Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Es verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG, daß der Steuergesetzgeber dauernd getrennt lebende Ehegatten einkommensteuerrechtlich anders behandelt als Ehegatten, die nicht dauernd getrennt leben.

Auch die Tatsache, daß in § 48 des Ehegesetzes durch das Familienrechtsänderungsgesetz vom 11. August 1961 (BGBl 1961 I S. 1221) die Auflösung brüchig gewordener Ehen wesentlich erschwert ist, zwingt den Steuergesetzgeber nicht, nunmehr dauernd getrennt lebende Ehegatten den nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten einkommensteuerrechtlich gleichzustellen.

 

Normenkette

EStG § 26/1, §§ 26b, 32, 32a, 33a/1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1; LStDV § 25a

 

Tatbestand

Der Bf. lebt von seiner Ehefrau dauernd getrennt und zahlt ihr monatlich 280 DM. Beim Lohnsteuer-Jahresausgleich für das Streitjahr 1962 berücksichtigte das Finanzamt die Unterhaltsleistungen gemäß § 33 a EStG (§ 25 a LStDV) mit 1.200 DM und berechnete die Lohnsteuer nach Steuerklasse II/1. Der Bf. meint, die unterschiedliche Behandlung verheirateter Steuerpflichtiger, die mit ihrer Ehefrau zusammenleben und solcher, die dauernd getrennt leben, sei mit dem Grundrecht des Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar. Nach seiner Auffassung hätte das zu versteuernde Einkommen statt auf 13.773 mit 13.425 DM festgestellt werden müssen, weil, wenn seine Ehefrau mitberücksichtigt werde, höhere Sonderausgaben abzuziehen wären; die Lohnsteuer wäre dann bei der Anwendung der Steuerklasse III/1 um 6 DM geringer. Der Gesetzgeber habe mit der änderung des § 48 des Ehegesetzes im Jahre 1961 selbst zum Ausdruck gebracht, daß auch eine brüchig gewordene Ehe schutzwürdig sei. Die auf § 26 Abs. EStG beruhende steuerliche Behandlung dauernd getrennt lebender Ehegatten wie Ledige verstoße gegen Art. 6 Abs. 1 GG, weil diese Regelung getrennt lebende Ehegatten steuerlich stärker belaste als andere Ehegatten.

Die Sprungberufung blieb erfolglos. Das Finanzgericht führte aus, die Steuerberechnung des Finanzamts entspreche den gesetzlichen Vorschriften, die auch nicht, wie der Bf. meine, im Widerspruch zu Art. 6 GG stünden. Der Bf. werde den Ledigen gleichgestellt. Seine Unterhaltsleistungen werden aber als außergewöhnliche Belastung nach §§ 33 a EStG berücksichtigt. Darin liege ein Ausgleich gegenüber der Steuerklasse III, bei der der Splitting-= Tarif angewandt werde. Die unterschiedliche steuerliche Behandlung führe nur bei höherem Einkommen zu einer steuerlichen Mehrbelastung. Bei kleineren Einkommen könnte die gesetzliche Regelung sogar zu einer Steuerminderung führen. Die gesetzliche Regelung sei mit dem Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Sie sei auch sinnvoll. Bei geringem Einkommen werde ein Steuerpflichtiger durch den Unterhalt seiner getrennt lebenden Ehefrau stärker belastet als bei höherem Einkommen. Anders als im bürgerlichen Recht müßten im Einkommensteuerrecht die unterschiedlichen wirtschaftlichen Belastungen der Steuerpflichtigen berücksichtigt werden.

Mit der Rb. rügt der Bf. unrichtige Rechtsanwendung. Er macht wiederum geltend, die unterschiedliche steuerliche Behandlung getrennt lebender gegenüber zusammen lebender Ehegatten sei mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbar.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Der Senat hält an der in dem Urteil VI 168/59 U vom 29. Januar 1960 (BStBl 1960 III S 1/3, Slg. Bd. 70 S 277) niedergelegten Rechtsauffassung fest, daß die unterschiedliche einkommensteuerliche Belastung zusammen lebender und dauernd getrennt lebender Ehegatten in §§ 26 Abs. 1, 26 b, 32, 32 a EStG 1958 die Grundrechte aus Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt.

Die Ausführungen von Osthövener in der "Zeitschrift für das gesamte Familienrecht" 1964 S. 411 veranlassen den Senat nicht zu einer anderen Beurteilung. Die änderung des § 48 des Ehegesetzes 1961, die die Auflösung brüchiger Ehen erschwert und auch diese noch als schutzwürdig betrachtet, zwingt den Steuergesetzgeber, verfassungsrechtlich nicht für das Einkommensteuerrecht eine Regelung zu treffen, wie der Bf. sie erstrebt. Das EStG 1958 gibt den Ehegatten das Recht, die Zusammenveranlagung oder die getrennte Veranlagung zu wählen. Die Zusammenveranlagung macht es davon abhängig, da die Ehegatten im Veranlagungszeitraum mindestens vier Monate nicht dauernd getrennt gelebt haben. Bei zusammen lebenden Ehegatten unterstellt der Gesetzgeber, daß sie normalerweise das Familieneinkommen zusammen erwirtschaften. Wählen sie die Zusammenveranlagung so werden sie durch die Anwendung des Splitting-Tarifs im Ergebnis so besteuert, als ob jeder Ehegatte die Hälfte des Familieneinkommens erzielt hätte. Diese einkommensteuerliche Behandlung entspricht in etwa auch dem jetzigen gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§§ 1363 ff. BGB). Bei dauernd getrennt lebenden Ehegatten besteht normalerweise keine derartige Erwerbs- und Wirtschaftsgemeinschaft mehr. Der Bf. teilt denn auch sein Einkommen nicht mehr mit der Familie bzw. mit seiner getrennt lebenden Ehefrau; von seinem Arbeitseinkommen von über 16.000 DM hat er an seine Ehefrau nur 3.360 DM gezahlt.

Art. 6 Abs. 1 GG sichert der Ehefrau den besonderen Schutz und die Förderung des Staates zu, weil sie die Keimzelle des Staates und der Gesellschaft ist. Eine stark zerfallene, dauernd getrennte Ehe bedarf nicht der staatlichen Förderung durch die Steuergesetze.

Die unterschiedliche steuerliche Behandlung der dauernd getrennt lebenden und der zusammen lebenden Ehegatten verstößt auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Das dauernde Zusammenleben oder die dauernde Trennung von Ehegatten sind unterschiedliche Sachverhalte, an die der Gesetzgeber unterschiedliche Rechtsfolgen knüpfen kann, ohne gegen den Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen. Es ist dem Bf. zuzugeben, daß dauernd getrennt lebende Ehegatten bürgerlich-rechtlich insofern anders stehen als geschiedene Ehegatten, weil bei ihnen das Eheband noch besteht und sie deshalb keine neue Ehe eingehen können. Aber die Tatsache, daß das Eheband noch besteht, zwingt den Steuergesetzgeber nicht, dauernd getrennt lebende Ehegatten ebenso zu behandeln wie zusammen lebende Ehegatten. Er kann die Besteuerung ohne Verfassungsverstoß - wie er es getan hat - an die Tatsache knüpfen, daß bei dauernd getrennt lebenden Ehegatten die Erwerbs- und Wirtschaftsgemeinschaft aufgehoben ist und daß sie in dieser Beziehung wie geschiedene Ehegatten oder Ledige stehen.

Der Tatsache, daß der Bf. als getrennt lebender Ehegatte seiner Ehefrau Unterhalt leistet, ist durch den Freibetrag des § 33 a Abs. 1 EStG Rechnung getragen worden. Wegen der Höhe des Pauschsatzes wird auf das Urteil des Bundesfinanzhofs VI 168/59 U (a. a. O.) hingewiesen. übrigens ist im EStG 1962 der Pauschsatz von 900 DM auf 1.200 DM erhöht worden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411730

BStBl III 1965, 616

BFHE 1966, 320

BFHE 83, 320

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