Entscheidungsstichwort (Thema)

Unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht ausländischer Kapitalgesellschaften mit Geschäftsleitung im Inland - Rechtsfähigkeit - Begriff der Geschäftsleitung - Aktiengesellschaft nach liechtensteinischem Recht)

 

Leitsatz (amtlich)

Ausländische Kapitalgesellschaften mit Geschäftsleitung im Inland können unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig sein.

 

Orientierungssatz

1. Bei der Beurteilung eines Rechtsgebildes als Kapitalgesellschaft (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG) oder als sonstige juristische Person des privaten Rechts (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG) ist an die Rechtsform anzuknüpfen. Voraussetzung für die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit einer Kapitalgesellschaft oder sonstigen juristischen Person des Privatrechts ist deshalb ihre Rechtsfähigkeit. Bei ausländischen Gesellschaften kommt es für die Beurteilung der Rechtsfähigkeit auf das Recht des ausländischen Staates an, wenn die Gesellschaft Sitz und Geschäftsleitung im Ausland hat (vgl. BFH-Rechtsprechung).

2. Eine im Ausland gegründete Aktiengesellschaft, die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz von vornherein im Inland hat oder ihn später in das Inland verlegt, ist --jedenfalls vor der Eintragung in das deutsche Handelsregister-- nicht rechtsfähig (vgl. Rechtsprechung: BGH, BayObLG München, BFH; Literatur).

3. Der Begriff der Geschäftsleitung entspricht im Zivilrecht und Handelsrecht im wesentlichen dem Begriff des tatsächlichen Verwaltungssitzes (vgl. Rechtsprechung: BFH, BGH; Literatur).

4. Nicht rechtsfähige Personenvereinigungen und Vermögensmassen können körperschaftsteuerpflichtig sein, wenn ihnen das erzielte Einkommen unmittelbar zuzurechnen ist und sie wie eine Kapitalgesellschaft oder ein Verein strukturiert sind (§§ 1 Abs. 1 Nr. 5, 3 Abs. 1 KStG).

5. Eine Aktiengesellschaft nach liechtensteinischem Recht ist in allen wesentlichen Punkten wie eine deutsche Aktiengesellschaft ausgestaltet.

 

Normenkette

AO 1977 § 180; KStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1, § 1 Abs. 1 Nrn. 4-5; AO 1977 § 10; AktG § 41 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf (Entscheidung vom 06.11.1986; Aktenzeichen XV 370/83 F)

 

Tatbestand

Die drei Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) gründeten 1973 im Fürstentum Liechtenstein die M-AG mit Sitz in M/Liechtenstein. Die M-AG ist eine Gesellschaft nach Art.261 ff. des liechtensteinischen Personen- und Gesellschaftsrechts (PGR), die in das dortige Handelsregister eingetragen wurde. Das Grundkapital hielten die Kläger in Form von Inhaberaktien. Zum Verwaltungsrat wurde ein Rechtsagent in M bestellt, der den Klägern Vollmacht erteilte, die M-AG zu vertreten. Er verpflichtete sich in einem Mandatsvertrag, seine Tätigkeit gemäß den Instruktionen der Kläger auszuüben und auf Verlangen jederzeit als Verwaltungsratsmitglied zurückzutreten. Die Geschäftsleitung der M-AG, die sich nur im Inland betätigte, befand sich von der Gründung an in einer inländischen Stadt. Die M-AG erwarb in dieser belegene Grundstücke, auf denen sie ein Warenhaus und einen Baumarkt errichtete. Die bebauten Grundstücke vermietete die M-AG, vertreten durch die Kläger, Anfang 1975 an eine Warenhausgesellschaft. Im Juni 1977 veräußerten die Kläger in Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) als Inhaber der M-AG die Grundstücke. 1978 wurde die M-AG aufgelöst und die Löschung in das liechtensteinische Handelsregister eingetragen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) beurteilte die M-AG zunächst nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung als GbR und erließ für die Streitjahre 1974 bis 1977 erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gesonderte und einheitliche Feststellungsbescheide, in denen er jeweils erhebliche negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung feststellte und den Klägern zurechnete. Nach einer Außenprüfung änderte das FA seine Rechtsauffassung und ging davon aus, die M-AG sei körperschaftsteuerpflichtig. Die Gewährung zinsloser Darlehen von der M-AG an die Kläger sowie die Ausschüttung des Gewinns aus der Veräußerung der Grundstücke führe bei den Klägern zu Einkünften aus Kapitalvermögen. Es hob deshalb mit der angefochtenen Verfügung vom 31.Juli 1981 die Feststellungsbescheide ersatzlos auf.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage, mit der die Kläger Aufhebung der Verfügung vom 31.Juli 1981 begehrten, mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1987, 202 veröffentlichten Urteil statt.

Dagegen richtet sich die vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision, mit der das FA geltend macht, die Feststellungsbescheide für die Streitjahre seien zu Recht aufgehoben worden, weil Besteuerungsobjekt nicht die Kläger, sondern die M-AG gewesen sei. Diese sei nach § 1 Abs.1 Nr.5 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) körperschaftsteuerpflichtig. Die Körperschaftsteuerpflicht der M-AG lasse sich auch aus § 1 Abs.1 Nr.1 KStG herleiten, weil sie ihre Geschäftsleitung im Inland gehabt und der Gesetzgeber mit der Vorschrift bezweckt habe, daß auch ausländische Körperschaften unbeschränkt steuerpflichtig seien, sofern sie ihre Geschäftsleitung im Inland haben.

Das FA beantragt, die Klage unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist auf Aufforderung des Senats dem Verfahren gemäß § 122 Abs.2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetreten. Er bejaht in seiner schriftlichen Stellungnahme die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht der M-AG nach § 3 KStG. Nach deutschem internationalen Privatrecht richte sich die Beurteilung der Rechtsfähigkeit einer im Ausland gegründeten Gesellschaft nach der Rechtsordnung am Sitz der Hauptverwaltung (Sitztheorie). Da die M-AG nach den Feststellungen des FG ihre Geschäftsleitung im Inland gehabt habe, sei sie nicht rechtsfähig; es fehle jedenfalls an der Eintragung in ein deutsches Handelsregister. Die M-AG könne daher nach deutschem Recht nur als nichtrechtsfähiger Verein oder als GbR beurteilt werden. Mangels Rechtsfähigkeit im Inland könne die M-AG nicht gemäß § 1 Abs.1 Nr.1 bis 4 KStG körperschaftsteuerpflichtig sein. Sie könne auch nicht als nichtrechtsfähiger Verein i.S. des § 1 Abs.1 Nr.5 KStG angesehen werden, weil eine ausländische Kapitalgesellschaft wegen ihrer gesellschaftlichen Struktur nicht mit einem nichtrechtsfähigen Verein vergleichbar sei. Die Körperschaftsteuerpflicht ergebe sich jedoch aus § 3 Abs.1 KStG. Der dort verwendete Begriff der Personenvereinigung umfasse rechtsfähige und nichtrechtsfähige Gebilde. Die M-AG sei körperschaftlich verfaßt. Eine AG nach liechtensteinischem Recht sei mit einer deutschen AG in allen wesentlichen Punkten vergleichbar. Die Kläger seien nur als Vertreter für die M-AG aufgetreten. Eine Besteuerung des Einkommens der liechtensteinischen AG über die Gesellschafter nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) scheide daher aus. In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter des BMF ergänzend ausgeführt, die Körperschaftsteuerpflicht der M-AG ergebe sich aus § 1 Abs.1 Nr.5 KStG; § 3 Abs.1 KStG sei zu dessen Auslegung heranzuziehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil sie § 180 Abs.1 Nr.2 Buchst.a der Abgabenordnung (AO 1977) verletzt. Entgegen der Ansicht des FG hat das FA die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für die Streitjahre zu Recht aufgehoben. Die Voraussetzungen für eine gesonderte und einheitliche Feststellung nach dieser Vorschrift liegen nicht vor.

I. Nach § 180 Abs.1 Nr.2 Buchst.a AO 1977, der nach Art.97 § 9 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) im Streitfall anzuwenden ist, sind einkommensteuerpflichtige und körperschaftsteuerpflichtige Einkünfte gesondert und einheitlich festzustellen, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind. Dies ist bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dann zu bejahen, wenn mehrere Personen gemeinschaftlich den Tatbestand der Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) verwirklichen und dadurch Einkünfte erzielen (Urteil des erkennenden Senats vom 7.April 1987 IX R 103/85, BFHE 150, 124, BStBl II 1987, 707 m.w.N.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. das Urteil vom 31.Oktober 1989 IX R 216/84, BFHE 159, 319, BStBl II 1992, 506 m.w.N.) verwirklicht derjenige den Tatbestand der Vermietung und Verpachtung, der Träger der Rechte und Pflichten eines Vermieters ist. Vermieterin der Grundstücke war nach den tatsächlichen Feststellungen des FG die M-AG. Sie ist in den Mietverträgen als Vermieterin genannt und die Mieten sollten nach den Mietverträgen an sie gezahlt werden. Nicht die Kläger, sondern die M-AG erzielt danach die Einkünfte aus dem Vermieten (Verpachten) der Grundstücke (siehe dazu unten Abschn.IV 2.).

II. Die M-AG ist gemäß § 1 Abs.1 Nr.5, § 3 Abs.1 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Die Einkünfte aus der Vermietung der Grundstücke unterliegen bei ihr der Körperschaftsteuer.

1. Mit der Vorinstanz und dem BMF geht der Senat davon aus, daß sich die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht einer im Ausland gegründeten Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland nicht aus § 1 Abs.1 Nr.1 oder Nr.4 KStG herleiten läßt. Nach diesen Vorschriften sind u.a. Kapitalgesellschaften (Nr.1) und sonstige juristische Personen des privaten Rechts (Nr.4) unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben. Bei der Beurteilung eines Rechtsgebildes als Kapitalgesellschaft oder als sonstige juristische Person des privaten Rechts ist nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung an die Rechtsform anzuknüpfen. Voraussetzung für die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit einer Kapitalgesellschaft oder sonstigen juristischen Person des Privatrechts ist deshalb ihre Rechtsfähigkeit (Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25.Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, Abschn.C I 2 und 3 a; BFH-Urteil vom 13.Dezember 1989 I R 98-99/86, BFHE 159, 452, BStBl II 1990, 468 m.w.N.).

2. Bei ausländischen Gesellschaften kommt es für die Beurteilung der Rechtsfähigkeit auf das Recht des ausländischen Staates an, wenn die Gesellschaft Sitz und Geschäftsleitung im Ausland hat (BFH-Urteile vom 6.November 1980 IV R 182/87, BFHE 132, 93, BStBl II 1981, 220 zu § 2 Abs.2 des Gewerbesteuergesetzes --GewStG--; vom 27.Juli 1988 I R 161/87, BFH/NV 1989, 258). Anders ist es dagegen bei Kapitalgesellschaften mit statuarischem Sitz (§ 11 AO 1977) im Ausland, die entweder bereits bei ihrer Gründung den tatsächlichen Sitz ihrer Hauptverwaltung in Deutschland haben oder ihn später nach Deutschland verlegen. Bei solchen Gesellschaften knüpft das deutsche internationale Privatrecht bei der Beurteilung der Rechtsfähigkeit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) und der ganz überwiegenden Meinung im Schrifttum an die Rechtsordnung an, die am tatsächlichen Sitz der Hauptverwaltung gilt (Sitztheorie). Eine im Ausland gegründete Aktiengesellschaft, die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz von vornherein im Inland hat oder ihn später in das Inland verlegt, ist danach --jedenfalls vor der Eintragung in das deutsche Handelsregister-- nicht rechtsfähig (vgl. die BGH-Urteile vom 30.Januar 1970 V ZR 139/68, BGHZ 53, 181; vom 21.März 1986 V ZR 10/85, BGHZ 97, 269; Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 18.Juli 1985 --3. ZS-- BReg. 3 Z 62/85, BayOlGZ 1985, 272; vgl. ferner zur Sitztheorie Staudinger/Großfeld, -IntGesR- Rz.18 ff.; Münchner Komm., - Ebenroth, 2.Aufl., nach Art.10 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch --EGBGB-- Rdnr.123 ff.; Palandt/Heldrich, Bürgerliches Gesetzbuch, 50.Aufl., Anhang zu Art.12 EGBGB Anm.2 ff.; die Sitztheorie ablehnend Knobbe-Keuk, Steuer und Wirtschaft --StuW-- 1990, 372, und Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht --ZHR--, 154 (1990), 325 ff.; Meilicke, Recht der Internationalen Wirtschaft --RIW-- 1990, 449; vgl. auch BFH-Beschluß vom 13.November 1991 I B 72/91, BFHE 166, 238, BStBl II 1992, 263, Abschn.II 4 a). Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, gegen die zulässige und begründete Verfahrensrügen nicht erhoben wurden und die deshalb für den Senat bindend sind (vgl. § 118 Abs.2 FGO), befand sich nur die Geschäftsleitung (§ 10 AO 1977) der Klägerin in Deutschland, und zwar seit ihrer Gründung. Der Begriff der Geschäftsleitung entspricht im Zivil- und Handelsrecht im wesentlichen dem Begriff des tatsächlichen Verwaltungssitzes (zum Begriff der Geschäftsleitung BFH-Urteil vom 17.Juli 1968 I 121/64, BFHE 93, 1, BStBl II 1968, 695; zum Begriff des Verwaltungssitzes BGH-Urteil in BGHZ 97, 269, 272; ferner Staudinger/Großfeld, a.a.O., Rz.38; Graffe in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Kommentar zum KStG und EStG, Tz.22 zu § 1 KStG). Nach deutschem Recht war die M-AG danach schon mangels Eintragung im deutschen Handelsregister nicht rechtsfähig (§ 41 Abs.1 Satz 1 des Aktiengesetzes --AktG--), auch wenn sie --worauf der BMF hinweist-- nach dem Recht des Fürstentums Liechtenstein ihre Rechtsfähigkeit behielt.

III. 1. Der Mangel der Rechtsfähigkeit im Inland schließt die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht nicht von vornherein aus. Denn nach § 1 Abs.1 Nr.5 KStG sind auch nichtrechtsfähige Vereine, Anstalten, Stiftungen und andere Zweckvermögen des privaten Rechts körperschaftsteuerpflichtig. Nach § 3 Abs.1 KStG sind nichtrechtsfähige Personenvereinigungen, Anstalten, Stiftungen und andere Zweckvermögen körperschaftsteuerpflichtig, wenn ihr Einkommen weder nach diesem Gesetz noch nach dem EStG unmittelbar bei einem anderen Steuerpflichtigen zu versteuern ist. Der Senat braucht nicht abschließend zu entscheiden, ob § 1 Abs.1 Nr.5 KStG und § 3 Abs.1 KStG jeweils selbständige Grundlagen für die Körperschaftsteuerpflicht von nichtrechtsfähigen Rechtsgebilden sind oder ob § 3 Abs.1 KStG --wofür die Entstehungsgeschichte spricht (vgl. § 1 Satz 1 Nr.2 KStG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des KStG vom 8.April 1922, RGBl I, 472; Herrmann/Brezing in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 3 KStG Anm.12)-- lediglich eine Ergänzung zu § 1 Abs.1 Nr.5 KStG darstellt. Aus dem Bedeutungszusammenhang der beiden Vorschriften ist jedenfalls zu entnehmen, daß auch nichtrechtsfähige Personenvereinigungen und Vermögensmassen körperschaftsteuerpflichtig sein können, wenn ihnen das erzielte Einkommen unmittelbar zuzurechnen ist und sie wie eine Kapitalgesellschaft oder ein Verein strukturiert sind.

2. Ob im Inland nichtrechtsfähige ausländische juristische Personen, die wie eine deutsche Kapitalgesellschaft oder sonstige juristische Person verfaßt sind, körperschaftsteuerpflichtig sind, ist umstritten.

a) Die höchstrichterliche Rechtsprechung stellt bei rechtsfähigen ausländischen Gesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland darauf ab, ob sie dem Typ nach einer unter § 1 Abs.1 Nr.1 bzw. 4 KStG fallenden Kapitalgesellschaft oder sonstigen juristischen Personen des privaten Rechts entsprechen (grundlegend Urteil des Reichsfinanzhofs --RFH-- vom 12.Februar 1930 VI A 899/27, RFHE 27, 73, RStBl 1930, 444 --Leitsatz--; ferner Urteile in BFHE 93, 1, BStBl II 1968, 695; vom 3.Februar 1988 I R 134/84, BFHE 153, 14, BStBl II 1988, 588 zu § 2 Abs.1 KStG; zur Gewerbesteuer Urteil in BFHE 132, 93, BStBl II 1981, 220). Die ausländische Gesellschaft soll (beschränkt) körperschaftsteuerpflichtig sein, wenn eine Gesamtwürdigung der maßgebenden ausländischen Bestimmungen über die Organisation und Struktur der Gesellschaft ergibt, daß diese rechtlich und wirtschaftlich einer inländischen Kapitalgesellschaft oder einer juristischen Person des privaten Rechts gleicht. In einigen Entscheidungen sind RFH und BFH ferner bei ausländischen juristischen Personen stillschweigend oder ausdrücklich von ihrer unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht ausgegangen, falls ihre Geschäftsleitung sich im Inland befunden haben sollte. Auf die Frage der (fehlenden) Rechtsfähigkeit sind sie in diesem Zusammenhang nicht eingegangen (vgl. RFH-Urteile vom 3.Juli 1936 I A 150/36, RStBl 1936, 804 für eine Danziger AG; vom 25.Mai 1937 I A 194/36, RStBl 1937, 684 für eine amerikanische AG; BFH-Urteile vom 1.Dezember 1982 I R 43/79, BFHE 140, 129, BStBl II 1985, 2 für eine Anstalt in Liechtenstein; vom 3.Juli 1974 I R 209/73, NV, betreffend eine AG in Liechtenstein; vom 11.April 1984 I R 82-84/80, BFH/NV 1986, 255 für eine Schweizer GmbH; vgl. auch Urteil in BFHE 93, 1, 5, BStBl II 1968, 695 für eine liechtensteinische "Firma"). Umstritten war in diesen Fällen nur, ob sich die Geschäftsleitung der ausländischen Gesellschaft im Inland befunden hatte. Für den Fall der Geschäftsleitung im Inland bejahten RFH und BFH ohne weiteres die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht der ausländischen Gesellschaft.

b) Die nahezu einhellige Meinung im Schrifttum hält das Fehlen der Rechtsfähigkeit der ausländischen Gesellschaft ebenfalls nicht für entscheidend. Sie stellt vielmehr mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung darauf ab, ob die ausländische Gesellschaft die für die Körperschaftsteuerpflicht nach deutschem Körperschaftsteuerrecht erforderlichen Merkmale aufweist. Entscheidend soll sein, ob die ausländische Gesellschaft bei einem Typenvergleich einer inländischen körperschaftsteuerpflichtigen Gesellschaft entspricht (Debatin, Betriebs-Berater --BB-- 1988, 1155 und BB 1990, 1457; Dötsch, Der Betrieb --DB-- 1989, 2296; Eppler, DB 1991, 1949; Hartmann, DB 1987, 122, 124; Henkel, RIW 1991, 565; Kluge, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1976, 365; Knobbe-Keuk, StuW 1990, 372, 375; Piltz, Finanz-Rundschau --FR-- 1990, 608; Lehner, RIW 1988, 201 --213--; Wurster, FR 1980, 588; Herrmann/Klempt in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 1 KStG Anm.102; Bock, § 1 Anm.72 in Frotscher/Maas, Kommentar zum KStG 1977; ausführlich Graffe in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, a.a.O., Tz.87 zu § 1 KStG; Blümich/Freericks, § 1 KStG Rz.80 ff.; im Ergebnis auch Buyer, DB 1990, 1682, 1692; anders Wassermeyer, DB 1990, 244, der --was im Streitfall nicht entscheidungserheblich ist-- eine beschränkte Körperschaftsteuerpflicht nach § 2 Nr.1 KStG annimmt).

c) Die Finanzverwaltung vertrat dagegen in der Vergangenheit den Standpunkt, eine ausländische Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland könne mangels Rechtsfähigkeit nicht körperschaftsteuerpflichtig sein. Sie hat deshalb eine "private company limited by shares", die ihren Verwaltungssitz in Deutschland und ihren statuarischen Sitz in England hat, wegen fehlender Rechtsfähigkeit und fehlender Haftungsbeschränkung als nicht körperschaftsteuerpflichtig angesehen. Eine ausländische GmbH ähnele auch nicht einem nichtrechtsfähigen Verein, weil sie als Gesellschaft organisiert sei (Finanzbehörde Hamburg, Erlaß vom 15.Januar 1985 53 - S 2071 - 3/82, DB 1985, 258; Oberfinanzdirektion --OFD-- Köln, S 1301 - 213 - St 112 vom 21.Februar 1985, FR 1985, 297; ebenso Ebenroth-Neiß, BB 1990, 145, 154; Sarrazin, FR 1985, 466; wohl auch Oppermann, DB 1988, 1469). Wie der Vertreter des BMF in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt hat, hält die Finanzverwaltung allerdings an dieser Rechtsauffassung nicht mehr fest.

3. Der Senat schließt sich im Ergebnis dem BMF und der herrschenden Meinung im Schrifttum an. Eine im Ausland gegründete Gesellschaft, die wie eine deutsche Kapitalgesellschaft strukturiert ist, kann der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht nach § 1 Abs.1 Nr.5, § 3 Abs.1 KStG auch dann unterliegen, wenn sie ihre Geschäftsleitung im Inland hat und deshalb nach deutschem internationalen Privatrecht nicht rechtsfähig ist.

a) Daß eine solche Gesellschaft unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig sein kann, ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut der § 1 Abs.1 und § 2 Nr.1 KStG. Danach sind die dort genannten Rechtsgebilde auch dann unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, wenn sie nur ihre Geschäftsleitung, nicht aber ihren Sitz im Inland haben. Es genügt für die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht, daß sich die Geschäftsleitung o d e r der Sitz im Inland befindet (Knobbe-Keuk, StuW, 1990, 372, 376). Nur wenn sowohl Geschäftsleitung als auch Sitz im Ausland sind, kommt eine beschränkte Körperschaftsteuerpflicht nach § 2 Nr.1 KStG in Betracht. Bereits in der Begründung zum Entwurf des KStG 1920 wird hervorgehoben, daß bei den Steuerpflichtigen, die den Sitz oder den Ort der Leitung im Inland haben, das Gesamteinkommen steuerpflichtig sein soll, also insbesondere auch das aus ausländischem Grundbesitz und Gewerbebetriebe fließende (Drucksachen der Nationalversammlung, 1920 Nr.1976, S.21; vgl. auch Evers, Kommentar zum Körperschaftsteuergesetz i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Körperschaftsteuergesetzes vom 8.April 1922, § 1 Anm.31). Daß sich die Geschäftsleitung einer ausländischen Kapitalgesellschaft im Inland befindet und ihr damit nach der Sitztheorie die Rechtsfähigkeit im Inland fehlt, kann danach ihre Körperschaftsteuerpflicht nicht grundsätzlich ausschließen.

Es muß vielmehr im Einzelfall geprüft werden, ob die im Ausland rechtsfähige Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, die ihre Geschäftsleitung im Inland hat, dem "Typ" und der tatsächlichen Handhabung nach einer Kapitalgesellschaft oder einer juristischen Person i.S. des § 1 Abs.1 Nr.1 oder einem anderen Körperschaftsteuersubjekt i.S. des § 1 Abs.1 Nr.2 bis 5 KStG entspricht und --wenn das der Fall ist-- ob sie selbst den Tatbestand der Einkünfteerzielung erfüllt oder ob das Einkommen nach dem KStG oder dem EStG bei anderen Steuerpflichtigen zu versteuern ist.

b) Bei dem "Typenvergleich" ist --wie der BFH in ständiger Rechtsprechung entschieden hat (vgl. oben Abschn.III 2 a)-- eine Gesamtwürdigung der maßgebenden ausländischen Bestimmungen über die Organisation und Struktur der Gesellschaft vorzunehmen. Nicht entscheidend ist dagegen die Gestaltung der inneren Verhältnisse der Gesellschaft im Einzelfall, etwa die Anzahl der Gesellschafter oder Anteilsinhaber und deren tatsächliches Verhalten, solange sie nur als Vertreter der Gesellschaft auftreten.

Entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanz ist es auch nicht entscheidungserheblich, ob das Organ der ausländischen Kapitalgesellschaft nur eine unselbständige Stellung hat. Dies kommt auch bei inländischen Körperschaftsteuersubjekten vor, z.B. bei manchen Konzerngesellschaften, ohne daß deren Körperschaftsteuerpflicht dadurch in Frage gestellt würde. Auch die zivilrechtliche Haftung der Gesellschafter der im Inland nicht rechtsfähigen Kapitalgesellschaft für die im Namen der Gesellschaft vorgenommenen Rechtsgeschäfte (§§ 54, 427, 431 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) ist für die Frage der Körperschaftsteuerpflicht nicht maßgebend. Die Regelung des § 1 Abs.1 Nr.5 i.V.m. § 3 Abs.1 KStG normiert nach ihrem eindeutigen Wortlaut die Körperschaftsteuerpflicht auch für nicht rechtsfähige Gebilde, für welche die handelnden Personen stets persönlich haften.

IV. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ist die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht der M-AG zu bejahen.

1. Eine AG nach liechtensteinischem Recht ist in allen wesentlichen Punkten wie eine deutsche AG ausgestaltet. Davon gehen auch die Vorinstanz und der BMF zu Recht aus. Sie erlangt mit der Eintragung im Öffentlichkeitsregister Rechtsfähigkeit (Art.106 PGR; ebenso § 41 Abs.1 Satz 1 AktG). Die liechtensteinische AG ist nach Art.261 PGR eine Gesellschaft mit eigener Firma, deren zum voraus bestimmtes Kapital (Grundkapital, Einlagekapital) in Teilsummen (Aktien) zerlegt ist und für deren Verbindlichkeiten nur das Gesellschaftsvermögen haftet (ebenso § 1 des deutschen AktG). Die Rechte der Aktionäre in den Angelegenheiten der Gesellschaften werden von der Generalversammlung der Aktionäre ausgeübt (Art.332 Abs.1 PGR, entsprechend § 118 Abs.1 AktG). Die Geschäftsführung der AG nach liechtensteinischem Recht liegt bei einer Verwaltung bzw. dem Verwaltungsrat (Art.341, 344 und 349 PGR), also grundsätzlich nicht bei den Aktionären (entsprechend §§ 76, 78, 111 AktG). Die Aktionäre haben nach Art.307 Abs.1 PGR Anspruch auf einen verhältnismäßigen Anteil an dem aufgrund der Jahresbilanz ermittelten reinen Gewinn, soweit dieser nach dem Gesetz und den Statuten zur Verteilung unter die Aktionäre bestimmt ist. Bei Auflösung der Gesellschaft haben sie das Recht auf einen verhältnismäßigen Anteil an dem Ergebnis der Liquidation, wenn die Statuten es unter Vorbehalt der wohlerworbenen Rechte nicht anders bestimmen (entsprechend §§ 174, 271 AktG).

2. Zurechnungsträger der Einkünfte aus der Vermietung des Grundbesitzes sind nicht die Kläger, sondern unmittelbar die M-AG. Die Kläger sind sowohl bei Abschluß der Mietverträge als auch der Grundstückskaufverträge als Vertreter der M-AG, die im Grundbuch als Eigentümerin der Grundstücke eingetragen war, aufgetreten, wie sich aus den bindenden Feststellungen des FG ergibt. Sie haben nicht nur diese maßgebenden Verträge ausdrücklich als Vertreter der M-AG abgeschlossen. Sie haben darüber hinaus zusätzlich noch im eigenen Namen neben der M-AG Darlehensverträge geschlossen. Dies belegt, daß die Kläger von der Rechtsfähigkeit der M-AG ausgegangen und nach außen insoweit nicht als Gesellschafter einer Personengesellschaft aufgetreten sind. Nicht entscheidungserheblich ist dagegen, daß die Kläger --wie sie vortragen-- bei Abschluß des Grundstücksverkaufsvertrags als Gesellschafter einer GbR gehandelt haben und ihnen der Erlös aus der Veräußerung der Grundstücke im Jahre 1978 zugeflossen ist. Dabei kann der Senat unerörtert lassen, ob die Kläger nicht auch insoweit als Vertreter der M-AG aufgetreten sind, wofür der Vertragstext sprechen könnte.

V. Das Vorbringen der Kläger in der mündlichen Verhandlung, sie hätten darauf vertraut, daß das FA die M-AG nicht als körperschaftsteuerpflichtiges Gebilde behandeln würde, weil das FA ihnen die Körperschaftsteuererklärungen zurückgesandt habe, kann schon deshalb zu keinem anderen Ergebnis führen, weil es sich insoweit um verspätetes Vorbringen handelt, das in der Revisionsinstanz nicht mehr berücksichtigt werden kann (§ 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

VI. Die Revision des FA ist danach begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung. Die Sache ist spruchreif. Das FA hat die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für die Streitjahre zu Recht aufgehoben, weil nicht die Kläger oder eine von ihnen gebildete Gesamthandsgemeinschaft, sondern die M-AG, die unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist, die umstrittenen Einkünfte erzielt hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64359

BFH/NV 1992, 76

BStBl II 1992, 972

BFHE 168, 285

BFHE 1993, 285

BB 1992, 1845 (L)

DB 1992, 2067-2071 (LT)

HFR 1993, 25 (LT)

StE 1992, 535 (K)

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