Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung eines Grundstücks mit vollständig saniertem und renoviertem Gebäude

 

Leitsatz (NV)

1. Eine Schenkung oder freigebige Zuwendung ist ausgeführt, wenn der Bedachte das erhalten hat, was ihm nach der Schenkungsabrede, im Fall der freigebigen Zuwendung nach dem Willen des Zuwendenden verschafft werden soll; danach richtet sich auch der Gegenstand der Schenkung, sofern der Wille des Zuwendenden tatsächlich vollzogen wurde.

2. Soll dem Bedachten nach dem Willen des Zuwendenden ein Grundstück mit vollständig saniertem und renoviertem Gebäude verschafft werden, hat der Bedachte die Zuwendung erst mit dem Abschluss der Sanierungs- und Renovierungarbeiten erhalten. Erst zu diesem Zeitpunkt tritt die endgültige Vermögensmehrung des Beschenkten auf Kosten des Schenkers ein und ist die Grundstücksschenkung ausgeführt.

 

Normenkette

ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 37 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf (Urteil vom 08.11.2000; Aktenzeichen 4 K 7297/98 Erb; EFG 2001, 150)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) schloss am 19. Dezember 1995 mit seinem Sohn einen notariell beurkundeten Schenkungsvertrag. Gegenstand der schenkweisen Übertragung sollte ein bebautes Grundstück sein. Hierzu heißt es in § 1 Abs. 2 des Vertrages:

            (Der Kläger) "… schenkt dem Erwerber den Grundbesitz in renoviertem und voll saniertem Zustand. Maßgebend sind der Bauantrag vom 20. 10. 1995 sowie die dazu erstellten Pläne und Beschreibungen der Architekten … ." (Der Kläger) "… verpflichtet sich, alle Kosten zu tragen, die zur Herstellung dieses Zustandes noch erforderlich sind."

Die Grundstücksübertragung sollte unentgeltlich erfolgen. Besitz, Nutzung, Lasten und Gefahr sollten mit dem 30. Dezember 1995 auf den Sohn des Klägers übergehen. Die Vertragsbeteiligten vereinbarten den Eigentumsübergang (Auflassung) und bewilligten sowie beantragten die Eigentumsumschreibung im Grundbuch. Ferner verpflichtete sich der Kläger, die Schenkungsteuer zu tragen.

Die Sanierungs- und Renovierungsarbeiten wurden am 31. Juli 1996 abgeschlossen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ging zunächst davon aus, dass es sich um eine bereits am 19. Dezember 1995 ausgeführte Grundstücksschenkung handele, und setzte durch wiederholt geänderte Bescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung die Schenkungsteuer auf der Grundlage der bis zum 31. Dezember 1995 geltenden Rechtslage fest, wobei er das zugewendete Grundstück mit 400 v.H. des Einheitswerts 1935 berücksichtigte. Später vertrat das FA die Auffassung, die Schenkung sei erst mit der Beendigung der Renovierungs- und Sanierungsarbeiten ausgeführt worden, weil sie das voll sanierte Grundstück betreffe. Es setzte deshalb durch (Änderungs-)Bescheid vom 4. September 1997, der ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging, die Steuer auf der Grundlage des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) i.d.F. des Jahressteuergesetzes (JStG 1997) vom 20. Dezember 1996 (BGBl I 1996, 2049, BStBl I 1996, 1523) auf 29 783 DM fest. Hierbei schätzte das FA zunächst den Grundbesitzwert des Grundstücks auf den 31. Juli 1996 und berücksichtigte u.a. Vorschenkungen in Höhe von 209 994 DM und einen Freibetrag von 400 000 DM.

Nachdem das Belegenheitsfinanzamt den Grundstückswert zum 31. Juli 1996 auf 2 216 000 DM festgestellt hatte, änderte das FA mit Einspruchsentscheidung vom 4. September 1998 die Steuerfestsetzung erneut und setzte die Steuer unter Berücksichtigung des festgestellten Grundstückswerts auf 451 650 DM fest.

Die Klage, mit der der Kläger die Aufhebung des Schenkungsteuerbescheides vom 4. September 1997 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. September 1998 beantragte, blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 150 veröffentlicht wurde, vertrat die Auffassung, dass die Schenkung an den Sohn des Klägers erst mit der Beendigung der Renovierungsarbeiten am 31. Juli 1996 ausgeführt worden sei. Der Bedachte sollte nach dem Schenkungsvertrag nicht das unrenovierte, sondern das voll sanierte Grundstück erhalten.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 7, § 9, § 10 und § 11 ErbStG. Er macht geltend, Schenkungsgegenstand sei das Grundstück verbunden mit einer Sachleistung in Form der Renovierung und Sanierung des Grundstücks gewesen. Es handele sich hierbei um zwei Schenkungen. Über das (unrenovierte) Grundstück habe der Bedachte bereits nach dem Abschluss des Schenkungsvertrages verfügen können. Die Grundstücksschenkung sei mit der Schenkung, der Auflassung und der Eintragungsbewilligung ausgeführt gewesen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das FG-Urteil sowie den Schenkungsteuerbescheid vom 4. September 1997 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. September 1998 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Das FA hat den angefochtenen Bescheid während des Revisionsverfahrens erneut geändert und unter Beibehaltung der materiell-rechtlichen Regelungen im Hinblick auf das Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) 1 BvL 10/02 für vorläufig erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass als einheitlicher Gegenstand der Schenkung des Klägers an seinen Sohn das Grundstück mit renoviertem Gebäude anzusehen ist und diese Schenkung nicht bereits mit dem Abschluss des Schenkungsvertrages (19. Dezember 1995), sondern erst mit der Beendigung der Renovierungs- und Sanierungsarbeiten (31. Juli 1996) und damit im zeitlichen Geltungsbereich des ErbStG i.d.F. des JStG 1997 ausgeführt wurde.

a) Für die schenkungsteuerrechtliche Beurteilung der hier streitigen Schenkung des Klägers an seinen Sohn ist das ErbStG in der o.g. Fassung maßgebend. Es findet nach seinem § 37 Abs. 1 auf Erwerbe Anwendung, für die die Steuer nach dem 31. Dezember 1995 entstanden ist oder entsteht.

Die Steuer für die Schenkung des Klägers an seinen Sohn ist erst nach dem 31. Dezember 1995 entstanden. Bei Schenkungen unter Lebenden entsteht die Steuer nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung. Eine Schenkung oder freigebige Zuwendung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ausgeführt, wenn der Bedachte das erhalten hat, was ihm nach der Schenkungsabrede, im Fall der freigebigen Zuwendung nach dem Willen des Zuwendenden verschafft werden soll; danach richtet sich auch der Gegenstand der Schenkung, sofern der Wille des Zuwendenden tatsächlich vollzogen wurde (vgl. BFH-Urteile vom 6. März 1985 II R 19/84, BFHE 143, 291, BStBl II 1985, 382; vom 3. August 1988 II R 39/86, BFHE 154, 383, BStBl II 1988, 1025; vom 9. November 1994 II R 87/92, BFHE 176, 53, BStBl II 1995, 83, und vom 4. Dezember 2002 II R 75/00, BFHE 200, 406, BStBl II 2003, 273).

Nach dem klaren und eindeutigen Inhalt des (einheitlichen) Schenkungsvertrages vom 19. Dezember 1995 sollte der Beschenkte (Sohn des Klägers) nach dem Willen des Schenkers (des Klägers) "den Grundbesitz in renoviertem und voll saniertem Zustand" erhalten. Maßgebend sollten der bereits gestellte Bauantrag sowie die Architektenpläne sein. Für die Annahme der Revision, es handele sich um zwei getrennt zu beurteilende Schenkungen oder um eine Schenkung, die in zwei getrennt zu beurteilenden Teilschritten ausgeführt werden sollte, nämlich durch Übertragung des unrenovierten Grundstücks und Ausführung der Renovierungsleistungen, ergeben sich weder aus dem Schenkungsvertrag noch aus den Umständen irgendwelche Anhaltspunkte. Selbst wenn der Beschenkte --wie der Kläger meint-- bereits vor der Fertigstellung der Sanierung des Gebäudes über das --noch nicht oder nicht vollständig sanierte-- Grundstück hätte verfügen können, änderte dies nichts daran, dass der Beschenkte mit der Übertragung des unsanierten Grundstücks (noch) nicht dasjenige erhalten hat, was ihm nach dem Schenkungsvertrag und dem Willen des Klägers zukommen sollte. Auch wenn der Beschenkte bereits durch die Übertragung des noch unsanierten Grundstücks einen wirtschaftlichen Wert erhalten hat, war das vom Schenker angestrebte Ergebnis hierdurch noch nicht eingetreten. Erreicht wurde nur ein vorläufiger Zustand, ein Zwischenergebnis, das nur dann schenkungsteuerrechtlich als selbstständige Teilschenkung behandelt werden kann, wenn die Umstände die Annahme rechtfertigen, dem Schenker sei es auf die Zuwendung dieser vorläufigen Rechtsposition angekommen (zur Problematik vgl. Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 14. Aufl., § 9 Rz. 44 f.). Solche Umstände sind hier aber nicht ersichtlich. Vielmehr spricht der Schenkungsvertrag mit seiner klaren und eindeutigen Beschreibung des Schenkungsgegenstandes "saniertes Grundstück" gegen die Annahme, dem Schenker sei es auf die Zuwendung zweier selbstständiger Teilleistungen angekommen.

Der Umstand, dass die Vertragsbeteiligten auch etwas anderes hätten vereinbaren können, ändert an dieser Beurteilung nichts. Für die schenkungsteuerrechtliche Beurteilung kann nur dasjenige maßgebend sein, was tatsächlich vereinbart wurde oder was der Zuwendende tatsächlich gewollt hat.

Da dem Bedachten (Sohn) nach dem Willen des Klägers (des Zuwendenden) das Grundstück mit vollständig saniertem und renoviertem Gebäude verschafft werden sollte, hat der Bedachte die Zuwendung erst mit dem Abschluss der Sanierungs- und Renovierungsarbeiten erhalten. Ist (einheitlicher) Gegenstand einer Zuwendung ein Grundstück mit vom Schenker noch zu renovierendem Gebäude, erlangt der Beschenkte gegenüber dem Schenker erst mit dem Abschluss der Sanierungsarbeiten die freie Verfügung über den Zuwendungsgegenstand. Erst zu diesem Zeitpunkt tritt die endgültige Vermögensmehrung des Beschenkten auf Kosten des Schenkers ein und ist die Grundstücksschenkung ausgeführt (Moench/Weinmann, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 9 Rz. 29 a; Schuck in Viskorf/Glier/Hübner/Knobel/ Schuck, Erbschaftsteuergesetz, Bewertungsgesetz, Kommentar, 2. Aufl., § 9 Rz. 72). Die Rechtsprechungsgrundsätze zur Ausführung einer mittelbaren Grundstücks-/Gebäudeschenkung (vgl. BFH-Urteile in BFHE 154, 383, BStBl II 1988, 1025, und in BFHE 200, 406, BStBl II 2003, 273, sowie BFH-Beschlüsse vom 7. Mai 2003 II B 89/02, BFH/NV 2003, 1186, und vom 5. Juni 2003 II B 74/02, BFH/NV 2003, 1425) gelten hier sinngemäß (so auch: R 23 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. Satz 3 der Erbschaftsteuer-Richtlinien 2003). Denn hier wie dort erlangt der Bedachte --anders als bei einer bloßen Grundstücksschenkung-- nicht bereits mit dem Abschluss des Schenkungsvertrages, der Erklärung der Auflassung sowie der Bewilligung der Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch (vgl. BFH-Urteile vom 26. September 1990 II R 150/88, BFHE 163, 214, BStBl II 1991, 320, und vom 24. Juli 2002 II R 33/01, BFHE 199, 25, BStBl II 2002, 781), sondern erst im Zeitpunkt der Fertigstellung des Gebäudes oder der Beendigung der Sanierungs- und Renovierungsarbeiten endgültig dasjenige, was er nach der Schenkungsabrede oder dem Willen des Schenkers erhalten sollte.

b) Die Anwendung des ErbStG i.d.F. des JStG 1997 und der darin in Bezug genommenen Vorschriften des Bewertungsgesetzes für die Bewertung von Grundbesitz ist im Hinblick auf die Rückbewirkung der Rechtsfolgen auf Sachverhalte aus dem Jahre 1996, die im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Gesetzesänderung (28. Dezember 1996) bereits verwirklicht waren, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BFH-Urteile vom 5. Mai 2004 II R 45/01, BFHE 204, 570, und vom 2. Juli 2004 II R 55/01, BStBl II 2004, 703).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1277706

BFH/NV 2005, 213

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