Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zufließen des Wertes eines vom Pächter errichteten Gebäudes beim Grundeigentümer.

Hat ein Beteiligter - Steuerpflichtiger oder Finanzamt - bei einem über mehrere Jahre laufenden Dauerrechtsverhältnis sich für ein steuerlich mögliches, ihm vorteilhaft erscheinendes Verfahren entschieden, so ist er auch für spätere Jahre an seine Wahl gebunden, solange kein wichtiger Grund die änderung des bisherigen Verfahrens gebietet.

 

Normenkette

EStG § 21/1, § 11/1, § 8 Abs. 2; StAnpG § 1/2

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige (Stpfl.) war Eigentümerin eines kriegsgeschädigten Grundstücks, in welchem Sie eine Zweigstelle ihres Einzelhandelsgeschäftes betrieb. Ende Dezember 1948 verpachtete sie den Grundbesitz mitsamt dem darin betriebenen Geschäft für zehn Jahre an eine AG; durch Option verlängerte die AG den Vertrag auf 15. Jahre. Die AG stellte zunächst den sogenannten Neubauteil des Grundstücks wieder her und im Jahre 1953 dann den Altbauteil. Die Jahrespacht betrug ab der Einbeziehung des Altbauteils 80.000 DM. Der AG war ein Vorkaufsrecht und beim Tode der Stpfl. ein Ankaufsrecht zu einem "angemessenen Preis" bestellt; dabei sollte der in den Büchern der AG durch Abschreibung noch nicht getilgte Teil der Baukosten auf den Kaufpreis angerechnet werden. Am 23. Juli 1957 verkaufte die Stpfl. zum 1. Januar 1958 den Grundbesitz an die AG. Das Pachtverhältnis sollte nur noch bis Jahresende 1957 bestehen bleiben. Den vereinbarten Kaufpreis rechnete die AG in Höhe des noch nicht abgeschriebenen Gebäudebestandes auf.

Das Finanzamt (FA) aktivierte in den Bilanzen der Stpfl., in denen das Geschäftsgrundstück weitergeführt war, die Aufwendungen der AG und stellte ihnen auf der Passivseite in gleicher Höhe des Ersatzanspruchs der AG einen Wertberichtigungsposten gegenüber. Während das FA am aktivierten Gebäude die Absetzung für Abnutzung (AfA) mit 3 v. H. (AfA-Satz für Warenhäuser) vornahm, schrieb es den Wertberichtigungsposten in Anlehnung an die AfA bei der AG nach der Dauer des Pachtvertrages mit einem höheren Satz ab. Dadurch bildeten sich entsprechende Gewinne. Als die Stpfl. ihr Geschäft zum 31. Dezember 1954 einstellte und dabei die Aktiven und Passiven in das Privatvermögen übernahm, kam es wegen der Gewinne der Jahre 1951 bis 1954 und wegen des Entnahmegewinns für das Grundstück zu einem Rechtsstreit, der vor dem Finanzgericht (FG) damit endete, daß die Beteiligten den Entnahmegewinn übereinstimmend mit 150.000 DM annahmen und es wegen des laufenden Gewinns aus dem Grundstück bei der Berechnungsmethode des FA beließen.

Das gegenwärtige Rechtsmittelverfahren betrifft die Miet- und Pachteinkünfte aus dem Grundstück nach § 21 EStG für die Jahre 1955 und 1957. In den Steuererklärungen stellte die Stpfl. den Pachteinnahmen von 80.000 DM die laufenden Werbungskosten gegenüber. Das FA setzte dem Ergebnis des Jahres 1955 entsprechend der früheren Bilanzbehandlung die anteilige Minderung des Ersatzanspruchs der AG bzw. für das Jahr 1957 wegen des Fortfalls des Ersatzanspruches dessen Rest hinzu. Andererseits berücksichtigte es - gleichfalls wie früher in den Geschäftsbilanzen - die AfA auf das Gebäude.

Mit der Berufung macht die Stpfl. geltend, die AG habe die Gebäude nur für ihre eigenen Zwecke aufgebaut; darüber hinaus seien nach den Vereinbarungen die von der AG noch nicht abgeschriebenen Aufbaukosten erst auf einen etwaigen Kaufpreis, nicht aber schon während des Laufes der Pacht anzurechnen.

Die Berufung blieb ohne Erfolg. Das FG führte aus, die Aufbauten seien mit der Errichtung nach § 94 Abs. 1 BGB in das Eigentum der Stpfl. übergegangen. Das Gebäude sei nicht nur zu einem vorübergehenden Zweck errichtet worden; die Verträge enthielten keine Verpflichtung der AG, bei Ende des Pachtvertrages die aufbauten zu beseitigen. Das Gebäude sei gleichzeitig im Interesse der AG und der Stpfl. selbst errichtet worden; denn die damals 60 Jahre alte verwitwete Stpfl. habe das kriegsgeschädigte Grundstück nicht brach liegen lassen, sondern aus ihm Nutzen ziehen wollen, ohne selbst dabei größere Geldmittel investieren zu müssen, während die AG auf dem günstig gelegenen Grundstück eine Verkaufsstätte errichten wollte. Der Sachverhalt liege wie bei der Entscheidung des BFH IV 196/53 U vom 15. Oktober 1953 (BStBl 1953 III S. 317, Slg. Bd. 58 S. 66). Wirtschaftliche habe die AG in Höhe ihrer Aufwendungen Baukostenzuschüsse an die Stpfl. geleistet, die sie unmittelbar an den Bauunternehmer gezahlt habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision (Rechtsbeschwerde), mit der unrichtige Rechtsanwendung und bei der Vertragsbeurteilung ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten gerügt wird, ist nicht begründet.

Ohne Rechtsverstoß nimmt das FG an, daß die Leistungen der AG für die überlassung des Grundstücks neben der jährlichen Barzahlung auch den Wert der Aufbauten umfaßten. Es ist nicht vereinbart, daß die AG die auf dem Pachtgrundstück errichteten Auf- und Zubauten wieder entfernen müßte. Die Abrede über die Anrechnung der bei der AG noch nicht "amortisierten" Aufbaukosten auf einen etwaigen Kaufpreis spricht klar dafür, daß das Gebäude nicht abgerissen, sondern der Stpfl. als Teil der Pachtleistung verbleiben sollte" erwarb die AG das Grundstück vor Ablauf der Pachtzeit, sollte der Teil des Gebäudes, der als Teil der Pacht von der Stpfl. noch nicht "verdient" war, zu einer entsprechenden Schmälerung des Kaufpreises führen. Wenn der Stpfl. auch diese vom FG aus den Verträgen rechtlich mögliche Feststellung nicht anerkennt, liegt in dieser Feststellung doch kein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten. Das FG hat nur den Vertrag anders gewürdigt als die Stpfl.

Da das Grundstück zum Betriebsvermögen der Stpfl. gehörte, mußte der Pachtvertrag einen buchmäßigen Niederschlag finden und zwar nicht nur hinsichtlich der Barpacht, sondern auch hinsichtlich des Anspruchs auf die bei Pachtende bestehenden, von der AG geschaffenen Bauten. Bei wirtschaftlicher Betrachtung wächst der Bestand an Bauten im Laufe der Pachtzeit der Stpfl. allmählich an. In die Buchführung wurden die Aufwendungen mit den Baukosten aufgenommen und ihnen dabei wegen der Anrechnungsverpflichtung ein Gegenposten in gleicher Höhe gegenübergestellt. Dadurch, daß das Gebäude entsprechend seiner betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von etwa 33 Jahren, der Gegenposten aber nach dem auf 10 bis 15 Jahre laufenden Satz abgeschrieben d. h. mit einem wesentlich höheren Satz abgeschrieben wurde, hätte bei Beendigung des Pachtvertrags nach 15 Jahren entsprechend den Abreden die Verpflichtung der Stpfl. nur noch 0 DM betragen, das Gebäude wäre dagegen mit etwa 55 v. H. der Baukosten in der Bilanz ausgewiesen. Diese buchmäßige Behandlung war eine mögliche Regelung der schwierigen Zuflußfrage. Die Stpfl. hat sich auch damit einverstanden erklärt, spätestens beim Vergleich vor dem FG in dem früheren Rechtsmittelverfahren. Die Regelung war der Stpfl. auch günstig, weil sich der Zuwachs bei ihr nur in Höhe der Baukosten der Jahre 1949 und 1953 vollzieht. Wollte man gemäß §§ 21 und 11 EStG einen Zufluß erst bei dem Ablauf des Pachtverhältnisses annehmen, so wäre gemäß § 8 Abs. 2 EStG von den zu dieser Zeit erheblich höheren Baukosten auszugehen.

Hat ein Steuerpflichtiger bei einem über mehrere Jahre laufenden wirtschaftlichen Vorgang für ein bestimmtes, steuerliches mögliches und ihm vorteilhaftes Verfahren sich entschieden, so darf er in späteren Jahren nicht davon abgehen, wenn ihm eine andere Methode günstiger erscheint. Das ergibt sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 1 StAnpG), der in gleicher Weise für die Behörden und die Steuerpflichtigen gilt. Ein Steuerpflichtiger setzt sich mit seinem eigenen früheren Verhalten in Widerspruch, wenn er bei wirtschaftlich gleicher Lage seine Rechtsauffassung ohne zureichenden Grund jeweils so einrichtet, wie es ihm steuerlich am vorteilhaftesten ist (Entscheidung des Senats VI 163/60 U vom 3. März 1961, BStBl 1961 III S. 191, Slg. Bd. 72 S. 525). So hat der BFH auch in seiner Entscheidung I 78/53 U vom 14. Juni 1955 (BStBl 1955 III S. 265, Slg. Bd. 61 S. 173) den sachlich unmotivierten übergang von der gleichbleibenden AfA auf die AfA in fallenden Jahresbeträge abgelehnt.

Nach der Entscheidung des Senats VI 308/61 S vom 4. Dezember 1962 (BStBl 1963 III S. 120, Slg. Bd. 76 S. 329) hat der Empfänger eines Baukostenzuschusses zwei steuerliche Möglichkeiten: Er kann den Zuschuß alsbald als Mieteinnahmen ansetzen mit der Folge, daß die AfA nach §§ 7 und 7 b EStG aus den vollen Baukosten berechnet wird. Er kann aber auch den Zuschuß als Mieteinnahmen außer Ansatz lassen; dann wird die AfA nur nach den eigenen Herstellungskosten (Ohne Baukostenzuschuß) bemessen. Der Vermieter hat seine Entscheidung ein für allemal im Jahre der Vereinnahmung des Baukostenzuschusses zu treffen; ein späterer Wechsel der Methode, wenn ihm der andere Weg günstiger erscheint, ist nicht zulässig (Entscheidung des Senats VI 164/64 vom 20. August 1965, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1966 S. 114). Von der gleichen Rechtsauslegung geht auch die Bundesregierung in Abschn. 42 a Abs. 3 EStR 1965 (BStBl 1966 I S. 515, 564) aus. Danach hat ein Steuerpflichtiger, der bisher für ein betriebliches Gebäude zulässig von der degressiven Absetzung nach § 7 Abs. 5 EStG 1965 Gebrauch gemacht hat, dieses Verfahren beizubehalten, auch wenn er das Gebäude in das Privatvermögen überführt.

Aus diesem Stetigkeitsgrundsatz ergibt sich hier, daß die Vorinstanz in den Streitjahren 1955 und 1957 die Erträge der Stpfl. aus dem Pachtvertrag zu Recht nach der gleichen Methode ermittelt haben, wie in den Jahren, in denen das Grundstück zum Betriebsvermögen der Stpfl. gehörte und die Pachterträge als Gewinne aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) angesetzt wurden. Daß die Erträge jetzt Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) sind, ist kein Anlaß von dem früheren Zurechnungsverfahren, das die Stpfl. selbst gebilligt hat, abzugehen. Die Zusammenballung des Zurechnungsbetrages für das Jahr 1957 ergibt sich daraus, daß mit dem Ablauf dieses Jahres der Kaufvertrag unter gleichzeitiger Beendigung des Pachtvertrages wirksam wurde und dadurch die Stpfl. von ihrer Ersatzverpflichtung gegenüber der AG frei wurde. Im übrigen hat die Stpfl. einen besonderen Vorteil daraus gehabt, daß das FA für das Jahr 1956 die Zurechnung versehentlich unterließ und eine Möglichkeit, diesen Fehler zu berichtigen, offenbar nicht besteht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412092

BStBl III 1966, 368

BFHE 1966, 142

BFHE 86, 142

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