Entscheidungsstichwort (Thema)

Prämien des Verlags an Zeitungsausträger für freiwillige Werbung neuer Abonnenten kein Arbeitslohn - Einkunftsart einer für den Arbeitgeber zusätzlich ausgeübten Nebentätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Prämien, die ein Verlagsunternehmen seinen Zeitungsausträgern für die Werbung neuer Abonnenten gewährt, sind dann kein Arbeitslohn, wenn die Zeitungsausträger weder rechtlich noch faktisch zur Anwerbung neuer Abonnenten verpflichtet sind. Dies gilt auch dann, wenn die Werbung neuer Abonnenten ausschließlich innerhalb des eigenen Zustellungsbezirks der Zeitungsausträger erfolgt und die Belieferung der neuen Abonnenten in der Folgezeit zu einer Erhöhung der Einnahmen aus der nichtselbständig ausgeübten Tätigkeit als Zeitungsausträger führt.

 

Orientierungssatz

Die Frage, zu welcher Einkunftsart Einkünfte eines Arbeitnehmers aus einer Nebentätigkeit gehören, ist nicht unabhängig von der Art der Haupttätigkeit zu beurteilen, wenn die Nebeneinkünfte vom Arbeitgeber der Haupttätigkeit stammen. In diesem Fall sind die Einnahmen aus der Nebentätigkeit wie diejenigen aus der Haupttätigkeit zu beurteilen, wenn beide Tätigkeiten gleichartig sind und die Nebentätigkeit unter ähnlichen organisatorischen Bedingungen ausgeübt wird wie die Haupttätigkeit oder wenn der Steuerpflichtige mit der Nebentätigkeit ihm aus seinem Dienstverhältnis --faktisch oder rechtlich-- obliegende Nebenpflichten erfüllt (vgl. BFH-Rechtsprechung).

 

Normenkette

EStG § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG (Urteil vom 17.04.1996; Aktenzeichen XI 164/94)

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt ein Verlagsunternehmen, das u.a. eine Tageszeitung herausgibt. Für die Anwerbung neuer Abonnenten erhalten ihre Zeitungsausträger Barprämien. Außerdem darf jeder erfolgreiche Werber an zweimal im Jahr stattfindenden Gewinnauslosungen teilnehmen. In ihrer Mitarbeiterzeitschrift rief die Klägerin die Zeitungsausträger wiederholt dazu auf, sich um die Ausweitung des Abonnentenkreises zu bemühen. Sie unterwarf die an die Zeitungsausträger ausgezahlten Werbeprämien nicht der Lohnsteuer.

Im Anschluß an eine Lohnsteuer-Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, es handele sich bei den Werbeprämien um Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs.1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Er erließ einen entsprechenden Pauschalierungsbescheid.

Das Finanzgericht (FG) entschied, die Werbeprämien seien kein Arbeitslohn, und setzte die pauschale Lohnsteuer gemäß dem Klagebegehren herab. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 822 veröffentlicht.

Das FA rügt mit seiner Revision die unzutreffende Anwendung der §§ 40 Abs.1 Satz 1 Nr.1 und 40a Abs.1 EStG und macht geltend: Da die Vergütung der Zeitungsausträger von der Zahl der auszutragenden Exemplare abhänge, habe die Werbung eines neuen Abonnenten Auswirkung auf die Entlohnung als Zeitungsausträger; es liege die Schlußfolgerung nahe, daß der Zeitungsausträger wegen der späteren Einnahmen werbend tätig werde. Dieser Zusammenhang lasse eine einheitliche Beurteilung der Tätigkeiten geboten erscheinen.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet. Das FG hat die Einnahmen der Zeitungsausträger aus der Werbetätigkeit zu Recht nicht als Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs.1 Nr.1 EStG und mithin nicht als lohnsteuerpflichtig gewertet.

1. Nach § 1 Abs.2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) liegt ein Dienstverhältnis mit einem Arbeitnehmer vor, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. Das FG hat das Vorliegen dieser Voraussetzungen bezüglich der Werbetätigkeit der Zeitungsausträger rechtsfehlerfrei verneint. Denn es hat festgestellt, es sei den Zeitungsausträgern freigestellt gewesen, ob überhaupt, in welchem Umfang, zu welcher Zeit und wem gegenüber sie eine werbende Tätigkeit entfalteten, und sie hätten auch auf eigene Rechnung gehandelt, weil es ausschließlich vom Erfolg ihrer Werbeanstrengungen abhängig gewesen sei, ob und inwieweit diese zu zusätzlichen Einnahmen führten.

2. Die Frage, zu welcher Einkunftsart die Einkünfte eines Arbeitnehmers aus einer Nebentätigkeit gehören, ist allerdings dann nicht unabhängig von der Art der Haupttätigkeit zu beurteilen, wenn die Nebeneinkünfte vom Arbeitgeber der Haupttätigkeit stammen. In diesem Fall sind die Einnahmen aus der Nebentätigkeit wie diejenigen aus der Haupttätigkeit zu beurteilen, wenn beide Tätigkeiten gleichartig sind und die Nebentätigkeit unter ähnlichen organisatorischen Bedingungen ausgeübt wird wie die Haupttätigkeit (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. Februar 1972 VI R 7/69, BFHE 104, 539, BStBl II 1972, 460; vom 4. Dezember 1975 IV R 162/72, BFHE 117, 547, BStBl II 1976, 291) oder wenn der Steuerpflichtige mit der Nebentätigkeit ihm aus seinem Dienstverhältnis --faktisch oder rechtlich-- obliegende Nebenpflichten erfüllt (vgl. BFH-Urteil vom 25. November 1971 IV R 126/70, BFHE 103, 570, BStBl II 1972, 212).

Nach zutreffender Auffassung des FG vermag die Anwendung der vorstehenden Grundsätze auf den Streitfall nichts an der rechtlichen Beurteilung zu ändern, daß die Werbetätigkeit der Zeitungsausträger selbständig ausgeübt wird. Denn die Tätigkeit eines Zeitungsausträgers unterscheidet sich in ihrer Art deutlich von der werbenden Tätigkeit für den Zeitungsverlag, die Verkaufstalent und Überzeugungsvermögen erfordert. Im Streitfall kommt hinzu, daß die Zeitungsausträger ihre Nebentätigkeit auch unter anderen organisatorischen Bedingungen als die Haupttätigkeit ausgeübt haben; insbesondere hat die Anwerbung neuer Abonnenten nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des FG in der Regel außerhalb der normalen Austragungszeiten stattgefunden.

Die Zeitungsausträger haben mit der Anwerbung neuer Abonnenten (Nebentätigkeit) auch keine sich aus dem Arbeitsvertrag als Zeitungsausträger (nichtselbständig ausgeübte Haupttätigkeit) ergebende Nebenpflicht erfüllt. Das Bestehen einer rechtlichen Verpflichtung hat das FG nicht festgestellt und das FA auch nicht behauptet. Das FG hat seine Auffassung, es habe den Zeitungsausträgern auch faktisch freigestanden, ob sie überhaupt werbend tätig wurden, in überzeugender Weise daraus abgeleitet, daß nur 32,75 v.H. der Zusteller auch als Abonnentenwerber tätig waren.

Dem FG ist auch zu folgen, soweit es den Umständen, daß die Zeitungsausträger ausschließlich in ihrem Zustellbezirk tätig geworden sind und daß die erfolgreiche Werbetätigkeit in der Folgezeit zu einer Erhöhung der Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit geführt hat, keine entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen hat. Denn diese Tatsachen sind nach den von der Rechtsprechung entwickelten und oben dargestellten Kriterien dafür, ob Einnahmen aus einer Nebentätigkeit ausnahmsweise nur deshalb zu Arbeitslohn werden, weil sie vom Arbeitgeber der Haupttätigkeit stammen, ohne Bedeutung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65957

BFH/NV 1997, 132

BStBl II 1997, 254

BFHE 181, 488

BFHE 1997, 488

BB 1997, 346-347 (Leitsatz und Gründe)

DB 1997, 360 (Leitsatz und Gründe)

DStR 1997, 260 (Leitsatz und Gründe)

DStRE 1997, 201 (Leitsatz)

HFR 1997, 229-230 (Leitsatz)

StE 1997, 112 (Kurzwiedergabe)

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