Leitsatz (amtlich)

Bei Kapitalgesellschaften darf der nach § 10d EStG berücksichtigungsfähige Verlust der vorhergehenden Jahre durch die in den Verlustjahren geleisteten abzugsfähigen Spenden nicht gemindert werden.

 

Normenkette

EStG § 10d; KStG 1968 § 11 Nr. 5

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) - eine AG - hatte in den dem Streitjahr 1974 vorausgegangenen Geschäftsjahren Verluste erlitten. In ihrer Körperschaftsteuererklärung für 1974 begehrte die Klägerin den Abzug der in den Vorjahren noch nicht berücksichtigten Verluste der Jahre 1969, 1971 und 1972 im Gesamtbetrag von ... DM. In diesem Betrag waren in den Verlustjahren nach § 11 Nr. 5 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1968 berücksichtigungsfähige Spenden von insgesamt ... DM enthalten. Bei der Körperschaftsteuerveranlagung 1974 minderte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) den geltend gemachten Verlustabzug um die Spenden und veranlagte die Klägerin mit einem Einkommen von ... DM zur Körperschaftsteuer. Wegen der Minderung des Verlustabzugs um die Spenden erhob die Klägerin nach erfolglosem Einspruch Klage, der das Finanzgericht (FG) stattgab. Die Entscheidung ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1978 S. 98 (EFG 1978, 98) veröffentlicht.

Gegen die Entscheidung des FG wendet sich das FA mit dem Revisionsantrag, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Behörde rügt Verletzung materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Der nach § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG) berücksichtigungsfähige Verlust der Vorjahre darf durch die in den Verlustjahren geleisteten und nach § 11 Nr. 5 KStG abzugsfähigen Spenden nicht gemindert werden.

1. Der Verlustabzug (§ 10d EStG) ist auch bei der Ermittlung des der Körperschaftsteuer unterliegenden Einkommens zu berücksichtigen. Was als Einkommen gilt und wie es zu ermitteln ist, bestimmt sich nach dem Einkommensteuergesetz und den besonderen Vorschriften der §§ 7 bis 16 KStG (§ 6 Abs. 1 Satz 1 KStG). Nach § 2 Abs. 2 in der für das Streitjahr noch maßgeblichen Fassung des Einkommensteuergesetzes ist Einkommen der Gesamtbetrag der Einkünfte - bestehend aus den in Abs. 3 näher bezeichneten sieben Einkunftsarten - und nach Abzug der Sonderausgaben (§§ 10 bis 10d EStG).

a) Der Begriff des Gesamtbetrags der Einkünfte gilt somit auch für das Körperschaftsteuerrecht. Bei einer buchführungspflichtigen Handelsgesellschaft, zu der die AG gehört, sind jedoch alle aus einer der in § 2 Abs. 3 EStG genannten Einkunftsarten bezogenen Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren (§ 6 Abs. 1 HGB, § 3 des Aktiengesetzes 1965 - AktG 1965 -, § 16 der Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung 1968 - KStDV 1968 -; vgl. hierzu Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. Oktober 1976 I R 139-140/74, BFHE 120, 236, BStBl II 1977, 96; Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 21. März 1977 1 BvR 2/77, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1977 S. 256 - HFR 1977, 256 -, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Körperschaftsteuergesetz, § 6 Abs. 1 Satz 1, Allg. Rechtsspruch 205). Trotz dieses Umstandes brauchen nicht in jedem Fall der aus verschiedenen Einkunftsarten zusammengesetzte Gewinn (Verlust) aus Gewerbebetrieb einer Kapitalgesellschaft und der Gesamtbetrag der Einkünfte indentisch zu sein (vgl. BFH-Urteil vom 3. April 1962 I 196/59 U, BFHE 74, 685, BStBl III 1962, 254). Im Regelfall werden sich diese beiden Größen jedoch decken.

b) Vom Gesamtbetrag der Einkünfte sind nach dem System des Einkommensteuergesetzes die Sonderausgaben abzuziehen. Die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes, nach denen Sonderausgaben (§ 10) sowie bestimmte Beträge als Sonderausgaben (§§ 10a, 10b) oder wie Sonderausgaben (§ 10d) vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden können, begünstigen bestimmte Ausgaben unbeschränkt steuerpflichtiger natürlicher Personen, die anderenfalls, z. B. im Falle der in § 10 EStG genannten Aufwendungen, ferner der in § 10b EStG genannten abzugsfähigen Spenden, als sog. Lebenshaltungskosten nicht abzugsfähig wären (§ 12 EStG); im Falle des Abzugs nach §§ 10a, 10d EStG werden Sachverhalte aus dem betrieblichen Bereich unter den Sonderausgaben behandelt. Die Charakterisierung der Sonderausgaben als vornehmlich auf dem Gebiet der Einkommensverwendung liegender Aufwendungen bedeutet, daß Sonderausgaben nur Ausgaben sein können, die weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind. Auch bei Kapitalgesellschaften können Ausgaben im Bereich der Einkommensverwendung vorkommen. Häufig wird es sich um Aufwendungen handeln, die mit der Lebensführung ihrer Gesellschafter oder anderer Personen zusammenhängen. Wie diese Aufwendungen körperschaftsteuerrechtlich zu beurteilen sind, ist in der Entscheidung des Senats vom 7. Juli 1976 I R 180/74 (BFHE 119, 434, BStBl II 1976, 753, mit Rechtsprechungsnachweis) dargestellt. Dem Körperschaftsteuergesetz ist jedoch der Begriff der Sonderausgaben fremd (BFH-Urteil vom 19. Februar 1969 I R 90/66, BFHE 95, 542, BStBl II 1969, 493).

2. Wegen des Abzugs von Spenden verweist das Körperschaftsteuergesetz nicht auf das EStG (§ 10b), sondern es enthält eine eigene, wenn auch gleichlautende Regelung in § 11 Nr. 5 KStG. Die Vorschrift über den Spendenabzug bei Körperschaften gehört somit zu den Vorschriften über abzugsfähige Ausgaben, die in § 11 Nrn. 1 bis 5 KStG näher gekennzeichnet sind. Auf § 11 KStG wird in § 6 Abs. 1 Satz 1 KStG - der Vorschrift über die Ermittlung des körperschaftsteuerpflichtigen Einkommens - ausdrücklich Bezug genommen. Der Katalog der in § 11 KStG erwähnten abzugsfähigen Ausgaben enthält zum weitaus überwiegenden Teil Aufwendungen, die ihrer Natur nach bei einer Körperschaft unmittelbar den Gewinn beeinflussen und nicht erst vom Gesamtbetrag der Einkünfte - wie Sonderausgaben - abgezogen werden sollen (hinsichtlich der Abzugsfähigkeit der Emissionskosten nach § 11 Nr. 1 Buchst. a KStG vgl. das BFH-Urteil vom 14. Mai 1980 I R 138/77, BFHE 130, 509, BStBl II 1980, 600).

Die im Rahmen des § 11 Nr. 5 KStG abzugsfähigen Spenden werden verschiedentlich (Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 18. Aufl., § 11 KStG Anm. 5, 7, 96; Kießling/Becker, Körperschaftsteuerrecht, 5. Aufl., 1974 S. 158) als Ausgaben angesehen, die nur wie Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzugsfähig seien und damit einen vortragsfähigen Verlust nicht erhöhen dürften. Demgegenüber vertritt die Bundesregierung in Abschn. 31 Abs. 1 der Körperschaftsteuer-Richtlinien (KStR) 1969 die Auffassung, daß im Jahr der Entstehung des Verlustes auch die Vorschriften über abzugsfähige Ausgaben (§ 11 KStG) zu berücksichtigen seien (in Abschn. 37 Abs. 4 KStR 1977 ist nunmehr ausdrücklich gesagt, daß die abzugsfähigen Spenden in die Berechnung des abziehbaren Verlustes einzubeziehen sind). Dem ist zuzustimmen. Kapitalgesellschaften haben nur Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Gewinn aus Gewerbebetrieb und Einkommen stimmen bei ihnen weitgehend überein. Bei dieser Betrachtungsweise sind die in § 11 KStG zusammengefaßten Vorschriften über abzugsfähige Ausgaben wie Gewinnermittlungsvorschriften anzusehen. Die dort angeführten Ausgaben mindern den Gewinn oder erhöhen den Verlust, der auf spätere Veranlagungszeiträume vortragsfähig ist. So ist z. B. ein nach § 11 Nr. 4 KStG abzugsfähiger Sanierungsgewinn nicht mit einem Verlust zu verrechnen (BFH-Beschluß vom 15. Juli 1968 GrS 2/67, BFHE 93, 75, BStBl II 1968, 666). Bei weiteren, ebenfalls der Gewinnermittlung dienenden Vorschriften (§ 9 Abs. 1 KStG für steuerfreie Schachteleinnahmen; § 3a EStG und § 5 Abs. 3 Satz 3 des Gesetzes über die Investitionshilfe der gewerblichen Wirtschaft für steuerfreie Zinseinnahmen) hat der BFH ebenfalls dahin erkannt, daß die unter die genannten Vorschriften fallenden Einnahmen den abzugsfähigen Verlust nicht mindern dürfen (Urteile vom 28. Juli 1959 I 41/58 S, BFHE 69, 275, BStBl III 1959, 366 und vom 3. Juli 1963 I 276/61 S, BFHE 77, 394, BStBl III 1963, 464). Der Gewinnermittlung dienen mittelbar auch die Vorschriften des § 12 KStG über die nichtabzugsfähigen Ausgaben. Aus der Entscheidung vom 14. November 1968 I R 11/66 (BFHE 94, 243, BStBl II 1969, 140) ergibt sich nichts Gegenteiliges. Dort war allein das bei der Gewinnermittlung zu berücksichtigende Verbot des Abzugs in- und ausländischer Personensteuern (§ 12 Nr. 2 KStG) der Anlaß dafür, die in § 15 Nr. 2 KStDV 1968, § 51 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 1955 angeordnete Abzugsmöglichkeit ausländischer Einkommensteuer nur vom Gesamtbetrag der Einkünfte - wie Sonderausgaben - zu behandeln. Sonst wäre die Anwendung beider Vorschriften nicht miteinander zu vereinbaren gewesen.

In den Rahmen der abzugsfähigen und nichtabzugsfähigen Ausgaben (§§ 11, 12 KStG) ist die Vorschrift des § 11 Nr. 5 KStG über den Spendenabzug eingeordnet. Die abzugsfähigen Spenden mindern daher den körperschaftsteuerpflichtigen Gewinn und erhöhen einen vortragsfähigen Verlust. Der Senat wird in dieser Auffassung bestärkt durch die Behandlung der nach § 11 Nr. 5 KStG abzugsfähigen Spenden bei der Ermittlung des Gewerbeertrags für die Zwecke der Gewerbesteuer. Das Gewerbesteuergesetz (GewStG) geht offensichtlich davon aus, daß die von einer Kapitalgesellschaft geleisteten abzugsfähigen Spenden den nach den Grundsätzen des Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnden Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7 GewStG) gemindert haben. Diese Spenden werden nach § 8 Nr. 9 GewStG - mit Ausnahme der Spenden zur Förderung wissenschaftlicher Zwecke - dem Gewinn aus Gewerbebetrieb wieder hinzugerechnet.

3. Der Senat verkennt nicht, daß bei vorstehender Auslegung des Gesetzes Kapitalgesellschaften anders als natürliche Personen behandelt werden. Nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes kann bei natürlichen Personen ein vortragsfähiger Verlust aus Gewerbebetrieb, Land- und Forstwirtschaft oder selbständiger Arbeit nicht um die nach § 10b EStG abzugsfähigen Spenden erhöht werden, während das bei Kapitalgesellschaften aufgrund des § 11 Nr. 5 KStG der Fall ist. Diese unterschiedliche Behandlung führt aber nicht zu einer Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes). Das BVerfG hat offengelassen, ob dem geltenden Einkommensteuerrecht - wozu auch das Körperschaftsteuergesetz zu zählen ist - eine Sachgesetzlichkeit in dem Sinne innewohnt, daß der Gesetzgeber jegliche unterschiedliche Behandlung bei der Ermittlung des Einkommens natürlicher und juristischer Personen unterlassen müsse (vgl. Beschluß vom 7. November 1972 1 BvR 338/68, BVerfGE 34, 3, HFR 1973, 135). Jedenfalls ändern die Vorschriften des Körperschaftsteuergesetzes über die abzugsfähigen und nichtabzugsfähigen Ausgaben (§§ 11, 12 KStG) den für die Einkommensteuer natürlicher Personen und für Kapitalgesellschaften gleichermaßen anzuwendenden Einkommensbegriff inhaltlich nicht ab. Sie tragen lediglich der unterschiedlichen Natur der Steuerpflicht bei Einkommensteuerpflichtigen und Körperschaftsteuerpflichtigen Rechnung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74174

BStBl II 1982, 177

BFHE 1981, 308

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