 Abs. 2 S. 1; AbsichG § 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war Inhaberin eines Zollaufschublagers gemäß § 46 ZG a. F. In diesem Zollaufschublager lagerte sie eingeführte Waren, für die ihr gemäß § 6 Abs. 5 ZG Befreiung von der Gestellung gewährt worden war. Nach Inkrafttreten des Gesetzes über Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung gemäß § 4 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 29. November 1968 – AbsichG – (BGBl I 1968, 1255, BZBl 1968, 1259) genehmigte das Zollamt M (ZA) mit Verfügung vom 25. Februar 1969, daß die Einfuhrumsatzsteuer für Waren, die bei der Einfuhr nach dem 19. November 1968 gemäß § 39 Abs. 1 ZG angeschrieben und in das Zollaufschublager verbracht wurden, sofort gezahlt werden durfte, ohne daß die vor dem Inkrafttreten des Absicherungsgesetzes in das Zollaufschublager aufgenommenen und dort befindlichen Waren hinsichtlich der Einfuhrumsatzsteuer als aus dem Lager entfernt angesehen wurden. Das führte dazu, daß sich im Zollaufschublager neben den eingeführten Waren, für die ohne Bezahlung der Zollschuld die Einfuhrumsatzsteuer entrichtet und dabei die Einfuhrvergütung gemäß § 1 AbsichG gewährt wurde, noch vor dem 20. November 1968 eingeführte Altbestände befanden, die sowohl mit Zoll als auch weiterhin mit der Einfuhrumsatzsteuer belastet waren.

Mit Wirkung vom 1. Oktober 1969 wurden aufgrund des Zwölften Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes vom 22. Juli 1969 – 12. Zoll-ÄndG – (BGBl I 1969, 879, BZBl 1969, 824) die Zollaufschublager in private Zollager umgewandelt. Bis dahin in einem Zollaufschublager befindliche Waren wurden wieder Zollgut. Mit Schreiben vom 30. September 1969, eingegangen beim ZA am 1. Oktober 1969, zeigte die Klägerin an, daß sie den Bestand in ihrem „Zollgutlager per 1. Oktober 1969 für EUSt-Zwecke nach § 46 Abs. 1 ZG i. V. m. § 21 Abs. 2 UStG 1967 in den freien Verkehr” entnehme und daß diese Entnahme sich nur auf diejenigen Warenbestände beziehe, die sich vor dem 1. Oktober 1969 auch hinsichtlich der Einfuhrumsatzsteuer noch im Zollaufschublager befanden. Das ZA teilte der Klägerin mit Schreiben vom 14. Oktober bzw. 24. Oktober 1969 mit, daß eine Einfuhrumsatzsteuerschuld gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 ZG n. F. nur durch körperliche Entfernung der Waren aus dem offenen Zollager und nicht auch durch eine fiktive Entnahme entstehe und daß die Gewährung einer Einfuhrvergütung deshalb nicht möglich sei.

Die gegen diese Verfügung eingelegte Beschwerde behandelte der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt – HZA –) als Einspruch und wies ihn bezüglich eines noch streitigen Vergütungsbetrages in Höhe von 161 317,53 DM als unbegründet zurück.

Der daraufhin von der Klägerin erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit folgender Begründung statt: Bei der Entrichtung von Einfuhrumsatzsteuer sei eine Vergütung gewährt worden, wenn die Steuerschuld in der Zeit vom 20. November 1968 bis 31. März 1970 entstanden sei. Waren in einem offenen Zollager befänden sich in einem besonderen Zollverkehr; für sie entstehe u. a. mit der Entnahme in den freien Verkehr die Zollschuld (§ 46 Abs. 3 Satz 1 ZG n. F.). Der Begriff „Entnahme” sei im Gesetz nicht näher definiert. Der Bundesminister der Finanzen (BdF) habe in seinem Erlaß zum Absicherungsgesetz vom 17. Dezember 1968 (BZBl 1969, 27) unter II b zutreffend hervorgehoben, daß es zulässig sei, Gegenstände, die sich in einem besonderen Zollverkehr befinden, nur hinsichtlich der Einfuhrumsatzsteuer in den freien Verkehr zu entnehmen. Eine körperliche Entnahme sei nicht erforderlich, da die Ware zollrechtlich im Zollverkehr bleiben solle und ein Gegenstand nicht gleichzeitig innerhalb und außerhalb eines Zollagers aufbewahrt werden könne. Die in § 21 Abs. 2 UStG 1967 angeordnete sinngemäße Anwendung der Zollvorschriften schließe nicht aus, daß Zoll- und Verbrauchsteuern auf Antrag getrennt behandelt würden. Es bestehe keine Einschränkung des Inhalts, daß im Falle der getrennten Behandlung bei der Entnahme in umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht eine körperliche Entfernung aus dem Lager erforderlich sei. Mit ihr würde die zollrechtlich nicht erwünschte Wirkung der Entstehung der Zollschuld eintreten. Auch eine erneute Gestellung mit anschließenden neuen Anträgen auf Abfertigung zur Zollgutlagerung bzw. einfuhrumsatzsteuerrechtlich zum freien Verkehr sei nicht erforderlich. Die vom HZA vertretene Auflassung, daß die im BdF-Erlaß vom 17. Dezember 1968 getroffene Regelung eine Billigkeitsmaßnahme sei, die nicht auch für die durch das Zolländerungsgesetz neu eingeführten offenen Zollager gelte, treffe nicht zu. Die unter II d und e getroffene Regelung habe der damaligen Rechtslage entsprochen.

Mit seiner Revision rügt das HZA, daß das FG den § 21 Abs. 2 Satz 1 UStG 1967 und den § 46 Abs. 3 Satz 1 ZG unrichtig angewendet habe. Die Entstehung einer Einfuhrumsatzsteuerschuld setze eine körperliche Entnahme der Waren aus dem offenen Zollager voraus. Zollgut könne nicht in, sondern aus offenen Zollagern in den freien Verkehr entnommen werden. Bei einer Entnahme in den freien Verkehr aus vergütungsrechtlichen Gründen müßten auch die zollschuldrechtlichen Folgen in Kauf genommen werden. Abschn. II b des BdF-Erlasses vom 17. Dezember 1968 habe sich auf die Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Zolländerungsgesetzes am 1. Oktober 1969 bezogen. Damals habe es keine offenen Zollager gegeben. In Zollaufschublagern lagernde Waren hätten sich im freien Verkehr befunden Für in Zollgutlagern befindliche Waren habe in Abschn. II d des Erlasses eine Sonderregelung bestanden. Im übrigen habe es sich bei der streitigen Ware um Altbestände gehandelt, die sich bereits vor dem Inkrafttreten des Absicherungsgesetzes im freien Verkehr befunden hätten. Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin bedeute die sinngemäße Anwendung der Zollvorschriften für die Einfuhrumsatzsteuer nicht, daß uneingeschränkt zweigleisig verfahren werden könne mit der Folge, daß für die einfuhrumsatzsteuerliche Entnahme von Lagerwaren in den freien Verkehr eine körperliche Entfernung nicht notwendig sei. Die sinngemäße Anwendung des § 46 ZG auf die Einfuhrumsatzsteuer führe zwangsläufig zu einer Parallelität.

Das HZA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Nach ihrer Auffassung ergibt sich aus der nur sinngemäßen Geltung der Zollvorschriften für die Einfuhrumsatzsteuer, daß diese getrennt vom Zoll zu behandeln sei. Beide Abgabenarten hätten je nach dem gewählten Verfahren auch hinsichtlich ihrer Entstehung ein getrenntes Schicksal, so daß eine Ware sich zollrechtlich im Zollagerverkehr und einfuhrumsatzsteuerrechtlich im freien Verkehr befinden könne. Eine Ware könne aber körperlich nicht gleichzeitig innerhalb und außerhalb des Lagers aufbewahrt werden. Wenn für eine zunächst zoll- und einfuhrumsatzsteuerrechtlich im Zollagerverkehr befindliche Ware die getrennte Überführung in den freien Verkehr für die Einfuhrumsatzsteuer zulässig sei, so könne das nicht durch eine körperliche Entnahme vollzogen werden; eine buchmäßige Entnahme müsse genügen. Mit dieser sei die Einfuhrumsatzsteuerschuld entstanden. „Entnehmen” bedeute auch nach dem natürlichen Sinne des Wortes nicht immer einen körperlichen Vorgang.

Da die Waren am 1. Oktober 1969 für beide Abgabenarten in das offene Zoll- bzw. Einfuhrumsatzsteuer-Lager überführt worden und sie für die Einfuhrumsatzsteuer daraus entnommen worden seien, sei während der Laufzeit des Absicherungsgesetzes die Einfuhrumsatzsteuerschuld entstanden. Der BdF-Erlaß vom 17. Dezember 1968 stehe dem nicht entgegen. Der Begriff „Entnahme” umfasse auch die Entnahme aus einem Rechtsverhältnis. Er umfasse rein gedankliche, buchmäßige und körperliche Vorgänge. Das Zollager sei kein räumlich abgesonderter Bereich, sondern ein Zollverkehr und ein zollrechtliches Verstrickungsverhältnis. Nur wegen der besonderen Zulassungsvoraussetzungen gebe es auch einen räumlich abgegrenzten Bereich.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision hat Erfolg; sie führt zur Abweisung der Klage.

Das HZA hat zu Recht abgelehnt, der Klägerin eine Vergütung von 161 317,53 DM zu gewähren. Eine Vergütung für die Einfuhr kommt nach § 1 AbsichG nur in Betracht, wenn in der Zeit vom 20. November 1968 bis 31. März 1970 eine Einfuhrumsatzsteuerschuld entsteht und die Einfuhrumsatzsteuer entrichtet wird. Da gemäß § 21 Abs. 2 UStG 1967 für die Einfuhrumsatzsteuer die Vorschriften für Zölle sinngemäß gelten, ist die Einfuhrumsatzsteuerschuld für das im Streitfalle ohne Gestellung eingeführte Zollgut (vgl. § 6 Abs. 5 ZG) durch Anschreibung entstanden (§ 39 Abs. 1 Satz 2 ZG a. F.). Mit dieser Anschreibung sind die eingeführten Waren Freigut geworden; sie befanden sich im freien Verkehr (§ 5 Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 4 ZG). Wie zum freien Verkehr abgefertigte Waren konnten auch nach § 39 Abs. 1 Satz 1 a. F. angeschriebene Waren in Zollaufschublagern mit der Wirkung gelagert werden, daß die Zahlung des Zolls bzw. der Einfuhrumsatzsteuer für die Dauer der Lagerung aufgeschoben war (vgl. § 46 Abs. 1 ZG a. F.). Für den Streitfall ergibt sich daraus, daß die Klägerin für die streitigen Waren, solange es noch Zollaufschublager gab, keinen Anspruch auf Gewährung von Einfuhrvergütung nach § 1 AbsichG hatte, weil die Waren unbestritten vor dem 20. November 1968 ohne Gestellung und unter Anschreibung in das Zollaufschublager verbracht worden waren. Die Einfuhrumsatzsteuerschuld war damit nicht in dem in § 1 Abs. 1 AbsichG vorgesehenen Zeitraum (20. November 1968 bis 31. März 1970), sondern schon vorher entstanden.

Ein Anspruch auf Gewährung von Einfuhrvergütung ist auch nach dem Inkrafttreten des Zolländerungsgesetzes am 1. Oktober 1969 nicht entstanden. Zwar hat sich die Rechtslage insofern geändert, als die Zollaufschublager in private Zollager umgewandelt wurden (Art. 2 Abs. 2 Nr. 2 ZollÄndG) mit der Folge, daß Waren, die sich bis dahin als Freigut im Zollaufschublager befanden, wieder Zollgut wurden. Sie wurden so behandelt, als wären sie im Zeitpunkt der Anschreibung nach § 39 Abs. 1 ZG a. F. zur Zollgutlagerung (§§ 42 bis 46 ZG n. F.) abgefertigt worden. Die aufgeschobene Zollschuld fiel weg (Art. 2 Abs. 3 ZollÄndG). Die vorstehenden Ausführungen gelten im Hinblick auf § 21 Abs. 2 Satz 1 UStG 1967 sinngemäß auch für die Einfuhrumsatzsteuer.

Mit dieser Rechtsänderung eröffnete sich für die Inhaber von privaten (offenen) Zollagern, was den Geltungszeitraum des Absicherungsgesetzes anbelangt, die Möglichkeit, die Einfuhrumsatzsteuerschuld nach § 46 ZG n. F. zur Entstehung zu bringen und bei der Entrichtung der Steuerschuld in den Genuß der Einfuhrvergütung zu gelangen. Diese Möglichkeit bestand bis zum 10. Oktober 1969. Mit Wirkung von diesem Tage ist durch die Verordnung zur vorübergehenden Senkung der Vomhundertsätze der §§ 1 und 4 AbsichG vom 10. Oktober 1969 (BGBl I 1969, 1864) der Vergütungssatz auf 0 gesenkt worden. Der Senat läßt die Frage offen, ob das Zolländerungsgesetz eine geeignete rechtliche Grundlage dafür bietet, Einfuhrvergütungen gemäß § 1 AbsichG auch für solche Waren zu gewähren, die vor dem 20. November 1968 eingeführt und als Waren des freien Verkehrs auf Zollaufschublager verbracht worden sind. Daran könnten erhebliche Zweifel bestehen, weil das Zolländerungsgesetz, auch soweit es die Vorschriften über die Zollgutlagerung neu regelte, auf der Grundlage von Rechtsakten des Rates der Europäischen Gemeinschaften der Zollrechtsharmonisierung diente (vgl. die Begründung des Entwurfs des Zolländerungsgesetz, Drucksachen V/4117 und V/4364, zu V/4364 des Deutschen Bundestages, BZBl 1969, 835). Eine Änderung der Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Einfuhrvergütung nach § 1 AbsichG, was den Entstehungszeitraum der Einfuhrumsatzsteuer betrifft, dürfte mit dem Zolländerungsgesetz nicht beabsichtigt gewesen sein, wenn dies auch im Gesetz nicht zum Ausdruck kommt. In Jedem Falle liegen aber die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Ausfuhrvergütung nicht vor.

Gemäß § 46 Abs. 1 ZG n. F. darf Zollgut aus offenen Lagern in den freien Verkehr entnommen werden. Mit der Entnahme entsteht eine Zollschuld bzw. gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 UStG 1967 eine Einfuhrumsatzsteuerschuld. Unter Entnahme im Sinne dieser Vorschrift ist allein die körperliche Entnahme aus dem offenen Zollager zu verstehen. Für eine fiktive oder buchmäßige Entnahme in dem Sinne, daß die gelagerte Ware zollrechtlich als Zollgut im Lager verbleibt und nur im Hinblick auf die Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer durch bloße Anzeige als in den freien Verkehr entnommen angesehen wird, gibt es im Gesetz keine Handhabe. Die Auffassung der Klägerin, daß das Zollgut aus dem Zollagerverkehr und nicht aus einem örtlich begrenzten Zollager entnommen werde, widerspricht dem klaren Wortlaut der in Frage kommenden gesetzlichen Vorschriften. Bei der Beantragung eines Zollagers, also auch eines offenen Zollagers, ist gemäß § 88 Abs. 3 der Allgemeinen Zollordnung (AZO) eine Zeichnung und Beschreibung der Lagerstätte vorzulegen. Nach der Bewilligung des Zollagers hat der Zollbeteiligte das zur Zollgutlagerung abgefertigte Zollgut in das Zollager zu bringen (§ 45 Abs. 1 Satz 1 ZG n. F.). Aus diesem Zollager darf Zollgut unter bestimmten Voraussetzungen entfernt (§ 45 Abs. 4 ZG n. F.) und aus offenen Zollagern darf Zollgut an Inhaber anderer offener Zollager abgegeben oder in ein anderes offenes Zollager desselben Inhabers gebracht werden (§ 45 Abs. 5 ZG n. F.). Besonders letztere Vorschrift stellt klar, daß offene Zollager örtlich begrenzte Lagerstätten sind. Auch die in § 42 Abs. 4 ZG n. F. vorgeschriebene zollamtliche Überwachung von Zollagern ist ohne zugelassene Lagerstätten nicht denkbar.

Bei der Entnahme von Zollgut aus offenen Zollagern in den freien Verkehr gemäß § 46 Abs. 1 ZG n. F. verhält es sich, was die tatbestandlichen Voraussetzungen betrifft, ähnlich wie bei der Auslagerung von Waren aus einem Abschöpfungsaufschublager nach § 4 Abs. 4 des Abschöpfungserhebungsgesetzes i. d. F. des Änderungsgesetzes vom 3. August 1964 (BGBl I 1964, 569, BZBl 1964, 878). Zu letzterer Vorschrift hat der erkennende Senat mit Urteil vom 29. April 1975 VII R 36/72 (BFHE 116, 232) entschieden, daß eine Auslagerung erst dann vorliegt, wenn die Ware körperlich aus dem Lager entfernt wird.

Es kann dahingestellt bleiben, ob § 21 Abs. 2 Satz 1 UStG 1967, wonach die Vorschriften für Zölle sinngemäß auch für die Einfuhrumsatzsteuer gelten, zuläßt, ein und dieselbe Ware einfuhrumsatzsteuerrechtlich zum freien Verkehr und zollrechtlich zum Zollgutlager abfertigen zu lassen. Bejahte man diese Möglichkeit einer unterschiedlichen Abfertigung, dann läge dies darin begründet, daß der Zollbeteiligte durch seinen Antrag bestimmt, zu welchem Verkehr das gestellte Zoll- bzw. Einfuhrumsatzsteuergut abgefertigt werden soll (vgl. §§ 9 und 11 ZG). Im Streitfall sind solche voneinander abweichenden Abfertigungsanträge nicht gestellt worden. Die streitigen Altbestände befanden sich sowohl zollrechtlich als auch einfuhrumsatzsteuerrechtlich bis zur Umwandlung der Zollaufschublager in private (offene) Zollager im freien Verkehr und danach als Zollgut im offenen Zollgutlager. Hält man im Rahmen der Zollbehandlung abweichende Anträge für den Zoll und für die Einfuhrumsatzsteuer für zulässig, so kann entgegen der Ansicht des FG daraus nicht gefolgert werden, daß auch die Entnahme einer zoll- und einfuhrumsatzsteuerrechtlich in einem offenen Zollager befindlichen Ware zum Zwecke der Entstehung der Einfuhrumsatzsteuerschuld ohne körperliche Entfernung der Ware durch bloße Anzeige erfolgen kann. Im Gegensatz zum Zollantrag, der eine Willenserklärung ist (vgl. Bail-Schädel-Hutter, Zollgesetz vom 14. Juni 1961, Kommentar, §§ 11 bis 13 Anm. 1), handelt es sich bei einer Entnahme von Zollgut bzw. Einfuhrumsatzsteuergut um einen ohne Mitwirkung der Zollstelle vorgenommenen tatsächlichen Vorgang, der kraft Gesetzes zur Entstehung der Zoll- bzw. Einfuhrumsatzsteuerschuld führt und der den Abgabenschuldner innerhalb bestimmter Fristen zur Anmeldung und Zahlung der berechneten Abgaben verpflichtet (§ 46 Abs. 3 ZG n. F.). Die sinngemäße Geltung der Zollvorschriften auch für die Einfuhrumsatzsteuer bedeutet danach, daß die Entnahme in den freien Verkehr mit der Folge, daß die Einfuhrumsatzsteuerschuld entsteht, nur in der gleichen Weise geschehen kann, wie dies für Zollgut in § 46 Abs. 1 ZG n. F. vorgeschrieben ist. Willenserklärungen in Form einer Anzeige ohne körperliche Entfernung des Zoll- bzw. Einfuhrumsatzsteuergutes aus dem offenen Zollgutlager sind im Zollgesetz nicht vorgesehen. Anderes kann auch nicht dem § 46 Abs. 2 ZG n. F. entnommen werden, wonach Zollgut in bestimmten Fällen als in den freien Verkehr entnommen gilt. In den in Abs. 2 Nrn. 1 bis 6 aufgeführten Fällen der fiktiven Entnahme in den freien Verkehr geht es um körperliche Bewegungen bzw. Veränderungen des eingelagerten Zollguts, in Abs. 2 Nr. 7 um eine Überschreitung der Lagerfrist. Eine Handhabe dafür, daß eine Entfernung von Zollgut aus dem offenem Zollager zum Zwecke der Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer ohne körperliche Veränderung durch bloße Anzeige geschehen kann, bieten diese Bestimmungen nicht.

Ob die Klägerin in den Genuß der Einfuhrvergütung hätte kommen können, wenn sie das Zollgut nach dem 1. Oktober 1969 zu einer neuen Zollbehandlung mit hinsichtlich des Zolls und der Einfuhrumsatzsteuer abweichenden Anträgen gestellt hätte, kann offenbleiben. § 45 Abs. 6 Satz 1 ZG n. F. läßt zwar die Gestellung von Zollagergut zu einer neuen Zollbehandlung zu. Die Klägerin hat aber weder das Zollgut der Lagerzollstelle gestellt und nach vorgeschriebenem Muster abgemeldet (vgl. § 94 Abs. 3 und 4 AZO) noch hat sie im Rahmen der Zollbehandlung einen Zollantrag gestellt. Beide Erfordernisse können nicht durch das Schreiben der Klägerin vom 30. September 1969, mit dem sie anzeigte, daß sie den Bestand an ihrem Zollgutlager für Einfuhrumsatzsteuerzwecke in den freien Verkehr entnehme, als erfüllt angesehen werden. Daran ändert auch nichts, daß die Klägerin die streitigen Altbestände gemäß § 6 Abs. 5 ZG unter Befreiung von der Gestellung eingeführt und nach Anschreibung gemäß § 39 Abs. 1 ZG a. F. auf ihr damaliges Zollaufschublager verbracht hat; denn die Altbestände sind nach dem Inkrafttreten des 12. Zolländerungsgesetzes unter Wegfall der schon entstandenen Abgaben wieder Zollgut geworden.

Auf den BdF-Erlaß vom 17. Dezember 1988 kann sich die Klägerin nicht berufen. Soweit er sich unter II d und e mit Zollgutlagern bzw. mit Zollaufschublagern befaßt, sind die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen mit dem Inkrafttreten des Zolländerungsgesetzes am 1. Oktober 1969 nicht mehr geltendes Recht. Außerdem verkennt die Klägerin, daß Waren, die sich in Zollgutlagern befanden, nicht unter II b, sondern allein unter II d behandelt wurden. Nach dieser die Verwaltung – und nicht die Gerichte – bindenden Bestimmung wurden Waren, die nur einfuhrumsatzsteuerrechtlich in den freien Verkehr ausgelagert werden sollten, so behandelt, als ob sie sich in einem Zollaufschublager befunden hätten. Da es aber Zollaufschublager seit dem 1. Oktober 1969 nicht mehr gab, kann dieser Vorschrift für die Zelt danach keine Bedeutung zukommen. Von der im BdF-Erlaß vom 11. November 1969 III B/4-S 7700–47/69 für Fälle der vorliegenden Art eröffneten Möglichkeit, die Einfuhrvergütung unter der Voraussetzung gewährt zu bekommen, daß die Entnahme aus dem Lager angemeldet und die Abgabenschuld bis zum 1. Dezember 1969 gezahlt wird, hat die Klägerin nach den vorliegenden Zollunterlagen zwar für einen Teil ihrer Altbestände, aber nicht für die hier streitigen Waren Gebrauch gemacht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 510419

BFHE 1976, 486

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