Leitsatz (amtlich)

1. Die Voraussetzung einer klaren und eindeutigen Vereinbarung zwischen einer Kapitalgesellschaft und dem sie beherrschenden Gesellschafter, wie sie die Rechtsprechung fordert, ist durch eine Vertragsbestimmung, daß der von der Kapitalgesellschaft an den Gesellschafter zu zahlende Pachtzins an der oberen Grenze des Angemessenen liegen soll, nicht erfüllt.

2. Zur Wirkung einer Steuerklausel.

 

Normenkette

KStG § 6 Abs. 1 S. 2

 

Tatbestand

Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige), eine GmbH, wurde im Rahmen einer Betriebsaufspaltung gegründet. Sie führt den Geschäftsbetrieb einer OHG fort, die ihr die Betriebsgrundstücke und die Einrichtung verpachtet hat. Die Gesellschafter der Steuerpflichtigen sind zugleich die Gesellschafter der OHG.

Anläßlich einer Betriebsprüfung im Jahr 1960 wurde festgestellt, daß die Steuerpflichtige an die OHG im Streitjahr 1958 zunächst nur die folgenden Pachtzinsen gezahlt und gebucht hatte:

Am 28. Februar 1958 15 000 DM

am 31. März 1958 22 500 DM

am 30. Juni 1958 7 500 DM

am 31. Juli 1958 7 500 DM

am 30. September 1958 15 000 DM

am 31. Dezember 1958 15 000 DM

insgesamt 82 500 DM

Unter dem 31. Dezember 1958 wurden dann die folgenden Beträge nachgebucht:

60 000 DM

232 790 DM

225 377 DM

insgesamt 518 167 DM

Diesen Nachbuchungen lag ein schriftlicher Vertrag zwischen der Steuerpflichtigen und der OHG vom 12. Dezember 1958 zugrunde, nach dem sich der Pachtzins zusammensetzt aus:

einer Vergütung für die Überlassung der Grundstücke, einer Vergütung für die Überlassung der Mobilien, einer Vergütung für die Überlassung der Ertragskraft des Unternehmens.

Wie die Vergütungen zu berechnen sind, ist in dem Pachtvertrag im einzelnen geregelt. Aufgrund dieser Bestimmungen hatte die Steuerpflichtige die Pacht für das Streitjahr auf 600 667 DM errechnet.

Der Pachtvertrag vom 12. Dezember 1958 enthielt außerdem folgende Bestimmung (Steuerklausel):

"Beide Partner sehen in der Festsetzung des Pachtzinses nach den vorstehenden Bestimmungen ein gerechtes Entgelt für die Übertragung des gesamten Unternehmens auf die Pächterin. Sie erklären ausdrücklich, daß eine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne des Körperschaftsteuerrechts nicht beabsichtigt ist und auch ihres Erachtens unter keinen Umständen behauptet werden kann. Sollte die Finanzverwaltung dennoch die Angemessenheit der Vergütung verneinen und für die Pächterin hieraus ungünstige steuerliche Konsequenzen ziehen, dann kann diese eine Rückerstattung verlangen, wenn sie zuvor im Rechtsmittelverfahren eine finanzgerichtliche Entscheidung herbeigeführt hat und unterlegen ist."

Der Revisionsbeklagte (das FA) erkannte nur Pachtzinsen in Höhe von 129 417 DM an. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus den auf dem Pachtkonto gebuchten Beträgen von 82 500 DM für die Monate Januar bis November sowie für den Monat Dezember aus einem 1/12 Anteil (46 917 DM) der am 12. Dezember 1958 vereinbarten Jahrespacht. Dabei war das FA in Übereinstimmung mit der Steuerpflichtigen, der bei der Berechnung ein Rechenfehler unterlaufen war, von einer Jahrespacht von 563 019 DM statt 600 667 DM ausgegangen. Den Unterschiedsbetrag zwischen der von der Steuerpflichtigen gezahlten und der von ihm anerkannten Pacht, also 471 250 DM, behandelte das FA als verdeckte Gewinnausschüttung.

Der Einspruch, mit dem auch ein Antrag auf vorläufige Veranlagung gestellt wurde, und die Klage blieben ohne Erfolg. Der Klageantrag lautete:

1. das steuerpflichtige Einkommen 1958 auf 126 909 DM festzusetzen,

2. die Veranlagung für vorläufig zu erklären.

Das FG hat die Klage für zulässig, aber für unbegründet gehalten und ausgeführt:

1. Nach ständiger Rechtsprechung müßten Vereinbarungen der vorliegenden Art bei Beteiligten, zwischen denen enge wirtschaftliche Beziehungen bestünden, von Anfang an klare und eindeutige Regelungen enthalten. Danach könne im Streitfall die ziffernmäßige Festlegung des Pachtzinses vom 12. Dezember 1958 mit Rückwirkung für das Streitjahr 1958 steuerrechtlich nicht anerkannt werden. Zu Unrecht verweise die Steuerpflichtige auf die §§ 315, 316 BGB. Denn diese Vorschriften könnten bei der steuerrechtlichen Beurteilung von Verträgen zwischen Personen, die - wie hier - gleichlaufende wirtschaftliche Interessen verfolgten, keine Anwendung finden.

2. Die Steuerklausel rechtfertige keine vorläufige Veranlagung. Selbst wenn man sie steuerrechtlich anerkenne, führe der dadurch hervorgerufene Schwebezustand nicht zu der Ungewißheit, die Voraussetzung für die Anwendung des § 100 Abs. 1 AO sei.

Der Antrag auf vorläufige Veranlagung könne auch nicht darauf gestützt werden, daß der infolge eines Rechenfehlers zuviel bezahlte Pachtzins von 37 648 DM als Aktivposten in die Handelsbilanz aufzunehmen sei. Denn die Steuerpflichtige habe ihren Klageantrag lediglich auf die Festsetzung des zu versteuernden Einkommens beschränkt. Für die Höhe des steuerpflichtigen Einkommens sei es aber ohne Bedeutung, ob der Betrag von 37 648 DM als Forderung aus ungerechtfertigter Bereicherung zu aktivieren sei und damit den Bilanzgewinn erhöhe oder ob er dem um diesen Betrag geminderten Bilanzgewinn als verdeckte Gewinnausschüttung hinzuzurechnen sei. Ein Streit und damit eine Ungewißheit im Sinne des § 100 Abs. 1 AO besteht daher über diesen Betrag im gegenwärtigen Verfahren nicht.

Mit der Revision rügt die Steuerpflichtige einen Verstoß gegen § 6 Abs. 1 KStG, § 19 KStDV.

1. Eine verdeckte Gewinnausschüttung hätte das FG nur annehmen können, wenn keine Vereinbarung über den Pachtzins getroffen worden wäre oder wenn unklare Vereinbarungen getroffen worden wären oder wenn der vereinbarte Pachtzins unangemessen wäre. Keine dieser Voraussetzungen sei im Streitfall erfüllt. Die Vereinbarung eines "an der oberen Grenze des Angemessenen" liegenden Pachtzinses, wie sie zwischen ihr und der OHG von Anfang getroffen worden sei, müsse als klar und eindeutig angesehen werden.

Die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung von rund 440 000 DM führe im Streitfall dazu, daß nicht nur 55 v. H. dieses Betrags an Einkommensteuer zu zahlen seien, sondern daß darüber hinaus 60 v. H. dieses Betrages an Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer bei der Steuerpflichtigen anfielen. Die Steuerbelastung betrage also rd. 115 v. H. des streitigen Betrags. Ein solches Ergebnis sei weder durch § 6 KStG gewollt noch durch die Rechtsprechung des BFH gedeckt. Die Steuerpflichtige beruft sich vor allem auf das BFH-Urteil I 65/61 U vom 10. April 1962 (BFH 74, 690, BStBl III 1962, 255), aus dem sich ergebe, daß einer rückwirkenden Vereinbarung nicht in jedem Fall die steuerrechtliche Anerkennung zu versagen sei.

2. Die Steuerpflichtige rügt, das FG habe § 100 Abs. 1 AO unzutreffend ausgelegt. Aufgrund der Steuerklausel, die als auflösende Bedingung zu werten sei, müsse der Steuerpflichtigen die Möglichkeit gegeben werden, die Handelsbilanz und ihr folgend die Steuerbilanz zu berichtigen, solange noch offen sei, ob eine verdeckte Gewinnausschüttung anzunehmen sei. Diese Möglichkeit könne ihr nur dadurch eröffnet werden, daß die Veranlagung vorläufig erfolge.

Die Steuerpflichtige führt dazu weiter aus, bei Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung könne sie die anfallenden Steuern aus ihrem Vermögen gar nicht bezahlen. Daher liege in der verdeckten Gewinnausschüttung mangels ausschüttbaren Gewinns eine unzulässige Rückgewähr der Einlagen (§ 30 GmbHG). Diese Tatsache sei auch steuerrechtlich dadurch zu berücksichtigen, daß die GmbH entsprechende Ersatzansprüche gegen die Gesellschafter aktivieren müsse, wodurch die verdeckte Gewinnausschüttung neutralisiert werde.

Die Steuerpflichtige beantragt, die Körperschaftsteuer auf den Betrag herabzusetzen, der dem Einkommen von 126 909 DM entspricht.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das FA stellt klar, daß die Angemessenheit der bezahlten Pachtzinsen nicht streitig sei, daß jedoch weiterhin die Auffassung vertreten werde, zu Beginn des Streitjahrs sei mündlich ein Pachtzins von 84 000 DM vereinbart worden.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

1. Die Pachtzinszahlung in Höhe von 471 250 DM stellt steuerrechtlich eine verdeckte Gewinnausschüttung dar (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KStG), da sie nicht auf einer im voraus getroffenen klaren und eindeutigen Vereinbarung beruht.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH werden schuldrechtliche Vereinbarungen zwischen einer Kapitalgesellschaft und dem sie beherrschenden Gesellschafter steuerrechtlich nur anerkannt, wenn sie im voraus und klar und eindeutig getroffen worden sind. Rückwirkende Vereinbarungen sind damit steuerrechtlich unbeachtlich (BFH-Urteile I 4-5/55 U vom 31. Juli 1956, BFH 63, 237, BStBl III 1956, 288; I 145/60 U vom 29. November 1960, BFH 72, 179, BStBl III 1961, 67; I 88/60 U vom 13. Dezember 1960, BFH 72, 182, BStBl III 1961, 68; I 97/64 vom 20. September 1967, BFH 90, 212, BStBl II 1968, 49). Die Voraussetzung einer klaren und eindeutigen Vereinbarung über die Höhe des Pachtzinses ist durch eine Vertragsbestimmung, daß der Pachtzins an der oberen Grenze des Angemessenen liegen soll, nicht erfüllt, so daß das FG über die Behauptung der Steuerpflichtigen, eine Einigung der Vertragsteile über eine solche Bestimmung habe zu Beginn des Streitjahrs vorgelegen, keinen Beweis zu erheben brauchte. Wenn sich die Höhe des Pachtzinses zu Beginn des Geschäftsjahrs noch nicht genau beziffern läßt, weil sie von dem im Geschäftsjahr erzielten Ergebnis abhängig gemacht werden soll, so müssen, wie bereits das BFH-Urteil I 4-5/55 (a. a. O.) für Pachtzinsen und neuerdings das BFH-Urteil I R 26/67 vom 8. Januar 1969 (BFH 91, 1, BStBl II 1969, 268) für umsatzoder gewinnabhängige Bezüge des Gesellschafter-Geschäftsführers gefordert haben, wenigstens die Bemessungsgrundlagen im voraus festgelegt werden. Das ist hier nicht geschehen. Der Betrag, den die Steuerpflichtige aufgrund der Bestimmungen des Pachtvertrags vom 12. Dezember 1958 an die OHG als Pachtzins für die zurückliegende Zeit bezahlt hat, stellt daher steuerrechtlich eine verdeckte Gewinnausschüttung dar. Daß das Rückwirkungsverbot auch für Vereinbarungen gilt, die kurz vor dem Ablauf des Geschäftsjahrs für dieses Geschäftsjahr getroffen werden, hat der Senat im Urteil I 135/65 vom 6. März 1968 (BFH 92, 205, BStBl II 1968, 482) erneut bestätigt.

2. Auch das Begehren der Steuerpflichtigen, die verdeckte Gewinnausschüttung aufgrund der Steuerklausel oder aufgrund der Rechtsprechung des BFH über Rückgängigmachen von Geschäftsvorfällen oder aufgrund des § 30 GmbHG rückgängig machen zu dürfen, kann zu keinem Erfolg führen. Eine Rückgängigmachung der verdeckten Gewinnausschüttung im Streitjahr führte für die Höhe des Einkommens der Steuerpflichtigen zum gleichen Ergebnis wie die Hinzurechnung der verdeckten Gewinnausschüttung durch den Betriebsprüfer. Die Körperschaftsteuer könnte dann nicht, wie von der Steuerpflichtigen begehrt, von einem Einkommen von 126 909 DM berechnet werden. Denn dieser Betrag ist das Einkommen der Steuerpflichtigen ohne Hinzurechnung der streitigen Pachtzinszahlungen und damit auch ohne Rückgängigmachung dieser Zahlungen.

Die Steuerpflichtige will auch mit der Rückgängigmachung der verdeckten Gewinnausschüttung nicht eine Herabsetzung des zu versteuernden Einkommens, sondern die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für berücksichtigungsfähige Ausschüttungen erreichen. Ihr Antrag darf daher im Zusammenhang mit ihrem übrigen Vorbringen so verstanden werden, daß sie die Herabsetzung der Körperschaftsteuer auf einen bestimmten Betrag begehrt, in erster Linie wegen Ermäßigung des Einkommens auf 126 909 DM, in zweiter Linie wegen Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf den Betrag der verdeckten Gewinnausschüttung, die in eine berücksichtigungsfähige Ausschüttung umgewandelt werden soll. Diese Auslegung des Antrags der Steuerpflichtigen entspricht auch dem Begriff des Streitgegenstands, der durch den Betrag der festgesetzten und festzusetzenden Steuer und nicht durch die einzelnen Besteuerungsgrundlagen bestimmt ist (BFH-Beschluß Gr. S 1/66 vom 17. Juli 1967, BFH 91, 393, BStBl II 1968, 344). Berücksichtigungsfähige Ausschüttungen können aber im Streitfall nicht angenommen werden, weil nach dem eigenen Vortrag der Steuerpflichtigen und nach den Feststellungen des FG ein den handelsrechtlichen Vorschriften entsprechender Gewinnverteilungsbeschluß, der Voraussetzung für berücksichtigungsfähige Ausschüttungen ist und seinerseits die Änderung der Handelsbilanz der Steuerpflichtigen voraussetzt (§ 19 Abs. 3 KStG; BFH-Urteil I R 92/67 vom 16. Juli 1969, BFH 96, 310, BStBl II 1969, 634), für das Streitjahr noch nicht vorliegt. Die Steuerpflichtige will sich die Möglichkeit der Änderung der Handelsbilanz und die Möglichkeit eines Gewinnverteilungsbeschlusses, der den Betrag der rückgängig gemachten verdeckten Gewinnausschüttung mitumfaßt, dadurch offenhalten, daß sie verlangt, den angefochtenen Bescheid für vorläufig zu erklären. Sie hat aber in der Revision keinen Antrag gestellt, der diesem Verlangen entspricht. Den ursprünglichen Antrag, die Veranlagung für das Streitjahr für vorläufig zu erklären, hat sie ersatzlos fallengelassen, nachdem der Senat sie auf die Bedenken hingewiesen hat, die sich aus § 100 Abs. 2 FGO gegen diesen Antrag ergeben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69287

BStBl II 1971, 64

BFHE 1971, 364

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