Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufwendungen für Arbeitszimmer als Berufsausbildungskosten; kein Aufteilungs- und Abzugsverbot

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Aufteilungs- und Abzugsverbot gemäß § 12 Nr.1 Satz 2 EStG gilt nicht beim Zusammentreffen von Werbungskosten und Sonderausgaben (Berufsausbildungskosten).

2. Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer können Berufsausbildungskosten i.S. des § 10 Abs.1 Nr.7 EStG sein.

 

Orientierungssatz

1. Der Gesichtspunkt der Vermischung von beruflich veranlaßten Kosten mit solchen der Lebensführung ist für § 12 Abs. 1 Satz 2 EStG nur insoweit zu beachten, als steuerlich nicht abziehbare Lebenshaltungskosten mit Werbungskosten/Betriebsausgaben zusammentreffen.

2. Bei der Promotion handelt es sich grundsätzlich um Berufsausbildung.

3. Als Aufwendungen für den Lebensunterhalt (hier: i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 5 EStG) kommen hauptsächlich die Kosten für Verpflegung, Unterkunft und Kleidung in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 21.8.1974 VI R 166/72; Literatur).

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 7, § 12 Nr. 1 S. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr wissenschaftlicher Mitarbeiter eines Universitätsinstituts mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden. Im Streitjahr bewohnte er mit seiner Verlobten eine 73,6 qm große Wohnung. Die Wohnung besaß drei Zimmer, Küche und Bad. Ein 14,6 qm großes Zimmer benutzte der Kläger als Arbeitszimmer; auf dieses Zimmer entfielen 1 311,71 DM anteilige Kosten.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) erkannte u.a. diese Kosten im Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich nicht als Werbungskosten an, weil der Kläger das Arbeitszimmer in nicht unerheblichem Maße für seine Promotion mitbenutzt habe. In Höhe von 641 DM berücksichtigte das FA die Kosten jedoch als Sonderausgaben. Dabei setzte es nicht den Höchstbetrag von 900 DM (§ 10 Abs.1 Nr.7 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―) an, weil der Betrag im übrigen durch andere Ausgaben ausgeschöpft war.

Die Klage hatte insoweit Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, daß zu den Werbungskosten auch die Aufwendungen des Steuerpflichtigen für ein häusliches Arbeitszimmer gehören, wenn dieses so gut wie ausschließlich beruflich genutzt wird. Werde es in mehr als untergeordnetem Maße privat mitbenutzt, so könnten die darauf entfallenden Aufwendungen insgesamt nicht abgezogen werden (§ 12 Nr.1 Satz 2 EStG). Das Aufteilungsverbot diene in erster Linie der steuerlichen Gerechtigkeit; der Steuerpflichtige solle nicht private Ausgaben nur deshalb, weil er einen entsprechenden Beruf habe, in einen einkommensteuerlich relevanten Bereich verlagern können. Daraus folge zugleich, daß das Abzugsverbot nicht eingreife, wenn die Aufwendungen für die private Nutzung aus anderen Gründen steuerlich absetzbar seien. Denn dann entfalle der Zweck des § 12 Nr.1 Satz 2 EStG. So sei es hier, da die Mitbenutzung des Arbeitszimmers zu Promotionszwecken in vollem Umfang nach § 10 Abs.1 Nr.7 EStG begünstigt sei. Eine sonstige private Mitbenutzung liege nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers nicht vor.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der dieses die Verletzung materiellen Rechts rügt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Zuzustimmen ist dem FG zunächst insoweit, als es stillschweigend davon ausgegangen ist, daß Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer Aufwendungen für die Berufsausbildung i.S. des § 10 Abs.1 Nr.7 EStG sein können. Zwar sind Kosten für den Lebensunterhalt nur bei auswärtiger Unterbringung abziehbar (§ 10 Abs.1 Nr.7 Satz 5 EStG). Um derartige Kosten handelt es sich hier jedoch nicht. Als Aufwendungen für den Lebensunterhalt kommen hauptsächlich die Kosten für Verpflegung, Unterkunft und Kleidung in Betracht (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 21.August 1974 VI R 166/72, BFHE 113, 440, BStBl II 1975, 79; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., § 10 EStG Anm.322). Ein als Arbeitszimmer genutzter Raum kann sich mit dem Bereich des Lebensunterhalts insoweit berühren, als er auch für privates Wohnen in Anspruch genommen wird. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Vielmehr hat der Raum im Streitjahr nach den Feststellungen des FG ausschließlich Promotionszwecken gedient, soweit er nicht im Rahmen des Arbeitsverhältnisses genutzt worden ist. Da es sich bei der Promotion grundsätzlich um Berufsausbildung handelt, sind auch die insoweit für ein Arbeitszimmer aufgewandten Kosten Aufwendungen für die Berufsausbildung des Steuerpflichtigen (gleicher Ansicht Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 10 EStG Anm.330 Stichwort Arbeitszimmer; Schmidt/Heinicke, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 9.Aufl. 1990, § 10 Anm.23).

Zutreffend hat das FG ferner angenommen, daß das sog. Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr.1 Satz 2 EStG für die Aufteilung von Kosten, die sowohl durch den Beruf als auch durch die Berufsausbildung veranlaßt sind, nicht gilt. Es hat zu Recht auf den Beschluß des Großen Senats vom 19.Oktober 1970 GrS 2/70 (BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17) hingewiesen, wonach diese Vorschrift verhindern will, daß private Ausgaben nur deshalb in einen einkommensteuerrechtlich relevanten Bereich verlagert werden dürfen, weil der Steuerpflichtige einen entsprechenden Beruf hat. Der Gesichtspunkt der Vermischung von beruflich veranlaßten Kosten mit solchen der Lebensführung ist damit für § 12 Abs.1 Satz 2 EStG nur insoweit zu beachten, als steuerlich nicht abziehbare Lebenshaltungskosten mit Werbungskosten/Betriebsausgaben zusammentreffen. Das ist hier nicht der Fall, weil die berührten Berufsausbildungskosten (im Rahmen von Höchstbeträgen) steuerlich abziehbar sind.

Daß das Aufteilungs- und Abzugsverbot bei der Aufteilung von Aufwendungen, die steuerbaren Einkünften einerseits und Sonderausgaben andererseits zuzuordnen sind, nicht gilt, hat der BFH auch bereits für die Abgrenzung von betrieblich zu außerbetrieblich veranlaßten Kontokorrentzinsen entschieden (Urteil vom 10.Juni 1986 IX R 11/86, BFHE 147, 318, BStBl II 1986, 894). Er hat dies u.a. mit der durch das Steueränderungsgesetz 1969 erfolgten Neufassung des Einleitungssatzes des § 12 EStG begründet, nach der Kosten der Lebensführung i.S. des § 12 Nr.1 EStG weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden dürfen, "soweit" in § 10 Abs.1 Nr.1, 2 bis 7, § 10b und §§ 33 bis 33b EStG nichts anderes bestimmt ist. Dem tritt der erkennende Senat bei (ebenso Drenseck, Der Betrieb ―DB― 1987, 2483, 2485; Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 10 Anm.22 b; Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 10 Anm.322; Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 13.Aufl., § 12 EStG Anm.12). Der Auffassung von Stephan (in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 15.Aufl., § 10 Rn.216), der § 12 Nr.1 Satz 2 EStG nur dann nicht eingreifen lassen will, wenn der nicht als Betriebsausgaben/Werbungskosten abziehbare Teil uneingeschränkt abziehbar ist, folgt der Senat nicht. Sie berücksichtigt nicht, daß das Aufteilungs- und Abzugsverbot nur im Verhältnis zu solchen Kosten der privaten Lebensführung gilt, die steuerlich nicht abziehbar sind.

Gilt das Aufteilungs- und Abzugsverbot im vorliegenden Zusammenhang aber nicht, so folgt daraus, daß die Aufwendungen für den als Arbeitszimmer geltend gemachten Raum entsprechend der anteilmäßigen Nutzung als Werbungskosten oder als Berufsausbildungskosten berücksichtigt werden konnten. Der Auffassung der Oberfinanzdirektion Köln (Verfügung vom 9.Februar 1987, Finanz-Rundschau 1987, 348), daß nur der mit dem Studium zusammenhängende Nutzungsanteil ―als Sonderausgaben― berücksichtigt werden könne, folgt der Senat ebenfalls nicht. Denn das Aufteilungs- und Abzugsverbot kann für das Verhältnis zweier Ausgabenarten zueinander nur einheitlich gelten oder nicht gelten. Es gäbe keinen Sinn, einen zulässigerweise für die Berufsausbildungskosten ermittelten Nutzungsanteil für die Abgrenzung zu den gleichzeitig vorhandenen Werbungskosten/Betriebsausgaben als nicht vorhanden zu betrachten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63143

BFH/NV 1990, 69

BStBl II 1990, 901

BFHE 160, 562

BFHE 1991, 562

BB 1990, 2024

BB 1990, 2024 (LT)

DB 1990, 1847-1848 (LT)

DStR 1990, 502 (KT)

DStZ 1991, 52 (KT)

HFR 1990, 622 (LT)

StE 1990, 315 (K)

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