Leitsatz (amtlich)

Leben Eheleute im Güterstand der Gütergemeinschaft und betreibt einer von ihnen einen Gewerbebetrieb, so ist der andere nicht Mitunternehmer, wenn im Gewerbebetrieb die persönliche Arbeitsleistung seines Ehegatten entscheidend in den Vordergrund tritt und im Betrieb kein nennenswertes, ins Gesamtgut fallendes Kapital eingesetzt wird.

 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 1; GewStDV § 1 Abs. 1; EStG § 15 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Pensionsrückstellungen, Pachtzahlungen und Löhne, die der Kläger und Revisonskläger (Kläger) in den Streitjahren 1962 bis 1965 an seine Ehefrau gezahlt hat, bei den Gewerbesteuermeßbetragsfestsetzungen gewinnmindernd berücksichtigt werden dürfen.

Der Kläger lebt mit seiner Ehefrau im Güterstand der Gütergemeinschaft. Er betrieb in den Streitjahren eine Klempnerei und einen Installationsbetrieb für Sanitärund Heizungsanlagen. In den Gewerbesteuererklärungen wies er jeweils gewerbliche Gewinne aus, die er um Rückstellungen für eine seiner Ehefrau zugesagte Pension sowie um Lohnzahlungen und Pachtzahlungen an seine Ehefrau gekürzt hatte. Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) bei den Einkommensteuerveranlagungen diese Beträge nicht als abzugsfähig anerkannt hatte, behandelte er diese auch in den nach § 35 b GewStG berichtigten Gewerbesteuermeßbescheiden nicht als gewinnmindernd.

Einspruch und Klage des Klägers hatten keinen Erfolg. Das FG folgte seinem Einwand, er sei Eigentümer des Betriebs und könne deshalb Gehaltszahlungen, Pachtzahlungen und Rückstellungen für seine Ehefrau mit steuerlicher Wirkung bei der Gewerbesteuer geltend machen, nicht. Das FG führte aus, für die Frage, wer Mitunternehmer sei, komme es nicht entscheidend darauf an, wer als Firmeninhaber eingetragen sei. Entscheidend sei, wer den Gesamtumständen und dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Beziehungen nach Unternehmerinitiative entwickeln könne und ein Unternehmerrisiko trage. Davon ausgehend habe der BFH im Urteil vom 1. März 1966 I 226/64 (BFHE 85, 181, BStBl III 1966, 277) entschieden, daß in Gütergemeinschaft lebende Ehegatten Mitunternehmer des zum Gesamtgut gehörigen Gewerbebetriebes seien. Beide Ehegatten seien am Vermögen einschließlich der stillen Reserven beteiligt. Da der Ertrag des Gewerbebetriebs in das Gesamtgut fließe und da für betriebliche Schulden das gesamte Betriebsvermögen wie auch das übrige Gesamtgut hafte, werde das Vermögen beider Ehegatten von der Chance des Gewinns wie von der Gefahr des Verlustes getroffen. Diese Grundsätze würden auch dann gelten, wenn auf Grund besonderer Vereinbarungen im Ehevertrag der Ehemann das Gesamtgut allein verwalte.

Mit seiner Revision rügt der Kläger unrichtige Anwendung der §§ 4, 15 EStG, des § 1 Abs. 2 und 3 StAnpG und der Art. 3 und 6 GG. Im Streitfall sei der Grundsatz von Treu und Glauben verletzt, weil das FA viele Jahre hindurch den ihm bekannten Sachverhalt in der Weise gewürdigt habe, daß es den Ehemann als Alleinunternehmer behandelt habe. Außerdem habe die Vorentscheidung die Auswirkungen der Gütergemeinschaft für die steuerrechtliche Beurteilung der Mitunternehmerschaft verkannt. Insbesondere könne nicht - wie im BFH-Urteil I 226/64 - von § 11 Nr. 5 StAnpG ausgegangen werden, der nur die Zurechnung von Wirtschaftsgütern, nicht aber die der Einkünfte regele. Der Auffassung, daß die Gütergemeinschaft nicht nur eine Vermögensgemeinschaft, sondern zugleich eine Nutzungsgemeinschaft (Gemeinschaft zur Erzielung von Einkünften) sei, könne nicht gefolgt werden. Dies widerspreche der wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Das Urteil des FG verstoße auch gegen Denkgesetze, wenn es zunächst von den Merkmalen des Mitunternehmers ausgehe, dann aber - ohne das Vorliegen dieser Merkmale besonders zu prüfen - annehme, in Gütergemeinschaft lebende Ehegatten seien immer Mitunternehmer. Dabei werde in unzulässiger Weise formal typisiert. Der BFH habe auch in anderen Fällen wiederholt - abweichend von der bürgerlich-rechtlichen Gestaltung - auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise abgestellt (vgl. BFH-Urteile vom 28. Februar 1961 I 25/61 U, BFHE 72, 689, BStBl III 1961, 252; vom 7. März 1961 I 287/60 U, BFHE 72, 693, BStBl III 1961, 253; vom 11. April 1961 I 129/60 U, BFHE 73, 231, BStBl III 1961, 352). Im Streitfall habe er - der Kläger - den Gewerbebetrieb seit Jahren auf eigene Rechnung und Gefahr geführt, er habe ein relativ geringes Betriebsvermögen zur Verfügung, der Nutzen und Erfolg seiner Tätigkeit beruhe in erster Linie auf seiner eigenen beruflichen Ausbildung als Handwerksmeister. In die von ihm getroffenen Entscheidungen rede seine Ehefrau nicht hinein. Ein besonderes Kapitalkonto für die Ehefrau sei nicht geführt worden. Nach außen sei er als Alleinunternehmer in Erscheinung getreten.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben und die streitigen Beträge gewinnmindernd zu berücksichtigen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

1. Der erkennende Senat kann den rechtlichen Überlegungen des FG, die im Streitfall zur Annahme einer Mitunternehmerschaft des Klägers und seiner Ehefrau geführt haben, in wesentlichen Punkten nicht folgen.

a) Wie der BFH im Gutachten vom 18. Februar 1959 VI D 1/58 S (BFHE 69, 5, BStBl III 1959, 263) dargelegt hat, kann die gleichmäßige Zurechnung von Einkünften eines Ehegatten, der mit dem anderen Ehegatten im Güterstand der Gütergemeinschaft lebt, nicht schon aus § 11 Nr. 5 StAnpG (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977) hergeleitet werden. Dem folgt auch der erkennende Senat. Er geht mit dem BFH-Gutachten VI D 1/58 S davon aus, daß güterrechtlichen Vereinbarungen von Eheleuten keine unmittelbare Wirkung für die Einkommensteuer beigemessen werden kann, sondern daß es darauf ankommt, ob die Eheleute im einzelnen Fall die gesetzlichen Voraussetzungen einer Einkunftsart nach § 2 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 13 bis 24 EStG erfüllen. Das trifft z. B. zu, wenn Eheleute zur Gütergemeinschaft gehörende Vermögensgegenstände gemeinschaftlich vermieten oder verpachten. Sie haben in diesem Fall Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG). Dagegen sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) oder aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG), die aus der persönlichen Arbeitsleistung eines Ehegatten herrühren, auch diesem Ehegatten allein zuzurechnen. Daß der andere Ehegatte über das Gesamtgut vom Ergebnis dieser persönlichen Arbeitsleistung seines Ehegatten betroffen wird, sei es daß die Einkünfte in das Gesamtgut fallen (§ 1416 BGB), sei es daß das Gesamtgut für die Verbindlichkeiten haftet (§ 1438 BGB), hat auf die Zurechnung der Einkünfte keinen unmittelbaren Einfluß.

b) Überträgt man diese Überlegungen auf die Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG, § 15 EStG, § 1 Abs. 1 GewStDV), so folgt daraus, daß nicht schon dann eine Mitunternehmerschaft (§ 15 Nr. 2 EStG) vorliegt, wenn einer der Ehegatten ein Handelsgewerbe betreibt, die Einkünfte daraus in das Gesamtgut fallen und das Gesamtgut für die Schulden haftet. Allerdings ist für die Annahme einer Mitunternehmerschaft nicht entscheidend, ob eine Person Gesellschafter im zivilrechtlichen Sinne ist. Einerseits ist nicht ohne weiteres jeder Gesellschafter Mitunternehmer im steuerrechtlichen Sinne, andererseits kann Mitunternehmer sein, wer nicht - noch nicht oder nicht mehr - Gesellschafter ist (vgl. im einzelnen BFH-Urteil vom 28. November 1974 I R 232/72, BFHE 114, 418, BStBl II 1975, 498). Mitunternehmer ist, wer eine gewisse Unternehmerinitiative entfalten kann und ein Unternehmerrisiko trägt. Eine bloß vermögensrechtliche Verbundenheit eines Ehegatten mit dem Gewerbebetrieb des anderen Ehegatten, wie sie durch das Gesamtgut begründet wird, enthält jedoch noch kein Unternehmerrisiko. Voraussetzung für eine Mitunternehmerschaft ist vielmehr, daß beide Ehegatten die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 GewStDV erfüllen, d. h., daß sie gemeinschaftlich eine selbständige, nachhaltige Betätigung ausüben, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Dabei ist allerdings - ebenso wie bei der atypischen stillen Gesellschaft und der atypischen Unterbeteiligung - ausreichend, daß nur einer der beiden Ehegatten nach außen auftritt.

c) Bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) wird gewöhnlich der Ertrag durch Einsatz von Betriebskapital und Unternehmertätigkeit erzielt. Da bei vereinbarter Gütergemeinschaft das Betriebskapital beiden Ehegatten gehört, erfüllen auch beide durch den Einsatz dieses Kapitals in einem Gewerbebetrieb die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 GewStDV. Eine Mitunternehmerschaft scheitert auch nicht etwa am Erfordernis der Unternehmerinitiative beider Ehegatten. Die Unternehmerinitiative hat bei den verschiedenen Formen der Mitunternehmerschaft unterschiedliches Gewicht, was insbesondere auch die gegenüber dem persönlich haftenden Gesellschafter einer KG geminderte Einflußmöglichkeit des Kommanditisten verdeutlicht (vgl. § 164 HGB). Betreibt der Ehemann handelsrechtlich das Gewerbe allein und verwaltet er zugleich das Gesamtgut, so folgt eine eigene Unternehmerinitiative der Ehefrau aus den Mitwirkungsrechten, die ihr nach den Vorschriften über die Gütergemeinschaft zustehen (§§ 1423 bis 1425 BGB), in Verbindung mit den Kontrollrechten, die insbesondere darin bestehen, daß der das Gesamtgut verwaltende Ehegatte den anderen Ehegatten über die Verwaltung zu unterrichten und ihm auf Verlangen über den Stand der Verwaltung Auskunft zu erteilen hat (§ 1435 BGB). Diese Unternehmerinitiative ist nicht schwächer als die eines (atypischen) Unterbeteiligten, der nach den Grundsätzen des BFH-Beschlusses vom 5. November 1973 GrS 3/72 (BFHE 112, 1, BStBl II 1974, 414) als Mitunternehmer anzusehen ist.

d) Je nach der Art des einzelnen Gewerbebetriebs können die Verhältnisse aber auch so liegen, daß die persönliche Arbeitsleistung des das Gewerbe handelsrechtlich allein betreibenden Ehegatten gegenüber dem beiden Eheleuten gehörenden Betriebskapital entscheidend in den Vordergrund tritt. Dies hat der IV. Senat des BFH im Urteil vom 7. Oktober 1976 IV R 50/72 (BFHE 121, 21, BStBl II 1977, 201) für den Regelfall bei einem selbständigen Handelsvertreter angenommen, und zwar auch dann, wenn die dem Gewerbebetrieb dienenden materiellen Wirtschaftsgüter, wie z. B. die Kraftfahrzeuge und die Büroeinrichtung sowie Geldforderungen, zum Gesamtgut gehören. Diese Beurteilung ist jedoch nicht auf den Handelsvertreter beschränkt. Entsprechendes kann vielmehr unter bestimmten Voraussetzungen auch für einen Handwerksbetrieb gelten. Anders ist es, wenn dieser z. B. auf einem Grundstück betrieben wird, das zum Gesamtgut gehört. Entscheidend muß sein, ob dem zum Gesamtgut gehörenden, im Gewerbebetrieb eingesetzten Betriebskapital eine ins Gewicht fallende Bedeutung zukommt.

2. Im Streitfall hat das FG keine Ermittlungen darüber angestellt, ob der Kläger in seinem Gewerbebetrieb Betriebskapital eingesetzt hat, das zum Gesamtgut gehört, und ob ggf. diesem Betriebskapital ins Gewicht fallende Bedeutung zukommt. Die Tatsache allein, daß der Kläger Pachtzahlungen an seine Ehefrau abziehen will, läßt noch nicht erkennen, zu welcher Vermögensmasse der Eheleute der "Verpachtungsgegenstand" gehört. Das FG wird diese Feststellungen nachholen.

Sollte das FG zur Annahme einer Mitunternehmerschaft gelangen, so käme dem Umstand, daß die Ehefrau möglicherweise bei früheren Gewerbesteuermeßbetragsfestsetzungen nicht als Mitunternehmer angesehen wurde, unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben keine Bedeutung zu. Das FA muß die steuerlichen Verhältnisse grundsätzlich für jeden Steuerabschnitt gesondert prüfen; hat es sich bei der Veranlagung früherer Jahre geirrt, so muß es diesen Irrtum sobald wie möglich richtigstellen. Daß die Eheleute bei früheren Veranlagungszeiträumen günstiger behandelt worden sind, als es den gesetzlichen Vorschriften entspricht, begründet keinen Anspruch darauf, eine unzutreffende Rechtsauffassung auch künftig beizubehalten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72476

BStBl II 1977, 836

BFHE 1978, 136

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