Leitsatz (amtlich)

1. Die für die Bewertung eines Einfamilienhauses im Sachwertverfahren erforderliche wesentliche Abweichung von den im Ertragswertverfahren zu bewertenden Einfamilienhäusern kann sich auch aus dem Zusammenwirken von besonderer Gestaltung und besonderer Ausstattung ergeben.

2. Eine besondere Gestaltung, die zur Bewertung eines Einfamilienhauses im Sachwertverfahren führt, kann auch in der Größe der Grundstücksfläche liegen.

 

Normenkette

BewG 1965 § 76 Abs. 1, 3 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Kläger ist Eigentümer eines Einfamilienhauses mit einer Grundstücksfläche von rd. 2400 qm und einer Wohnfläche von 189 qm. Das FA stellte durch Hauptfeststellung zum 1. Januar 1964 den Einheitswert für dieses Einfamilienhaus im Sachwertverfahren mit 287 500 DM fest.

Der Einspruch führte zur Ermäßigung des Einheitswerts auf 267 100 DM. Das FA bewertete nach einer Ortsbesichtigung das Gebäude auf der Grundlage eines Raummeterpreises von 158 DM anstelle des bisher angenommenen Raummeterpreises von 167 DM.

Die Klage, mit der sich der Kläger gegen die Bewertung seines Einfamilienhauses im Sachwertverfahren wendete, wurde abgewiesen. Die Entscheidung des FG ist in EFG 1969, 481 veröffentlicht.

Die Revision des Klägers rügt, das FG habe Inhalt und Grenzen des in § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffs "besondere Gestaltung" verkannt. Es komme entscheidend auf die innere und äußere architektonische Gestaltung des Hauses an. Die Größe der Wohnfläche seines Hauses weiche von der üblichen Gestaltung anderer Einfamilienhäuser nicht so erheblich ab, daß sie eine Bewertung im Sachwertverfahren rechtfertigen könnte. Das Sachwertverfahren sei auch nicht wegen der Ausstattung des Hauses anzuwenden. Nach den Wertverhältnissen 1964 sei unstreitig ein Raummeterpreis von 158 DM anzusetzen; das lasse erkennen, daß der Bau nicht besonders aufwendig sei. Demgemäß wäre im Vermietungsfall auch eine Miete zu erzielen, die in einem angemessenen Verhältnis zum Wert des Objekts stehe. Die Auffassung des FG sei irrig, daß im Ertragswertverfahren nur Einfamilienhäuser bewertet werden könnten, die einer bestimmten "Einfamilienhausnorm" entsprächen. Im übrigen gebe es bei der Vielgestaltigkeit der heutigen Bauten keine "Einfamilienhausnorm". Das FG habe schließlich rechtsfehlerhaft angenommen, daß die übliche Miete aus einer größeren Zahl von Vergleichsmieten abgeleitet werden müsse. Erforderlich, aber auch ausreichend, sei vielmehr, daß nur einige vermietete Objekte vorlägen, die mit seinem Haus vergleichbar seien.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung und den Feststellungsbescheid des FA aufzuheben und für sein Einfamilienhaus auf der Grundlage einer üblichen Miete von monatlich 850 DM einen Einheitswert von 194 100 DM festzustellen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet.

1. Nach § 76 Abs. 1 BewG wird der Einheitswert von Einfamilienhäusern grundsätzlich im Ertragswertverfahren ermittelt. Ausnahmsweise erfolgt die Bewertung im Sachwertverfahren (§ 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG), und zwar dann, wenn sich das zu bewertende Objekt aufgrund besonderer Gestaltung oder Ausstattung wesentlich von den im Ertragswertverfahren zu bewertenden Einfamilienhäusern unterscheidet. Nach dem Wortlaut des Gesetzes genügt sowohl eine besondere Gestaltung als auch eine besondere Ausstattung je für sich allein, daß für die Wertermittlung anstelle des Ertragswertverfahrens das Sachwertverfahren anzuwenden ist.

2. Der Senat stimmt dem Kläger nicht darin zu, daß sich die besondere Gestaltung im Sinn des § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG allein aus der äußeren und inneren architektonischen Anlage des Hauses, wie der Größe der Wohnfläche oder der Form der Anordnung der Wohnräume ergeben könne. Die Bezeichnung "Einfamilienhäuser" im Sinn des § 76 BewG bezieht sich nämlich nicht nur auf das Gebäude, das auf einem Grundstück errichtet ist, sondern auf das ganze Grundstück im Sinn des Bewertungsrechts, d. h. auf die wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens (§ 70 Abs. 1 BewG). Dies ergibt sich daraus, daß das BewG mit "Einfamilienhäuser" eine Art der bebauten Grundstücke bezeichnet (§§ 74, 75 BewG). Zur wirtschaftlichen Einheit des Grundvermögens gehören aber grundsätzlich der Grund und Boden, die Gebäude, die sonstigen Bestandteile und das Zubehör (§ 68 Abs. 1 Nr. 1 BewG). Wenn nun § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG vorschreibt, daß das Sachwertverfahren für die Bewertung von "Einfamilienhäusern" anzuwenden sei, "die sich durch besondere Gestaltung" von den im Ertragswertverfahren zu bewertenden Einfamilienhäusern wesentlich unterscheiden, so entspricht es dem Wortsinn dieser Vorschrift, daß sich die besondere Gestaltung auf alle Bestandteile einer wirtschaftlichen Einheit beziehen kann, die das BewG als "Einfamilienhäuser" bezeichnet. Das bedeutet aber, daß die zur Bewertung im Sachwertverfahren führende besondere Gestaltung sich auch aus der Gestaltung des Grund und Bodens, wie z. B. aus der Größe der Grundstücksfläche oder der Anlage der unbebauten Fläche ergeben kann. Dabei kann die besondere Gestaltung der Grundstücksfläche allein oder im Zusammenwirken mit der besonderen Gestaltung oder der besonderen Ausstattung des Gebäudes oder der Außenanlagen zu einer wesentlichen Abweichung von dem im Ertragswertverfahren zu bewertenden Einfamilienhäusern führen.

Dem Auslegungsergebnis, daß sich die besondere Gestaltung eines Einfamilienhauses auch aus der besonderen Gestaltung des Grund und Bodens ergeben kann, steht nicht entgegen, daß das Tatbestandsmerkmal der besonderen Ausstattung wohl kaum im Zusammenhang mit der Grundfläche vorkommen wird. Zwar bezieht sich auch die besondere Ausstattung nach der oben dargelegten Systematik des Gesetzes auf die mit dem Begriff "Einfamilienhäuser" bezeichnete wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens im ganzen. Doch ergibt sich hier eine gewisse Einschränkung aus dem Begriffsinhalt des Wortes "Ausstattung" im Sinn von Ausrüstung oder Aufmachung; deshalb wird man in bezug auf den Grund und Boden nicht von einer besonderen Ausstattung sprechen können. Dagegen wäre abgesehen von dem Gebäude eine besondere Ausstattung der wirtschaftlichen Einheit auch hinsichtlich der Außenanlagen oder mit Außenanlagen denkbar.

Schließlich entspricht es dem Wortsinn des § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG, daß die für die Anwendung des Sachwertverfahrens erforderliche Abweichung von den im Ertragswertverfahren zu bewertenden Einfamilienhäusern auch gegeben ist, wenn zwar die besondere Gestaltung und die besondere Ausstattung je für sich allein nicht zu einer wesentlichen Abweichung führen, in ihrem Zusammenwirken aber doch wesentlich sind.

3. Nach Auffassung des Senats kann sich allein aus der Größe der Grundstücksfläche eine besondere Gestaltung des Grundstücks im Sinn des § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG ergeben, die dazu führt, daß sich das Einfamilienhaus von den im Ertragswertverfahren zu bewertenden Einfamilienhäusern wesentlich unterscheidet. Bei einer Grundstücksfläche von rd. 2400 qm, wie sie das Grundstück des Klägers aufweist, liegt ein Grenzfall vor.

Nach § 82 Abs. 2 Nr. 1 BewG ist bei Einfamilienhäusern eine Grundstücksfläche bis zu 1500 qm ohne weiteres durch den sich aus dem Produkt Jahresrohmiete mal Vervielfältiger ergebenden Regelwert abgegolten. Soweit die Grundstücksfläche 1500 qm überschreitet, ist der Wert durch eine Erhöhung des Regelwerts bis zu höchstens 30 v. H. zu erfassen (§ 82 Abs. 3 BewG). Das bedeutet zwar nicht, daß damit nur eine Überschreitung der im Regelwert abgegoltenen Fläche von 1500 qm bis zu 30 v. H. = 450 qm im Ertragswertverfahren angemessen berücksichtigt werden könnte. Denn der höchstzulässige Vomhundertsatz der Erhöhung bezieht sich auf den Regelwert insgesamt und nicht nur auf den darin enthaltenen Bodenwertanteil. Der Bodenwert ist im Regelwert jedoch nicht nach individuellen Verhältnissen, sondern mit einem Pauschsatz enthalten, der durchschnittlichen Verhältnissen entspricht (vgl. Abschn. 20 Abs. 1 und 3 BewRGr). Der individuelle Bodenwert kann deshalb von dem im Regelwert enthaltenen Bodenwertanteil mehr oder weniger abweichen. Vor allem bei Einfamilienhäusern in besten Wohnlagen ist diese Abweichung oft beträchtlich. Dies beweist auch das Grundstück des Klägers, bei dem der Bodenwertanteil rund 50 v. H. des Gesamtwerts beträgt. Damit liegt das Einfamilienhaus des Klägers im Grenzbereich der Fälle, bei denen allein wegen der Grundstücksgröße eine besondere Gestaltung vorliegt, die zu einer wesentlichen Abweichung gegenüber der Masse der im Ertragswertverfahren zu bewertenden Einfamilienhäuser führt. Dabei geht der Senat davon aus, daß der Unterschied zu den im Ertragswertverfahren zu bewertenden Einfamilienhäusern dann wesentlich ist, wenn die besondere Gestaltung erfahrungsgemäß nach den Marktverhältnissen oder dem am Hauptfeststellungszeitpunkt geltenden Mietpreisrecht sich in der Höhe der Miete nicht ausdrückt und dadurch unter Berücksichtigung der dem Ertragswertverfahren zugrunde liegenden Erwägungen eine erhebliche Unterbewertung herbeigeführt wird.

Die Einführung des Ertragswertverfahrens für die Bewertung von Einfamilienhäusern geht von der Überlegung aus, daß es sich bei diesen Häusern meist um kleine, einfach ausgestattete Wohngebäude oder serienmäßig hergestellte Siedlungshäuser handelt (vgl. Bundestags-Drucksache IV/1488 vom 1. Oktober 1963 S. 55). Der Senat hat allerdings schon in seiner Entscheidung III R 65/68 vom 27. Mai 1970 (BFH 99, 493 [496], BStBl II 1970, 678) zum Ausdruck gebracht, daß die Wohngepflogenheiten in jüngster Zeit auch zur Modefrage geworden sind. Das hat zu einer wesentlichen Auflockerung des Erscheinungsbildes der Einfamilienhäuser geführt. Dem Kläger ist deshalb darin zuzustimmen, daß entgegen der Auffassung des FG eine "Einfamilienhausnorm", wie sie möglicherweise auch dem Gesetzgeber des BewG 1965 für die Anwendung des Ertragswertverfahrens vorgeschwebt haben mag, für den Hauptfeststellungszeitraum 1964 jedenfalls in städtischen Gebieten nicht mehr den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Trotzdem läßt sich der Anwendungsbereich des Ertragswertverfahrens dahin abgrenzen, daß er so weit geht, als in der üblichen Miete die besondere Gestaltung und die Ausstattung des zu bewertenden Objekts im wesentlichen berücksichtigt sind. Dabei ist es entgegen der Auffassung des FG nicht unbedingt erforderlich, daß bei der Bewertung von Einfamilienhäusern die übliche Miete aus einer größeren Zahl von Vergleichsobjekten abgeleitet wird. Die Zahl der vergleichbaren vermieteten Grundstücke muß jedoch immerhin so groß sein, daß die daraus abgeleitet Miete als üblich gesichert erscheint.

4. Die Wohnfläche von 189 qm des Einfamilienhauses des Klägers begründet für sich allein ebenfalls noch keine besondere Gestaltung, die zu einer wesentlichen Abweichung von der Masse der im Ertragswertverfahren zu bewertenden Einfamilienhäuser führt. Am 1. Januar 1964 konnten Einfamilienhäuser mit einer Wohnfläche bis zu 144 qm ohne weiteres als steuerbegünstigt anerkannt werden. Unter besonderen Voraussetzungen konnte diese Fläche auch überschritten werden (vgl. Abschn. 8 Abs. 3 und 4 der Verwaltungsanordnung über die Anerkennung steuerbegünstigter Wohnungen nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz sowie über Grundsteuervergünstigung nach dem Ersten und Zweiten Wohnungsbaugesetz des Bundes in der Fassung vom 26. Mai 1967, BStBl I 1967, 250). Die Wohnfläche von 189 qm könnte allerdings dann zu einer besonderen Gestaltung führen, die eine wesentliche Unterscheidung von den im Ertragswertverfahren zu bewertenden Grundstücken bewirken würde, wenn sie sich auf verhältnismäßig wenige Wohnräume verteilen würde. Das ist bei dem Haus des Klägers aber nicht der Fall.

5. Das FG hat jedoch unangefochten und damit für den Senat verbindlich festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO), daß das Einfamilienhaus des Klägers sich in einer der besten Wohnlagen der Stadt befindet.

Das Gebäude liege in einer parkähnlichen Anlage und sei von der Straße her nicht einzusehen. Außerdem steht aufgrund der Wertfeststellung fest, daß das mit einem Walmdach gedeckte Haus mit einem Kamin, zwei Bädern, zwei Duschen und drei WC ausgestattet ist. Der Zugang zum Grundstück ist durch ein breites kunstschmiedeeisernes Eingangstor verschlossen. Der Senat braucht deshalb nicht zu entscheiden, ob die Grundstücksfläche im Zusammenwirken mit der Wohnfläche des Hauses schon eine besondere Gestaltung ist, die zur Anwendung des Sachwertverfahrens führen muß, denn diese Gestaltung in Verbindung mit der parkähnlichen Anlage des Grundstücks und der Ausstattung des Hauses erfüllt nach Auffassung des Senats jedenfalls den Tatbestand des § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG. Die in mehrfacher Hinsicht von der Masse der im Ertragswertverfahren zu bewertenden Einfamilienhäuser abweichenden Gestaltungs- und Ausstattungsmerkmale bewirken, daß für Einfamilienhäuser dieser Art eine übliche Miete, in der diese Merkmale berücksichtigt sind, jedenfalls nicht hinreichend gesichert festgestellt werden kann. Die Wertermittlung ist damit zu Recht im Sachwertverfahren durchgeführt worden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69596

BStBl II 1971, 797

BFHE 1972, 213

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