Entscheidungsstichwort (Thema)

Tatsächlich ausgezahlte Scheinrenditen aus Schneeballsystem als Einkünfte aus Kapitalvermögen

 

Leitsatz (NV)

1. Stellt eine Vielzahl von Kapitalanlegern einem Unternehmer gegen hohe Erfolgsbeteiligung auf einem Sammelkonto Geldbeträge zur Verfügung, die der gegenüber den Anlegern nicht weisungsabhängige Unternehmer zu nicht näher bezeichneten Börsentermingeschäften verwenden soll, so können die betreffenden Rechtsverhältnisse typische stille Gesellschaften i. S. von §20 Abs. 1 Nr. 4 EStG darstellen.

2. Die den gutgläubigen Anlegern (typischen stillen Gesellschaftern) ausgezahlten "Gewinnanteile" sind auch dann als Einnahmen aus Kapitalvermögen i. S. der §§8 Abs. 1 und 11 Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. m. §20 Abs. 1 Nr. 4 EStG zu erfassen, wenn der Unternehmer aus den spekulativen Börsengeschäften in Wahrheit gar keine Gewinne erzielt, sondern Verluste erlitten hat. Dies gilt auch dann, wenn die ausgezahlten Scheinrenditen aus Kapitaleinlagen anderer Anleger oder gar der Zahlungsempfänger selbst herrührten (sog. Schneeballsystem).

3. Erklärt der Unternehmer gegenüber dem gutgläubigen Empfänger, daß die Zahlung auf dessen (vermeintlichen) Anspruch auf Gewinnbeteiligung geleistet werde, so ist der betreffende Betrag als Kapitalertrag und nicht als Kapitalrückzahlung zu qualifizieren (Anschluß an Senatsurteil vom 10. Juni 1975 VIII R 71/71, BFHE 116, 333, BStBl II 1975, 847).

 

Normenkette

EStG § 8 Abs. 1, § 11 Abs. 1 S. 1, § 20 Abs. 1 Nrn. 4, 7; AO 1977 § 39 Abs. 1, 2 Nr. 1, § 41 Abs. 1; BGB § 366 Abs. 1, §§ 705, 812, 814; HGB n.F. § 230 ff.; HGB § 335

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) schloß mit der Ambros S.A. (A) -- einer Kapitalgesellschaft panamaischen Rechts, deren Verwaltungsrat seinen Sitz in Vaduz/Liechtenstein hatte -- einen "Verwaltungsvertrag", aufgrund dessen er der A in den Jahren 1987 bis 1989 Kapitalbeträge in Höhe von insgesamt 9 300 DM zur Verfügung stellte.

Die A stellte ihren Anlegern monatliche "Renditen" bis zu 6 % in Aussicht. In den Verwaltungsverträgen erklärten die Anleger, daß sie als Investoren dem Verwalter Eigenkapital in einer bestimmten Höhe zur Verfügung stellten und über den spekulativen Charakter der Kapitalanlagen einschließlich deren Risiken ausführlich aufgeklärt worden seien. Die Anleger hatten die Wahl zwischen monatlicher Wiederanlage der Gewinne und einer vierteljährlichen Gewinnausschüttung. In den zu Bestandteilen des Verwaltungsvertrages gewordenen -- vorformulierten -- Vertragsbedingungen heißt es u. a.:

" ...

2.1 Der Verwalter kann die Anlage mehrerer Investoren zu einheitlichen Transaktionen zusammenfassen, um Geschäfte an US-Börsen über einen oder mehrere Broker zu tätigen.

3.1 Getätigt werden überwiegend Stillhaltergeschäfte.

4.1 Die Anlagen haben spekulativen Charakter. Verluste können daher nicht ausgeschlossen werden. Eine Nachschußpflicht des Investors besteht nicht.

4.2 Das Kapital der Investoren wird mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns verwaltet. Eine Garantie für die Erzielung eines bestimmten Anlageerfolges kann jedoch nicht übernommen werden.

5.2 Der Investor erhält 70 % vom Netto-Wertzuwachs.

7.2 Die Nettoergebnisse werden im monatlichen Kontoauszug mitgeteilt.

7.3 Eventuelle Verluste werden bis zu drei Monate vorgetragen.

8.1 Eine Kündigung ist vierteljährlich mit einer Frist von sechs Wochen zum Quartals ende möglich.

8.3 Das Guthaben wird per Scheck bis zum 15. des auf das Quartalsende folgenden Monats an den Investor ausgezahlt."

Aus den mit den gepoolten Kapitalbeträgen getätigten Spekulationsgeschäften erwirtschaftete die A zunächst -- in der Zeit von Oktober 1986 bis September 1987 -- per saldo Gewinne in Höhe von rd. 2 Mio. DM. Im Oktober 1987 verlor die A -- in der Folge eines Börsencrashs -- ihr gesamtes Anlagekapital (rd. 15 Mio. DM). Allein in diesem Monat erlitt die A einen Verlust in Höhe von rd. 19 Mio. DM. Dennoch wies sie auch für diesen Monat ihren Anlegern gegenüber eine "Rendite" in Höhe von 3,8 % aus. In den Monaten November 1987 bis Juli 1988 gelang es der A sodann, per saldo Gewinne in Höhe von ca. 35 Mio. DM zu erzielen, wodurch der Verlust des Monats Oktober 1987 ausgeglichen und darüber hinaus ein beträchtlicher Gewinn erwirtschaftet werden konnte. Auch in diesem Zeitabschnitt ergaben sich jedoch in einzelnen Monaten Verluste, die indessen wiederum gegenüber den Anlegern verheimlicht wurden. Nach außen wies die A stets positive Monatsergebnisse aus.

In der Folgezeit ging es dann stetig "bergab". In der Zeit von August 1988 bis zum Zusammenbruch der A im Januar 1991 wurden per saldo Verluste in Höhe von insgesamt ca. 247 Mio. DM erzielt. Gleichwohl spiegelte die A den Anlegern stets Renditen vor, die -- ebenso wie die angelegten Kapitalbeträge -- auf Anforderung bzw. Kündigung bis zum 30. September 1990 prompt an die Anleger ausbezahlt wurden. Diese Auszahlungen wurden zunehmend im "Schneeballsystem" aus den Kapitaleinlagen neu hinzugetretener Anleger bestritten. Zum Zusammenbruch des "Schneeballsystems" kam es anläßlich des am 15. Januar 1991 erneut anstehenden Auszahlungstermins, zu dem rd. 78 Mio. DM benötigt wurden, jedoch nur noch ein Kapital von ca. 40 Mio. DM vorhanden war. Das Konkursverfahren über das (Inlands-)Vermögen der A wurde mangels Masse eingestellt.

Dem Kläger wurden im Streitjahr 1989 "Renditen" in Höhe von 2 842,69 DM gutgeschrieben. Die gutgeschriebenen "Renditen" und die gesamten Kapitalbeträge in Höhe von 9 300 DM wurden dem Kläger -- nach vorheriger Kündigung des Verwaltungsvertrages -- am 30. Juni 1989 ausgezahlt.

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr gab der Kläger die in Rede stehenden "Renditen" nicht an. Dementsprechend führte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) die Einkommensteuer-Veranlagung für das Streitjahr zunächst ohne Berücksichtigung dieser "Renditen" durch. Nach Eingang einer Kontrollmitteilung der Oberfinanzdirektion vom 6. Dezember 1993 änderte das FA durch den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1989 vom 13. Juni 1994 gemäß §173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) die Steuerfestsetzung dahin, daß nunmehr die dem Kläger im Jahr 1989 gutgeschriebenen und ausgezahlten "Renditen" in Höhe von 2 843 DM als (zusätzliche) Einnahmen aus Kapitalvermögen angesetzt wurden.

Mit seiner nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage begehrte der Kläger, den angefochtenen Einkommensteuer-Änderungsbescheid aufzuheben. Er machte geltend, die von der A getätigten Stillhaltergeschäfte hätten nicht zu steuerpflichtigen Kapitaleinnahmen geführt. Die vereinbarte Gewinn- und Verlustbeteiligung entspreche eher dem Charakter einer Spekulation als dem vom FA angenommenen Zinsgeschäft. Rechtliche Bewertungen, die beim Zusammenbruch der A vorgenommen worden seien, könnten nicht berücksichtigt werden, weil der von ihm -- dem Kläger -- geschlossene Verwaltungsvertrag bereits zwei Jahre vor diesem Ereignis gekündigt worden sei. Im übrigen sei eine Kontrollierbarkeit von Stillhaltergeschäften und Optionen auch für solche Anleger nicht gegeben, die ein deutsches Geldinstitut mit derartigen Geschäften betrauten.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Er beantragt, die Vorentscheidung und den angefochtenen Einkommensteuer-Änderungsbescheid sowie die Einspruchsentscheidung vom 14. November 1994 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1. Im Ergebnis zutreffend hat das FG entschieden, daß die von der A dem Kläger im Streitjahr gutgeschriebenen und ausgezahlten "Renditen" als Einnahmen aus Kapitalvermögen i. S. von §20 Abs. 1 des Ein kommensteuergesetzes (EStG) zu erfassen waren.

a) Die streitigen "Renditen" stellten Einnahmen des Klägers "aus der Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter" i. S. von §20 Abs. 1 Nr. 4, 1. Alternative EStG dar (gleicher Ansicht Pannen, Der Betrieb -- DB -- 1995, 1531, 1534; Paus, Die steuerliche Betriebsprüfung 1992, 21; Meyer-Scharenberg, Deutsches Steuerrecht -- DStR -- 1994, 889, 896; ferner wohl auch FG Baden-Württemberg, Beschluß vom 20. Oktober 1994 14 V 17/94, Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1995, 74, 75).

Eine stille Gesellschaft in diesem Sinne (typische stille Gesellschaft) setzt nach §230 des Handelsgesetzbuchs (HGB) den vertraglichen Zusammenschluß zwischen einem Unternehmensträger ("Inhaber eines Handelsgeschäfts") und einem anderen voraus, kraft dessen sich der andere ohne Bildung eines Gesellschaftsvermögens mit einer Einlage an dem Unternehmen ("Handelsgewerbe") beteiligt und eine Gewinnbeteiligung erhält (vgl. Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, §20 Rdnr. F 2).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Eine dahingehende rechtliche Würdigung vermag der erkennende Senat trotz des Umstands zu treffen, daß das FG offenließ, ob der Kläger das von ihm der A überlassene Kapital als "normales" oder partiarisches Darlehen, im Rahmen einer (typischen) stillen Gesellschaft oder im Rahmen eines sonstigen Kapitalnutzungsverhältnisses i. S. des §20 Abs. 1 Nr. 7 EStG gewährte. Hat das FG eine (präzise) Auslegung der betreffenden Verträge und Willenserklärungen unterlassen, so kann sie das Revisionsgericht selbst vornehmen, wenn das FG die dazu erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen hat; dies gilt auch dann, wenn mehrere Auslegungsmöglichkeiten bestehen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §118 Rdnr. 17, m. w. N. aus der Rechtsprechung).

aa) Die A übte mit ihren im großen Stil betriebenen Wertpapieroptionsgeschäften eine selbständige, planmäßige und mit Gewinnabsicht verfolgte Tätigkeit und damit eine gewerbliche Betätigung aus, die gemäß §1 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 HGB ein Grundhandelsgewerbe darstellte (ebenso FG Baden-Württemberg in EFG 1995, 74, 75).

bb) Mit dem zwischen der A und dem Kläger geschlossenen Verwaltungsvertrag wurde ein Gesellschaftsverhältnis i. S. von §705 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) begründet. Diesem Ergebnis steht der Wortlaut der getroffenen Vereinbarungen, insbesondere die fehlende Erwähnung des Begriffs der stillen Gesellschaft und die äußere Bezeichnung der Abrede als "Verwaltungsvertrag" nicht entgegen. Die von den Vertragsparteien gewählten Formulierungen können zwar -- besonders in Grenzfällen -- eine indizielle Bedeutung haben. Sie schließen indessen eine davon abweichende Beurteilung nicht aus. Entscheidend ist stets, was die Vertragsparteien wirtschaftlich gewollt haben und ob dieser -- unter Heranziehung aller Umstände zu ermittelnde -- Vertragswille dem objektiven Rechtsbild der (stillen) Gesellschaft entspricht (vgl. Kirchhof/Söhn, a.a.O., §20 Rdnr. F 52, m. w. N.). Ergibt sich danach, daß sich die Vertragspartner zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks verbunden haben und nicht lediglich jeweils ihre eigenen Interessen verfolgen, so ist die Vereinbarung als Gesellschaftsvertrag i. S. des §705 BGB zu qualifizieren (Kirchhof/Söhn, a.a.O., §20 Rdnr. F 3, m. w. N.; vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 25. März 1992 I R 41/91, BFHE 168, 239, BStBl II 1992, 889, 890, betreffend die Abgrenzung der stillen Beteiligung vom partiarischen Darlehen).

Im Streitfall spricht entscheidend für die Annahme eines Gesellschaftsverhältnisses, daß den Anlegern eine hohe Erfolgsbeteiligung (in Höhe von 70 % des "Nettozuwachses" aus den von der A getätigten Geschäften) zugesagt war (vgl. Tz. 5.2 der Vertragsbedingungen) und daß sie überdies -- bis zur Höhe ihres Anlagekapitals -- auch an den Verlusten aus den getätigten Handelsgeschäften teilnahmen (vgl. Tz. 4.1 und 7.3 der Vertragsbedingungen). Die in Rede stehenden Kapitalanlagen bargen daher sowohl erhebliche Gewinnchancen als auch beträchtliche Risiken, die nicht nur in der erwähnten Verlustbeteiligung, sondern auch in dem Fehlen jeglicher Sicherheiten begründet waren (zum Fehlen von Sicherheiten als Indiz für ein Gesellschaftsverhältnis vgl. z. B. Kirchhof/Söhn, a.a.O., §20 Rdnr. F 67). Eine derartige Risikogemeinschaft bildet ein typisches Merkmal eines Gesellschaftsverhältnisses. Vor allem die Vereinbarung der Verlustbeteiligung zeigt die "Teilnahme am unternehmerischen Risiko" und damit eine stille Gesellschaft an (Kirchhof/Söhn, a.a.O., §20 Rdnr. F 65 und F 67). Sie schließt zugleich zwingend das Vorliegen eines partiarischen Rechtsverhältnisses, namentlich eines partiarischen Darlehens, aus, mit dessen Wesen eine Teilnahme am Verlust nicht vereinbar ist (vgl. auch Kirchhof/Söhn, a.a.O., §20 Rdnr. F 51 und F 65).

Entgegen einer bisweilen vertretenen Ansicht (vgl. z. B. FG Düsseldorf, Beschluß vom 15. August 1994 6 V 2422/94 A (E), EFG 1995, 30, 31) spricht im Streitfall nicht gegen das Vorliegen eines Gesellschaftsverhältnisses, daß der Verwaltungsvertrag keine ausdrücklichen Regelungen über Kontrollrechte des Anlegers enthielt (vgl. auch Schlegelberger/K. Schmidt, Handelsgesetzbuch, 5. Aufl., §335 Rdnr. 57, m. w. N.). Hieraus läßt sich ein zwingender Schluß gegen die Annahme eines (stillen) Gesellschaftsverhältnisses schon deswegen nicht herleiten, weil das "Gesetz umgekehrt davon aus(geht), daß im Falle einer stillen Gesellschaft ein Informationsrecht bestehen muß (§338)" (Schlegelberger/K. Schmidt, a.a.O.; ebenso zutreffend FG Baden-Württemberg in EFG 1995, 74, 75). Nach den "Verwaltungsverträgen" war die A zu einer monatlichen "Mitteilung der Ergebnisse" verpflichtet (vgl. Tz. 7.2 der Vertragsbedingungen). Schon im Hinblick auf die hohe Ergebnisbeteiligung der Anleger unterliegt es keinen ernsthaften Zweifeln, daß diese auch ohne entsprechende ausdrückliche Abrede die Richtigkeit der Ergebnismitteilungen "unter Einsicht der Bücher und Papiere" prüfen konnten und daß die A für ausgewiesene Verluste beweispflichtig gewesen wäre (zu letzterem vgl. etwa Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 29. Aufl., §230 Rdnr. 19, m. w. N.). Ob die Anleger von diesen ihnen zustehenden Mindestkontrollrechten i. S. von §233 HGB (vgl. BFH-Urteil vom 6. Juli 1995 IV R 79/94, BFHE 178, 180, BStBl II 1996, 269, unter II. 1.) auch tatsächlich Gebrauch machten, ist ohne Belang.

Der Geschäftsinhaber ist dem stillen Gesellschafter zur Führung des Handels geschäfts für gemeinsame Rechnung verpflichtet. Er hat die Einlage des stillen Gesellschafters bestimmungsgemäß zu verwenden und darf dem Unternehmen nicht bestimmungswidrig Vermögen entziehen (vgl. z. B. Baumbach/Hopt, a.a.O., §230 Rdnr. 13). Auch diesen typischen Rechtsfolgen des stillen Gesellschaftsverhältnisses genügt der streitige Verwaltungsvertrag. Dessen Auslegung ergibt, daß die A die von den Anlegern bereitgestellten Mittel zum Betreiben der dort, wenn auch nur beispielhaft und weit umschriebenen (Spekulations-) Geschäfte mit der Sorgfalt eines ordent lichen Kaufmanns (vgl. Tz. 4.2 der Vertragsbedingungen) einsetzen mußte. Bei der Führung der Handelsgeschäfte hat der tätige Gesellschafter einer stillen Gesellschaft einen großen kaufmännischen Handlungsspielraum, auch bezüglich der Ausdehnung und Einschränkung des Handelsgeschäfts (Baumbach/Hopt, a.a.O., §230 Rdnr. 13). Es steht deswegen der Annahme eines (stillen) Gesellschaftsverhältnisses nicht im Wege, daß die Verwaltungsverträge Weisungs- oder Mitwirkungsrechte der Anleger nicht vorsahen; solche Rechte stehen dem stillen Gesellschafter nach dem typischen Bild der stillen Gesellschaft, d. h. nach den (dispositiven) Regeln der §§230 ff. HGB nicht zu (statt vieler vgl. Heymann/Horn, Handelsgesetzbuch, 2. Auf., §230 Rdnr. 34).

Schließlich wird die Annahme eines (stillen) Gesellschaftsverhältnisses auch nicht dadurch gehindert, daß die Anleger die Verwaltungsverträge relativ kurzfristig -- d. h. vierteljährlich mit sechswöchiger Frist -- kündigen konnten (vgl. Tz. 8.1 der Vertragsbedingungen). Die für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts maßgebliche (abdingbare) Regelung des §723 Abs. 1 Satz 1 BGB geht von der jederzeitigen Kündigungsmöglichkeit aus. Gleichwohl ist nicht zu verkennen, daß eine derart leichte Lösbarkeit des Gesellschaftsverhältnisses nur bei Gelegenheitsgesellschaften dem regelmäßigen Parteiwillen entsprechen wird. So ist namentlich die stille Gesellschaft als Dauerschuldverhältnis mit mitgliedschaftsrechtlichem Einschlag typischerweise darauf angelegt, einen Zustand zu schaffen, der über die kurzfristige Inanspruchnahme von Fremdmitteln durch den Geschäftsinhaber hinausgeht (Schlegelberger/K. Schmidt, a.a.O., §335 Rdnr. 60). Dementsprechend kann nach §234 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. §132 HGB die (ordentliche) Kündigung einer auf unbestimmte Zeit eingegangenen stillen Gesellschaft nur mit sechsmonatiger Frist auf den Schluß des Geschäftsjahres erfolgen. Eine kürzere Kündigungsmöglichkeit kann daher indiziell gegen das Vorliegen eines (stillen) Gesellschaftsverhältnisses sprechen. Indessen ist die Regelung des §234 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. §132 HGB ohne weiteres mit der Maßgabe abdingbar, daß die Gesellschafter auch eine jederzeitige fristlose ordentliche Kündigung vereinbaren können (vgl. z. B. Baumbach/Hopt, a.a.O., §132 Rdnr. 8). Das in Rede stehende Indiz tritt daher gegenüber den aufgezeigten übrigen, ein (stilles) Gesellschaftsverhältnis anzeigenden Umständen zurück, zumal die Vertragsbeteiligten nur eine quartalsmäßige Kündigung mit sechswöchiger Frist vereinbart hatten.

cc) Der nach den Ausführungen zu bb) zu bejahende Gesellschaftsvertrag zwischen der A und ihren Anlegern diente dem gemeinsam verfolgten Zweck, ein Handels gewerbe (s. dazu oben aa) durch die nach außen allein in Erscheinung tretende A zu betreiben. Die Anleger der A trugen zur Erreichung dieses gemeinsamen Zwecks dadurch bei, daß sie der A auf unbestimmte Zeit -- bis zur Kündigung der Verwaltungsverträge -- Kapital überließen, mit dessen Hilfe die A ihre Handelsgeschäfte (vgl. oben aa) betreiben sollte. Dieses Kapital, das zugleich den Gesellschafterbeitrag und die (stille) Einlage der Anleger verkörperte (vgl. dazu etwa Schlegelberger/K. Schmidt, a.a.O., §335 Rdnr. 137), ging in das Vermögen der A über. Der Beitrag der A zur stillen Gesellschaft bestand in der Übernahme der Verpflichtung, das Handelsgeschäft unter Einsatz des von den Anlegern als stillen Gesellschaftern bereitgestellten Kapitals zu betreiben (vgl. dazu schon unter bb).

dd) Unverzichtbares Erfordernis einer stillen Gesellschaft ist die Beteiligung des stillen Gesellschafters am Gewinn des Handelsgeschäfts (vgl. §231 Abs. 2, 2. Halbsatz HGB). Auch diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Ausweislich der "Verwaltungsverträge" waren die Anleger mit 70 % am "Nettozuwachs" beteiligt (vgl. Tz. 5.2 der Vertragsbedingungen). Das ist derjenige Bruchteil des Gesamtgewinns, der dem Quotienten zwischen der Einlage des betreffenden Anlegers und der Summe der Einlagen aller stillen Teilhaber (Anleger), die mangels jedweder Verbindung der Anleger untereinander mit der A jeweils zweigliedrige stille Gesellschaften begründet hatten, entspricht.

b) Aufgrund dieser Erwägungen sind die Rechtsverhältnisse zwischen der A und ihren Kapitalanlegern als stille Gesellschaften i. S. der §§230 ff. HGB zu qualifizieren. Es handelt sich um typische stille Gesellschaften i. S. von §20 Abs. 1 Nr. 4, 1. Alternative EStG. Anhaltspunkte für das Vorliegen von atypischen stillen Gesellschaften im steuerrechtlichen Sinne und damit von Mitunternehmerschaften i. S. von §15 Abs. 1 Nr. 2 EStG bestehen nicht. So haben die Vertragsbeteiligten namentlich nicht vereinbart, daß die Anleger -- über die Beteiligung am laufenden Geschäftsergebnis hinaus -- schuldrechtlich am Geschäftsvermögen (an dessen stillen Reserven) partizipieren und ihre Kontroll- und Mitwirkungsrechte über die in §233 HGB vorgesehenen Befugnisse hinausgehen und etwa denen eines Kommanditisten i. S. von §§164 und 166 HGB entsprechen sollten (zur Abgrenzung der typischen von der atypischen stillen Gesellschaft im Steuerrecht vgl. z. B. Kirchhof/Söhn, a.a.O., §20 Rdnr. F 35 ff.).

c) Mit der Annahme eines Kapitalnutzungsverhältnisses i. S. von §20 Abs. 1 Nr. 4, 1. Alternative EStG ist zugleich auch die Frage verneint, ob die von der A getätigten (Börsen-)Geschäfte den Anlegern direkt zuzurechnen sind. Mit Recht konnte das FG deshalb offenlassen, ob die von der A entfaltete Tätigkeit -- falls diese den Anlegern (unmittelbar) zuzurechnen wäre -- zu steuerbaren Einkünften, etwa i. S. von §22 Nr. 2 i. V. m. §23 EStG oder i. S. von §22 Nr. 3 EStG, hätte führen können.

2. Dem FG ist auch darin zu folgen, daß es die streitigen "Renditen" als Einnahmen i. S. von §8 Abs. 1 EStG angesehen hat, die dem Kläger im Streitjahr gemäß §11 Abs. 1 EStG zuflossen.

Das FG konnte im Streitfall mit Recht offenlassen, ob der Zufluß von Einnahmen i. S. der §§8 Abs. 1, 11 Abs. 1 EStG bereits in den Zeitpunkten stattfand, in denen die A die "Renditen" dem Kläger in ihren Büchern gutschrieb. Zutreffend ist die Vorentscheidung davon ausgegangen, daß jedenfalls die nach den betreffenden Gutschriften noch im selben Veranlagungszeitraum erfolgten Auszahlungen der "Renditen" zu Einnahmezuflüssen im Sinne der genannten Bestimmungen geführt haben.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sind Einnahmen (vgl. §8 Abs. 1 EStG; hier: die entsprechenden Geldbeträge) i. S. von §11 Abs. 1 EStG zugeflossen, sobald der Steuerpflichtige über sie wirtschaftlich verfügen kann (vgl. z. B. BFH- Urteil vom 14. Februar 1984 VIII R 221/80, BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480, unter 2.). Das ist bei den im Streitfall durch Hingabe von (gedeckten) Schecks erfolgten Auszahlungen unzweifelhaft der Fall.

b) Der Zufluß von Einnahmen i. S. der §§8 Abs. 1 und 11 Abs. 1 EStG setzt allerdings voraus, daß beim Steuerpflichtigen eine Vermögensmehrung, d. h. eine objektive Bereicherung, eintritt (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 21. Juli 1987 VIII R 211/82, BFH/NV 1988, 224, 225, m. w. N.). Dies trifft im Streitfall zu: Durch die Auszahlung der "Renditen" traten solche objektiven Bereicherungen des Klägers ein. Dem steht nicht entgegen, daß die A die in Rede stehenden Auszahlungen mit Mitteln bestritt, die ihr von anderen Anlegern oder gar von dem Kläger selbst zur Verfügung gestellt worden waren. Woher die vom Schuldner zur Begleichung seiner (vermeintlichen) Verbindlichkeiten verwendeten, in seinem wirtschaftlichen Eigentum stehenden Geldmittel stammten, ob sie z. B. aus selbst erwirtschafteten Umsätzen oder Erträgen, Krediten, Schenkungen oder strafbaren Handlungen erlangt wurden, ist für die durch die Zahlung beim Empfänger eintretende objektive Bereicherung i. S. von §8 Abs. 1 EStG grundsätzlich ohne Belang (vgl. auch Schmidt-Troje/Buciek, EFG, Beilage 8/1994, S. 29).

Etwas anderes könnte im Streitfall nur dann gelten, wenn die an den Kläger ausgezahlten Geldbeträge aus seinem eigenen -- ihm i. S. von §39 AO 1977 zuzurechnenden -- Vermögen ("Eigentum") hergerührt hätten. Dies wäre hier indessen selbst dann nicht der Fall gewesen, wenn man von der (im übrigen kaum realistischen) Annahme ausginge, daß die an den Kläger ausgezahlten Geldbeträge gerade aus den Mitteln entnommen worden wären, die er selbst der A als Kapitaleinlage zur Verfügung gestellt hätte. Denn ebenso wie die übrigen "Investoren" hatte der Kläger seine Kapitaleinlagen an die A mit der Maßgabe geleistet, daß die entsprechenden Geldbeträge nicht nur in das zivilrechtliche, sondern auch in das wirtschaftliche Eigentum der A übergehen sollten.

c) Dem FG ist im Ergebnis auch darin beizupflichten, daß die in Rede stehenden "Renditen" dem Kläger im Streitjahr als Einnahmen im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. von §20 Abs. 1 Nr. 4, 1. Alternative EStG zuflossen (§8 Abs. 1 i. V. m. §11 Abs. 1 Satz 1 EStG) und nicht etwa nicht steuerbare Kapitalrückzahlungen bildeten.

aa) Wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 10. Juni 1975 VIII R 71/71 (BFHE 116, 333, BStBl II 1975, 847, 848) entschieden hat, hängt die Frage, ob es sich bei der zu beurteilenden Leistung um eine Kapitalrückzahlung oder um ein Entgelt für die Kapitalüberlassung handelt, davon ab, bei welcher dieser Verpflichtungen der Leistungserfolg eingetreten ist. Diese Frage regelt das Steuerrecht nicht unmittelbar und muß mit Hilfe einer ergänzenden Heranziehung des bürgerlichen Rechts beantwortet werden. Danach steht das Leistungsbestimmungsrecht dem Schuldner zu (vgl. §366 Abs. 1 BGB). Nach den objektiv eindeutigen Erklärungen der A sollten die streitigen Zahlungen auf die (vermeintlichen) Ansprüche des Klägers auf Gewinnbeteiligung geleistet werden, und so hat auch der Zahlungsempfänger die Leistungen tatsächlich aufgefaßt.

bb) Für die Zurechnung der zugeflossenen Beträge zu den steuerpflichtigen Einkünften i. S. von §2 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. §20 Abs. 1 Nr. 4, 1. Alternative EStG ist ohne Belang, ob die A die an die Anleger ausgezahlten Renditen tatsächlich erwirtschaftet hatte und ob die Anleger einen zivilrechtlich durchsetzbaren Anspruch auf diese Gewinnanteile besaßen (vgl. schon Senatsurteil in BFH/NV 1988, 224, unter 2. a der Gründe; a. A. -- zu Unrecht -- Jungen, DStR 1994, 1676, 1677, li. Sp.; Pannen, DB 1995, 1531, 1534 f.). Entscheidend für die Besteuerung ist allein die wirtschaftliche Gestaltung, wie sie die Beteiligten unter sich gelten lassen (arg. §41 AO 1977; vgl. auch BFH-Urteile in BFHE 116, 333, BStBl II 1975, 847, 848, unter 1. der Gründe; vom 6. April 1993 VIII R 68/90, BFHE 172, 25, BStBl II 1993, 825, unter 2. der Gründe). Der Umstand, daß die A zur Zahlung der "Renditen" mangels Erwirtschaftung von "Nettowertzuwächsen" rechtlich nicht verpflichtet war, gewinnt allenfalls Bedeutung für die Beantwortung der Frage, ob die Anleger zivilrechtlich (vgl. §812 Abs. 1 BGB) zur Rückzahlung der empfangenen Renditen angehalten werden konnten. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre (vgl. aber unten), würde dies dem Zufluß der Renditen im Zeitpunkt ihrer Auszahlung auch dann nicht entgegengestanden haben, wenn es später tatsächlich zu einer Rückzahlung der Renditen gekommen wäre. Denn die Verwirklichung des Zuflußtatbestandes i. S. des §11 Abs. 1 EStG setzt nicht voraus, daß der Steuerpflichtige die Leistung (endgültig) behalten darf (statt vieler vgl. Blümich/Glenk, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., §11 Rdnr. 18, m. w. N. aus der Rechtsprechung). Vielmehr ist in solchen Fällen im Zeitpunkt der Rückzahlung (ex nunc) eine negative Einnahme anzusetzen (vgl. z. B. Blümich/Glenk, a.a.O., §11 Rdnr. 22, m. w. N. aus der Rechtsprechung).

Abgesehen davon hätte aber einem von der A auf §812 Abs. 1 BGB gestützten Rückzahlungsbegehren §814 BGB entgegengestanden, weil sie die "Renditen" in bewußter Kenntnis ihrer Nichtschuld ausgezahlt hatte (vgl. etwa das Urteil des Bundesgerichtshofes -- BGH -- vom 29. November 1990 IX ZR 29/90, Neue Juristische Wochenschrift -- NJW -- 1991, 560, 561, unter II. 1. der Gründe). Allenfalls der Konkursverwalter oder ein Gläubiger hätte bei Verwirklichung eines Anfechtungstatbestandes (vgl. etwa §32 Nr. 1 der Konkursordnung, und dazu BGH-Urteil in NJW 1991, 560; ferner §3 Abs. 1 Nr. 3 des Anfechtungsgesetzes) die Rückgewähr der gezahlten "Renditen" durchsetzen können.

d) Gegenüber den vorstehend unter b) und c) dargelegten Gründen müssen die vom erkennenden Senat in seinem im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung ergangenen Beschluß vom 16. März 1995 VIII B 158/94 (BFH/NV 1995, 680, 681, mittlere Sp.) gehegten Zweifel am Vorliegen von (steuerpflichtigen) Kapitalerträgen letztlich zurücktreten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66557

BFH/NV 1998, 305

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