Entscheidungsstichwort (Thema)

Erhöhung des Hinzurechnungsbetrages gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 AStG a.F. auch bei der Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die in § 12 Abs. 1 Satz 2 AStG a.F. angeordnete Erhöhung des Hinzurechnungsbetrages um die nach § 10 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 AStG a.F. abziehbaren Steuern wirkt sich auch auf die Ermittlung des Gewerbeertrages aus. Dass sich die der Erhöhung zu Grunde liegende Anrechnung der nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG a.F. abziehbaren Steuer nur auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer bezieht, hindert dieses Ergebnis nicht.

 

Normenkette

GewStG 1991 § 7; AStG § 10 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2, § 12 Abs. 1 S. 2; EG Art. 56 Abs. 1, Art. 57 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg (Urteil vom 02.12.2004; Aktenzeichen 8 K 385/01; EFG 2005, 470)

 

Tatbestand

I. Streitig ist, ob der Hinzurechnungsbetrag gemäß § 10 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 des Außensteuergesetzes in der für das Streitjahr 1994 maßgebenden Fassung (AStG a.F.) auch bei der Ermittlung des Gewerbeertrags für Zwecke der Gewerbesteuer gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 AStG a.F. aufzustocken ist, wenn der Steuerpflichtige einen Antrag i.S. des § 12 Abs. 1 Satz 1 AStG a.F. (auf Anrechnung der nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG a.F. abziehbaren Steuer) stellt.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, ist Rechtsnachfolgerin einer Kommanditgesellschaft (KG), die als Holdingunternehmen Organträgerin i.S. des Gewerbesteuerrechts war. Zu den Organgesellschaften gehörte im Streitjahr eine GmbH mit Sitz in der Bundesrepublik, die K-Holding GmbH, die wiederum zu 100 v.H. an einer AG, der I-Holding AG, mit Sitz in der Schweiz beteiligt war. Die I-Holding AG hielt ihrerseits Anteile in Höhe von mindestens 25 v.H. an verschiedenen ausländischen Gesellschaften. Die I-Holding AG war selbst nicht aktiv tätig, sondern bezog überwiegend Dividendenerträge aus Ausschüttungen der ausländischen Gesellschaften.

Das zuständige Finanzamt traf gegenüber der K-Holding GmbH für die I-Holding AG für das Streitjahr folgende Feststellungen gemäß § 18 AStG a.F.:

Hinzurechnungszeitpunkt

1.1.1994

Hinzurechnungsbetrag i.S. des § 10 AStG a.F.

651 475 DM

Ausschüttungen i.S. des § 11 Abs. 1 AStG a.F.

591 007 DM

Grundbetrag

60 468 DM

Steuern der Zwischengesellschaft i.S. des § 12 AStG a.F.

591 925 DM

Im Rahmen der Körperschaftsteuerveranlagung beantragte die K-Holding GmbH "die Anrechnung der von den Schweizer Zwischengesellschaften bezahlten Steuern nach § 12 AStG im Betrag von 591.925 DM". Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) folgte dem. Zugleich erhöhte er den Gewerbeertrag um den Betrag von 591 925 DM.

Das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg hat die gegen den Gewerbesteuermessbescheid gerichtete Klage mit seinem Urteil vom 2. Dezember 2004 8 K 385/01 (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 2005, 470) abgewiesen und die Revision zugelassen.

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision eine unzutreffende Auslegung des § 12 AStG a.F.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und den Gewerbesteuermessbescheid 1994 vom 1. August 2000 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31. Oktober 2001 dahin gehend zu ändern, dass der Gewerbeertrag der Organgesellschaften der Klägerin von 42 848 789 DM um 591 925 DM auf 42 256 864 DM herabgesetzt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Hinzurechnungsbetrag gemäß § 10 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 AStG a.F. auch bei der Ermittlung des Gewerbeertrags für Zwecke der Gewerbesteuer gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 AStG a.F. aufzustocken war, nachdem die Klägerin einen Antrag i.S. des § 12 Abs. 1 Satz 1 AStG a.F. (auf Anrechnung der nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG a.F. abziehbaren Steuer) gestellt hatte.

1. Gewerbeertrag ist nach § 7 des für das Streitjahr maßgebenden Gewerbesteuergesetzes 1991 (GewStG 1991) der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) oder des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG 1991 bezeichneten Beträge. Nach § 10 Abs. 2 Satz 2 AStG a.F. gehört der Hinzurechnungsbetrag zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb und ist der nach dem EStG oder KStG ermittelte Gewinn um einen Hinzurechnungsbetrag zu erhöhen, wenn ―wie im Streitfall― die Anteile an einer ausländischen Zwischengesellschaft i.S. der §§ 7 ff. AStG a.F. zum Betriebsvermögen eines unbeschränkt Steuerpflichtigen gehören. Dabei sind nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG a.F. die gemäß § 7 Abs. 1 AStG a.F. steuerpflichtigen Einkünfte bei dem unbeschränkt Steuerpflichtigen mit dem Betrag, der sich nach Abzug der Steuern ergibt, die zu Lasten der ausländischen Gesellschaft von diesen Einkünften erhoben worden sind, anzusetzen (Hinzurechnungsbetrag). Allerdings werden nach § 12 Abs. 1 Satz 1 AStG a.F. "auf Antrag des Steuerpflichtigen (…) auf seine Einkommen- oder Körperschaftsteuer, die auf den Hinzurechnungsbetrag entfällt, die Steuern angerechnet, die nach § 10 Abs. 1 abziehbar sind". Im Streitfall hat die Klägerin diesen Antrag auf Anrechnung der ausländischen Steuern nach § 12 Abs. 1 Satz 1 AStG a.F. wirksam gestellt.

2. Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 AStG a.F. ist "in diesem Fall (…) der Hinzurechnungsbetrag um diese Steuern zu erhöhen". Die Erhöhung beschränkt sich nicht auf jene Steuerart, bei der es tatsächlich zu einer Steueranrechnung kommt. Sie erstreckt sich deshalb auch auf die Gewerbesteuer.

a) Zwar unterschieden § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b AStG a.F. einerseits und § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AStG a.F. andererseits zwischen jenen Teilen des Hinzurechnungsbetrages, die im Rahmen sog. Schachteldividenden zum einen für die Körperschaftsteuer und zum anderen für die Gewerbesteuer einzubeziehen sind. Das könnte darauf hindeuten, dass sich die Anrechnung bei den jeweiligen Steuerarten unterschiedlich auswirkt (so z.B. Wassermeyer, Deutsches Steuerrecht 1975, 543, 544; ders. in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 12 AStG Anm. 23a). Der Umstand, dass es im Hinblick hierauf einer Sonderregelung bedurfte, weist indes eher darauf hin, dass der Hinzurechnungsbetrag im Regelfall unterschiedslos und einheitlich anzusetzen und lediglich ausnahmsweise in Teilbeträge aufzuteilen ist. Zwischenzeitlich wird dies dadurch bestätigt, dass § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AStG a.F. (durch das Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung ―StSenkG 2001/2002― vom 23. Oktober 2000, BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428) aufgehoben worden ist (ebenso z.B. Blümich/von Twickel, § 7 GewStG Rz. 108).

b) Vor allem aber lässt § 7 GewStG 1991 nicht erkennen, dass die Aufstockung gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 AStG a.F. für die Gewerbesteuer unbeachtlich wäre. Der Senat hält die Regelungslage vielmehr für zweifelsfrei. Sie entspricht der insoweit vergleichbaren Situation bei § 34c EStG sowie § 26 Abs. 2 bis 5 KStG a.F.: Berücksichtigt man nämlich, dass § 12 AStG a.F. bezweckt, eine Doppelbesteuerung durch antragsbezogenen "Durchgriff" anstelle der Ausschüttungsfiktion zu beseitigen, und § 12 AStG a.F. daher als Tarifvorschrift anzusehen ist, werden Gewinn und Gewerbeertrag hier wie dort durch die anrechenbaren Steuern beeinflusst (s. insoweit Krabbe in Lademann, EStG, § 12 AStG Anm. 7; Wurster, Steuer und Wirtschaft 1981, 351, 353; im Ergebnis auch: Bundesministerium der Finanzen ―BMF―, Schreiben vom 2. Dezember 1994, BStBl I 1995, Sonder-Nr. 1, Anlage 3 ―zu § 10, Schema I Zeile 9, 10 und Schema II/B Zeile 13, 14―; Burkert in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, § 12 AStG Rz. 16; Reiser in Wöhrle/Schelle/Gross, Außensteuergesetz, § 12 Anm. 4, Blümich/Menck, § 12 AStG Rz. 16; Mössner in Brezing/Krabbe/ Lempenau/Mössner/Runge, Außensteuerrecht, § 12 Rz. 3, 17; a.A. Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, a.a.O., § 12 AStG Anm. 23a; Lipps, Außensteuerrecht, 3. Aufl., Rz. 358; Baranowski, Besteuerung von Auslandsbeziehungen, 2. Aufl., Rz. 1074, 1076). Zugleich trägt dieses Ergebnis der gesetzgeberischen Zielsetzung Rechnung, "unangemessene Steuervorteile auszugleichen, ohne darüber hinausgehende Mehrbelastungen aufzuerlegen" (BTDrucks VI/2883, S. 29, dort Tz. 110). Denn es lässt sich ―unter bestimmten Fallannahmen― berechnen, dass die Einbeziehung des Aufstockungsbetrages im Rahmen der Gewerbesteuer zu einem Ergebnis führt, das der Steuerbelastung bei einem direkten Bezug der Einkünfte entspricht (s. das Rechenbeispiel von Burkert, a.a.O., § 12 AStG Rz. 16). Umgekehrt ist davon auszugehen, dass der Aufstockungsbetrag den Kürzungsumfang gemäß § 9 Nr. 7 GewStG 1991 erhöht, so dass bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift keine Belastung mit Gewerbesteuer eintritt (vgl. auch Blümich/Gosch, § 9 GewStG Rz. 315, m.w.N.; s. auch Abschn. 65 Abs. 1 Satz 3 der Gewerbesteuer-Richtlinien 1998 zu § 26 Abs. 2 bis 5 KStG a.F.). Dass das vom Senat für richtig gehaltene Regelungsverständnis dem Willen des Gesetzgebers entspricht, erweist sich schließlich an § 21 Abs. 7 Satz 3 AStG (i.d.F. des Art. 12 des StSenkG 2001/2002) bzw. an § 21 Abs. 7 Satz 4 Nr. 2 AStG (i.d.F. des Art. 5 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts ―Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz― vom 20. Dezember 2001, BGBl I 2001, 3858, BStBl I 2002, 35), indem dort die zeitliche Anwendung des § 12 AStG ausdrücklich für die Gewerbesteuer bestimmt wird. Darüber, ob die Einbeziehung der Aufstockungsbeträge (und damit ausländischer Zwischengewinne) in die Gewerbesteuer in Anbetracht des gewerbesteuerlichen Objektsteuercharakters und der prinzipiellen gewerbesteuerlichen Beschränkung auf inländische Gewinne (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1, § 9 Nr. 3 GewStG 1991) sachlich zwingend geboten war (vgl. dazu Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, a.a.O., § 10 AStG Anm. 58), ist angesichts dessen nicht zu entscheiden.

3. Wenn damit bei der Ermittlung des Gewerbeertrages nach § 7 GewStG 1991 der Erhöhungsbetrag des § 12 Abs. 1 Satz 2 AStG a.F. zu berücksichtigen ist, stehen diesem Ergebnis europarechtliche Bedenken nicht entgegen. Zwar gewährleistet Art. 56 Abs. 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EG), sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft ―ABlEG― 1997 Nr. C-340/1) die Freiheit des Kapitalverkehrs auch im Verhältnis zu Drittstaaten (wie im Streitfall der Schweiz). Auch kann die infolge der Hinzurechnungsbesteuerung ausgelöste Rechtsfolge der Steuerbelastung einen Eingriff in den Schutzbereich dieser Grundfreiheit darstellen (s. z.B. Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, a.a.O., Vor §§ 7 bis 14 AStG, Anm. 82.1 ff.; Rättig/Protzen, Internationales Steuerrecht ―IStR― 2003, 195, 198 f.). Nach Art. 57 Abs. 1 EG berührt Art. 56 EG jedoch nicht die Anwendung derjenigen Beschränkungen des Kapitalverkehrs mit dritten Ländern, die am 31. Dezember 1993 aufgrund einzelstaatlicher oder gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften für den Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien, mit der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten bestehen.

Bei §§ 7 ff. AStG a.F. handelt es sich um Vorschriften, welche am 31. Dezember 1993 in der hier maßgeblichen Fassung bereits bestanden. Die im Streitfall in Rede stehende Alleinbeteiligung der K-Holding GmbH an der Schweizer I-Holding AG ist als Direktinvestition i.S. von Art. 57 Abs. 1 EG anzusehen (allgemein Schönfeld, IStR 2005, 410, 411 f., m.w.N.). Die Freiheit des Kapitalverkehrs wird sonach durch §§ 7 ff. AStG a.F. eingeschränkt; der prinzipielle Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts tritt zurück. Ob Gleiches auch insoweit gilt, als sich die außensteuerrechtliche Hinzurechnungsbesteuerung allgemein auf jede Beteiligung an einer ausländischen Zwischengesellschaft erstreckt, kann für den Streitfall dahinstehen. Nationales Recht, das möglicherweise im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht steht, ist in Anbetracht der in Art. 57 Abs. 1 EG enthaltenen Einschränkung nicht per se unanwendbar. Es ist dies nur insoweit, als die zeitlichen und qualitativen Einschränkungsvoraussetzungen der Regelung nicht erfüllt sind (Schön in Gocke/Gosch/Lang, Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, Festschrift für Wassermeyer, 2005, S. 489, 494; Rättig/Protzen, IStR 2003, 195, 199). Dagegen gerichtete Einwendungen (vgl. Schönfeld, IStR 2005, 410, 412, 413) hält der Senat für nicht begründet. Etwas anderes lässt sich auch nicht dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 14. Dezember 1995 Rs. C-163/94 "Sanz de Lera" (EuGHE 1995, I-4821) entnehmen. Der EuGH hat darin (in Tz. 31 ff.) lediglich geprüft, ob die dort in Rede stehende nationale Regelung Direktinvestitionen betraf.

Der Senat erachtet die Gemeinschaftsrechtslage in diesem Punkt als eindeutig. Einer Vorlage an den EuGH gemäß Art. 234 Abs. 3 EG bedurfte es deshalb nicht (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81 "C.I.L.F.I.T.", EuGHE 1982, 3415).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1507573

BFH/NV 2006, 1386

BStBl II 2006, 555

BFHE 2007, 226

BFHE 212, 226

BB 2006, 1202

DB 2006, 1139

DStRE 2006, 807

DStZ 2006, 390

HFR 2006, 698

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