Leitsatz (amtlich)

1. Einwendungen, die sich gegen einen bestandskräftigen Steuerbescheid richten, können nicht gegen einen Abrechnungsbescheid erhoben werden.

2. Auch ein auf null DM lautender Umsatzsteuerbescheid kann wegen des inneren Zusammenhangs mit einer einen Vorsteuerüberschuß ausweisenden Umsatzsteuervoranmeldung eine Leistungspflicht begründen.

 

Orientierungssatz

1. Ein Abrechnungsbescheid (Begriffsbestimmung) ist mit Gründen, die gegen die Steuerfestsetzung selbst erhoben werden, auch dann nicht anfechtbar, wenn der Abrechnungsbescheid mit einer Zahlungsaufforderung versehen ist, es sich bei dieser jedoch --wegen des Verweises auf die mit dem Steuerbescheid verbundene Zahlungsaufforderung-- lediglich um eine nicht anfechtbare wiederholende Verfügung handelt (vgl. BFH-Urteil vom 12.1.1983 IV R 211/82).

2. Ausführungen zur Beschwer bei Anfechtung eines auf null DM lautenden Umsatzsteuerbescheides aufgrund der Rückforderung von in Umsatzsteuervoranmeldungen erklärten Vorsteuerüberschüssen.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 37, 218 Abs. 2; UStG 1967 § 18 Abs. 4 S. 3; AO 1977 § 168

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG (Entscheidung vom 11.11.1981; Aktenzeichen V 223/78)

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) beabsichtigte, mit 12 Appartements einen Fremdenverkehrsbetrieb zu eröffnen. Die von ihr abgegebene Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 1972 wies im Zusammenhang mit dem Erwerb der Appartements einen Vorsteuerüberschuß in Höhe von 144 000 DM aus. Aufgrund einer Zessionserklärung der Klägerin erstattete das Finanzamt (FA) den erklärten Vorsteuerüberschuß an die Firma J.

Nachdem sich herausgestellt hatte, daß es nicht zu dem Erwerb der Appartements durch die Klägerin gekommen war, setzte das FA die Umsatzsteuer 1972 mit Bescheid vom 24.Februar 1976 auf null DM fest. Eine gegen diesen Bescheid gerichtete Klage wurde von der Klägerin zurückgenommen. Am 28.Juni 1978 erließ das FA gegen die Klägerin einen Abrechnungsbescheid. Darin forderte das FA von der Klägerin unter Hinweis auf den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1972 und der diesem beigefügten Abrechnung die an die Firma J ausgezahlte Umsatzsteuer zurück. Die nach erfolglosem Vorverfahren gegen den Abrechnungsbescheid erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) durch sein in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1982, 496 veröffentlichtes Urteil vom 11.November 1981 V 223/78 ab.

Mit ihrer Revision wendet sich die Klägerin gegen die Auffassung des FG, daß die Vorschrift des § 18 Abs.4 Satz 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1967 den Rückforderungsanspruch gegen sie begründe. Das FG habe verkannt, daß sie nie Unternehmer im Sinne des UStG gewesen sei. Deswegen könne § 18 Abs.4 Satz 3 UStG 1967 nicht auf den Rückforderungsanspruch des FA anwendbar sein; dafür sei tatbestandlich die Unternehmereigenschaft erforderlich.

Außerdem rügt die Klägerin die Nichtanwendung des § 37 Abs.2 der Abgabenordnung (AO 1977). Der Abrechnungsbescheid des FA habe nicht ihr gegenüber ergehen dürfen, weil § 218 Abs.2 Satz 2 AO 1977 auf § 37 Abs.2 AO 1977 verweise. Mit der Abtretung des Erstattungsanspruchs und der Überweisung des abgetretenen Betrages an den Zessionar sei das Steuerschuldverhältnis zwischen ihr und dem FA durch Zahlung erloschen. Der Rückforderungsanspruch richte sich allein gegen die Firma J, weil diese als Leistungsempfänger i.S. des § 37 Abs.2 Satz 1 AO 1977 die Erstattung ohne rechtlichen Grund erhalten habe. Deshalb hätte die Frage der Anwendbarkeit des § 37 Abs.2 AO 1977 nicht dahingestellt bleiben dürfen.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, die Verfügung des FA vom 28.Juni 1978 und die Einspruchsentscheidung aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat im Ergebnis zu Recht den im Streit befindlichen Abrechnungsbescheid betreffend Umsatzsteuer 1972 bestätigt.

Das FA macht gegen die Klägerin einen Rückforderungsanspruch geltend, der sich aus der Anrechnung der erstatteten Vorsteuerbeträge auf die festgesetzte Umsatzsteuer 1972 ergeben hat. Damit begehrt es die Verwirklichung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis i.S. des § 218 Abs.1 i.V.m. § 37 AO 1977. Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, d.h. für ihre Erfüllung im Erhebungsverfahren, ist nach § 218 Abs.1 AO 1977 ein im Steuerfestsetzungsverfahren ergangener entsprechender Bescheid. Im Streitfall ergibt sich der Rückforderungsanspruch des FA aus dem gegen die Klägerin ergangenen Umsatzsteuerbescheid 1972.

Es handelt sich bei diesem Steuerbescheid nicht um eine bloße Feststellung, daß sich die Umsatzsteuer auf null DM belaufe und die Klägerin keine Steuern schulde. Vielmehr wird durch diesen Umsatzsteuerbescheid --für die Klägerin aus der mit dem Steuerbescheid verbundenen Abrechnung der sich aus der Voranmeldung und der Jahresveranlagung ergebenden Beträge sofort und zweifelsfrei erkennbar-- eine Leistungspflicht begründet, die zudem auch aus der mit diesem Bescheid des FA verbundenen Zahlungsaufforderung zu ersehen war.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat eine entsprechende auf Rückzahlung von erstatteten Vorsteuerbeträgen gerichtete Leistungspflicht von Steuerpflichtigen bei einem Umsatzsteuerbescheid, der auf null DM lautet, bejaht, da dieser zu dem vorausgegangenen Umsatzsteuerbescheid in Beziehung gesetzt werden müsse, durch den eine negative Steuerzahlungsschuld festgesetzt worden sei. Eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung aufgrund des Steuerbescheides ergibt sich nach dieser Rechtsprechung, der der erkennende Senat folgt, allein schon daraus, daß auf einen vorangegangenen Steuerbescheid ein weiterer Steuerbescheid folgt, der in Beziehung zu dem vorangegangenen Bescheid gesetzt werden muß und dadurch eine Leistungspflicht begründet (vgl. BFH-Beschlüsse vom 28.November 1974 V B 52/73, BFHE 114, 169, 170, BStBl II 1975, 239; vom 5.Februar 1976 V B 73/75, BFHE 118, 149, 150, BStBl II 1976, 435). Dieselbe Beurteilung muß für den Streitfall Platz greifen, in dem die später aufgehobene negative Steuerzahlungsschuld nicht in einem förmlichen Bescheid, sondern in einer vom FA anerkannten Umsatzsteuervoranmeldung ausgewiesen war (vgl. § 168 AO 1977; für die frühere Rechtslage: Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung, 7.Aufl., § 212 AO Tz.2).

Soweit die Revision rügt, es fehle an der für § 18 Abs.4 UStG 1967 nötigen tatbestandlichen Voraussetzung einer Unternehmereigenschaft der Klägerin, richtet sich die Rüge nicht gegen den hier angefochtenen Abrechnungsbescheid, sondern gegen den Umsatzsteuerbescheid 1972.

Die AO 1977 unterscheidet zwischen dem Festsetzungsverfahren einerseits und dem Erhebungsverfahren (der Geltendmachung eines Anspruchs, seiner Verwirklichung) andererseits (vgl. auch die Überschriften des 4. und 5. Teils der AO 1977; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12.Aufl., § 218 AO 1977 Tz.1). Ein Abrechnungsbescheid wird im Erhebungsverfahren, nicht im Veranlagungsverfahren, erteilt. Er hat nur die Feststellung zum Inhalt, ob eine bestimmte Zahlungsverpflichtung erloschen ist, d.h. wirksam gezahlt, aufgerechnet, verrechnet, erlassen, ob Verjährung eingetreten, die Schuld bereits vor Begründung der Zahlungspflicht erloschen oder der Forderungsausgleich durch Vollstreckungsmaßnahmen erreicht worden ist. Die Begründung der Zahlungsverpflichtung ist hingegen nicht Gegenstand des Abrechnungsbescheides; sie wird vorausgesetzt. Daraus folgt, daß Gründe, die gegen die Steuerfestsetzung selbst erhoben werden, nicht im Abrechnungsverfahren geltend gemacht werden können (vgl. Urteile des BFH vom 5.Februar 1970 IV R 244/67, BFHE 98, 400, BStBl II 1970, 444; vom 2.Februar 1962 III 431/59, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1962, 314; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12.Aufl., § 218 AO 1977 Tz.5; Dumke in Schwarz, Kommentar zur Abgabenordnung, § 218 Rdnr.6; Baumdicker, Der Erlaß eines Abrechnungsbescheides nach § 218 Abs.2 AO 1977, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1982, 188, 190). Im Streitfall ergibt sich auch keine Besonderheit daraus, daß der Abrechnungsbescheid mit einer Zahlungsaufforderung versehen ist. Da der Abrechnungsbescheid auf die bereits mit dem Umsatzsteuerbescheid 1972 verbundene Zahlungsaufforderung verweist, handelt es sich bei der in ihm enthaltenen Zahlungsaufforderung lediglich um eine nicht anfechtbare wiederholende Verfügung (vgl. BFH-Urteil vom 12.Januar 1983 IV R 211/82, BFHE 137, 542, BStBl II 1983, 360).

Die Klägerin hat keine Einwendungen erhoben, die das Erlöschen des Zahlungsanspruchs (hier: Rückforderungsanspruch) betreffen. Sie macht vielmehr geltend, der Rückforderungsanspruch könne zwar vorhanden sein, sei aber auf jeden Fall nicht gegen sie --die Klägerin-- geltend zu machen. Derartige Einwendungen können im Rechtsbehelfsverfahren gegen einen Abrechnungsbescheid nicht mehr vorgebracht werden. Mit ihnen hätte sich die Klägerin gegen den Umsatzsteuerbescheid 1972 oder das damit verbundene --gegen sie gerichtete-- Leistungsgebot wehren können, um die Berechtigung des FA nachprüfen zu lassen, sie --die Klägerin-- und nicht den Abtretungsempfänger für die Rückforderung des erstatteten Betrages in Anspruch zu nehmen. Selbst wenn sie sich dabei nicht gegen die Festsetzung der Steuer auf null DM hätte zur Wehr setzen wollen oder können (mangels Beschwer), so hätte sie zumindest eine Beschwer darin sehen können und müssen, daß die mit dem Umsatzsteuerbescheid verbundene Anrechnungsverfügung und das ebenfalls damit verbundene Leistungsgebot unschwer erkennen ließen, daß sie selbst auf Rückzahlung in Anspruch genommen werden sollte und für sie auch eine Leistungspflicht durch den auf null DM lautenden Steuerbescheid begründet wurde. Insofern konnte die Klägerin ohne weiteres die durch den Umsatzsteuerbescheid 1972 begründete Beschwer erkennen, auch wenn der in diesem Bescheid festgesetzte Steuerbetrag auf null DM lautete. Sie hat aber den Umsatzsteuerbescheid 1972 durch Rücknahme ihrer zunächst erhobenen Klage bestandskräftig werden lassen. Der Senat kann somit im Rahmen des Revisionsverfahrens gegen den Abrechnungsbescheid nicht mehr prüfen, ob das FA die Klägerin zu Recht auf Rückzahlung des an den Zessionar erstatteten Vorsteuerbetrages in Anspruch genommen hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61270

BStBl II 1986, 776

BFHE 147, 117

BFHE 1987, 117

BB 1986, 2190-2190 (LT1-2)

DB 1986, 2526-2526

HFR 1986, 613-614 (ST)

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