Leitsatz (amtlich)

Ein Teilerlaß der Vermögensabgabe für die gesamte Restlaufzeit aufgrund eines in einem Konkursverfahren oder einem Vergleichsverfahren abgeschlossenen gerichtlichen Vergleichs schließt nicht grundsätzlich einen weiteren Erlaß wegen außerordentlichen Vermögensverfalls aus, der in Umständen begründet ist, die erst nach Abschluß des Vergleichs eingetreten sind.

 

Normenkette

AO § 131; LAG § 203 Abs. 5

 

Tatbestand

Der Kläger ist zu einem Vierteljahrsbetrag von 530,50 DM veranlagt worden. Er ist außerdem als Alleinerbe seines verstorbenen Vaters zur Zahlung eines Vierteljahrsbetrags von 4 225,75 DM verpflichtet. Im Oktober 1953 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen des Klägers und seines Vaters eröffnet. Das FA (Beklagter) stellte im Hinblick darauf beide Vermögensabgabeschulden fällig. Von den zur Konkurstabelle angemeldeten Vermögensabgabeforderungen waren X DM bevorrechtigt und wurden alsbald bezahlt. Im übrigen endete das Konkursverfahren 1958, nachdem der gerichtlich bestätigte Vergleich vom November 1953 erfüllt war. Aufgrund dieses Vergleichs erließ das FA die nichtbevorrechtigten Vermögensabgabeforderungen in Höhe von 50 v. H. Die danach noch verbleibende Vermögensabgabeschuld in gleicher Höhe wurde in der Weise verrentet, daß der Kläger aufgrund eigener Verpflichtung einen Vierteljahrsbetrag von 229,70 DM und als Erbe seines Vaters einen Vierteljahrsbetrag von 1 829,65 DM zu entrichten hatte.

Der Kläger beantragte, die von ihm für die Zeit vom 1. Juli 1956 bis 31. Dezember 1959 geschuldeten Vierteljahrsbeträge auf die Vermögensabgabe wegen eines weiteren außerordentlichen Vermögensverfalls zu erlassen. Nach seiner Aufstellung betrug sein Vermögen am 1. Juli 1956 = ./. 87 688 DM und am 31. Dezember 1959 = 249 445 DM. Das FA lehnte den Erlaß unter Hinweis auf Tz. 31 der Verwaltungsanordnung des BdF vom 19. Juli 1954 (BStBl I 1954, 380) ab.

Die Beschwerde an die OFD hatte keinen Erfolg.

Das FG hat die Klage abgewiesen.

Die Revision des Klägers rügt zunächst, das FG sei zu Unrecht mit der Begründung nicht mehr auf die Frage des Vermögensverfalls eingegangen, daß sich rechnerisch während des Erlaßzeitraums eine Vermögensmehrung ergebe. Es sei rechtsirrig, wenn es davon ausgehe, daß Vermögensumschichtungen während des Erlaßzeitraums nur zu Zurechnungen am Endvermögen führen könnten, dagegen nicht auch zu Abrechnungen. Durch die während des Erlaßzeitraums erfolgten Vermögensumschichtungen, nämlich den Verkauf von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und von Grundvermögen zur Erfüllung von Forderungen, seien nicht unbeträchtliche Buchgewinne durch den Unterschied zwischen den Einheitswerten und den verschiedenen Verkaufserlösen entstanden. Diese Buchgewinne müßten für die Beantwortung der Frage, ob ein Vermögensverfall eingetreten sei, außer Betracht bleiben; denn sonst werde Unvergleichbares miteinander verglichen. Die rein rechnerische Vermögensmehrung sei wirtschaftlich nicht eingetreten. Entsprechend dem Grundgedanken der Tz. 22 der Verwaltungsanordnung müsse diese rechnerische Vermögensmehrung für die Durchführung des Vermögensvergleichs ausgeschieden werden.

Die Revision rügt weiter, daß die uneingeschränkte Anwendung der Tz. 31 der Verwaltungsanordnung durch das FG zu einem Ermessensmißbrauch führe. Der BFH habe schon in seinem Urteil III 186/62 vom 25. November 1966 (BFH 87, 491, BStBl III 1967, 193) zum Ausdruck gebracht, daß Fälle denkbar seien, in denen nach Durchführung eines Vergleichsverfahrens oder eines Konkursverfahrens aufgrund später eintretender Umstände ein weiterer Billigkeitserlaß notwendig werden könne. Ein solcher Fall liege hier vor. Es sei unbillig, wenn ein späterer, nach dem Vergleich eintretender außerordentlicher Vermögensverfall nicht mehr berücksichtigt werden dürfe, nur weil der erste Erlaß im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs gewährt wurde. Denn insoweit würde jeder Abgabeschuldner, der keinen gerichtlichen Vergleich abgeschlossen habe, bessergestellt werden, weil bei ihm in jedem Erlaßzeitraum ein weiterer neu eintretender Vermögensverfall berücksichtigt werden könne. Außerdem müßte berücksichtigt werden, daß aufgrund des Vergleichs die bevorrechtigten Vermögensabgabeschulden voll erfüllt worden seien, die ohne den Vergleich auch am Erlaß teilgenommen hätten.

Der Kläger beantragt unter Abänderung des angefochtenen Urteils, der Beschwerdeentscheidung der OFD und der den Erlaß ablehnenden Verfügungen des FA dieses zu verurteilen, den beantragten Erlaß zu gewähren, hilfsweise die Sache zur erneuten Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Auf die Revision wird die Vorentscheidung aufgehoben.

Das FG brauchte dann nicht zu entscheiden, ob der Kläger nach Durchführung des Konkursverfahrens einen weiteren Vermögensverfall erlitten hat, wenn die Ablehnung des Erlasses durch das FA auch in diesem Fall nicht unbillig gewesen wäre.

1. Nach Tz. 31 der Verwaltungsanordnung ist ein Billigkeitserlaß wegen außerordentlichen Vermögensverfalls ausgeschlossen, wenn die Vermögensabgabe im gerichtlichen Vergleichsverfahren oder im Konkursverfahren ermäßigt worden ist. Diese Anweisung in der Verwaltungsanordnung beruht auf der Ermächtigung des § 203 Abs. 5 LAG, wonach die Anwendung des § 131 AO für die Ausgleichsabgaben durch besondere Verwaltungsanordnungen des BdF geregelt wird. Diese Verwaltungsanordnungen sind ihrer rechtlichen Qualität nach nicht Rechtsnormen, sondern Richtlinien für die Behörden der Finanzverwaltung zur einheitlichen und gleichmäßigen Anwendung des § 131 AO. Sie binden die Steuergerichte nicht. Hat die Behörde einen Erlaß von Leistungen auf die Vermögensabgabe abgelehnt, weil sie aufgrund der Anweisung des BdF für die betreffende Fallgruppe Billigkeitsgründe verneinte, so haben die Steuergerichte zunächst zu prüfen, ob sich die Anweisung des BdF im Rahmen der Billigkeit hält. Ist dies der Fall, so ist weiter zu prüfen, ob das FA bei Anwendung der Verwaltungsanweisung auf den Einzelfall die Grundsätze der Billigkeit beachtet hat (vgl. BFH-Urteile III 299/61 U vom 18. Dezember 1964, BFH 81, 666, BStBl III 1965, 239, und III R 9/69 vom 1. August 1969, BFH 97, 140, BStBl II 1970, 49).

Im Entscheidungsfall handelt es sich nicht um einen Erlaßantrag wegen eines außerordentlichen Vermögensverfalls, der zu einem Vergleichsverfahren oder Konkursverfahren geführt hat, sondern um einen weiteren Vermögensverfall, der nach der Behauptung des Klägers erst nach Abschluß des gerichtlichen Vergleichs eingetreten ist. Der Senat hat zwar mit Urteil III 186/62 vom 25. November 1966 (a. a. O.) entschieden, es sei unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn durch Tz. 31 der Verwaltungsanordnung ein Billigkeitserlaß wegen außerordentlichen Vermögensverfalls ausgeschlossen werde, der ohnehin schon zu einem Vergleichserlaß geführt habe. Denn sonst bestände die Gefahr, daß derselbe Anlaß sowohl zu einem allgemeinen Erlaß aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs als auch zu einem weiteren Erlaß wegen außerordentlichen Vermögensverfalls für den Teil der Vermögensabgabe führen würde, der aufgrund des Vergleichs noch zu erfüllen ist. Der Senat hat jedoch schon damals betont, daß Fälle denkbar seien, in denen nach Durchführung des Vergleichsverfahrens aufgrund später eintretender Umstände weitere Billigkeitsmaßnahmen notwendig werden könnten, deren Ablehnung unbillig sein könnte. Der Kläger will nach seiner Darstellung nicht den Vermögensverfall, der durch das Vergleichsverfahren bereinigt wurde, sondern einen erneuten, nach Abschluß des Vergleichs eingetretenen Vermögensverfall durch Billigkeitsmaßnahmen berücksichtigt wissen. Bei dieser Sachlage konnte das FG den beantragten Erlaß nicht mit der Begründung ablehnen, der weitergehende Vergleichserlaß schließe die Anwendung der Billigkeitsvorschriften wegen außerordentlichen Vermögensverfalls aus. Denn der Erlaß aufgrund des gerichtlichen Vergleichs und der vom Kläger beantragte Erlaß haben verschiedene Gründe.

2. Ein Billigkeitserlaß wäre allerdings dann nicht begründet, wenn der Kläger einen außerordentlichen Vermögensverfall überhaupt nicht erlitten hätte. Hierzu hat das FG aber keine Feststellungen getroffen. Die tatsächlichen Feststellungen reichen somit nicht aus, um die ausgesprochenen Rechtsfolgen zu rechtfertigen. Die Vorentscheidung muß deshalb aufgehoben werden (vgl. BFH-Entscheidung II R 36/67 vom 5. März 1968, BFH 92, 416, BStBl II 1968, 610). Die Sache ist nicht spruchreif. Sie wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Bei der erneuten Verhandlung hat das FG für die Entscheidung, ob der Kläger nach dem gerichtlichen Vergleich einen weiteren Vermögensverfall erlitten hat, das BFH-Urteil III R 9/69 vom 1. August 1969 (a. a. O.) zu beachten. Danach können für den hier maßgebenden Erlaßzeitraum vom Restvermögen wegen der Umschichtung von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen oder Grundvermögen in Bargeld (Forderungen) in der Regel Abrechnungen vorgenommen werden. Voraussetzung ist aber, daß die durch die Umschichtung entstandene rechnerische Vermögensmehrung wirtschaftlich im Restvermögen noch vorhanden ist. Der Senat stimmt dem Kläger zwar darin zu, daß der Vergleich zwischen der Höhe der aufgrund des Konkursverfahrens erlassenen Vermögensabgabeschuld und der Höhe der während des Erlaßzeitraums zu entrichtenden Vierteljahrsbeträge kein Maßstab für die Anwendung von Billigkeitsgrundsätzen ist. Jedoch muß die Tatsache, daß aufgrund des gerichtlichen Vergleichs ein Teil der Vermögensabgabeschuld für die gesamte Restlaufzeit bis 1979 erlassen wurde, bei der Ermittlung der Höhe des Vermögensverfalls dadurch berücksichtigt werden, daß das Ausgangsvermögen um den Betrag vermindert wird, für den die Vermögensabgabe aufgrund des gerichtlichen Vergleichs für die gesamte Restlaufzeit erlassen wurde.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69424

BStBl II 1971, 357

BFHE 1971, 297

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