Leitsatz (amtlich)

Für die aus der Zahlung einer Abfindung nach dem MühlStruG vom 22. Dezember 1971 (BGBl I, 2098) sich ergebende Verpflichtung, die Mühle stillzulegen und für 30 Jahre den Mühlenbetrieb nicht wiederaufzunehmen, ist ein passiver Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden.

 

Normenkette

EStG 1971 § 5 Abs. 3 Nr. 2; AktG § 152 Abs. 9 Nr. 2

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG. Sie betrieb bis zum Streitjahr 1972 einen Einzelhandel, die Herstellung von Futtermitteln sowie eine Feinmehl-Mühle. Der Mühlenbetrieb wurde im September 1972 eingestellt. Aufgrund des Gesetzes über abschließende Maßnahmen zur Schaffung einer leistungsfähigen Struktur des Mühlengewerbes (MühlStruG) vom 22. Dezember 1971 (BGBl I, 2098) erhielt die Klägerin im Streitjahr eine Stillegungsprämie in Höhe von 128 701 DM. Die Klägerin mußte sich verpflichten, den Betrieb der Mühle auf die Dauer von 30 Jahren nicht wieder aufzunehmen. Zur Sicherung dieses Anspruchs auf Unterlassung wurde zugunsten der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit auf ihrem Betriebsgrundstück eingetragen. - Die Klägerin erzielte ferner durch Veräußerung der von ihr nicht mehr benötigten Mühlenmaschinen einen Gewinn von 9 536 DM.

Im Rahmen der (für vorläufig erklärten) einheitlichen Gewinnfeststellung für 1972 erfaßte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) den Betrag von (128 701 DM + 9 536 DM =) 138 237 DM zunächst als Veräußerungsgewinn i. S. des § 16 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Im Anschluß an eine Betriebsprüfung berichtigte das FA diese Feststellungen in der Weise, daß es (u. a. ) den Gewinn aus der Aufgabe des Mühlenbetriebs als laufenden Gewinn behandelte.

Mit der Sprungklage gegen den berichtigten Bescheid machte die Klägerin geltend, in der Aufgabe des Mühlenbetriebs habe eine nach § 16 Abs. 4 und § 34 EStG steuerbegünstigte Teilbetriebsaufgabe gelegen. Die Stillegungsprämie stelle zudem eine Entschädigung i. S. des § 24 Nr. 1 EStG dar und sei deshalb auch aus diesem Grunde nach § 34 EStG steuerbegünstigt. Schließlich müsse bei der Gewinnermittlung berücksichtigt werden, daß in ihrer Schlußbilanz zum 31. Dezember 1972 eine Verbindlichkeit in Höhe von 127 500 DM anzusetzen gewesen sei. Diese Verbindlichkeit müsse als Verpflichtung aus einem laufenden Geschäftsvorfall oder als passiver Rechnungsabgrenzungsposten in ihrer Bilanz ausgewiesen werden.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

Gegen das Urteil des FG hat die Klägerin Revision eingelegt. Sie erklärt, ihren im Klageverfahren gestellten Hauptantrag (Steuerermäßigung nach §§ 16, 34 EStG) nicht mehr aufrechtzuerhalten. Gerügt werde nur noch, daß das FG die von ihr übernommene Verpflichtung, für einen Zeitraum von 30 Jahren den stillgelegten Mühlenbetrieb nicht wiederaufzunehmen, nicht als passivierungsfähig angesehen habe. Diese in § 4 Abs. 2 Nr. 5 MühlStruG geregelte Pflicht sei keine bloße Nebenverpflichtung; sie sei nach Sinn und Zweck des Gesetzes sogar die wesentlichste Voraussetzung für die Gewährung der Prämie. Denn die Abfindungszahlungen würden dafür gewährt, daß der stillgelegte Betrieb auf Dauer aus dem Mühlengewerbe ausscheide. Die Unterlassungspflicht nach dem MühlStruG sei vergleichbar mit dem Fall, daß ein Gewerbetreibender eine längerfristige Unterlassungspflicht im Wettbewerb (Wettbewerbsverbot) übernehme und dafür eine einmalige Zahlung erhalte; in Höhe dieser Zahlung sei ein Passivposten zu bilden, der dann in dem Zeitraum der Verpflichtung allmählich aufzulösen sei.

Die Klägerin beantragt, unter Zugrundelegung einer Verpflichtung von 127 500 DM und unter Berücksichtigung einer Gewerbesteuerrückstellung von 15 400 DM den für das Streitjahr festgestellten Gewinn um 112 100 DM zu mindern.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Es führt aus, der Ausweis eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens setze voraus, daß Einnahmen erzielt worden seien, die wirtschaftliche Erträge der späteren Wirtschaftsjahre darstellten (wie z. B. im voraus gezahlte Pachtzinsen); in solchen Fällen stünde den im voraus erzielten Einnahmen in den Folgejahren eine echte Nutzungsüberlassung gegenüber. An dieser Voraussetzung fehle es jedoch im Streitfall. Die Stillegungsprämie könne nicht als Ertrag der Wirtschaftsjahre 1972 bis 2002 angesehen werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Änderung des angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheids.

1. Nachdem die Klägerin ihren Antrag auf Gewährung der Steuervergünstigung nach den §§ 16, 24 Nr. 1 i. V. m. § 34 EStG zurückgenommen hat, beschränkt sich der Streit nunmehr auf die Frage, ob die Klägerin in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1972 wegen der Verpflichtung, ihren Mühlenbetrieb 30 Jahre lang stillzulegen, einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden hatte. Entgegen der Auffassung des FG lagen die Voraussetzungen für die Bildung eines solchen Abgrenzungspostens im Streitfall vor.

a) Nach § 152 Abs. 9 Nr. 2 des Aktiengesetzes (AktG) und § 5 Abs. 3 Nr. 2 EStG sind als Rechnungsabgrenzungsposten auf der Passivseite solche Einnahmen vor dem Abschlußstichtag anzusetzen, die Erträge für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen.

Der Sinn dieser Vorschriften liegt darin, Einnahmen dem Jahr zuzuordnen, zu dem sie wirtschaftlich gehören. Der Anwendungsbereich der Rechnungsabgrenzung betrifft in erster Linie gegenseitige Verträge, bei denen für eine bestimmte Zeit Leistungen zu erbringen sind, bei denen aber Leistung und Gegenleistung zeitlich auseinanderfallen. Erhält z. B. der Vermieter die Mietzinsen für einen Zeitraum von mehreren Jahren, so ist dieser Vorleistung des Mieters in den Bilanzen des Vermieters durch einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten Rechnung zu tragen; mit ihm wird berücksichtigt, daß der Vorleistung des anderen Vertragsteils eine noch nicht erbrachte Gegenleistung des Steuerpflichtigen gegenübersteht (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. März 1973 I R 48/69, BFHE 109, 172, BStBl II 1973, 565, und vom 17. Juli 1980 IV R 10/76, BFHE 133, 363, BStBl II 1981, 669).

Die vom Steuerpflichtigen zu erbringende Gegenleistung kann auch in einem Unterlassen bestehen. Wird z. B. eine Entschädigungsleistung dafür gezahlt, daß für eine bestimmte Zeit Wettbewerb unterlassen wird, so führt auch dies zur Bildung eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens. Das Unterlassen ist eine Leistung, die laufend während der Geltung der Wettbewerbsvereinbarung zu bewirken ist (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1969 IV 175/65, BFHE 98, 25, BStBl II 1970, 315).

b) Die Voraussetzungen für die Bildung eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens sind auch bei Abfindungen gegeben, die der Inhaber eines Mühlenbetriebs aufgrund des MühlStruG für die freiwillige Stillegung seiner Mühle erhält.

Wie sich aus der Begründung zum Entwurf des MühlStruG (BT-Drucks. VI/2554) ergibt, sollte mit diesem Gesetz aus Gründen der Ernährungssicherung, der Sicherung der Aufnahme der deutschen Getreideernte und des Mittelstandsschutzes eine Verringerung der vorhandenen Überkapazitäten in der Mühlenwirtschaft angestrebt werden. Die Überkapazitäten sollten durch eine Stillegungsaktion abgebaut werden. Die freiwillige Stillegung von Mühlen sollte durch die Gewährung von Abfindungen aus öffentlichen Mitteln gefördert werden. Damit sollte erreicht werden, "daß die Mühlen aus dem Marktgeschehen ausscheiden und ihr Marktanteil von anderen Mühlen zur Verbesserung ihrer Leistungsfähigkeit übernommen werden kann".

Für die Zahlung einer solchen Abfindung setzt § 4 Abs. 2 MühlStruG u. a. voraus, daß die Mühle innerhalb einer bestimmten Frist stillgelegt wird und daß der Inhaber der Mühle sich für 30 Jahre verpflichtet, den Betrieb der Mühle nicht wiederaufzunehmen, den Vertrieb und die Lagerung von Mahlerzeugnissen auf dem Mühlengrundstück einzustellen und die Vorrichtungen, die zur Herstellung von Mahlerzeugnissen gedient haben, nicht mehr zur Verarbeitung von Getreide zu verwenden. Die Einhaltung dieser Verpflichtung wird durch Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit im Grundbuch zugunsten der Bundesrepublik sichergestellt.

Aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes ergibt sich, daß die Abfindung für die Eingehung einer Verpflichtung gezahlt wird, die - ähnlich wie die Übernahme einer befristeten Wettbewerbsverpflichtung - auf Unterlassen einer bestimmten wirtschaftlichen Betätigung (und damit auf einen entsprechenden Einnahmeverzicht) gerichtet ist.

Die Pflicht zur Einstellung des Mühlenbetriebs und zur Unterlassung der Wiederaufnahme innerhalb einer Frist von 30 Jahren lassen sich nicht - wie das FA offenbar annnimmt - in der Weise aufgliedern, daß die - zunächst zu erfüllende - Verpflichtung zur Stillegung die Hauptpflicht bildet und die hieran anschließende 30jährige Verpflichtung zur Unterlassung der Wiederaufnahme lediglich als eine für die Bildung von passiven Rechnungsabgrenzungsposten nicht zu berücksichtigende Nebenpflicht anzusehen ist. Denn die Abfindung wird nicht in erster Linie für den Vorgang der Betriebseinstellung als solchen gezahlt. Die Einstellung wäre ohne wirtschaftlichen Sinn, wäre sie nicht von der hieran anschließenden Verpflichtung zur langfristigen Unterlassung der Wiederaufnahme des Betriebs begleitet. Der Mühleninhaber erbringt vielmehr mit der Einstellung des Betriebs und der Verpflichtung zur 30jährigen Unterlassung der Wiederaufnahme eine wirtschaftlich zusammenhängende einheitliche Leistung. Die hierfür geleistete Abfindung stellt für den bisherigen Mühlenbesitzer eine Einnahme dar, die als Gegenleistung für ein von ihm gefordertes 30jähriges Dauerverhalten gedacht ist.

c) Der Anerkennung eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens steht nicht entgegen, daß bei einer erheblichen Zahl von Mühlenbesitzern die Bildung eines solchen Postens nicht mehr möglich ist, weil sie ihren Betrieb in vollem Umfang aufgegeben haben. Diesem Nachteil stünde im Falle vollständiger Betriebsaufgabe die Möglichkeit gegenüber, die für die Aufgabe von Betrieben vorgesehenen steuerrechtlichen Vergünstigungen (nach § 16 i. V. m. § 34 EStG) in Anspruch zu nehmen (vgl. BFH-Urteil vom 1. Februar 1979 IV R 219/75, BFHE 127, 410, BStBl II 1979, 444).

2. Auch im Streitfall lagen hinsichtlich der an die Klägerin gezahlten Abfindung nach dem MühlStruG die Voraussetzungen für die Bildung eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens vor.

Die Klägerin erhielt als Stillegungsprämie für die nach dem MühlStruG zu erbringenden Stillegungs- und Unterlassungspflichten im Streitjahr 1972 (nach Abzug der Mehrwertsteuer) einen Betrag von 128 701,80 DM. Für diesen Betrag hat sie in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1972 nach § 152 Abs. 9 Nr. 2 AktG und § 5 Abs. 3 Nr. 2 EStG einen der Restdauer der Unterlassungspflichten entsprechenden passiven Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden. Demgemäß ist der Gewinn des Streitjahrs zu mindern. Wegen der Gewinnminderung ist die Gewerbesteuerrückstellung zu kürzen.

Da das FG von anderen rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen ist, unterliegt sein Urteil der Aufhebung. Der Gewinn ist nach Maßgabe der Urteilsgründe unter Abänderung des angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheids durch das FA neu zu errechnen und auf die Mitunternehmer der Klägerin zu verteilen (Art. 3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit).

 

Fundstellen

Haufe-Index 74355

BStBl II 1982, 655

BFHE 1983, 266

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