Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Neubewertung nach DMBilG im Rahmen des § 10e EStG

 

Leitsatz (amtlich)

Erwarb ein Steuerpflichtiger im Beitrittsgebiet vor dem 1. Juli 1990 ein Grundstück, auf dem er für eigene Wohnzwecke ein Haus errichten ließ, sind die Anschaffungskosten für Grund und Boden i.S. des § 10e EStG nicht gemäß § 9 Abs. 1 DMBilG neu zu bewerten.

 

Normenkette

EStG § 10e; DMBilG §§ 52, 9

 

Verfahrensgang

FG des Landes Sachsen-Anhalt (Dok.-Nr. 0146535; EFG 1998, 1398)

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) erwarben mit notariellem Kaufvertrag vom 2. Oktober 1989 im Beitrittsgebiet ein Grundstück für 504 Mark einschließlich Nebenkosten. Auf diesem Grundstück ließen sie im Streitjahr 1992 ein Wohnhaus errichten, das sie für eigene Wohnzwecke nutzen.

Im Rahmen ihrer Einkommensteuerveranlagung 1992 begehrten die Kläger eine Steuerbegünstigung nach § 10e des Einkommensteuergesetzes (EStG), wobei sie den Bodenwert aufgrund eines zum 30. Juli 1993 erstellten Gutachtens mit 83 727 DM angaben. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) ging hingegen von Anschaffungskosten für Grund und Boden in Höhe von 252 DM aus (Umrechnung 2:1 gemäß Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ―BMF― vom 31. Dezember 1994 IV B 3 -S 2225 a- 294/94, BStBl I 1994, 887, Tz. 46).

Die Klage hatte Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1998, 1398).

Das FA rügt mit seiner Revision Verletzung der §§ 10e EStG und 52 Abs. 2 des D-Markbilanzgesetzes (DMBilG) und beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage als unbegründet abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist aufzuheben. Die Klage ist abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).

Gemäß § 10e Abs. 1 EStG kann der Steuerpflichtige von den Herstellungskosten einer Wohnung in einem im Inland belegenen eigenen Haus oder einer im Inland belegenen eigenen Eigentumswohnung zuzüglich der Hälfte der Anschaffungskosten für den dazugehörigen Grund und Boden im Jahr der Fertigstellung und in den drei folgenden Jahren jeweils bis zu 6 v.H., höchstens jeweils 19 800 DM, und in den vier darauffolgenden Jahren jeweils bis zu 5 v.H., höchstens jeweils 16 500 DM wie Sonderausgaben abziehen.

1. Diese Vorschrift ist gemäß § 57 Abs. 1 EStG auf Tatbestände anzuwenden, die in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages (EinigVtr) genannten Gebiet nach dem 31. Dezember 1990 verwirklicht worden sind. Dies setzt allerdings nach Auffassung von Rechtsprechung und Verwaltung nicht voraus, dass der zur Wohnung dazugehörende Grund und Boden erst nach dem 31. Dezember 1990 erworben wurde. Grund und Boden werden vielmehr als unselbständiger Teil der nach § 10e Abs. 1 EStG geförderten Wohnung betrachtet mit der Folge, dass die Anschaffungskosten für Grund und Boden auch dann ―zur Hälfte― in die Bemessungsgrundlage des § 10e EStG eingehen, wenn der Steuerpflichtige diesen bereits vor dem 1. Januar 1991 erworben hat (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 29. März 1995 X R 36/94, BFHE 178, 124, BStBl II 1995, 828; Schreiben des BMF in BStBl I 1994, 887, Tz. 46).

2. Die Aufwendungen der Kläger für Grund und Boden gehen in Höhe von maximal 50 v.H. von 504 DM in die Bemessungsgrundlage nach § 10e Abs. 1 EStG ein.

Die Frage, ob die vor dem 1. Juli 1990 tatsächlich in Mark der DDR geleisteten Anschaffungskosten wie Forderungen und Verbindlichkeiten im Verhältnis 2:1 in DM umzustellen (Art. 7 § 1 der Anlage I zum Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. Mai 1990 ―VWWSU―, BGBl II 1990, 537, 549) oder als Vertragsbestandteil nach der Grundregel des Art. 2 der Anlage I zum VWWSU lediglich umzubenennen sind, muss im Streitfall mangels Entscheidungserheblichkeit offen bleiben. Auch bei einem Ansatz von 504 DM (statt bisher 252 DM) ergibt sich keine geringere als vom FA festgesetzte Steuer.

a) Anschaffungskosten sind gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG i.V.m. § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einem betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Zu den Anschaffungskosten gehören auch die Nebenkosten. Nach den insoweit bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) zahlten die Kläger für den Erwerb des Grundstücks einschließlich Nebenkosten 504 Mark.

b) Eine Neubewertung dieser Anschaffungskosten sieht § 52 i.V.m. § 9 DMBilG nicht vor.

Gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 DMBilG gelten bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln ―wie bei bilanzierenden Steuerpflichtigen―, als Anschaffungskosten der Wirtschaftsgüter, die spätestens am 1. Juli 1990 Anlagevermögen gewesen sind, die Werte, die sich in entsprechender Anwendung der §§ 7 bis 11 und 18 DMBilG ergeben. Danach sind Grund und Boden mit dem Verkehrswert anzusetzen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 DMBilG).

Gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 DMBilG ist diese Vorschrift auch auf Steuerpflichtige mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung oder mit anderen Einkünften nach §§ 17 und 22 EStG entsprechend anzuwenden. Eine Neubewertung findet danach nur statt, soweit ein Wirtschaftsgut im Rahmen eines Einkunftstatbestands eingesetzt wird. Da mit dem Wegfall der Nutzungswertbesteuerung die Nutzung der Wohnung im eigenen Haus grundsätzlich keiner Einkunftsart mehr unterfällt und die Übergangsregelung in § 52 Abs. 21 EStG im Streitfall nicht anwendbar ist (zur Anwendung im Beitrittsgebiet s. BFH-Urteil vom 21. Oktober 1997 IX R 29/95, BFHE 184, 466, BStBl II 1998, 142), nutzten die Kläger das Grundstück nicht im Rahmen einer in § 52 Abs. 2 DMBilG genannten Einkunftsart.

c) Entgegen der Auffassung des FG scheidet auch eine Neubewertung des Grundstücks in analoger Anwendung des § 52 Abs. 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 DMBilG aus.

Eine Gesetzesanalogie setzt eine planwidrige Gesetzeslücke voraus. Eine Gesetzeslücke liegt vor, wo das Gesetz, gemessen an seinem eigenen Ziel und Zweck, unvollständig, also ergänzungsbedürftig ist und eine Ergänzung nicht einer dem Gesetz gewollten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 184, 466, BStBl II 1998, 142; vom 8. Juni 1994 X R 51/91, BFHE 175, 76, BStBl II 1994, 779; vom 14. Dezember 1995 IV R 106/94, BFHE 179, 368, BStBl II 1986, 226; vom 16. März 1994 I R 146/93, BFHE 175, 22, BStBl II 1994, 941). Weder aus der Sicht des § 10e EStG noch des § 52 DMBilG eröffnet sich eine derartige planwidrige Gesetzeslücke.

§ 10e EStG dient der steuerrechtlichen Förderung der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung im eigenen Haus und der Vermögensbildung durch Wohneigentum (vgl. z.B. BTDrucks 10/3633, S. 10). Die Steuervergünstigung soll Anreiz zu einem bestimmten Verhalten des Steuerpflichtigen bieten, nämlich zur Anschaffung und/oder Herstellung von selbst genutzten Wohnungen (Schmidt/ Weber-Grellet, Einkommensteuergesetz, 18. Aufl., § 57 Rdnr. 1; Altehoefer in Lademann, Einkommensteuergesetz, § 57 Rdnr. 2). Die im Rahmen dieser Zielsetzung vom Steuerpflichtigen geleisteten Aufwendungen sollen daher in dem von § 10e EStG gezogenen Rahmen wie Sonderausgaben steuerliche Berücksichtigung finden. Begünstigt sind nur die tatsächlichen Aufwendungen des Steuerpflichtigen. Nicht Ziel und Zweck der Norm ist hingegen die steuerliche Begünstigung von tatsächlich nicht entstandenen Aufwendungen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 4. Dezember 1991 X R 89/90, BFHE 166, 346, BStBl II 1992, 295; vom 15. November 1995 X R 59/95, BFHE 179, 286, BStBl II 1996, 356, m.w.N.; Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 10e EStG Rdnr. 76).

Dem lässt sich nicht entgegen halten, dass auch den in § 52 DMBilG genannten Einkunftserzielern keine der Neubewertung entsprechenden Aufwendungen entstanden sein müssen. Die Neubewertung ist in den in § 52 DMBilG genannten Fällen deswegen gerechtfertigt, weil mit dem (neu zu bewertenden) Wirtschaftsgut auch künftig steuerpflichtige Einkünfte erzielt werden und der durch den Einsatz des Wirtschaftsgutes eintretende "Wertverschleiß" sich nach dem 30. Juni 1990 faktisch am Neuwert (§ 7 Abs. 1 Satz 1 BMBilG) orientiert. Die Abzugsbeträge des § 10e EStG sind hingegen nicht mit den Absetzungen für Abnutzung i.S. des § 7 EStG vergleichbar (BFH-Urteil in BFHE 166, 346, BStBl II 1992, 295; Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 10e EStG Rdnr. 73). Hinzu tritt im Streitfall die Besonderheit, dass Grund und Boden ohnehin zu den nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern gehören (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG) und daher auch bei den von § 52 Abs. 2 DMBilG erfassten Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 9 Abs. 1 Nr. 7 EStG) nicht neu zu bewerten sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 424911

BFH/NV 2000, 786

BStBl II 2000, 288

BFHE 2000, 390

BB 2000, 814

DB 2000, 805

DStR 2000, 727

DStRE 2000, 518

HFR 2000, 430

StE 2000, 226

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